Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 02. Sept. 2015 - 9 A 323/13

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2015:0902.9A323.13.0A
02.09.2015

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt im Wesentlichen die Feststellung des Bestehens eines (alten) Wasserrechts für die „…“ (im Folgenden: …).

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Der Kläger ist aufgrund einer Erbteilsüberlassung von Frau I... seit dem 12.07.2012 Miteigentümer diverser Grundstücke in der Gemarkung H..., u. a. der Flur, Flurstück, sowie der Flur, Flurstücke,,, und ; die Grundstücke sind im Grundbuch von H..., Blatt verzeichnet. Auf den nördlich der Landstraße … (von… nach …) belegenen Grundstücken befindet sich u. a. die …. Dabei handelt es sich um mehrere Gebäude, in denen ein Mühlenbetrieb stattfand. In einer Entfernung von ca. 500 m in westliche Richtung unterquert die S… die Landstraße. Nach der Unterquerung war in das Gewässerbett der S… zum Aufstauen ein Überfallwehr (Breite ca. 14,00 m; Höhe ca. 1,80 m) eingebracht, was beidseitig an Flügelmauern befestigt war. Unmittelbar davor war an die S... der Mühlengraben angebunden, der durch ein Schützentafelwehr abgesperrt bzw. geöffnet werden konnte. Der Mühlengraben verlief nördlich der Landstraße ... in östliche Richtung bis zur …. Vor dem Zulauf zum Mühlengebäude war nochmals ein Schieber in den Mühlengraben eingebracht, der bei seinem Schließen den Wasserabfluss Richtung S... bewirkte. Bei Öffnen des Schiebers gelangte das Wasser zum Mühlenrad, welches Turbinen für den Mühlenbetrieb antrieb. Danach wurde das Wasser wieder der S... zugeführt. Der eigentliche Mühlenbetrieb wurde ca. bis Mitte der 1970-er Jahre von Herrn W… ausgeübt. Nach dem Vorbringen des Klägers wurde der Getreidespeicher noch bis ca. Herbst 1987 vom VEB … genutzt. Das Überfall- und Schützentafelwehr wurden Anfang 1994 in Verantwortung des Staatlichen Amtes für Umweltschutz Magdeburg (STAU) nach einem Hochwasserereignis beseitigt. Ausweislich einer vom Staatlichen Amt für Umweltschutz unter dem 24.01.1994 gefertigten Niederschrift über die Aussprache „Wehranlage …“ verzichtete Frau …, die Witwe des im Jahre 1988 verstobenen Eigentümers der …, auf jeglichen Nutzungsanspruch. Sie stimmte zudem der Variante Altlaufnutzung, unter Umgehung des Überfallwehres und teilweiser Verfüllung des S...profils oberhalb der Wehranlage zu. Die näheren Umstände sowie der Richtigkeit der dortigen Angaben zum Zustand der Anlagen werden vom Kläger in Zweifel gezogen.

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Herr Herrn W ... verstarb im Jahre 1988 und Frau Ingeborg ... im Januar 2009. Da die Ehe kinderlos war, fiel die Erbschaft nach dem Tod von Frau Ingeborg ... bei den Kindern der Schwester ihres Mannes, Frau Emma ... (verh. A.), an, die eine ungeteilte Erbengemeinschaft bilden. Die Erbfolgen und der damit jeweils verbundene Übergang an (Eigentums-)Rechten sind zwischen den Beteiligten unstreitig.

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Mit einem bei dem Beklagten am 12.03.2009 eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger, ihm Auskunft aus dem Wasserbuch der S... im Bereich der S….. zu erteilen. Daraufhin teilte ihm der Beklagte mit Schreiben vom 17.03.2009 mit, dass in diesem Bereich nach den ihm vorliegenden Unterlagen keine Wasserrechte existierten und verwies ihn auf die Voraussetzungen für eine Gewässerbenutzung. Mit Schreiben vom 28.03.2009 stellte der Kläger – wohl im Namen der Erbengemeinschaft ... – unter Hinweis auf die nach seiner Ansicht noch nicht erloschenen Rechte sodann einen Antrag auf Bewilligung im Umfang des erloschenen Rechts. Diesen begründete er im Jahre 2010 erneut mit dem Fortbestand der alten Rechte unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt sowie des Bundesverwaltungsgerichts. Er legte die aus seiner Sicht relevanten Aspekte für das Entstehen und Bestehen sowie den Fortbestand eines Rechts zur Gewässerbenutzung für einen Mühlenbetrieb dar.

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Nachdem der Kläger dies mit Schreiben vom 19.01.2011 unter wiederholter bzw. erneuter Vorlage von Unterlagen bekräftigte, übergab der Beklagte den Vorgang zunächst zur Rechtsprüfung dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, das die von dem Beklagten vertretene Rechtsauffassung bestätigte.

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Mit hier streitigem Bescheid vom 15.09.2011 stellte der Beklagte daraufhin fest, dass ein Altrecht über die Gestattung der Benutzung der S... zum Betrieb der „S…“ nicht vorhanden ist (Ziffer 1), die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung nach § 38 WG LSA a. F. nicht vorliegen (Ziffer 2) und dass über den Antrag auf Erteilung einer neuen Bewilligung zur Benutzung der S... zum Betreiben einer Wasserkraftanlage am Standort „ s ...“ das Landesverwaltungsamt als obere Wasserbehörde entscheidet (Ziffer 3). Der Beklagte führt zur Begründung von Ziffer 1 u. a. aus, es sei bereits zweifelhaft, ob jemals ein Wasserrecht wirksam begründet worden sei; jedenfalls dürfte es nach den Wassergesetzen-DDR 1963 und 1982 nicht wirksam aufrechterhalten worden sein. Schlussendlich sei selbst beim Bestehen eines Rechts zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des WG LSA a. F. im Jahre 1993 dieses nicht rechtzeitig im Sinne von § 35 Abs. 2 WG LSA angemeldet worden, weshalb es jedenfalls im Jahre 2004 erloschen sei. Auch lägen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung nach § 38 WG LSA a. F. deshalb nicht vor, weil die danach einzuhaltende Frist für eine Antragstellung nicht eingehalten worden sei.

7

Dagegen legt der Kläger – im Namen der Erbengemeinschaft – mit Schreiben vom 02.10.2011 Widerspruch ein, in dem er seinen bisherigen Vortrag wiederholend vertieft. Den Widerspruch wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2013 zurück und begründete dies wie folgt:

8

Der Kläger sei gar nicht antragsbefugt, da er weder Mitglied der Erbengemeinschaft sei noch wirksam von ihr bevollmächtigt. Zudem sei nach den Vorschriften des am 01.04.2011 in Kraft getretenen Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt die Feststellung von Altrechten schon zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheides gar nicht mehr möglich gewesen. Auch sei weder die wirksame Begründung noch das Fortbestehen eines Altrechts nachgewiesen worden.

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Am 04.11.2013 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Ansprüche zugunsten der Erbengemeinschaft auf Fehlstellung eines vorhandenen Altrechts weiter verfolgt. Zur Begründung führt er aus, er sei zur Geltendmachung zugunsten der Erbengemeinschaft spätestens seit der Erbteilsübertragung am 23.04.2012 von Frau I..., die Mitglied der Erbengemeinschaft ... war, und die am 12.07.2012 im Grundbuch nachvollzogen wurde, berechtigt. Er begehre auch kein Recht nach § 38 WG LSA a. F., da das Altrecht zu keinem Zeitpunkt aufgegeben worden sei. Er stütze sich vielmehr ausschließlich auf § 35 WG LSA a. F. unter Berufung auf ein wirksam begründetes und aufrecht erhaltenes Altrecht. Es sei rechtswidrig, ihm die Einsicht in alte Wasserbücher nicht zu gewähren, weshalb er ausdrücklich die Offenlegung und Einsichtnahme in alle relevanten Dokumente beantragt/begehrt. Das Altrecht sei auch von Frau I… ... im Januar 1994 nicht aufgegeben worden. Denn die Erklärungen habe dies unter dem Eindruck des Hochwasserereignisses abgegeben und sei vom STAU übervorteilt worden. Sie habe die Tragweite ihrer Erklärung gar nicht beurteilen können. Das STAU sei zudem für die Entgegennahme der Erklärung gar nicht befugt gewesen. Für die Geltendmachung des Altrechts könne ihm auch nicht die Versäumnis der Frist nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WG LSA a. F. entgegen gehalten werden. Denn aus den Eintragungen in Abteilung II des Grundbuches ergäbe sich das Altrecht, weshalb eine Anmeldung wegen § 35 Abs. 2 Satz 3 WG LSA a. F. gar nicht erforderlich gewesen sei. Deshalb sei auch zunächst das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, damit ein Zivilgericht den Inhalt des im Grundbuch eingetragenen Rechts feststellen könne.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 15.09.2011 sowie des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 02.10.2013 zu verpflichten, festzustellen, dass zu Gunsten der Erbengemeinschaft ... ein altes Recht zum Aufstauen der S... und Ableiten des aufgestauten Wassers über den Mühlgraben zur s ... besteht,

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hilfsweise,

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den Beklagten zu verpflichten, der Erbengemeinschaft ... eine Bewilligung nach § 38 WG LSA a. F. in der Art des ihr zustehenden Wasserrechts zu erteilen.

14

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

16

Zur Begründung bezieht er sich auf die streitigen Bescheide.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.

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Die zulässige Klage ist mit ihrem Haupt- (1.) und Hilfsantrag (2.) unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte zugunsten der Erbengemeinschaft ... das Bestehen eines alten Wasserrechts feststellt bzw. eine Erlaubnis nach § 38 WG LSA a. F. erteilt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

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Der Kläger ist als Mitglied der Erbengemeinschaft ... klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Denn er macht die Ansprüche nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Erbengemeinschaft geltend, wozu aus § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB jeder Miterbe berechtigt ist (vgl. BVerwG, B. v. 20.10.1997 - 7 B 248/97 -, juris). Diese Rechtsstellung hat der Kläger spätestens seit der im Jahre 2012 wirksam gewordenen Erbteilsübertragung der Frau I... erlangt.

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1. Die Begründetheit des mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruchs richtet sich nach §§ 32 ff. WG LSA a. F. und besteht, wenn der Anspruch bis zum Außerkrafttreten dieser Vorschriften am 31.03.2011 entstanden war. An diesen Vorschriften ist der Anspruch auch im Lichte des am 01.03.2010 in Kraft getretenen Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) zu messen, da die in § 20 zu alten Rechten und Befugnissen enthaltenen Regelungen – jedenfalls bis zum Inkrafttreten des WG LSA 2011 – unter dem Vorbehalt landesrechtlicher Regelungen standen. Der an den Vorschriften des §§ 32 ff. WG LSA a. F. zu prüfenden Begründetheit des klägerischen Anspruchs steht – anders als das Landesverwaltungsamt im Widerspruchsbescheid ausführt – auch nicht entgegen, dass das WG LSA ab dem 01.04.2011 keine Regelung mehr zu alten Rechten enthält. Denn materiell-rechtliche Rechtsverhältnisse unterstehen in Bezug auf Wirkung und Inhalt dem Recht, das zu der Zeit galt, als sich ihr Entstehungstatbestand verwirklichte (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 15.03.2006 - 10 LB 7/06 -, juris). Anders gewendet: Allein der durch die Bearbeitung des Antrages auf Feststellung eines alten Rechts oder der Führung gerichtlicher Verfahren bedingte Zeitablauf und eine in diese Zeit fallende Rechtsänderung, führen nicht zum Untergang eines unter der Geltung des bisherigen Rechts begründeten Anspruchs.

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Zwar dürfte die erfolgreiche Geltendmachung des Anspruchs nicht an § 32 WG LSA a. F. scheitern (1.1.) Das insofern grundsätzlich überleitungsfähige alte Recht dürfte jedoch nachträglich untergegangen sein (1.2.). Darüber hinaus kann der Anspruch aufgrund eines diesbezüglichen Verzichts gar nicht mehr geltend gemacht werden (1.3.).

22

1.1. Nach § 32 WG LSA a. F. bleiben alte Rechte nur dann bestehen, wenn diese nach den Vorschriften der Wassergesetze der DDR vom 17.04.1963 (GBl. Teil I 1963, S. 55) – WG DDR 1963 – bzw. vom 02.07.1982 (GBl. Teil I 1982, S. 467) – WG DDR 1982 – erteilt oder in einem durch diese Gesetze geordneten Verfahren aufrechterhalten worden sind und wenn am 1. Juli 1990 rechtmäßige und betriebsbereite Anlagen zur Ausübung des Rechts oder der Befugnis vorhanden waren. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, können alte Rechte gar nicht in die neue Rechtsordnung überführt werden. Denn auch wenn die Vorschrift dies nicht ausdrücklich anordnet, erlöschen diese Rechte ansonsten (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005 - 7 C 8/04 -, juris).

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a) Sinn der Vorschrift des § 32 WG LSA a. F. ist es, eine Ausnahme von der Gestattungspflicht für die Benutzung eines Gewässers außerhalb des Allgemeingebrauchs zuzulassen. Die Gewässerbenutzung ohne eine unter der Geltung des WG LSA erteilten Erlaubnis oder Bewilligung setzt mithin u. a. voraus, dass diese auf Grund von Rechten oder Befugnissen, die nach dem Wassergesetz vom 17. April 1963 oder dem Wassergesetz vom 2. Juli 1982 aufrechterhalten worden sind, ausgeübt wird. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „aufrechterhalten“ ist in der Rechtsprechung ein differenzierter Befund festzustellen. Hat es die Rechtsprechung zunächst für ausreichend erachtet, wenn eine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Überprüfung der Wasserbenutzung in wasserrechtlicher Hinsicht stattgefunden hat (so noch OVG LSA, Urt. v. 06.05.2003 - 1 L 517/02 -, juris), hat das OVG LSA mit Urteil vom 08.12.2005 - 1 L 333/03 -, juris, die Auffassung vertreten, der in der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 15 WHG a. F. zum Ausdruck kommende Gesetzeszweck, welcher mit § 32 WG LSA a. F. umgesetzt worden ist, gebiete es trotz der Defizite, wie sie beim Vollzug der Wassergesetze DDR aufgetreten seien, ein altes Recht nur dann als aufrechterhalten anzusehen, wenn das Verfahren mit einer den Fortbestand des Rechts verfügenden Entscheidung abgeschlossen wurde. Da eine solche Rechtspraxis in der ehemaligen DDR regelmäßig nicht herrschte, muss § 38 WG LSA a. F. dafür herhalten, den Widerspruch zwischen der gesetzlichen Anknüpfung des § 32 WG LSA a. F. und der herrschenden Rechtspraxis auszugleichen.

24

Die Änderung der Rechtsprechung soll der auf das Urteil vom 06.05.2003 ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 14.04.2005 - 7 C 8/04 -) Rechnung tragen, in der es ausführt:

25

In dieser Auslegung [durch das OVG LSA 2003] ist § 32 WG LSA mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar.

26

Die nach § 379 Abs. 1 PrWG aufrechterhaltenen und in das Wasserbuch eingetragenen alten Wasserrechte sind Eigentum im Sinne des Grundgesetzes. Sie sind dem Berechtigten von der objektiven Rechtsordnung ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verantwortung zugeordnet. Dabei ist unerheblich, ob das hier in Rede stehende Recht ursprünglich öffentlich-rechtlich begründet worden ist. Zum einen waren die Umstände seines Erwerbs schon bei seiner Eintragung in das Wasserbuch nach dem Preußischen Wassergesetz nicht mehr feststellbar; das Recht ist vielmehr nach der Beweisregel der unvordenklichen Verjährung als bestehend angenommen worden. Zum anderen waren und sind zur Ausübung des Rechts umfangreiche Investitionen für die Errichtung und Erhaltung der erforderlichen Anlagen notwendig. Die geleistete Arbeit und den Einsatz von Kapital hat bereits das Preußische Wassergesetz anerkannt. Die aufrechterhaltenen alten Wasserrechte konnten nur gegen Entschädigung zurückgenommen oder beschränkt werden (§ 379 Abs. 5 PrWG i.V.m. § 84 PrWG).

27

Dass der Landesgesetzgeber in § 32 WG LSA unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen alter Rechte angeordnet hat, stellt allerdings keine Legalenteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG dar, die mangels einer vorgesehenen Entschädigung zur Verfassungswidrigkeit der Norm führen müsste. Art. 14 Abs. 3 GG ist nicht unmittelbar anwendbar, wenn der Gesetzgeber im Zuge der generellen Neugestaltung eines Rechtsgebiets bestehende Rechte abschafft, für die es im neuen Recht keine Entsprechung gibt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 - 1 BvR 929/89 - BVerfGE 83, 201 <211 f.>). Darum geht es hier. Der Gesetzgeber hat bereits mit dem Wasserhaushaltsgesetz, das aufgrund des Einigungsvertrages für das Gebiet der DDR in Kraft gesetzt wurde, das Recht neu gestaltet, Gewässer über den Gemeingebrauch hinaus zu nutzen. Von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, können derartige Rechte oder Befugnisse künftig nur noch durch eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung erworben werden. Die bis dahin bestehenden vielfältigen anderen Rechte, die derartige Nutzungen erlaubten, finden im neuen Recht keine Entsprechung.

28

Greift der Gesetzgeber bei der Umgestaltung eines Rechtsgebiets in bisher bestehende Rechte ein, liegt darin vielmehr eine neue Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, deren Verfassungsmäßigkeit an Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen ist. Der Gesetzgeber darf dabei die nach altem Recht begründeten Rechte der Neuregelung angleichen, selbst wenn dabei die bisher mit dem Recht verbundenen Befugnisse eingeschränkt werden. Selbst die völlige Beseitigung bisher bestehender, durch die Eigentumsgarantie geschützter Rechtspositionen ist ihm nicht ausnahmslos verwehrt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 - 1 BvR 929/89 - BVerfGE 83, 201 <212>).

29

Voraussetzung der Zulässigkeit eines Eingriffs in bestehende Rechtspositionen durch eine gesetzliche Neuregelung ist zunächst, dass die Neuregelung als solche, unabhängig von der Frage der Beseitigung oder Einschränkung bestehender Rechtspositionen, verfassungsmäßig ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 - 1 BvR 929/89 - a.a.O.). Das liegt hier auf der Hand. Der Gesetzgeber darf im öffentlichen Interesse einer geordneten Bewirtschaftung des Wassers die Nutzung der Gewässer über den Gemeingebrauch hinaus von einer vorherigen hoheitlichen Zulassung in Form einer Erlaubnis oder Bewilligung abhängig machen.

30

Die Beseitigung oder Umgestaltung bestehender Rechtspositionen ist aber noch nicht deshalb verfassungsgemäß, weil das künftige Recht verfassungsgemäß ist. Der Eingriff in die nach früherem Recht entstandenen Rechte muss vielmehr darüber hinaus durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Die Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen Eingriff sprechen, müssen so schwer wiegen, dass sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines Rechts, das durch die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gesichert wird. Selbst wenn Art. 14 Abs. 3 GG nicht unmittelbar eingreift, ist das darin zum Ausdruck kommende Gewicht des Eigentumsschutzes bei der vorzunehmenden Abwägung zu beachten, da sich der Eingriff für den Betroffenen wie eine (Teil- oder Voll-)Enteignung auswirkt. Der Gesetzgeber muss danach die Umgestaltung oder Beseitigung eines Rechts zwar nicht durchweg mit einer Entschädigungs- oder Übergangsregelung abmildern. Die völlige, übergangs- und ersatzlose Beseitigung einer Rechtsposition kann jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommen. Durch das bloße Bedürfnis nach Rechtseinheit im Zuge einer Neuregelung wird sie nicht gerechtfertigt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Januar 1991 - 1 BvR 929/89 - a.a.O. <212 f.>).

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Es bestand allerdings ein öffentliches Interesse, die auf alten Rechten beruhenden Benutzungen der Gewässer dem Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren der öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung zu unterstellen. Das Wasserhaushaltsgesetz und in seiner Ausfüllung das Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt verfolgen das berechtigte Anliegen, für die Zukunft eine geordnete Bewirtschaftung des zur Verfügung stehenden Wasserschatzes und eine Verminderung der für das Wasser bestehenden Gefahren sicherzustellen. Dieses für die Bevölkerung und die Gesamtwirtschaft lebenswichtige Ziel hätte kaum erreicht werden können, wenn die bis dahin weder registrierten noch auf ihre wasserwirtschaftliche Unbedenklichkeit geprüften Eingriffe in den Wasserhaushalt auf Dauer hätten fortgeführt werden dürfen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 - BVerfGE 58, 300 <351> für die entschädigungslose Beseitigung alter Eigentümernutzungen).

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Hieran anknüpfend hat der Gesetzgeber grundsätzlich das Bestandsinteresse des Eigentümers ausreichend gewahrt, wenn er nur die alten Rechte aufrechterhält, bei deren Erteilung oder Aufrechterhaltung eine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Überprüfung der Wasserbenutzung in wasserrechtlicher Hinsicht stattgefunden hat (vgl. zu § 15 Abs. 1 WHG Urteil vom 22. Januar 1971 - BVerwG 4 C 94.69 - BVerwGE 37, 103 <105>). Damit soll die gesetzliche Neuordnung nur für die Gewässernutzungen durchgesetzt werden, deren wasserwirtschaftliche Unbedenklichkeit nicht überprüft ist.

33

Ebenfalls kann nicht schon grundsätzlich beanstandet werden, dass der Landesgesetzgeber mit § 32 WG LSA abweichend von § 15 Abs. 1 WHG eine Überprüfung nach früherem Landesrecht nicht ausreichen lässt, sondern eine Überprüfung auf der Grundlage der Wassergesetze der DDR verlangt. Wegen des zeitlichen Abstands zu den früheren Landesrechten und den seither weiter gewandelten Anforderungen an den Wasserhaushalt ist es jedenfalls im Ansatz gerechtfertigt, den Bestandsschutz auf die alten Rechte zu beschränken, die nach den unmittelbar vorausgehenden wasserrechtlichen Vorschriften begründet oder aufrechterhalten worden sind.

34

In der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts kann diese Vorschrift aber den Bestandsschutz in einer Weise beschränken, die mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr vereinbar ist. Die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts lässt es zu, dass die bis dahin fortbestehenden alten Rechte flächendeckend und ersatzlos erlöschen.

35

Die Wassergesetze der DDR wären nur dann ein geeigneter und damit verhältnismäßiger Anknüpfungspunkt für die Entscheidung über den Fortbestand alter Rechte, wenn sie sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihrer regelmäßigen praktischen Handhabung zu einer (nachvollziehbaren) Überprüfung der alten Rechte auf ihre materielle Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserhaushalts geführt hätten. Nur dann könnten sie ohne weiteres die Filterfunktion erfüllen, die ihnen nach der Konzeption des § 32 WG LSA zukommt, nämlich ohne eigene (erneute) Prüfung zwischen solchen Rechten zu unterscheiden, die wegen ihrer schon nachgewiesenen materiellen Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserhaushalts fortbestehen können, und solchen Rechten, die mangels dieser (schon nachgewiesenen) Vereinbarkeit ersatzlos beseitigt werden sollen.

36

Konnten die Wassergesetze der DDR jedenfalls nach ihrer seinerzeitigen regelmäßigen praktischen Handhabung diese Unterscheidung nicht leisten, wie das Oberverwaltungsgericht bei seiner Auslegung des § 32 WG LSA hinnimmt, durfte der Gesetzgeber nicht davon ausgehen, dass aufgrund seiner Übergangsregelung nur die alten Rechte ersatzlos erlöschen, deren materielle Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Wasserhaushalts schon in der Vergangenheit nicht hat nachgewiesen werden können. In der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts bewirkt die Vorschrift vielmehr ein unterschiedsloses Erlöschen aller alten Rechte, die nach den Wassergesetzen der DDR kraft Gesetzes und ohne Überprüfung im Einzelfall fortbestanden haben. Mit diesem Inhalt enttäuscht die Vorschrift das Vertrauen des Inhabers dieser Rechte, dass er die zugelassene Nutzung der Gewässer auch weiter ausüben kann, und zwar unabhängig davon, ob er nach dem Ende der DDR ausgehend vom Fortbestand der Berechtigung Investitionen zur Erhaltung oder Modernisierung der zu ihrer Ausübung erforderlichen Anlagen vorgenommen hat. …

37

Danach ist die bisher für die Klageabweisung gegebene Begründung mit Bundesrecht nicht vereinbar. Ob das angefochtene Urteil im Ergebnis mit Bundesrecht in Einklang steht, kann nicht abschließend beurteilt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat - nach seiner Rechtsauffassung konsequenterweise - nicht geprüft, ob die Klage deshalb insgesamt oder teilweise unbegründet ist, weil am 1. Juli 1990 keine rechtmäßigen Anlagen zur Ausübung der alten Wasserrechte vorhanden waren. Das Oberverwaltungsgericht wird dies aufzuklären haben und/oder das Übergangsrecht der §§ 32 ff. WG LSA daraufhin auszulegen haben, ob sich aus ihm insgesamt eine Übergangsregelung ergibt, die vor den Anforderungen der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG bestehen kann. …

38

Die vom OVG LSA in seiner Entscheidung vom 08.12.2005 vertretene Rechtsauffassung hier angewandt, bliebe die Klage schon aus diesen Gründen ohne Erfolg. Denn eine ausdrückliche, die seinerzeit bestehende Rechte aufrechterhaltende Entscheidung von Stellen der DDR ist nicht bekannt. Zwar ist Herr ... mit Schreiben der Wasserwirtschaftsdirektion Mittlere Elbe-Sude-Elde vom 26.03.1968 aufgefordert worden, die Nutzungsrechte wegen § 50 WG DDR 1963 anzumelden. Ein Ergebnis liegt jedoch nicht vor. Mit Schreiben vom 14.10.1969 hat zwar dieselbe Stelle Herrn ... Auflagen zur Winterfestmachung seiner Anlagen erteilt; daraus kann jedoch allenfalls die Schlussfolgerung gezogen werden, Herr ... habe die Anmeldung vollzogen.

39

Es dürften jedoch gewichtige Gründe dafür sprechen, der jüngeren Auffassung des OVG LSA nicht zu folgen. Denn die aus Artikel 14 Abs. 1 GG vom Bundesverwaltungsgericht abgeleitete Anforderung an die Auslegung von „Überleitungsrecht“ (hier: § 32 WG LSA a. F.) muss gewährleisten, dass die in der Rechtswirklichkeit der DDR fortbestehenden (alten) Rechte nunmehr nicht „flächendeckend als gar nicht überleitungsfähig“ anzusehen sind. Genau das würde jedoch eintreten, wenn man mit der Entscheidung des OVG LSA vom 08.12.2005 die Anforderung stellen würde, nur die Rechte seien überhaupt in die neue – ab 1993 geltende – Rechtsordnung überleitungsfähig, die durch eine (ausdrückliche) Entscheidung von Stellen in der DDR aufrechterhalten wurden und gleichzeitig zu der Erkenntnis gelangt, eine solche Rechtspraxis sei gar nicht geübt worden. Insofern dürfte eine verfassungskonforme Auslegung von § 32 WG LSA a. F. in der Weise geboten sein, die der Rechtspraxis in der DDR gerecht wird. Anders dürfte das gesamten Normengefüge der §§ 32 ff. WG LSA a. F. auch nicht zu verstehen sein. Dies auch deshalb, weil bei einer solchen Auslegung ansonsten § 38 WG LSA a. F. herangezogen werden müsste, der nun wahrlich anderen Zwecken diente. Denn damit sollte lediglich den früheren Inhabern von alten Rechten ein Anspruch auf Bewilligung im Umfang eines erloschenen Rechts verschafft werden, wenn sie unverschuldet zu DDR-Zeiten die Überleitung des Rechts nicht in der Lage waren zu bewirken (vgl. auch BVerfG, B. v. 24.02.2010, 1 BvR 27/09, juris, das diesen Weg allein zur Vermeidung von Härtefällen anspricht [z. B. wasserwirtschaftliche Anlage kurz vor dem 01.07.1990 verstört und kurz danach erneut errichtet]).

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b) Es sprechen gewichtige Gründe dafür, dass ein altes Recht für die Gewässerbenutzung der S... in dem vom Kläger beschriebenen Umfang noch unter der Geltung der Wassergesetze-DDR bestanden hat und dass am 01.07.1990 die zur Ausübung des Rechts notwendigen Anlagen betriebsbereit waren.

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Die Vorschrift des § 32 WG LSA a. F. nimmt Bezug auf § 50 Abs. 1 WG DDR 1963 bzw. § 46 WG DDR 1982. Beide Vorschriften treffen hinsichtlich bestehender Nutzungsrechte Regelungen in der Weise, dass diese bestehen bleiben, jedoch den seinerzeit geltenden Bestimmungen unterliegen. Es dürfte nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass dem jeweiligen Eigentümer der Grundstücke, auf dem die s ... betrieben wurde, das Recht eingeräumt war, die S... in der Weise zu nutzen, in dem er das Wasser durch Schließen des Überfallwehres – bis auf eine dadurch bedingte Höhe – anstaut, sodann durch das geöffnete Schützentafelwehres über den Mühlengraben der s ... zuführt und danach wieder der S... zuleitet. Zwar gibt es über die Verleihung dieses Rechts keine Nachweise. Es sprechen jedoch gewichtige Indizien für das Bestehen des Rechts. So dürfte das Herzogliche Bezirksverwaltungsgericht für den Bezirk Ballenstedt in seiner Sitzung vom 03.10.1902 ausweislich der vorliegenden Protokollabschrift davon ausgegangen sein, dass der damalige Mühlenbesitzer widerspruchsbefugt gegen die flussaufwärts durch die Anhaltischen Blei- und Silberwerke durchgeführte Anstauung der S... ist, weshalb diesbezügliche Regelungen in der Form eines Vergleichs protokolliert wurden. Mit Inkrafttreten des auch im Gebiet der o. a. Grundstücke geltenden Preußischen Wassergesetzes vom 07.04.1913 (WG- Pr) am 01.05.1914 wurden nach § 379 Abs. 2 WG-Pr bestehende Rechte jedenfalls dann aufrechterhalten, wenn am 01.01.1912 rechtmäßige Anlagen vorhanden waren. Der Entstehungsgrund für das Recht war allumfassend und umfasste auch Rechte, deren Entstehung auf Privatrecht beruhte bzw. aufgrund unvordenklicher Verjährung auszugehen war (vgl. Holtz-Kreuz, Das Preußische Wassergesetz, Kommentar, Berlin 1931, § 379 Rn 8 ff.). Die fortdauernde Aufrechterhaltung setzte jedoch einen Antrag auf Aufnahme in das Wasserbuch voraus, der innerhalb von 15 Jahren nach Inkrafttreten der WG-Pr, mithin bis zum 30.04.1929 gestellt werden musste; ansonsten erloschen auch diese Rechte. Über diese Umstände ist nichts bekannt. Es ist für die Kammer jedoch kaum denkbar, dass das Recht erlosch, da es für den Mühlenbetrieb unabdingbar und der Eingriff in den Wasserhaushalt nicht so unerheblich war, dass staatliche Stellen eine illegale Nutzung über die Zeit ungesehen hingenommen haben. Insofern dürften dem Kläger auch sog. Beweiserleichterungen wegen eines Beweisnotstandes zur Seite stehen. Vergleichbares gilt auch für das „Schicksal“ des Rechts unter der Geltung der Wassergesetze-DDR. Dass die tatsächliche Gewässernutzung der staatlichen Stellen nicht verborgen blieb, belegt u. a. die vom Kläger vorgelegte Genehmigung des Rates des Landkreises … vom 15.02.1951 zum Einbau von Turbinen. In seinem Schreiben vom 27.09.1956 bezeichnete der Kreis …Herrn ... als einen Nutznießer der Wassergerechtssamen, was soviel bedeutet wie „Inhaber eines Wasserrechts“. Auch dass mit Schreiben vom 26.03.1968 die Wasserwirtschaftsdirektion Mittlere Elbe-Sude-Elde Herrn ... aufforderte, seine Nutzungsrechte anzuzeigen, spricht für das Bestehen eines Rechts zu dieser Zeit. Dafür, dass er dem nachkam, könnten sodann die Schreiben dieser Behörde vom 14.10.1969 sowie 30.09.1970 sprechen, in denen er zur Winterfestmachung angehalten wurde. Selbst mit Schreiben vom 26.04.1983 ist die Staatliche Gewässeraufsicht – Wasserwirtschaftsdirektion Saale-Werra/ Oberflussmeisterei Halle – wohl noch vom Bestehen eines Nutzungsrechts ausgegangen, weil der (schlechte) Zustand der wasserwirtschaftlichen Anlagen bei der Frühjahrsflussschau 1983 aufgefallen sei und deshalb nach dem Fortbestand des Nutzungsrechts gefragt wurde.

42

Die Kammer hat auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass – wie von § 32 WG LSA a. F. für das (Fort-)Bestehen eines alten Rechts gefordert – am 01.07.1990 rechtmäßige und betriebsbereite Anlagen vorhanden waren. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, dass sich die Ausübung eines alten Rechts auch nach außen dokumentiert, die Rechtsausübung soll offenkundig sein. Das Stellen dieser Anforderungen ist mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar (dazu BVerfG, B. v. 24.02.2010, a. a. O.). Dabei soll es jedoch nur auf die wasserwirtschaftlich notwendigen Anlagen (hier: Überfall- und Schützentafelwehr) und z. B. nicht auf das Vorhandensein eines Wasserrades oder von Turbinen ankommen (vgl. Czychowski/ Reinhardt, WHG, 11. Aufl., § 20 Rn. 40 m. w. N.). Zudem weisen sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch das Bundesverwaltungsgericht in den oben angeführten Entscheidungen darauf hin, dass insoweit stets Artikel 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen sei, weshalb die Umstände, die zu diesen Zuständen geführt hätten, nicht unbeachtlich seien. Jedenfalls dürften bei der rechtlichen Prüfung des mit solchen Verfahren einhergehenden Grundbegehrens, nämlich der Gewässerbenutzung ohne neue Erlaubnis oder Bewilligung, regelmäßig keine überspannten Anforderungen am Vorhandensein von betriebsbereiten Anlagen zu stellen sein.

43

Auch wenn bereits im Jahre 1983 die Staatliche Gewässeraufsicht wegen des Zustandes der Anlagen bei Herrn ... angefragt hatte, ob das Nutzungsrecht überhaupt noch ausgeübt werde, so ergibt sich dem Protokoll vom 24.01.1994 nur, dass die Anlagen in einem schlechten Zustand gewesen sein sollen. Dass diese gar nicht betriebsbereit waren, ist insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Funktionsweise (Aufstauen/ Absperren) daraus jedenfalls nicht zu entnehmen.

44

1.2. § 32 WG LSA a. F. regelt jedoch noch nicht abschließend, ob ein altes Recht unter Geltung der neuen Rechtsordnung mit der Folge endgültig Bestand hat, dass es für die Gewässerbenutzung nunmehr keiner Erlaubnis oder Bewilligung bedarf. Denn § 35 Abs. 2 Satz 2 WG LSA a. F. ordnet an, dass alte Rechte nach § 32 WG LSA a. F., die nicht in ein bisheriges Wasserbuch eingetragen oder der Wasserbuchbehörde sonst bekannt waren, dann erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von 10 Jahren nach der öffentlichen Eintragung in das Wasserbuch angemeldet wurden. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 35 Abs. 2 Satz 1 WG LSA a. F., wonach die Wasserbuchbehörde nur die Rechtsinhaber zur Anmeldung alter Rechte aufzufordern hatte, die nicht in ein nach bisherigem Wasserrecht vorgeschriebenes Wasserbuch eingetragen oder sonst bekannt waren. Nur die alten Rechte und Befugnisse, die der Wasserbuchbehörde bekannt waren, waren von Amts wegen in das (neue) Wasserbuch (vgl. § 188 WG LSA a. F.) einzutragen. Kam die Wasserbuchbehörde dieser Eintragung nicht nach, kann der Rechtsinhaber diese mittels einer Verpflichtungsklage (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1971, IV C 94.69, juris) durchsetzen. Ebenso kann der Kläger hier die begehrte Feststellung darauf stützen, dass die Voraussetzungen des § 32 WG LSA a. F. vorlagen und dass die Rechte der Wasserbuchbehörde – wegen Eintragung in ein bisher geführtes Wasserbuch bzw. aus sonstigen Gründen – bekannt waren.

45

Vorliegend hat der Kläger für eine Eintragung des von ihm behaupteten Rechts in ein „bisheriges Wasserbuch“ keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen. Dabei kann es sich ohnehin nur ein Wasserbuch handeln, welches bis 1963 geführt wurde. Denn nach OVG LSA, Urt. v. 08.12.2005, a. a. O., gilt insoweit der folgende Befund:

46

§ 25 Abs. 4 der 1. DVO zum WG DDR 1963 bestimmte zunächst, dass die vorhandenen Wasserbücher nicht weitergeführt wurden. Die Wasserbücher waren nach Übertragung der gemäß § 50 Abs. 2 WG 1963 anmeldepflichtigen Nutzungen in das Wassernutzungsregister zu schließen und an die zuständigen staatlichen Archive zu übergeben. Bei nach 1990 durchgeführten Archivrecherchen konnte der Verbleib der Wasserbücher allerdings nur selten geklärt werden. Ferner waren nach 1945 zunächst die Räte der Kreise für den Vollzug der wasserrechtlichen Vorschriften zuständig, wobei sich der Vollzug und die Dokumentation der Entscheidungen der Räte der Kreise im Einzelnen nicht mehr nachvollziehen lässt. Auch die Übertragung der Zuständigkeit für wasserrechtliche Entscheidungen auf die Wasserwirtschaftsdirektionen und die nachgeordneten Flussmeistereien hat nicht zu einer auch nur im Ansatz mit den Vorstellungen des Wasserhaushaltsgesetzes vereinbarenden Rechtspraxis geführt. Insbesondere in den Bezirken Halle und Magdeburg, welche sich auf dem Gebiet des heutigen Landes Sachsen-Anhalt befanden, lässt sich eine geordnete Führung der Wassernutzungsregister auch wegen häufig wechselnder Zuständigkeiten nach 1945 bis 1990 nicht nachweisen. Aus Personalmangel, ungenügender Gewichtung der Aufgabe der Führung des Registers aus ideologischen Gründen und durch eine häufig nur unzureichende Ausbildung der Mitarbeiter sind die Wasserregister nur unzureichend geführt worden. Auch der im Wassergesetz 1963 eigentlich zwingend vorgeschriebene Aufruf zur Anmeldung alter Rechte ist regional unterschiedlich umgesetzt worden; in einer Vielzahl von Kreisen lässt sich ein solcher Aufruf nicht mehr nachweisen (vgl. zum Vorgehenden: Hübner/Zehrfeld, ZfW 1999, 415).

47

Auch dafür, dass der Wasserbuchbehörde das Bestehen des hier behaupteten Rechts bekannt war, liegen keine Anhaltspunkte vor (vgl. zu den Voraussetzungen: VG Magdeburg, Urteil vom 12. September 2013 - 9 A 153/11 MD -). Insoweit genügt es eben nicht, dass der Wasserbuchbehörde ggf. die tatsächliche Gewässerbenutzung bekannt war. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob diese auf einem Recht beruhte; die Wasserbuchbehörde muss eben gerade den Rechtsgrund für die tatsächliche Benutzung kennen.

48

Waren die Rechte der Wasserbuchbehörde nicht bekannt im vorstehend erörterten Sinne, dann musste der Rechtsinhaber die Rechte nach § 35 Abs. 2 Satz 1, Hs. 2 in Verbindung mit der Bekanntmachung im Amtsblatt für den Regierungsbezirk Magdeburg vom 15.09.1994, S. 233 bis zum 15.09.1997 anzumelden; ist die Anmeldung – wie hier unstreitig – nicht erfolgt, ist auch das vom Kläger geltend gemachte Recht 10 Jahre nach der Aufforderung mit der Folge erloschen, dass er nunmehr seinen Hauptanspruch nicht mehr erfolgreich durchsetzen.

49

Der Kläger kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf § 35 Abs. 2 Satz 3 WG LSA a. F. berufen, wonach die Anmeldepflicht einschließlich des Erlöschens bei Nichtanmeldung auf Rechte, die im Grundbuch eingetragen sind, keine Anwendung findet. Denn das hier streitige Recht, Anlagen (Aufstauen und Umleiten) in die S... zum Zwecke des Betreibens der s ... einzubringen, ist nicht in ein Grundbuch eingetragen. Im Grundbuch von H..., Blatt 550 ist in Abteilung II (Lasten und Beschränkungen) lediglich „die Verpflichtung des jedesmaligen Besitzers den Mühlengraben öfter zu reinigen, aus dem Contrakte vom 31. Januar 1853“ für das Flurstück sowie die „Verpflichtung des jedesmaligen Besitzers diese Grundstücke durch Anlage und Unterhaltung von Schutzdämmer gegen Versandung durch die Pochwerke zu schützen, aus dem Contrakte vom 31. Januar 1853“ für die Flurstücke, und eingetragen. Der dem Gericht vorliegende Contrakte beschreibt diese Pflichten zutreffend als Reallasten, für die dem jeweiligen Mühlenbesitzer eine Abfindungssumme zu zahlen ist. Dass Herr Rechtsanwalt … im Rahmen von Kaufverhandlungen diese Lasten als Rechte bezeichnet, die zuvor gelöscht werden sollten, steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil es sich dabei zugunsten des Berechtigten selbstredend um Rechte handelt.

50

1.3. Doch selbst wenn die vom Kläger geltend gemachten Rechte in einem Wasserbuch eingetragen bzw. diese der Wasserbuchbehörde bekannt waren und deshalb eine Anmeldung gar nicht erforderlich war, ist er nicht mehr befugt, diese Rechte geltend zu machen. Denn die Ausübung dieses Rechts würde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, der auch für das Verhalten von Bürgern gegenüber Behörden gilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1978 - IV C 6.76 -, juris). Er bedarf im Einzelfall der stetigen Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Dazu gehören u. a. die Fallgruppen der Verwirkung und der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris).

51

Ungeachtet des Umstandes, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen erteilte wasserrechtliche Erlaubnisse oder Bewilligungen im Allgemeinen durch Verzicht zum Erlöschen gebracht werden können, sind Personen dann nicht mehr berechtigt, sich auf das Bestehen von alten Rechten zu berufen, wenn sie bzw. ihre Rechtsvorgänger durch Erklärungen gegenüber den zuständigen Behörden hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass sie – ungeachtet des Bestehens alter Rechte – diese jedenfalls nicht mehr geltend machen werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

52

Denn Frau Ingeborg ... hat gegenüber dem STAU Magdeburg am 24.01.1994 erklärt, dass sie aufgrund des sehr schlechten Bauzustandes des Überfallwehres s .../ S... und des Schützentafelwehres im ehemaligen Mühlengraben auf jeglichen Nutzungsanspruch verzichte und in der Folge der Variante Altlaufnutzung (keine Umleitung des Wassers über den Mühlengraben) zustimme. Die Abgabe dieser Erklärung lag in der Rechtsmacht von Frau ..., da die nach dem unstreitigen Vorbringen der Beteiligten als Alleinerbin nach ihrem Ehemann Inhaberin aller Eigentumsrechte und sonstiger Rechte in Bezug auf die s ... war. Der Erklärungsinhalt war auch auf die Folgen gerichtet, die der nunmehrigen Geltendmachung des Rechts entgegenstehen. Denn sie hat nicht nur der schlichten Beseitigung der Hochwasserschäden, was die (teilweise) Beseitigung der wassertechnischen Anlagen einschloss, zugestimmt, sondern zugleich von dem Nutzungsrecht am Gewässer S... Abstand genommen. Dies geht sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Zustimmung zur Altlaufnutzung hervor.

53

Sie hat diese Erklärung auch gegenüber einer für die Entgegennahme einer solchen Erklärung zuständigen Behörde abgegeben. Denn das STAU war im Januar 1994 technische Fachbehörde für die oberen und unteren Wasserbehörden in allen Angelegenheiten der Wasserwirtschaft (vgl. § 172 WG LSA vom 31.08.1993 [GVBl. LSA 1993, 477 i. V. m. Verordnung vom 24.5.1991 [GVBl. LSA 1991, S. 99], geändert durch Verordnung vom 12.11.1991 [GVBl. LSA 1991, S.432]). Obere Wasserbehörde war zu diesem Zeitpunkt für das hier in Rede stehende Wasserrecht das Regierungspräsidium Magdeburg und untere Wasserbehörde der Landkreis W… (vgl. § 170 Abs. 2 und 3 WG LSA 1993). Als obere Wasserbehörde hat das Regierungspräsidium Magdeburg auch die Aufgabe als Wasserbuchbehörde wahrgenommen (vgl. Ziffer 15 der Anlage 1 zur VO vom 24.05.1991).

54

Es bestehen keine Bedenken an der Wirksamkeit der Erklärung. Sofern der Kläger geltend macht, Frau ... habe die Erklärungen allein unter dem Eindruck des Hochwasserereignisses abgegeben und sei vom STAU übervorteilt worden, führt dies nicht zu deren Unwirksamkeit. Es liegen auch keine Anhaltpunkte dafür vor, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, die Tragweite ihrer Erklärung einschätzen. Insoweit ist ihre Erklärung an §§ 116 ff. BGB zu messen. Einer Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 BGB), falscher Übermittlung (§ 120 BGB) bzw. Täuschung oder Drohung stand auch bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung des Klägers bei dem Beklagten im Jahre 2009 das Verstreichen der Anfechtungsfrist des § 121 Abs.2 bzw. 124 Abs. 3 BGB (10 Jahre seit Abgabe der Willenserklärung [hier: 1994]) entgegen. Zudem liegen keine hinreichenden Gründe für eine begründete Anfechtung der Erklärung vor. Die Abgabe der Erklärung entsprach vor dem Hintergrund des bereits Mitte der 70-er Jahre aufgegebenen Mühlenbetriebes sowie des Alters von Frau ... ersichtlich auch ihrer Interessenlage; dies müssen auch ihre Rechtsnachfolge gegen sich gelten lassen (so auch BVerfG, a. a. O.). Auch die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen des Straßenbauamtes B-Stadt lassen nicht den Schluss zu, Frau ... sei seinerzeit im Interesse einer 9 Jahre später in Angriff genommenen Straßenbaumaßnahme übervorteilt worden; ein insoweit bestehender Zusammenhang ist für die Kammer nicht ersichtlich. Das Gericht sieht sich vor dem Hintergrund des Zeitpunktes der Abgabe der Erklärungen im Jahre 1994 sowie der Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, Frau ... habe noch bis 6 Wochen vor ihrem Tod allein in den Gebäuden der s ... gelebt, nicht veranlasst, weitergehende Feststellungen zur Person von Frau ... und den näheren Umständen, unter denen die Erklärungen abgegeben wurden, zu treffen.

55

Die Klage ist deshalb mit ihrem Hauptantrag abzuweisen.

56

2. Aber auch soweit das OVG LSA für die Fälle einer nicht festzustellenden verfahrensabschließenden Entscheidung von Stellen der DDR zu bestehenden Wasserrechten die Auffassung vertritt, der Anspruch, ein Gewässer ohne eine (neu) zu erteilende Erlaubnis oder Bewilligung benutzen zu dürfen, folge dann aus § 38 WG LSA a. F., weil insoweit der Anwendungsbereich des § 38 WG LSA sowohl hinsichtlich des Tatbestandes als auch hinsichtlich der Rechtsfolge verfassungskonform zu erweitern sei, bleibt die Klage mit ihrem Hilfsantrag ohne Erfolg.

57

Soweit die Vorschrift eine gesetzliche Ausschlussfrist zur Antragstellung innerhalb von 3 Jahren nach Inkrafttreten des WG LSA a. F. – also bis Juli 1996 – vorsah, so weist das OVG LSA mit dem BVerwG (Urt. v. 14.04.2005, a. a. O.) zwar darauf hin, dass einem Antragsteller dies wegen des aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Gedankens der Nachsicht deshalb regelmäßig nicht entgegen gehalten werden kann, weil nur so ein verfassungskonformer Ausgleich zwischen den Interessen des Inhabers des Rechts sowie den wasserwirtschaftlichen Interessen herbeigeführt werden kann. Ein solcher Interessenausgleich ist vorliegend jedoch nicht geboten. Denn dem wohnt der Gedanke inne, dass der vermeintliche Inhaber eines alten Rechts nach § 32 WG LSA a. F. sich hat nur deshalb davon abhalten lassen, (auch) einen Antrag nach § 38 WG LSA a. F. zu stellen, weil der Wortlaut an seiner Begründetheit Anforderungen stellte, die ersichtlich nicht erfüllt waren und sich anderes erst aufgrund nachfolgender verfassungsrechtlicher Erwägungen ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.2005, a. a. O.). Vorliegend kam es jedoch weder zu einer zeitnahen Antragstellung bezüglich des Bestehens eines alten Rechts nach § 32 WG LSA a. F., weshalb auch keine Nachsicht bei der Versäumung der Frist aus § 38 WG LSA a. F. zu gewähren ist. Vielmehr wurde hier das Begehren erstmals 2009 an den Beklagten herangetragen, wohingegen in dem vom OVG LSA entschiedenen Fall der Antrag bereits 1994 gestellt wurde. Zudem ist hier der Mühlenbetrieb bereits seit 1978 eingestellt gewesen und die Anlagen in der S... seit 1994 nicht mehr erhalten. Eine aus verfassungsrechtlichen Gründen zu gewährleistende Gleichstellung mit solchen Inhabern alter Rechte, die diese aus von ihnen nicht zu vertretenen Gründen nicht haben aufrecht erhalten können, ist mithin aus der Sicht der Kammer nicht geboten.

58

3. Aus den vorstehenden Gründen hat die Klage sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Soweit der Kläger darüber hinaus schriftsätzlich Begehren in der Gestalt von Anträgen geäußert hat (z. B. Wiederherstellung der Wehranlage, Entschädigung wegen Untätigkeit), handelt es sich dabei einerseits ersichtlich um solche, die unter dem Vorbehalt einer erfolgreichen Klage stehen (Wiederherstellung der Anlagen im Gewässer etc.) und andererseits um solche prozessualer Natur, die das Gericht insbesondere zu einer weitergehenden Sachverhaltsaufklärung veranlassen sollten (Beklagten zur Offenlegung auffordern und ihm die Einsichtnahme in Unterlagen zu gewähren etc.). Über diese war mithin nicht ausdrücklich zu entscheiden.

II.

59

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger als Unterlegener (§ 154 Abs. 1 VwGO).

60

Die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

61

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an dem vom Kläger angegebenen wirtschaftlichen Wert seiner Klage.


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(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

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(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständ

Wasserhaushaltsgesetz - WHG 2009 | § 15 Gehobene Erlaubnis


(1) Die Erlaubnis kann als gehobene Erlaubnis erteilt werden, wenn hierfür ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Gewässerbenutzers besteht. Eine gehobene Erlaubnis darf für Gewässerbenutzungen nach § 9 Absatz 2 Nummer 3 und 4

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Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung.

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Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Überleitung alter Wasserrechte nachdem Sächsischen Wassergesetz.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Die Erlaubnis kann als gehobene Erlaubnis erteilt werden, wenn hierfür ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Gewässerbenutzers besteht. Eine gehobene Erlaubnis darf für Gewässerbenutzungen nach § 9 Absatz 2 Nummer 3 und 4 nicht erteilt werden.

(2) Für die gehobene Erlaubnis gelten § 11 Absatz 2 und § 14 Absatz 3 bis 5 entsprechend.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Die Erlaubnis kann als gehobene Erlaubnis erteilt werden, wenn hierfür ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Gewässerbenutzers besteht. Eine gehobene Erlaubnis darf für Gewässerbenutzungen nach § 9 Absatz 2 Nummer 3 und 4 nicht erteilt werden.

(2) Für die gehobene Erlaubnis gelten § 11 Absatz 2 und § 14 Absatz 3 bis 5 entsprechend.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Überleitung alter Wasserrechte nachdem Sächsischen Wassergesetz.

I.

2

1. a) Am 27. Juli 1957 erließ der Bund aufgrund seiner Rahmenkompetenz nach Art. 75 Nr. 4 GG in der damals gültigen Fassung das Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz), das am 12. August 1957 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde (BGBl I S. 1110) und gemäß § 45 WHG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 19. Februar 1959 (BGBl I S. 37) am 1. März 1960 in Kraft trat.

3

Jede Gewässerbenutzung bedarf nach § 2 des Wasserhaushaltsgesetzes in der den Ausgangsentscheidungen zugrunde liegenden, bis zum 28. Februar 2010 gültigen Fassung (im Folgenden: WHG; ab 1. März 2010: § 8 WHG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 ) grundsätzlich einer behördlichen Zulassung in Gestalt der Erlaubnis (§ 7 WHG) oder der Bewilligung (§ 8 WHG; künftig: § 10 WHG n.F.). Die beim Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes bereits bestehenden Gewässerbenutzungen haben in den §§ 15 bis 17 WHG (künftig: §§ 20 f. WHG n.F.) eine differenzierte Behandlung erfahren. Die Vorschriften haben folgenden Wortlaut:

4

§ 15 Alte Rechte und alte Befugnisse

5

(1) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung ist, soweit die Länder nichts anderes bestimmen, nicht erforderlich für Benutzungen

6

1. auf Grund von Rechten, die nach den Landeswassergesetzen erteilt oder durch sie aufrechterhalten worden sind,

7

2. auf Grund von Bewilligungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Vereinfachungen im Wasser- und Wasserverbandsrecht vom 10. Februar 1945 (RGBl. I S. 29),


8

3. auf Grund einer nach der Gewerbeordnung erteilten Anlagegenehmigung,

9

zu deren Ausübung am 12. August 1957 oder zu einem anderen von den Ländern zu bestimmenden Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden sind.

10

(2) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung ist ferner nicht erforderlich für Benutzungen auf Grund gesetzlich geregelter Planfeststellungsverfahren oder auf Grund hoheitlicher Widmungsakte für Anlagen des öffentlichen Verkehrs, zu deren Ausübung am 12. August 1957 rechtmäßige Anlagen vorhanden sind.

11

(3) Die Länder können andere in einem förmlichen Verfahren auf Grund der Landeswassergesetze zugelassene Benutzungen den in Absatz 1 genannten Benutzungen gleichstellen.

12

(4) Die in den Absätzen 1 bis 3 bezeichneten Rechte und Befugnisse (alte Rechte und alte Befugnisse) können gegen Entschädigung widerrufen werden, soweit von der Fortsetzung der Benutzung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist. Sie können ohne Entschädigung, soweit dies nicht schon nach dem vor dem 1. Oktober 1976 geltenden Recht zulässig war, widerrufen werden,

13

1. wenn der Unternehmer die Benutzung drei Jahre ununterbrochen nicht ausgeübt hat,

14

2. soweit die Benutzung im bisher zulässigen Umfang für den Unternehmer nicht mehr erforderlich ist; dies gilt insbesondere, wenn der zulässige Umfang drei Jahre lang erheblich unterschritten wurde,

15

3. wenn der Unternehmer den Zweck der Benutzung so geändert hat, dass er mit der festgelegten Zweckbestimmung nicht mehr übereinstimmt,

16

4. wenn der Unternehmer trotz einer mit der Androhung der Aufhebung verbundenen Warnung die Benutzung über den Rahmen des alten Rechts oder der alten Befugnis hinaus erheblich ausgedehnt oder Bedingungen oder Auflagen nicht erfüllt hat.

17

Unberührt bleibt die Zulässigkeit nachträglicher Anforderungen und Maßnahmen ohne Entschädigung nach § 5.

18

§ 16 Anmeldung alter Rechte und alter Befugnisse

19

(…)

20

§ 17 Andere alte Benutzungen

21

(1) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung wird erst nach Ablauf von fünf Jahren seit dem 1. März 1960 erforderlich für Benutzungen, die über die nach diesem Gesetz erlaubnisfreie Benutzung hinausgehen, soweit sie am 1. März 1960

22

1. auf Grund eines Rechts oder einer Befugnis der in § 15 Abs. 1 und 2 genannten Art ausgeübt werden durften, ohne dass zu dem dort genannten Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden waren, oder

23

2. auf Grund eines anderen Rechts oder in sonst zulässiger Weise ausgeübt werden durften; für Benutzungen, die nur mittels Anlagen ausgeübt werden können, gilt dies nur, wenn zu dem in § 15 Abs. 1 genannten Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden waren.

24

Ist eine Erlaubnis oder eine Bewilligung vor Ablauf der fünf Jahre beantragt worden, so darf die Benutzung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag fortgesetzt werden.

25

(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist dem Inhaber eines Rechts auf seinen fristgemäß gestellten Antrag eine Bewilligung im Umfang seines Rechts zu erteilen; § 6 bleibt unberührt. Der Anspruch auf eine Bewilligung nach Satz 1 besteht nicht, soweit nach dem am 1. März 1960 geltenden Recht die Aufhebung oder Beschränkung des Rechts ohne Entschädigung zulässig war.

26

(3) Wird in den Fällen des Absatzes 2 auf Grund des § 6 eine Bewilligung versagt oder nur in beschränktem Umfang erteilt, so steht dem Berechtigten ein Anspruch auf Entschädigung zu. Dies gilt nicht, soweit nach dem am 1. März 1960 geltenden Recht die Aufhebung oder die Beschränkung des Rechts ohne Entschädigung zulässig war.

27

b) Auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen wurde das Sächsische Wassergesetz vom 12. März 1909 (Gesetz und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen S. 227; im Folgenden: SächsWG 1909) durch das Gesetz der DDR über den Schutz, die Nutzung und die Instandhaltung der Gewässer und den Schutz vor Hochwassergefahren vom 17. April 1963 (im Folgenden: Wassergesetz 1963; GBl-DDR I S. 77) ersetzt.

28

An dessen Stelle trat später das Wassergesetz der DDR vom 2. Juli 1982 (im Folgenden: Wassergesetz 1982; GBl-DDR I S. 467). § 46 des Wassergesetzes 1982 bestimmte, dass aufgrund früherer wasserrechtlicher Vorschriften getroffene Entscheidungen ihre Gültigkeit behielten.

29

Durch Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Umweltrahmengesetzes der DDR vom 29. Juni 1990 (im Folgenden: URG; GBl-DDR S. 649) wurde zum 1. Juli 1990 das Wasserhaushaltsgesetz auf dem Gebiet der DDR in Kraft gesetzt. Das Wassergesetz 1982 blieb gemäß Art. 3 § 2 Abs. 2 URG in Kraft, soweit es dem Wasserhaushaltsgesetz nicht widersprach.

30

Seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 gilt das Wasserhaushaltsgesetz gemäß Art. 8 des Einigungsvertrages (EV) vom 31. August 1990 (BGBl II S. 885) als Bundesrecht fort. Das Wassergesetz 1982 galt nach Art. 9 EV zunächst als Landesrecht weiter.

31

Am 13. März 1993 trat das Sächsische Wassergesetz (SächsWG) vom 23. Februar 1993 (im Folgenden: SächsWG 1993; SächsGVBl S. 201) in Kraft, das am 20. August 1998 in der ab 13. August 1998 geltenden Neufassung bekannt gemacht wurde (im Folgenden: SächsWG 1998; SächsGVBl S. 393). Gemäß § 141 SächsWG 1993/1998 wurde das Wassergesetz 1982 aufgehoben.

32

§ 136 SächsWG 1993 regelte die Überleitung alter wasserrechtlicher Entscheidungen. Die Vorschrift lautete:

33

§ 136 (zu § 15 WHG) Alte wasserrechtliche Entscheidungen

34

(1) Wasserrechtliche Entscheidungen, die nach dem Wassergesetz (WG) vom 2. Juli 1982 (GBl. I Nr. 26 S. 467) und den dazu erlassenen Durchführungsverordnungen und Durchführungsbestimmungen getroffen wurden oder aufgrund der genannten Regelung fortbestehen, behalten ihre Gültigkeit. § 15 Abs. 4 WHG ist entsprechend anwendbar.

35

(2) Bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Wurden im Rahmen des begonnenen Verfahrens die Unterlagen ausgelegt und ist die Einwendungsfrist abgelaufen, so ist das Verfahren nach altem Recht zu Ende zu führen.

36

§ 136 SächsWG 1998 ist wortlautgleich. Lediglich in der Überschrift ist der Zusatz "(zu § 15 WHG)" nicht mehr enthalten.

37

Durch Art. 1 Nr. 94 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes vom 9. August 2004 (SächsGVBl S. 374), in Kraft getreten am 1. September 2004, wurde § 136 Abs. 2 SächsWG 1993/1998 gestrichen und im bisherigen Absatz 1 ein neuer Satz 2 eingefügt. § 136 SächsWG lautet seitdem:

38

§ 136 Alte Wasserrechtliche Entscheidungen

39

Wasserrechtliche Entscheidungen, die nach dem Wassergesetz (WG) vom 2. Juli 1982 (GBl. I Nr. 26 S. 467) und den dazu erlassenen Durchführungsverordnungen und Durchführungsbestimmungen getroffen wurden oder aufgrund der genannten Regelung fortbestehen, behalten ihre Gültigkeit. Eine Erlaubnis oder Bewilligung ist nicht erforderlich für Benutzungen aufgrund eines alten Rechtes oder einer alten Befugnis im Sinne von § 15 WHG, zu deren Ausübung am 1. Juli 1990 rechtmäßige und funktionsfähige Anlagen vorhanden waren. § 15 Abs. 4 WHG ist entsprechend anwendbar.

40

2. a) Die Beschwerdeführer schlossen im Jahr 1999 einen Kaufvertrag über mehrere Flurstücke an der Z... Mulde, auf denen sich eine Wehranlage und das ehemalige Grabensystem einer früheren Wasserkraftanlage befinden. Seit 23. Juni 1999 ist für die Beschwerdeführer im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Als Eigentümer wurden sie bislang nicht eingetragen.

41

Die frühere Wasserkraftanlage bestand seit unvordenklichen Zeiten. In den Altunterlagen wird Bezug genommen auf Genehmigungen aus den Jahren 1891 und 1913. Laut Wasserbucheintrag vom 9. März 1939 wurde den damaligen Betreibern die Erlaubnis zum Betrieb der Wasserkraftanlage mit drei Turbinen erteilt.

42

Aufgrund eines Talsperrenbaus reichte das in der Z... Mulde geführte Wasser seit Mitte der 1970er Jahre zur Deckung des benötigten Betriebswasserbedarfs nicht mehr aus. Der Mühlgraben wurde seit 1976 als Entnahmestelle von Produktionswasser für die Rohpappenproduktion genutzt. Rechtsträger der Betriebsgrundstücke war damals ein Volkseigener Betrieb. Im Jahr 1983 erfolgte die Planung der Instandsetzung einer jetzigen Kreisstraße. Im Zuge der Baumaßnahmen wurde der parallel zur Straße verlaufende Betriebsgraben (teilweise) verfüllt.

43

Im September 1999 wandten sich die Beschwerdeführer mit Blick auf die beabsichtigte Wiederinbetriebnahme der Wasserkraftanlage an das zuständige Landratsamt. Dieses stellte mit Bescheid vom 8. Juni 2000 fest, dass ein Wasserbenutzungsrecht für die Stauanlage nicht bestehe. Den Widerspruch der Beschwerdeführer wies das Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2002 im Wesentlichen zurück.

44

b) Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer Klage und begehrten zuletzt, den beklagten Landkreis unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts zu erlassen, dass die Beschwerdeführer berechtigt seien, die Wasserkraftanlage aufgrund einer altrechtlichen Gestattung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG wieder in Betrieb zu nehmen, ohne dass es hierzu einer Erlaubnis oder Bewilligung bedürfe.

45

Die Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. November 2006 abgewiesen. Ein den Betrieb der Wasserkraftanlage umfassender altrechtlicher Bestandsschutz gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG bestehe nicht, weswegen die Anlage ohne eine Gestattung neuen Rechts (Erlaubnis oder Bewilligung, §§ 7, 8 WHG) nicht betrieben werden dürfe (§ 2 WHG). Die Erlaubnis für eine Stauanlage zu einem Wassertriebwerk habe zwar am 1. Juli 1990 noch Bestand gehabt. Allerdings stehe fest, dass am Stichtag (1. Juli 1990) rechtmäßige Anlagen zur Ausübung des alten Stau- und Triebwerksrechts nicht mehr vorhanden gewesen seien.

46

Den hiergegen gerichteten Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. November 2008 ab. Der Senat habe mit rechtskräftigem Grundsatzurteil vom 27. März 2007 (4 B 707/05, veröffentlicht in juris) entschieden, dass § 15 WHG in der ehemaligen DDR über Art. 3 § 2 URG mit der Maßgabe in Kraft getreten sei, dass der Stichtag des 1. Juli 1990 maßgeblich sei, im Freistaat Sachsen mit diesem Inhalt fortgelte und dies durch § 136 Satz 2 SächsWG in der am 1. September 2004 in Kraft getretenen Fassung - verfassungsrechtlich unbedenklich - klargestellt worden sei.

47

3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greifen die Beschwerdeführer unmittelbar die gerichtlichen Entscheidungen und mittelbar § 136 Satz 2 SächsWG an. Sie rügen eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG.

48

Das alte Wasserrecht zum Betrieb der Wasserkraftanlage stelle eine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition dar. Das Erlöschen einer solchen könne nur durch einen ausdrücklich geregelten gesetzlichen Verlusttatbestand bewirkt werden. An einem solchen fehle es hier. Bis zu Beginn des Jahres 1999 sei bei der Prüfung von Altrechtsfällen in Sachsen das Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen zu einem bestimmten Stichtag richtigerweise nicht gefordert worden.

49

Wolle man § 136 SächsWG demgegenüber dahingehend auslegen, dass alte Wasserrechte mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes erloschen seien, sofern am Stichtag des 1. Juli 1990 keine rechtmäßigen funktionsfähigen Anlagen vorhanden gewesen seien, stelle sich § 136 SächsWG als verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar. Der ersatz- und übergangslose Verlust alter Wasserbenutzungsrechte, zu deren Ausübung am 1. Juli 1990 keine rechtmäßigen funktionsfähigen Anlagen vorhanden gewesen seien, sei unverhältnismäßig.

50

4. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesverwaltungsgericht, das Sächsische Staatsministerium der Justiz, der Verband der Wasserkraftwerksbetreiber Sachsen- und Sachsen-Anhalt e.V., der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V., das Landratsamt Erzgebirgskreis und die Landesregierung Brandenburg Stellung genommen.

51

a) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf seine Entscheidungen vom 14. April 2005 (BVerwG 7 C 16.04 und BVerwG 7 C 8.04, jeweils veröffentlicht in juris) verwiesen. Es sei anzunehmen, dass Wasserrechte gemäß § 49 SächsWG 1909 Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG darstellten. Die landesgesetzlichen Regelungen, die bei der Überleitung alter Wasserrechte in das System des Wasserhaushaltsgesetzes unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen alter Rechte anordneten, stellten eine Neubestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Eine Übergangsregelung zugunsten solcher Rechte, zu deren Ausübung rechtmäßige und funktionsfähige Anlagen nicht mehr vorhanden seien, sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Zu erwägen sei allenfalls, ob bezogen auf die in Rede stehende Voraussetzung rechtmäßiger und funktionsfähiger Anlagen ein ersatzloses Erlöschen der alten Wasserrechte dann zu beanstanden sei, wenn ursprünglich vorhandene Anlagen unter Verstoß gegen die geltende Rechtsordnung durch staatliche Stellen beseitigt worden seien. Einen solchen Sachverhalt habe das Verwaltungsgericht aber nicht festgestellt.

52

b) Das Sächsische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.

53

Soweit ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG vorliege, sei er gerechtfertigt. § 136 Satz 2 SächsWG habe lediglich deklaratorische Bedeutung.

54

Das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft habe zur Verwaltungspraxis im Zeitraum von 1990 bis März 1996 bei den drei Landesdirektionen eine kurzfristige Erhebung vorgenommen. Die Landesdirektion Dresden habe mitgeteilt, dass seit dem Beginn regelmäßiger Dienstberatungen ab Ende 1992/Anfang 1993 auf das Tatbestandsmerkmal "Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen" geachtet worden sei. Andererseits sei auch mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass es eine Reihe von unzutreffenden Entscheidungen gegeben habe, die dem damaligen Regierungspräsidium nicht bekannt gewesen seien. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle dürfte das Stichtagskriterium nach Auffassung der Landesdirektion jedoch beachtet worden sein. Die Landesdirektion Leipzig sehe sich nicht betroffen, da dort die ersten Altrechtsfälle erst seit 1997 anhängig gewesen seien. Die Landesdirektion Chemnitz zeige ein differenziertes Bild. Danach sei das Tatbestandsmerkmal "Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen" häufig nicht geprüft worden, auch sei bis etwa 2001 häufiger der 3. Oktober 1990 als Stichtag bestimmt worden. Ab März 1996 habe das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft verstärkt begonnen, den Verwaltungsvollzug zu vereinheitlichen und aufsichtlich tätig zu werden.

55

c) Der Verband der Wasserkraftwerksbetreiber Sachsen und Sachsen-Anhalt e.V. hält die Verfassungsbeschwerde für begründet. Die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis im Freistaat Sachsen verstießen gegen Art. 14 Abs. 1 GG, gegen das Rechtsstaatsprinzip und das daraus abgeleitete Rückwirkungsverbot, den Vorbehalt des Gesetzes sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. § 136 Satz 2 SächsWG sei aus den gleichen Gründen verfassungswidrig.

56

d) Der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V. hat sich dem angeschlossen.

57

e) Nach Auffassung des Landratsamts Erzgebirgskreis hat die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg.

58

Es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, weil die Beschwerdeführer sich nicht auf das Eigentumsrecht, sondern nur auf eine zu ihren Gunsten bestehende Auflassungsvormerkung beriefen. Eine mögliche Rechtsverletzung der Beschwerdeführer scheide auch deshalb aus, weil aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort eine Wiederinbetriebnahme der Wasserkraftanlage unmöglich sei und sich dieser Befund auch jedem aufgedrängt habe beziehungsweise habe aufdrängen müssen.

II.

59

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>) nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG (1). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, wobei es teilweise bereits an der Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) mangelt (2).

60

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt. Dies gilt insbesondere für den Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. mit Blick auf das Wasserrecht insbesondere BVerfGE 58, 300) und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte und den insoweit anzulegenden verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstab (vgl. etwa BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 53, 352 <357 f.>; 81, 29 <31 f.>; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 - 1 BvR 432/00 -, juris).

61

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

62

a) Mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076) ist davon auszugehen, dass alte Wasserrechte den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen können. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sie dem Einzelnen eine Rechtsposition verschaffen, die derjenigen eines Eigentümers entspricht (vgl. dazu BVerfGE 53, 257 <289>; 88, 384 <401>) und diese Rechtsposition auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruht (vgl. dazu BVerfGE 72, 9 <18 f.>; 97, 271 <284>; zuletzt BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 198/08 -, juris Rn. 17). Demnach wird zumindest der Betrieb einer Wasserkraftanlage auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 23 Nr. 3 SächsWG 1909 durch das Eigentumsgrundrecht geschützt. Die Erlaubnis nach dem Sächsischen Wassergesetz 1909 wurde grundsätzlich unwiderruflich erteilt und konnte nur unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen oder beschränkt werden (vgl. § 28, §§ 36 ff. SächsWG 1909; dazu Bell, ZfW 2004, S. 65 <71 f.>). Zur Ausübung einer solchen Gewässerbenutzung sind umfangreiche Investitionen für die Errichtung und Erhaltung der erforderlichen Anlagen notwendig. Diese tätigt der Anlagenbetreiber regelmäßig im Vertrauen auf den Bestand der Erlaubnis. Aufgrund dieser Verknüpfung der privatwirtschaftlichen Investitionen des Anlagenbetreibers mit den wasserrechtlichen Grundlagen des Anlagenbetriebs erstreckt sich der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz auch auf die durch die Erlaubnis gemäß § 23 Nr. 3 SächsWG 1909 vermittelte Rechtsposition.

63

b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beschwerdeführer, die zu keinem Zeitpunkt Inhaber des alten Wasserrechts waren, sondern lediglich Inhaber einer Auflassungsvormerkung sind, sich unter Berufung auf Art. 14 Abs. 1 GG gegen das Erlöschen des alten Wasserrechts wenden können. Denn auch unter dieser Prämisse ist eine Grundrechtsverletzung nicht festzustellen.

64

c) aa) Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist (vgl. BVerfGE 53, 257 <292>; 58, 81 <109 f.>; 72, 9 <22>; 116, 96 <124 f.>). Allerdings ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nicht gänzlich frei. Er muss die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (vgl. etwa BVerfGE 100, 226 <240 f.>; 110, 1 <28>). Im Falle einer Änderung der Rechtsordnung muss der Gesetzgeber für Eingriffe in durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte subjektive Rechte legitimierende Gründe haben (vgl. BVerfGE 31, 275 <291>; 58, 81 <121>; 72, 9 <22 f.>). Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die zu solchen Eingriffen führen, sind nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind. Die Eingriffe müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 21, 150 <155>; 31, 275 <290>; 36, 281 <293>; 58, 137 <148>; 72, 9 <23>; 117, 272 <294>; stRspr).

65

Aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung kann demnach nicht hergeleitet werden, dass eine vom Eigentumsrecht umfasste, vom Berechtigten ausgeübte Befugnis nach ihrem Entstehen für alle Zukunft uneingeschränkt erhalten bleiben müsse oder nur im Wege der Enteignung wieder genommen werden dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Neuordnung eines Rechtsgebietes nicht vor der Alternative steht, die alten Rechtspositionen zu konservieren oder gegen Entschädigung zu entziehen. Er kann im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch eine angemessene und zumutbare Überleitungsregelung individuelle Rechtspositionen umgestalten, wenn Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die den Vorrang vor dem berechtigten - durch die Bestandsgarantie gesicherten - Vertrauen auf den Fortbestand eines wohl erworbenen Rechts verdienen (vgl. BVerfGE 31, 275 <285, 290>; 36, 281 <293>; 43, 242 <288>; 58, 300 <350 f.>).

66

bb) Die Gerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz auf verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Grundrechtsschutz des Eigentümers beachtet und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen vermeidet (vgl. BVerfGE 53, 352 <357 f.>; 55, 249 <258>; 68, 361 <372 f.>; stRspr). Zwar sind die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall grundsätzlich allein Sache der dafür zuständigen Gerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 42, 64 <74>). Die Schwelle eines Verfassungsverstoßes, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist jedoch erreicht, wenn die Entscheidung der Gerichte Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Fall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 79, 292 <303>; stRspr).Dabei ist es den Gerichten nicht nur untersagt, die gesetzlich auferlegten Eigentumsbeschränkungen unverhältnismäßig zu verstärken und ihnen einen Inhalt zu geben, den auch der Gesetzgeber nur unter Verletzung der Eigentumsgewährleistung hätte festlegen können. Hat dieser in Wahrnehmung seiner Kompetenz aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehandelt, ist es vielmehr auch ihre Aufgabe, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende und darin zum Ausdruck kommende Interessenbewertung nachzuvollziehen (vgl. BVerfGE 81, 29 <31 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 - 1 BvR 432/00 -, juris Rn. 22).

67

d) Gemessen hieran ist ein Grundrechtsverstoß nicht festzustellen.

68

aa) § 136 Satz 2 SächsWG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes vom 9. August 2004 (SächsGVBl S. 374) ist mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.

69

(1) Unter Zugrundelegung der verfassungsrechtlich unbedenklichen Auslegung der Vorgängervorschriften durch die Ausgangsgerichte verkürzt § 136 Satz 2 SächsWG keine nach altem Recht gewährte Rechtsposition.

70

(a) Die Ausgangsgerichte gehen davon aus, dass das in § 136 Satz 2 SächsWG normierte Erfordernis des Vorhandenseins rechtmäßiger und funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 bereits vor der Wiedervereinigung gemäß Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit § 15 WHG gültiges Recht der DDR gewesen ist.

71

Diese Auffassung dürfte zwar im Gegensatz zu der Kommentarliteratur zu § 15 und § 17 WHG stehen (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 4 und 7, § 17 Rn. 1; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 5c und 14 , § 17 Rn. 2a ; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 15 WHG Rn. 23 und 49 , § 17 Rn. 4 ). Jedenfalls wahrt sie aber die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfindung.

72

Die auf Sinn und Zweck der Stichtagsregelung abstellende Argumentation des Oberverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 27. März 2007 (4 B 707/05, juris Rn. 38) erscheint vertretbar. Insbesondere verstößt sie nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Die - verschiedenen Deutungen zugänglichen - gesetzlichen Regelungen des Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit §§ 15 ff. WHG genügen auch mit dem Inhalt, den das Oberverwaltungsgericht ihnen gegeben hat, den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 GG. Soweit die Regelungen vorliegend zur Überprüfung stehen (aa), begegnen sie keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie dienen einem legitimen Zweck (bb) und sind zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich (cc). Auch erweisen sie sich als im engeren Sinne verhältnismäßig (dd).

73

(aa) Die verfassungsrechtliche Überprüfung beschränkt sich auf die vorliegend allein in Frage stehende Konstellation, dass ein altes Recht im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG bestand, zu dessen Ausübung Anlagen notwendig sind, die zum Stichtag des 1. Juli 1990 nicht vorhanden waren.

74

(bb) Dass Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit dem Wasserhaushaltsgesetz grundsätzlich alle Gewässerbenutzungen nach seinem Inkrafttreten der öffentlichrechtlichen Benutzungsordnung und damit dem Gestattungsverfahren gemäß §§ 2 ff. WHG unterwirft, dient dem legitimen Zweck, eine geordnete Bewirtschaftung des Wassers sicherzustellen (vgl. BVerfGE 58, 300 <328 f., 351>).

75

Mit der Stichtagsregelung des § 15 Abs. 1 WHG soll zum einen sichergestellt werden, dass nur tatsächlich ausgeübte alte Gewässerbenutzungen aufrechterhalten werden (so das Oberverwaltungsgericht im Urteil vom 27. März 2007 - 4 B 707/05 -, juris Rn. 38 und Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 15 WHG Rn. 23 ). Darüber hinaus soll das Erfordernis des Vorhandenseins von Anlagen dafür sorgen, dass das Bestehen der Benutzung beziehungsweise des Benutzungsrechts nach außen erkennbar ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 7; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 13 ; Gieseke, ZfW 1964, S. 179 <181>).

76

(cc) Die gesetzliche Normierung eines Gestattungserfordernisses nach neuem Recht und seine Erstreckung auf solche früheren Gewässerbenutzungen, zu deren Ausübung Anlagen erforderlich, zum Stichtag aber nicht vorhanden sind, ist zur Erreichung dieser Ziele geeignet und erforderlich.

77

Dem Gesetzgeber steht kein milderes, die Betroffenen weniger belastendes Mittel zur Verfügung, mit dem er seine Ziele ebenso gut erreichen könnte. Insbesondere würde die uneingeschränkte Aufrechterhaltung alter Wasserrechte und die damit einhergehende Befreiung der Gewässerbenutzungen von der Gestattungspflicht nach neuem Recht dazu führen, dass diese Nutzungen sämtlich fortgeführt werden dürften, ohne dass die Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes an Gewässerbenutzungen (vgl. § 6 WHG; künftig: § 12 WHG n.F.) überprüft würden.

78

(dd) Das Erfordernis des Vorhandenseins rechtmäßiger und funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 genügt auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Es stellt keine unangemessene Belastung für die Inhaber alter Wasserrechte dar, dass (auch im Beitrittsgebiet) solche alten Nutzungsrechte nach Maßgabe des § 17 WHG erloschen sind, zu deren Ausübung Anlagen notwendig sind, am Stichtag des 1. Juli 1990 aber nicht vorhanden waren. § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG (in Verbindung mit § 17 WHG) ist in dieser Auslegung der Ausgangsgerichte mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.

79

(aaa) § 15 Abs. 1 bis 3 WHG dient dem Bestandsschutz (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076 <1077>; Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 1), indem er bestimmte bereits vorhandene Gewässernutzungen von der Gestattungspflicht nach neuem Recht ausnimmt. Nach der gesetzlichen Regelung spielt es dabei für die Anwendung der Stichtagsregelung jedenfalls im Ausgangspunkt keine Rolle, ob das Nichtvorhandensein funktionsfähiger Anlagen auf eine freie unternehmerische Entscheidung zurückgeht oder auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat.

80

Diese Anknüpfung an die tatsächlichen Verhältnisse begegnet im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sofern eine Gewässernutzung nicht (mehr) ausgeübt wird und schon mangels Vorliegens der hierfür erforderlichen Anlagen nicht (mehr) ausgeübt werden kann, kann sie auch nicht (mehr) in ihrem Fortbestand geschützt werden. Die Überleitung alter Wasserrechte, die den Gewässerbenutzungen zugrunde liegen, dient keinem Selbstzweck und ist im Falle einer Neuordnung des Wasserrechts von Verfassungs wegen nicht in jedem Fall geboten. Die Bestandsinteressen solcher Inhaber alter Wasserrechte, die die Gewässerbenutzungen zum Stichtag nicht mehr ausüben und auch nicht mehr über die hierfür erforderlichen Anlagen verfügen, überwiegen die Belange einer geordneten Wasserwirtschaft nicht in einer Weise, die eine Aufrechterhaltung ihrer alten Wasserrechte erforderlich machen würde.

81

Grundsätzlich kann nur der Schutz eines tatsächlich vorhandenen und genutzten Bestandes von Verfassungs wegen geboten sein. Es kann daher dahinstehen, ob alte Wasserrechte gemäß § 23 Nr. 3 SächsWG 1909 als solche, das heißt unabhängig von ihrer Ausübung mittels hierfür errichteter Anlagen, von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt werden. Der Umfang des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes eines alten Wasserrechts hängt in jedem Fall maßgeblich von der Verknüpfung der durch das alte Wasserrecht vermittelten Rechtsposition mit den Investitionen in die zu seiner Ausübung geschaffenen Anlagen ab. Sofern am Stichtag keine funktionsfähigen Anlagen (mehr) vorhanden sind, kann das Erlöschen eines alten Wasserrechts typischerweise kein durch Investitionen betätigtes Vertrauen in den Fortbestand der alten Rechtslage mehr enttäuschen. Die Investitionen in die "alten" Anlagen zur Ausübung der Gewässernutzung können sich - sofern nicht bereits in der Vergangenheit geschehen - ohnehin nicht mehr beziehungsweise nur noch eingeschränkt amortisieren, die alten Anlagen müssten vor einer Wiederaufnahme der Gewässerbenutzung durch "neue" Investitionen erst wieder in Stand gesetzt werden beziehungsweise durch neue Anlagen ersetzt werden.

82

Das Erlöschen eines alten Wasserrechts hat überdies nicht zwangsläufig die Aufgabe der nach bisherigem Recht erlaubten Nutzung zur Folge. Vielmehr unterfällt die fragliche Gewässerbenutzung nur der Gestattungspflicht nach §§ 2 ff. WHG. Die weiteren Rechtsfolgen ergeben sich aus § 17 WHG, dessen Fristbestimmungen nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ab dem 1. Juli 1990 sinngemäß anzuwenden sind (vgl. Urteil vom 27. März 2007 - 4 B 707/05 -, juris Rn. 41).

83

Die Anwendung der Stichtagsregelung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG führte ausgehend hiervon bei Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes im Beitrittsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption nicht zu einem ersatz- und übergangslosen Erlöschen alter Wasserrechte. § 17 Abs. 2 und 3 WHG mildert in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts die Belastung für die Inhaber alter Wasserrechte auch in der vorliegenden Konstellation jedenfalls in einer Weise ab, die eine Unverhältnismäßigkeit der Stichtagsregelung vermeidet. Anders als nach § 6 WHG, der die Erteilung einer wasserrechtlichen Gestattung in das Ermessen der zuständigen Behörde stellt, räumt § 17 Abs. 2 Satz 1 WHG dem Inhaber eines alten Wasserrechts einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung nach § 8 WHG ein, sofern § 6 WHG dem nicht entgegensteht, das heißt soweit von der beabsichtigten Gewässerbenutzung keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere keine Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung, zu erwarten ist. Ist dies der Fall und wird eine Bewilligung nach neuem Recht deswegen versagt, hat der Berechtigte nach § 17 Abs. 3 Satz 1 WHG einen Entschädigungsanspruch.

84

Eine spürbare Belastung der Inhaber alter Wasserrechte ergibt sich ausgehend von dem Vorstehenden vornehmlich dann, wenn die in Frage stehende Gewässerbenutzung nach neuem Recht nicht gestattungsfähig ist. Dann kann keine Bewilligung nach § 8 WHG erteilt werden und die Nutzung darf nicht wieder aufgenommen werden. Gerade in diesen Fällen aber sind die Gemeinwohlbelange, die den Bestandsinteressen der vormals Nutzungsberechtigten entgegenlaufen, gewichtig, da die in Frage stehenden Gewässerbenutzungen nicht den Anforderungen des § 6 WHG genügen.

85

(bbb) Die vorstehenden Ausführungen gelten auch unter Berücksichtigung der von den Beschwerdeführern beschriebenen besonderen Situation in der DDR. Dem Gesetzeber war die Anknüpfung an den status quo und die Nutzungssituation, wie sie im Beitrittsgebiet vor und bei der Wiedervereinigung bestanden hat und naturgemäß durch die Entwicklungen in den davor liegenden Jahrzehnten mitgeprägt wurde, nicht verwehrt. Die Beschwerdeführer müssen sich im Hinblick auf den Bestandsschutz für die Gewässernutzungen auf der Grundlage des alten Wasserrechts jedenfalls das Verhalten ihrer Rechtsvorgänger und die dadurch geprägte (Nutzungs-)Situation entgegenhalten lassen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die vormalige Eigentümerstellung anderer Privatpersonen als auch die zwischenzeitliche Rechtsträgerschaft Volkseigener Betriebe zu Zeiten der DDR. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Überleitung des Eigentums an den Betriebsmitteln in das Eigentum der DDR beziehungsweise in das Volkseigentum, die nicht in den Verantwortungsbereich der dem Grundgesetz unterworfenen Bundesrepublik Deutschland fiel, rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt. Jedenfalls endete die förmliche Rechtsstellung des vormaligen Privateigentümers (vgl. im Hinblick auf besatzungshoheitliche Enteignungen BVerfGE 112, 1 <21>) und standen die fraglichen Betriebe auf der Grundlage der Rechtsordnung der DDR nunmehr im Volkseigentum. Hiervon geht auch das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil aus, ohne dass die Beschwerdeführer dies im Verfassungsbeschwerdeverfahren in Zweifel gezogen hätten. Jedenfalls unter Berücksichtigung der in § 17 WHG getroffenen Regelungen, die nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts auch auf die vorliegende Konstellation Anwendung finden, erweist sich die Rechtsfolge des Erlöschens des alten Wasserrechts in der Regel nicht als unangemessen.

86

(ccc) Mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbare Härten, die sich infolge der gesetzlichen Stichtagsregelung in besonders gelagerten Einzelfällen möglicherweise ergeben können, lassen sich jedenfalls durch eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der §§ 15, 17 WHG vermeiden. Zu denken ist daran etwa in Fällen, in denen eine Anlage kurz vor dem Stichtag durch ein Naturereignis zerstört und kurzfristig wieder errichtet wurde oder in denen eine Anlage im Verlauf von Umbauten oder Betriebsänderungen ab- und wiederaufgebaut wurde. Auch in der vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Stellungnahme im vorliegenden Verfahren angesprochenen Konstellation, dass vorhandene Anlagen durch staatliche Stellen unter Verstoß gegen die (damals) geltende Rechtsordnung beseitigt wurden, ist zweifelhaft, ob es mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist, rechtswidrige Eingriffe des Staates als Anknüpfungspunkt für das Erlöschen einer dem Berechtigten vormals zustehenden Rechtsposition zu nehmen. Es erschiene in derartigen Fällen zum einen denkbar, im Rahmen des § 15 Abs. 1 WHG ungeachtet der tatsächlichen Verhältnisse vom Vorhandensein der Anlagen im Rechtssinne auszugehen. Alternativ käme in Betracht, § 17 Abs. 2 Satz 1 WHG dahingehend auszulegen, dass die zuständige Behörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung keine weiteren Anforderungen nach neuem Recht stellen darf, als sie bei einem aufrechterhaltenen Recht nach § 15 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit § 5 WHG (gegebenenfalls in Verbindung mit § 138 SächsWG) möglich sind (so das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 14. April 2005 - BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076 <1078> in Bezug auf § 38 des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt).

87

(b) Die Ausgangsgerichte konnten ohne Verfassungsverstoß davon ausgehen, dass die Rechtslage in Bezug auf die Aufrechterhaltung alter Wasserrechte bis zum Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes am 1. September 2004 unverändert geblieben ist.

88

(aa) Der Regelungsgehalt des § 136 SächsWG 1993/1998 und insbesondere der systematische Zusammenhang dieser Vorschrift mit § 15 Abs. 1 bis 3 und § 17 WHG sind unklar.

89

Ausgehend von dem Wortlaut des § 136 SächsWG 1993/1998 erscheint es zum einen vertretbar, den Fortbestand alter Wasserrechte nicht vom Vorhandensein funktionstüchtiger Anlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig zu machen, sondern die Fortgeltung und Gestattungsfreiheit aller gemäß § 46 des Wassergesetzes 1982 aufrechterhaltenen Gewässerbenutzungen anzunehmen (so Kotulla, WHG, 2002, § 15 Rn. 19; weniger eindeutig Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 5c, 14 ; Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 4, 7, 11; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 15 WHG Rn. 23, 49 und 63 ).

90

Demgegenüber gehen das Sächsische Justizministerium und die Ausgangsgerichte - bei im Einzelnen wiederum differierendem Verständnis der Vorschrift - im Ergebnis übereinstimmend davon aus, dass § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 das Erfordernis des Vorhandenseins funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 unberührt gelassen habe. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 27. März 2007 (4 B 707/05, juris Rn. 38), auf das der hier angegriffene Beschluss vom 25. November 2008 verweist, bezieht sich § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 schon nach seinem Wortlaut nicht auf § 15 Abs. 1 bis 3 WHG. Eine Regelung, welche die Gestattungsfreiheit der Gewässernutzung nicht davon abhängig mache, dass zu ihrer Ausübung zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden seien, wäre nicht mit § 15 Abs. 1 WHG vereinbar gewesen. Dieser ermächtige die Länder nur dazu, einen von § 15 Abs. 1 WHG abweichenden Stichtag zu bestimmen. Im Übrigen wendet das Oberverwaltungsgericht, das § 15 WHG mit Blick auf die Frage des Fortbestandes alter Wasserrechte offenbar als "Sonderregelung" zu § 136 SächsWG 1993/1998 ansieht (so wohl auch Habel/Zeppernick, Das Wasserrecht in Sachsen, § 136 SächsWG Rn. 1 ), § 15 WHG unmittelbar an.

91

(bb) § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 ist demnach verschiedenen Auslegungsvarianten zugänglich, die allerdings sämtlich Unklarheiten in der argumentativen Herleitung nicht vermeiden können und von denen sich daher keine in einer Weise aufdrängt, die ein abweichendes Verständnis als verfassungswidrig erscheinen ließe. Auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts mag einfachrechtlich diskussionswürdig sein. Sie lässt jedoch keine Fehler erkennen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Eigentumsgrundrechts beruhen.

92

(2) § 136 Satz 2 SächsWG verstößt ausgehend hiervon nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG.

93

(a) Die ausdrückliche Aufnahme der Stichtagsregelung hat auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Ausgangsgerichte lediglich deklaratorischen Charakter und schreibt die bereits davor gültige Rechtslage klarstellend fest. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes bestehen daher insoweit keine Bedenken.

94

(b) Dies gilt auch unter Berücksichtigung der mit Blick auf die Stichtagsregelung zunächst bestehenden Rechtsunsicherheiten und das diesbezügliche behördliche Vollzugsdefizit in den Jahren nach der Wiedervereinigung.

95

(aa) Die einschlägigen Vorgängervorschriften (Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG sowie § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998) ließen ihrem Wortlaut nach nicht erkennen, dass zum 1. Juli 1990 rechtmäßige Anlagen vorhanden sein mussten und dass bis zum 30. Juni 1995 ein Antrag gemäß § 17 WHG gestellt werden konnte beziehungsweise musste. Auch wurde die Stichtagsregelung in der Verwaltungspraxis der sächsischen Behörden jedenfalls in den Jahren nach der Wiedervereinigung offenbar nur unzureichend beachtet. Teilweise wurde auf den 12. August 1957 abgestellt, teilweise auf das Vorhandensein rechtmäßiger funktionsfähiger Anlagen vollständig verzichtet.

96

(bb) Dieser Befund führt jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 136 Satz 2 SächsWG.

97

Denn die "abfedernde" Regelung des § 17 WHG ist jedenfalls einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung zugänglich. Eine solche kann hier unbeschadet der Frage geboten sein, ob die in § 17 WHG getroffenen Regelungen von Verfassungs wegen zwingend erforderlich waren (aaa). Dies ist allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen der Fall (bbb). Im Rahmen des § 17 Abs. 1 Satz 2 WHG kommt in diesen Fällen die Gewährung von Nachsicht in Betracht, im Rahmen des § 17 Abs. 2 WHG die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (ccc).

98

(aaa) Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung kann hier unbeschadet der Frage erforderlich sein, ob die in § 17 WHG getroffenen Regelungen von Verfassungs wegen zwingend geboten waren. Denn - wie bereits dargestellt - verpflichtet Art. 14 Abs. 1 GG die Gerichte, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende und darin zum Ausdruck kommende Interessenbewertung nachzuvollziehen (vgl. BVerfGE 81, 29 <31 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 - 1 BvR 432/00 -, juris Rn. 22).

99

(bbb) Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der Fristbestimmungen des § 17 WHG ist allerdings nicht in jedem Fall geboten.

100

Zwar konnten die Inhaber alter Rechte den vormals einschlägigen Vorschriften (zunächst §§ 15, 17 WHG und später auch § 136 SächsWG 1993/1998) die Obliegenheit zur Stellung eines Antrags innerhalb der Fristen des § 17 WHG nicht zweifelsfrei entnehmen.

101

Allerdings ist bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 17 WHG auch das Regel-/Ausnahmeverhältnis zu berücksichtigen, in dem die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes über die Gestattungspflicht von Gewässerbenutzungen (§§ 2 ff. WHG) zu § 15 WHG (in Verbindung mit den ausgestaltenden landesgesetzlichen Regelungen, hier § 136 SächsWG), § 17 WHG stehen: Die mit dem Betrieb einer Wasserkraftanlage verbundenen Gewässernutzungen bedürfen als solche zweifelsohne der Gestattung gemäß §§ 2 ff. WHG. Deren Erteilung steht gemäß § 6 WHG grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde. Eine Wasserkraftanlage kann unter Geltung des Wasserhaushaltsgesetzes ohne wasserrechtliche Gestattung gemäß §§ 7 ff. WHG daher jedenfalls nur betrieben werden, wenn eine gesetzlich geregelte Ausnahme von der Gestattungspflicht einschlägig ist. Eine solche konnte sich für alte Rechte und Befugnisse aus § 15 WHG (in Verbindung mit § 136 SächsWG 1993/1998) ergeben. Abweichend von der generellen Regelung des § 6 WHG kann im Fall des § 17 Abs. 2 WHG ausnahmsweise ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung, gegebenenfalls auf eine Entschädigung (vgl. § 17 Abs. 3 WHG) bestehen. Wollten somit aber die Inhaber alter Wasserrechte aus den genannten Vorschriften, über deren Regelungsgehalt Unklarheit bestand, für sich günstige Rechtsfolgen in Gestalt der Gestattungsfreiheit der ausgeübten Gewässerbenutzungen (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG), der vorläufigen Befugnis zur Ausübung der Gewässerbenutzungen ohne neue wasserrechtliche Gestattung (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG) beziehungsweise des Anspruchs auf Erteilung einer Erlaubnis oder gegebenenfalls einer Entschädigung (vgl. § 17 Abs. 2 und 3 WHG) ableiten, hätte es ihnen oblegen, sich über den Inhalt dieser Vorschriften sowie die diesbezügliche behördliche Vollzugspraxis Klarheit zu verschaffen und gegebenenfalls die Feststellung ihres alten Wasserrechts zu begehren. Sie durften angesichts der unklaren Rechtslage nicht ohne Weiteres darauf vertrauen, dass die Vorschriften in der von ihnen für richtig gehaltenen Auslegung Anwendung finden würden.

102

Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung des § 17 WHG ist demnach nur dann geboten, wenn im konkreten Einzelfall der Inhaber eines alten Wasserrechts aufgrund eines behördlichen (Fehl-)Verhaltens bei der Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften davon ausgehen durfte, dass es auf das Vorhandensein funktionsfähiger Anlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht ankomme, das alte Wasserrecht gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG fortbestehe und daher keine Gestattung nach dem Wasserhaushaltsgesetz und somit auch kein Antrag gemäß § 17 WHG erforderlich sei. Anlass zu einer derartigen Annahme können etwa behördliche Auskünfte gegenüber dem Betroffenen selbst geben oder aber eine ständige behördliche Praxis, von der der Betroffene Kenntnis hatte und aufgrund derer er von der Einholung behördlicher Auskünfte oder der Stellung eines Antrages gemäß § 17 WHG abgesehen hat. Gleiches gilt in Fällen, in denen die Behörde etwa im Rahmen des Verfahrens zur Bewilligung von Fördergeldern zunächst die Gestattungsfreiheit des Betriebs der Wasserkraftanlage bestätigt hat.

103

(ccc) § 17 Abs. 1 Satz 2 WHG ist - soweit nach dem eben Ausgeführten geboten - einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung auch dann zugänglich, wenn man eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Rahmen des § 17 Abs. 1 WHG für ausgeschlossen erachtet (so Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 17 WHG Rn. 30 ; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 17 Rn. 15 ). So ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen (vgl. BVerwGE 101, 39 <45> m.w.N.). Diese Grundsätze lassen sich auf die Wahrung der in § 17 Abs. 1 WHG geregelten Frist übertragen.

104

Bei der in § 17 Abs. 2 WHG geregelten Frist handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Ausschlussfrist, so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig ist (vgl. Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 17 Rn. 23 ; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 17 WHG Rn. 35 ).

105

Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen die Gewährung von Nachsicht beziehungsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Verfassungs wegen geboten sein kann, wird auf die vorstehenden Ausführungen (bbb) verwiesen.

106

bb) Die Verfassungsbeschwerde hat auch keine Aussicht auf Erfolg, soweit sie sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. November 2006 und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 25. November 2008 richtet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen jedenfalls im Ergebnis das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht.

107

(1) Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 136 Satz 2 SächsWG und der diesbezüglichen Erwägungen der Ausgangsgerichte wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die Fragestellungen, die sich aus der (zunächst) unterbliebenen beziehungsweise unzureichenden Umsetzung des Erfordernisses des Vorhandenseins rechtmäßiger funktionsfähiger Anlagen in der sächsischen Verwaltungspraxis und der verwaltungsgerichtlichen Klärung des Regelungsgehaltes des § 15 WHG in Verbindung mit § 136 SächsWG 1993/1998 erst nach Ablauf der in § 17 WHG geregelten Fünfjahresfrist ergeben.

108

(2) Auch im Übrigen ist ein Verfassungsverstoß bei der Auslegung und Anwendung der vorgenannten Vorschriften durch die Ausgangsgerichte nicht festzustellen.

109

(a) Dies gilt zunächst insoweit, als das Verwaltungsgericht das Vorhandensein rechtmäßiger funktionsfähiger Anlagen am Stichtag des 1. Juli 1990 verneint hat.

110

(aa) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsauffassung und die ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen haben die Beschwerdeführer jedenfalls innerhalb der Begründungsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG nicht substantiiert geltend gemacht. Da auch ihr Antrag auf Zulassung der Berufung im Ausgangsverfahren keine diesbezüglichen Ausführungen enthält, stünde einer Prüfung im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren zudem schon der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) entgegen.

111

(bb) Es erscheint nach dem oben Ausgeführten zwar fraglich, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es komme nicht darauf an, ob die Verfüllung des Betriebsgrabens widerrechtlich vorgenommen worden sei, mit Art. 14 Abs. 1 GG in Einklang steht. Letztlich kann dies aber offenbleiben. Denn die Beschwerdeführer haben diese Frage mit der Verfassungsbeschwerde nicht aufgegriffen und auch in tatsächlicher Hinsicht hierzu nichts vorgetragen. Überdies haben sie das Urteil des Verwaltungsgerichts auch insoweit nicht mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung angegriffen, so dass es an der Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes mangelt.

112

(cc) Abgesehen von der gegebenenfalls widerrechtlichen Verfüllung des Betriebsgrabens durch staatliche Stellen liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Annahme des Erlöschens des alten Wasserrechts gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen könnte.

113

Nach den von den Beschwerdeführern nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wird die Wasserkraftanlage schon seit mehr als 20 Jahren nicht mehr betrieben. Die Nutzungsaufgabe beruhte - soweit ersichtlich - auch nicht auf den von den Beschwerdeführern ins Feld geführten Materialengpässen zu DDR-Zeiten, sondern auf einem verminderten Wasserzufluss infolge eines Talsperrenbaus und der Verfüllung des Betriebsgrabens im Zuge eines Straßenausbaus. Das Verwaltungsgericht weist in dem angegriffenen Urteil überdies nachvollziehbar darauf hin, dass sowohl die baulichen Anlagen des Mühlgrabens, soweit sie als Mauern noch vorhanden seien, als auch des Wasserschlosses in den inzwischen mehr als 20 Jahren ihrer Nichtnutzung in der Substanz Veränderungen erfahren hätten, die die Wiederinbetriebnahme in Frage stellen könnten und jedenfalls eine statisch-bautechnische Prüfung erforderten.

114

(b) Ob das Verwaltungsgericht ohne Verfassungsverstoß davon ausgehen konnte, dass sich die Beschwerdeführer schon deswegen nicht auf § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 WHG berufen könnten, weil jedenfalls kein entsprechender Antrag gestellt worden sei und die bis zum 30. Juni 1995 laufende Schonfrist schon damals, als die Beschwerdeführer im Jahr 1999 den Kaufvertrag über die betreffenden Grundstücke geschlossen hätten, längst verstrichen gewesen sei, erscheint zweifelhaft. Gleiches gilt für die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu § 17 WHG.

115

Letztlich bedarf aber auch diese Frage keiner Entscheidung. Denn es ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht ersichtlich, dass die Gerichte gemessen an den oben dargestellten Maßstäben im Ergebnis von Verfassungs wegen gehindert gewesen wären, den Beschwerdeführern den Ablauf der Fünfjahresfrist des § 17 WHG entgegenzuhalten und dass die angegriffenen Entscheidungen auf einem etwaigen diesbezüglichen Grundrechtsverstoß beruhen könnten. Die Beschwerdeführer haben weder substantiiert vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass sie oder die derzeitigen Eigentümerinnen aufgrund eines Fehlverhaltens der Behörden bei der Anwendung der § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG, § 136 SächsWG 1993/1998 von der fristgemäßen Stellung eines Antrages gemäß § 17 WHG abgesehen hätten. Allein die lange Zeit bestehenden Unklarheiten über die Rechtslage und die allgemeinen Unzulänglichkeiten des Verwaltungsvollzuges reichen hierfür - wie bereits dargestellt - nicht aus.

116

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

117

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge.

2

Im Jahre 1978 beschloss der Rat der Beklagten die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets "Südmarkt" im Stadtgebiet der Beklagten. Nach Genehmigung und Bekanntmachung der Sanierungssatzung führte die Beklagte verschiedene Ordnungs- und Sanierungsmaßnahmen durch; im Jahr 1989 schloss sie die letzten Sanierungsmaßnahmen ab. In den Jahren 1989 bis 1992 rechnete die Beklagte gegenüber dem Regierungspräsidenten Düsseldorf die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen ab; der Schlussverwendungsnachweis datiert vom 11. März 1992; mit Schreiben vom 15. Juni 1992 erklärte der Regierungspräsident das Modellvorhaben Südmarkt I (städtebaulicher Teil) haushalts- bzw. zuwendungsrechtlich für abgeschlossen.

3

Im Juni 2006 beschloss die Beklagte die Aufhebung der Sanierungssatzung, Ende Juni 2006 wurde die Aufhebungssatzung bekannt gemacht.

4

Der Kläger ist Wohnungseigentümer im Geltungsbereich des (ehemaligen) Sanierungsgebiets "Südmarkt". Mit Bescheid vom 25. Mai 2010 zog ihn die Beklagte nach vorheriger Anhörung zur Zahlung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags in Höhe von 1 216,80 € heran. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage.

5

Das Verwaltungsgericht hob den angefochtenen Bescheid auf. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen lägen aus drei selbständig tragenden Gründen nicht vor. Zunächst habe die Aufhebungssatzung wegen formeller Mängel nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt (1). Unabhängig davon sei der Abschluss der Sanierung nicht mit der - ohnehin unwirksamen - Aufhebungssatzung, sondern schon wesentlich früher eingetreten, weil die Sanierungssatzung spätestens im Jahr 1992 funktionslos geworden sei mit der Folge, dass die Erhebung des Ausgleichsbetrags spätestens seit dem Jahr 1997 festsetzungsverjährt sei (2). Zuletzt halte auch die Ermittlung der konkreten Ausgleichsbeträge einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand (3).

6

Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung wandte sich die Beklagte ausschließlich gegen den Entscheidungsgrund zu 2. Sie beantragte, das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese sei zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass bei Erlass des Bescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die Festsetzungsfrist betrage vier Jahre und beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Entstanden sei die Abgabe hier spätestens Ende 1992, so dass die Festsetzungsfrist bereits Ende des Jahres 1996 abgelaufen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Sanierungssatzung im Jahr 1992 nicht aufgehoben worden sei. Zwar sei nach § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten". Daraus ergebe sich, dass insofern nur die förmliche Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB bzw. die förmliche Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung für das jeweilige Grundstück gemäß § 163 BauGB maßgeblich seien. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie Bedürfnisse der Rechtssicherheit bestätigten diesen Befund. Wann die Sanierung tatsächlich abgeschlossen sei, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts daher unerheblich. Dieser Rechtsprechung könne jedoch, soweit es um die Auslösung der Festsetzungsfrist gehe, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr für alle Fallkonstellationen und so auch hier gefolgt werden. Denn sie führe dazu, dass die Gemeinde durch den pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung das Entstehen des Ausgleichsbetragsanspruchs unbegrenzt verhindern könne und damit der Eintritt der Festsetzungsverjährung in ihr Belieben gestellt wäre. Dies sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit unvereinbar. Dieses gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Diese zu Kanalanschlussbeiträgen ergangene Rechtsprechung finde auch auf sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge Anwendung. Die erforderliche Rechtssicherheit ergebe sich nicht daraus, dass die betroffenen Eigentümer gemäß § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung oder gemäß § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB die vorzeitige Festsetzung des Ausgleichsbetrags beantragen könnten. Auch die Überleitungsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB regele lediglich eine Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung, löse aber nicht die Festsetzungsfrist aus. Damit sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB in der bisherigen Auslegung mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Gleichwohl sei eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht zulässig. Denn die Vorschrift könne für den Fall, dass die Gemeinde entgegen ihrer Rechtspflicht die Sanierungssatzung nicht aufhebe, verfassungskonform so ausgelegt werden, dass die abstrakte Ausgleichsbetragsforderung in dem Zeitpunkt entstehe, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben werden müssen. Das sei hier bereits im Jahre 1992 der Fall gewesen, weil in diesem Jahr teils die Sanierung vollständig durchgeführt gewesen, teils die Sanierungsabsicht aufgegeben worden sei. Da der angegriffene Bescheid somit bereits wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung rechtswidrig sei, könne dahingestellt bleiben, ob die vom Verwaltungsgericht angenommenen weiteren Rechtswidrigkeitsgründe vorliegen und ob das Berufungsgericht diese prüfen darf.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen Divergenz zugelassen, die Beklagte hat von dem zugelassenen Rechtsmittel Gebrauch gemacht.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision (1) ist im Ergebnis unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht (2); die Entscheidung selbst stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (3).

9

1. Die Revision ist zulässig.

10

Im Revisionsverfahren hat die Beklagte zuletzt ohne Einschränkung beantragt, die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eine unzulässige Beschränkung des Streitgegenstandes (vgl. hierzu z.B. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 139 Rn. 36) liegt damit nicht vor.

11

In dem einschränkungslos formulierten Revisionsantrag liegt auch keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO), denn dem Umstand, dass die Beklagte ihren Antrag in der Berufungsinstanz darauf beschränkt hatte, "das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben", hat das Oberverwaltungsgericht (UA S. 7 f.) ausdrücklich nur als Problem der Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO) Bedeutung beigemessen. Von einer Beschränkung des Streitgegenstandes in der Berufungsinstanz ist es ersichtlich nicht ausgegangen.

12

2. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 17), § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sei hinsichtlich des Beginns der vierjährigen Frist für die Festsetzung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge verfassungskonform dahin auszulegen, dass für den Fall einer rechtswidrig verzögerten Aufhebung der Sanierungssatzung nicht - wie in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgesehen - an den förmlichen "Abschluss der Sanierung" durch Aufhebung der Sanierungssatzung (§ 162 BauGB) anzuknüpfen, sondern der Zeitpunkt maßgeblich sei, "in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen", steht mit Bundesrecht nicht im Einklang.

13

a) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 9) hat § 155 Abs. 5 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO die Regelung entnommen, dass die Festsetzung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags nicht mehr zulässig ist, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist; nach § 169 Abs. 2 Satz 1, § 170 Abs. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre; sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist.

14

Wann die sanierungsrechtliche Ausgleichsabgabe entstanden ist, beantwortet § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB mit der Regelung, dass der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten" ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zuletzt Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - ZfBR 2011, 477 = BauR 2011, 1308 = BRS 78 Nr. 215 = juris Rn. 5 m.w.N.) ist der Begriff des Abschlusses der Sanierung förmlich zu verstehen. Die Pflicht zur Zahlung des Ausgleichsbetrags entsteht mit der rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 Abs. 1 BauGB (oder - hier nicht von Interesse - mit der Erklärung der Gemeinde gemäß § 163 BauGB, dass die Sanierung für ein Grundstück abgeschlossen ist). Zur rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung ist die Gemeinde unter den in § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB genannten Voraussetzungen zwar verpflichtet. Weder der Zeitablauf noch eine unzureichend zügige Förderung der Sanierung haben für sich genommen jedoch zur Folge, dass die Sanierungssatzung automatisch außer Kraft tritt (Urteil vom 20. Oktober 1978 - BVerwG 4 C 48.76 - Buchholz 406.15 § 50 StBauFG Nr. 1). Die an § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB anknüpfende vierjährige Festsetzungsfrist beginnt folglich erst mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Sanierungssatzung rechtsförmlich aufgehoben worden ist. Das gilt nach bisheriger Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn die Gemeinde die Aufhebung der Sanierungssatzung rechtswidrig unterlässt, obwohl die Voraussetzungen der Aufhebung vorliegen.

15

b) Die Anknüpfung der landesrechtlich geregelten Festsetzungsverjährung an die rechtsförmliche Aufhebung der Sanierungssatzung darf mit Blick auf das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit allerdings nicht zur Folge haben, dass es die Gemeinde in der Hand hat, durch rechtswidriges Unterlassen der Aufhebung der Sanierungssatzung den Eintritt der Festsetzungsverjährung auf Dauer oder auf unverhältnismäßig lange Zeit zu verhindern.

16

Das Rechtsstaatsprinzip verlangt in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde gegen die Heranziehung zu Kanalherstellungsbeiträgen auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) entschieden.

17

Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11 f.) davon ausgegangen, dass diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch bei der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge Geltung beanspruchen. Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 21). Das ist beim Ausgleichsbetrag nach § 154 Abs. 3 BauGB regelmäßig (siehe aber § 163 BauGB) der Fall, solange die Gemeinde die Sanierungssatzung nicht aufhebt. Auch in diesem Fall darf eine gesetzlich angeordnete Abgabepflicht daher nicht zur Folge haben, dass die Gemeinde die Abgabe zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festsetzen kann.

18

c) Dem Oberverwaltungsgericht (UA S. 12 ff.) ist ferner darin zuzustimmen, dass dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht durch spezifisch sanierungsrechtliche Instrumente oder Vorkehrungen Rechnung getragen ist.

19

Zu Recht hat sich das Oberverwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, dass die in § 143 Abs. 2 Satz 2 BauGB vorgeschriebene Eintragung eines Sanierungsvermerks in die Grundbücher der von der Sanierung betroffenen Grundstücke einen Verfassungsverstoß zwar (möglicherweise) unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausschließt, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Dessen Anforderungen ist auch nicht durch § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB Genüge getan, wonach die Gemeinde die Sanierung für ein Grundstück auf Antrag des Eigentümers als abgeschlossen zu erklären hat (vgl. hierzu Urteil vom 21. Dezember 2011 - BVerwG 4 C 13.10 - BVerwGE 141, 302); die damit eröffnete Möglichkeit in der Hand des einzelnen Eigentümers, den Abschluss der Sanierung grundstücksbezogen herbeizuführen, ist kein vollwertiges Surrogat für die in § 162 Abs. 1 BauGB geregelte Pflicht, die Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung für das gesamte Sanierungsgebiet abzuschließen. Gleiches gilt für die in § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB getroffene Regelung, dass die Gemeinde auf Antrag des Ausgleichsbetragspflichtigen den Ausgleichsbetrag vorzeitig festsetzen soll, wenn der Pflichtige an der vorzeitigen Festsetzung ein berechtigtes Interesse hat und der Ausgleichsbetrag mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann; auch mit dieser Antragsmöglichkeit ist dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht hinreichend entsprochen; das gilt vor allem deswegen, weil die vorzeitige Festsetzung etwa im Hinblick auf ungewöhnliche Ermittlungsschwierigkeiten oder einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand abgelehnt werden kann ("soll"; vgl. z.B. Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand September 2013, § 154 Rn. 200). Die Übergangsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB schließlich normiert wiederum nur eine Pflicht der Gemeinde, Sanierungssatzungen, die vor dem 1. Januar 2007 bekannt gemacht wurden, spätestens bis zum 31. Dezember 2021 mit den Rechtswirkungen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB aufzuheben. Die Regelung ist deshalb ebenfalls kein geeignetes Instrument, den rechtsstaatlichen Anforderungen der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit für den Fall der Nichterfüllung dieser Pflicht Rechnung zu tragen.

20

d) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10 und 17 ff.) hat sich deshalb zur Vermeidung rechtsstaatswidriger Ergebnisse veranlasst gesehen, der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht mehr einschränkungslos zu folgen. Für den Fall, dass die Gemeinde - wie hier - ihrer Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung nicht oder nicht rechtzeitig nachkomme, sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB verfassungskonform so auszulegen, dass die "abstrakte Ausgleichsbetragsforderung" nicht erst mit dem förmlichen Abschluss der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung, sondern bereits "in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen". Dieser Standpunkt ist mit Bundesrecht unvereinbar.

21

Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. schon BVerfG, Entscheidung vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 <383 f.>; stRspr). Eine Norm ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1958 - 1 BvF 1/58 - BVerfGE 8, 71 <78 f.>). Die zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 - BVerfGE 69, 1 <55>). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 - BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 <400> m.w.N.; Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1 BvL 149/52 - BVerfGE 8, 28 <34>, vom 11. Juni 1980 - 1 PBvU 1/79 - BVerfGE 54, 277 <299 f.> m.w.N. und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274>). Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen mithin dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 - BVerfGE 110, 226 <267> m.w.N.; Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 12 BvR 1279/12 - NJW 2013, 3151 Rn. 77).

22

Mit seiner Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB überschreitet das Oberverwaltungsgericht die dargestellten Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung, denn diese läuft auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht.

23

Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) hat selbst hervorgehoben, dass es dem Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB darum ging, den "Abschluss der Sanierung" durch den Klammerverweis auf die §§ 162, 163 BauGB förmlich zu markieren. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts soll es aber "allein für den Fall, dass eine Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB pflichtwidrig die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt, … für die sachliche Abgabepflicht zu einer Ablösung von einem formalen Rechtsakt" kommen. Dass dies dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufe, sei - so das Oberverwaltungsgericht - schon deshalb nicht erkennbar, weil der Gesetzgeber "selbstverständlich" davon ausgegangen sei, dass die von ihm normierte Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung beachtet wird. Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB, der auf § 162 BauGB Bezug nehme, könne sogar positiv dahingehend verstanden werden, dass ein "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die sachliche Abgabepflicht auch vorliege, wenn die Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt. Nichts sei dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus dieser Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile habe gewähren wollen. Näher liege es, dass der Gesetzgeber den vom pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung Betroffenen so habe stellen wollen, wie er nach der gesetzlichen Konzeption ohne die Pflichtwidrigkeit stünde. Diese Auffassung geht fehl.

24

Ihr steht bereits der durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigte eindeutige Wortlaut des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen. Der Begriff "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sollte, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 8/2451 S. 37) klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt, durch den einzufügenden Klammerzusatz "auf die §§ 50 und 51 StBauFG (jetzt: §§ 162, 163 BauGB) bezogen werden, die den förmlichen Abschluss regeln". Dem Gesetzgeber ging es also ersichtlich darum, den Abschluss der Sanierung, mit der die Abgabepflicht entsteht, förmlich zu bestimmen.

25

Auch Bedürfnisse der Rechtssicherheit verlangen nach einer förmlichen Markierung des "Abschlusses der Sanierung", wie das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10) im Ausgangspunkt selbst eingeräumt hat. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass die in § 162 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Gründe, die zur Aufhebung der Sanierungssatzung verpflichten, auch von einer Willensentscheidung der Gemeinde abhängen. So ist etwa die Beendigung der sanierungsbedingten Baumaßnahmen allein noch kein hinlängliches Zeichen dafür, dass die Sanierung im Sinne des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB tatsächlich "durchgeführt" ist, solange dieser äußerlich wahrnehmbare Vorgang nicht auch von einem entsprechenden Willen der Gemeinde getragen ist. Ob dieser Wille vorliegt, kann nur die Gemeinde zuverlässig beurteilen, wie das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle (UA S. 14) zutreffend bemerkt hat. Äußerlich wahrnehmbare Hilfstatsachen, wie etwa der Zeitpunkt der Durchführung der letzten baulichen Maßnahmen oder die Abrechnung der Zuwendungen, haben insoweit nur indizielle Bedeutung. Nicht von ungefähr hat sich das Oberverwaltungsgericht (UA S. 22) auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen, dass die letzten baulichen Maßnahmen zur Sanierung im Jahr 1989 durchgeführt und in den Jahren 1989 bis 1992 die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen gegenüber dem Regierungspräsidium abgerechnet worden seien, lediglich zu der Aussage befähigt angesehen, dass die Sanierungssatzung "spätestens" im Jahre 1992 hätte aufgehoben werden müssen. Auch nach Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist deshalb daran festzuhalten, dass es angesichts "unüberwindbarer Schwierigkeiten", ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen, in sämtlichen Fällen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB einer ausdrücklichen Entscheidung der Gemeinde über die Aufhebung der Sanierungssatzung bedarf (Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - juris Rn. 5, 6). Erst dieser formale Rechtsakt führt den "Abschluss der Sanierung" herbei. Alles Andere wäre mit Wortlaut, historischem Gesetzgeberwillen sowie Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB unvereinbar.

26

Gesetzeswortlaut und historischer Gesetzgeberwille enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" bzw. der "sachlichen Abgabepflicht" und nur für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung auf diesen förmlich markierten Anknüpfungspunkt für den Abschluss der Sanierung verzichten wollte. Dabei geht es - anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) angenommen hat - nicht darum, ob der Gesetzgeber einer Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus der Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile gewähren wollte. Im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung geht es - anders als bei der richterlichen Rechtsfortbildung, etwa im Wege des Analogieschlusses - auch nicht darum, ob der Gesetzgeber, hätte er das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit bedacht, für den Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts zugrunde gelegt hätte. Es geht vielmehr darum, ob das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers sowie dem Gesetzeszweck entspricht. Diese Frage ist ohne Einschränkung zu verneinen. Der Gesetzgeber hat sich - wie dargestellt - ersichtlich auch aus Gründen der Rechtssicherheit kategorisch auf einen durch die Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB (oder die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung gemäß § 163 BauGB) formal markierten Abschluss der Sanierung festgelegt. Die vom Oberverwaltungsgericht (UA S. 18) angenommenen Differenzierungen zwischen "persönlicher Abgabepflicht" und "abstrakter Ausgleichsbetragsforderung" bzw. "sachlicher Abgabepflicht" sowie zwischen einer rechtmäßigen und einer rechtswidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung sind in der Vorschrift nicht angelegt. Der Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung ist sowohl nach dem durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigten Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift von § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB erfasst. Während der Gesetzgeber den Abschluss der Sanierung also ohne Ausnahme durch die Aufhebung der Sanierungssatzung förmlich markiert sieht, soll nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" der Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung treten. Die normative Festlegung des Gesetzgebers würde mithin für den Fall einer nicht rechtzeitigen Aufhebung der Sanierungssatzung neu bestimmt; das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts liefe somit auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht und deshalb die Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung überschreitet.

27

Das gilt umso mehr, als das Kriterium des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung nicht nur - wovon das Oberverwaltungsgericht (UA S. 19) offensichtlich ausgegangen ist - in dem "atypischen Fall pflichtwidrigen Verhaltens der Gemeinde" an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung treten würde, sondern - konsequent zu Ende gedacht - letztlich auch in allen anderen Fällen zu prüfen wäre. Denn auch in dem Fall, in dem die Gemeinde die Aufhebung der Sanierung pflichtgemäß und rechtzeitig beschließt, müsste das Gericht, um dies feststellen zu können, erst einmal ermitteln, wann die Sanierungsmaßnahmen tatsächlich abgeschlossen waren und die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB deshalb "hätte aufgehoben worden sein müssen". Die Prüfung des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung bliebe dem Gericht also in keinem Fall erspart. Das gesetzgeberische Ziel, den Abschluss der Sanierung auch angesichts der "unüberwindbaren Schwierigkeiten, ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen" (Beschluss vom 12. April 2011 a.a.O. Rn. 6), rein formal zu bestimmen, würde damit konterkariert.

28

e) Einer verfassungskonformen Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf es im Übrigen schon deswegen nicht, weil unter Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über den Ausgleichsbetrag sichergestellt werden kann.

29

Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (Urteile vom 14. April 1978 - BVerwG 4 C 6.76 - BVerwGE 55, 337 <339> und vom 16. Mai 2000 - BVerwG 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <172> sowie Beschluss vom 5. März 1998 - BVerwG 4 B 3.98 - Buchholz 406.421 Garagen- und Stellplatzrecht Nr. 8). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Soweit es - wie bei sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen nach § 154 Abs. 1 BauGB - um bundesrechtlich geregelte Abgaben geht, gegen die sich der Einwand von Treu und Glauben richtet, unterliegt er der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. Urteil vom 16. Mai 2000 a.a.O. S. 172 f.).

30

Nicht einschlägig ist allerdings die Fallgruppe der Verwirkung. Das hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (a.a.O. Rn. 44) klargestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Urteil vom 7. Februar 1974 - BVerwG 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343> m.w.N.) erfordert die Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen auch besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Im Sanierungsrecht wird - wie ausgeführt - bereits die erforderliche Vertrauensgrundlage wegen der Eintragung eines Sanierungsvermerks in das Grundbuch in aller Regel nicht gegeben sein. Im Übrigen erscheint das Instrument der Verwirkung auch mit Blick auf die weiteren Voraussetzungen (Vertrauenstatbestand, Vermögensdisposition) kaum geeignet, den Bürger vor einer rechtsstaatlich unzumutbaren Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge zu bewahren. Denn das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit erfordert eine Regelung, die ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greift (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O.).

31

Der Geltendmachung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (vgl. hierzu allgemein z.B. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; im öffentlichen Recht z.B. Urteil vom 24. Februar 2010 - BVerwG 9 C 1.09 - BVerwGE 136, 126 Rn. 38). Nach dieser Fallgruppe kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.

32

Treuwidrigkeit liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die Gemeinde die Sanierungssatzung entgegen ihrer Pflicht aus § 162 Abs. 1 BauGB nicht rechtzeitig aufgehoben hat. Treuwidrig ist die Abgabenerhebung vielmehr erst dann, wenn es aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Wann das der Fall ist, mag im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist aber handhabbar. Zugrunde zu legen ist ein enger Maßstab. Gegen die Annahme der Treuwidrigkeit kann etwa sprechen, dass sich der politische Willensbildungsprozess in der Gemeinde über die Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen schwierig gestaltete oder dass die Fortführung der Sanierung an finanziellen Engpässen scheiterte.

33

Darüber hinaus kann zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22 im Anschluss an VG Dresden, Urteil vom 14. Mai 2013 - 2 K 742.11 - juris Rn. 42) und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.

34

Die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge ist damit generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze kann die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist dabei eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung. Er steht der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge auch dann entgegen, wenn sich der Betroffene hierauf nicht beruft. Den rechtsstaatlichen Anforderungen ist damit insgesamt Genüge getan.

35

3. Ob die Erhebung des sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags vorliegend tatsächlich wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen war, kann der Senat offen lassen. Denn die Berufungsentscheidung stellt sich im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

36

Das Verwaltungsgericht (UA S. 9) hat angenommen, dass die Aufhebungssatzung der Beklagten vom 29. Juni 2006 nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt habe, weil sie wegen formeller Mängel unwirksam sei. Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 23) hat diese Frage offen gelassen und hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Der vom Verwaltungsgericht angenommene Ausfertigungsmangel ist zwischen den Beteiligten aber unstreitig, wie diese im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich bestätigt haben. Der Senat kann deshalb von der formellen Unwirksamkeit der Aufhebungssatzung ausgehen. Fehlt es aber an einer wirksamen Aufhebungssatzung, dann mangelt es auch an dem vom § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorausgesetzten förmlichen Abschluss der Sanierung, so dass ein Ausgleichsbetrag nicht entstanden ist. Das hat - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - zur Folge, dass der angefochtene Abgabenbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

Eine Willenserklärung, welche durch die zur Übermittlung verwendete Person oder Einrichtung unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung angefochten werden wie nach § 119 eine irrtümlich abgegebene Willenserklärung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.