Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 20. Feb. 2017 - 8 B 90/17

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2017:0220.8B90.17.0A
bei uns veröffentlicht am20.02.2017

Gründe

1

Über den Antrag entscheidet im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Berichterstatterin als Einzelrichterin (§ 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG).

2

Die Antragstellerin wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31.01.2017, mit welchem der Asylantrag der Antragstellerin wegen der italienischen Zuständigkeit als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wurde.

3

Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, "die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen", ist unbegründet.

I.

4

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Danach überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse der Antragstellerin, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, weil die im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes enthaltene Abschiebungsanordnung bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Antragstellerin hat zudem keinen Anspruch darauf, dass das gesetzliche- Einreise- und Aufenthaltsverbot auf "0" Monate befristet wird.

5

1. Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG. Danach hat die Antragsgegnerin in den Fällen, in denen der Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG unzulässig ist, die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anzuordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen für die Abschiebungsanordnung liegen hier nach summarischer Prüfung vor.

6

1.1 Formelle Mängel bezüglich der Abschiebungsanordnung sind nicht ersichtlich. Soweit der Prozessvertreter der Antragstellerin vorträgt, dass der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig sei, weil die Antragsgegnerin vor Erlass keine sogenannte Zweitbefragung durchgeführt habe und der Antragstellerin somit die Möglichkeit vorenthalten worden sei, umfassend zu den Gründen, die gegen eine Rückkehr nach Italien sprechen, vorzutragen, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Ausweislich der Verfahrensakte der Antragsgegnerin ergibt sich, dass eine Zweitbefragung am 22.11.2016 stattgefunden hat (vgl. Bl. 77 – 79 der Beiakte). Eine Niederschrift über die Zweitbefragung ist der Antragstellerin ausweislich eines Empfangsbekenntnisses vom 22.11.2016 auch ausgehändigt worden (vgl. Bl. 70 der Beiakte).

7

1.2 Die Ablehnung des Asylantrages als unzulässig stellt sich nach summarischer Prüfung auch materielle als rechtmäßig dar. Ein in Deutschland gestellter Asylantrag ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG (in der Fassung des Art. 6 des Gesetzes vom 31.7.2016, BGBl. I S. 1939 – Integrationsgesetz) unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) für die Prüfung des Asylantrages der Antragstellerin zuständig ist. Die Anwendbarkeit der Dublin III-VO folgte aus Art. 39 Abs. 2 Dublin III-VO, da der Antrag auf internationalen Schutz nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist. Nach Maßgabe von Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO ist Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

8

Die Zuständigkeit ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen (Ausübung des Selbsteintrittsrechts), noch hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO.

9

1.2.1 Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass die Antragsgegnerin für die Prüfung ihres Asylantrages zuständig sei, weil sie bereits von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht habe, in dem sie die Antragstellerin zu ihren Fluchtgründen angehört habe anstelle das Gespräch unter Hinweis auf ein zunächst durchzuführendes Dublin-Verfahren abzubrechen, greift sie hiermit nicht durch. Zur Überzeugung des Gerichts hat die Bundesrepublik Deutschland ihr Selbsteintrittsrecht bisher nicht ausgeübt.

10

Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den Kriterien der Verordnung nicht für die Prüfung zuständig ist. Prüfen in diesem Sinn meint gemäß Art. 2 lit. d) Dublin III-VO (vgl. auch Vorgängervorschrift in Art. 2 Buchst. e) Dublin II-VO) die Gesamtheit aller Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen bzw. Urteil der zuständigen Behörden in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Ermessensklausel in Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO baut auf einer Ermessensentscheidung des jeweiligen Mitgliedstaates auf. Die Entscheidung setzt ein Verhalten des Mitgliedstaates voraus, das zweifelsfrei den Entschluss des Mitgliedstaates verdeutlicht, das Asylverfahren abweichend von den Zuständigkeitsreglungen in Art. 7 ff. Dublin III-VO in eigener Verantwortung durchzuführen.

11

Ob eine Anhörung eines Asylbewerbers zu den Verfolgungsgründen hinreichend deutlich und zweifelsfrei die Ausübung des Selbsteintrittsrechts zum Ausdruck bringt, lässt sich nicht grundsätzlich klären, sondern hängt – wie auch die Antragstellerin unter Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts B-Stadt, Beschluss vom 10.02.2014 (3 V 52/14) vorgetragen hat - vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Hierbei ist es nicht schlechthin ausgeschlossen, dass eine solche Anhörung zu den Fluchtgründen unter Umständen bereits ausreichend deutlich macht, dass das Selbsteintrittsrecht wahrgenommen werden soll. Das Selbsteintrittsrecht ist nicht formgebunden, kann also auch konkludent erfolgen (vgl. Funke-Kaiser, in: GK zum AsylVfG, § 27 a, Rn. 177; Bruns, in: Hofmann: Ausländerrecht, 2. Aufl., § 27a AsylVfG/AsylG, Rn. 60).

12

Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die hinreichend deutlich auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts schließen lassen. Auch hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass sie gerade nicht die Zuständigkeit übernehmen wollte. Die Anhörung zum Asylantrag nur für den Fall erfolgt sei, dass im Rahmen eines Dublin Verfahrens eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat aus welchen Gründen auch immer nicht stattfinde. Vorsorglich für diesen Fall habe sie Anhörung durchgeführt, um das Asylverfahren vor dem Hintergrund der oft langen Verfahrensdauer eines Dublin Verfahrens nach etwaigem Übergang ins nationale Verfahren zeitnah fortzuführen. Dieser Vortrag ist auch glaubhaft. Dies insbesondere vor dem Hintergrund glaubhaft, dass die die Antragsgegnerin die Antragstellerin nicht nur zu den Gründen ihrer Verfolgung befragt wurde, sondern am gleichen Tag (22.11.2016) auch die Erst- und Zweitbefragung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates durchgeführt hat. Auch wurden der Antragstellerin am gleichen Tag (22.11.2016) eine Durchschrift der Eurodac-Belehrung, sowie ein Merkblatt zum Dublinverfahren übergeben (vgl. Empfangsbekenntnis vom 22.11.2016 (Bl. 70 der Beiakte). Die vorgenannten Befragungen bzw. Aushändigungen von Dokumenten hätte die Antragsgegnerin wohl kaum ausgeführt, wenn sie entschieden hätte, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

13

Eine daher sich an die Befragung zu Herkunft und Modalitäten der Einreise sowie die Erforschung des Reiseweges sich nahtlos anschließende, routinemäßige und vorsorgliche Anhörung des Asylbewerbers zu seinen Verfolgungsgründen wird für sich genommen daher regelmäßig nicht hinreichend zum Ausdruck bringen, dass die Antragsgegnerin beschlossen hat, den Asylantrag – abweichend von der grundsätzlich bestehenden Zuständigkeit gemäß der Art. 7 ff. Dublin III-VO - in eigener Verantwortung zu prüfen (in diesem Sinn auch VG Saarland vom 24.9.2008 Az. 2 K 94/08 unter Bezugnahme auf VG Trier, VG Karlsruhe und VG B-Stadt; VG München vom 25.5.2009 Az. M 4 S 09.60039; VG Ansbach vom 13.1.2009 Az. 3 K 08.30017; VG Münster vom 4.3.2009 Az. 9 L 77/09.A).

14

So ist es zumal dann, wenn – wie hier - das Bundesamt den Vorgang im Anschluss an die Anhörung sachlich nicht weiter bearbeitet, sondern unmittelbar im Anschluss an die Anhörung zu den Verfolgungsgründen intern verfügt hat, dass die Zuständigkeit aufgrund eines EURODAC-Treffers in Italien geprüft werden solle (vgl. Bl. 18 der Beiakte) und am 29.11.2016 ein Übernahmeersuchen an den nach der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaat Italien richtete.

15

Darüber hinaus können die Verfolgungsgründe je nach Lage der Dinge eine Ermessensentscheidung nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO überhaupt erst ermöglichen oder zumindest beeinflussen. Mehr als informatorischen Charakter hat die Anhörung zu den Verfolgungsgründen dann nicht.

16

1.2.2. Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland wegen etwaigen Vorliegens systemischer Mängel nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Asylbewerber systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 14. Dezember 2007 (ABl. C 303/1, Europäische Grundrechtecharta - GRCh) ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - N.S. u.a. -, juris Rdnr. 86; Urt. v. 10.12.2013, - C-394/12 - Abdullahi -, juris Rdnr. 60, 62). Nur wenn systemische Schwachstellen im Asylverfahren und der Aufnahmebedingungen des wiederaufnahmebereiten Mitgliedstaates bestehen und auch keine vorrangige Zuständigkeit eines weiteren Mitgliedstaates festgestellt werden kann, besteht eine Pflicht zum Selbsteintritt der Bundesrepublik in das Asylverfahren (Vgl. Art. 3 Abs. 2 Unterabsätze 2, 3 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO).

17

Systemische Schwachstellen im Asylverfahren Italiens liegen nach der derzeitigen Rechtsprechung der hiesigen Kammer (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 23.03.2016 – 8 A 85/16 MD, zitiert in juris) sowie der Rechtsprechung anderer Gerichte (VG München, Beschl. v. 29.12.2016 – M 1 S 16.50997; VG München, Beschl. v. 23.12.2016 – M 9 S 16.50788; VG Oldenburg, Urt. v. 17.11.2016 – 1 A 142/15; OVG NRW, Urteil vom 18.07.2016 – 13 A 1859/14.A; VG München, Urteil vom 28.07.2016 – M 6 S 16.50275; VG Greifswald - 4 B 1472/16 As HGW, 4 B 1472/16, alle zitiert in juris) nicht vor. Auch aktuellere Erkenntnisse führen zur Überzeugung des Gerichts zu keiner anderen Bewertung.

18

Zu den allgemeinen Bedingungen der Unterbringung in einen Staat, in den eine Überstellung geplant ist, hat der EGMR ausgeführt, dass allein das Risiko, dass die Ankommenden keine Unterkunft erhalten oder in überfüllten Aufnahmeeinrichtungen untergebracht würden, keinen Anlass bietet, um Rückführungen in diesen Staat generell auszusetzen (EGMR, A.S. vs. Schweiz, Urteil vom 30.06.2015, Nr. 39350/13, juris Rn. 36).

19

Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Asylbewerbern ist maßgeblich auf Ausländer in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage wie der der Antragstellerin abzustellen, d. h. einer allein stehenden jungen Frau, die in Italien vor ihrer Weiterreise nach Deutschland ein Asylverfahren begonnen hat, das entweder noch nicht abgeschlossen ist oder das schon abgeschlossen, aber erfolglos geblieben ist.

20

Hiervon ausgehend steht nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Erkenntnismaterial zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Antragstellerin im Falle ihrer Überstellung nach Italien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, wegen systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 GRCh ausgesetzt zu werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6.7.2016, 13 A 1476/15.A, juris; OVG Niedersachsen, Urteil vom 25.6.2015, 11 LB 248/14, juris, jeweils m. w. N.).

21

Bei der Würdigung der Erkenntnisse ist zunächst davon auszugehen, dass Italien - sowohl im Hinblick auf das dortige Rechtssystem als auch die Verwaltungspraxis - über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes Asylverfahren verfügt (vgl. zum Asylverfahren im Einzelnen: Auswärtiges Amt (AA), Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23. Februar 2016; Asylum Information Database (aida): Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 16 ff.; EASO Special Support Plan to Italy, 11.3.2015, S. 4).

22

Ob Art. 4 GRCh die vollständige Umsetzung der diesbezüglichen Richtlinien erfordert, kann offen bleiben. Das Asylverfahren in Italien ist inzwischen richtlinienkonform. Mit Wirkung vom 30. September 2015 wurden die Neufassungen der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU und der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU in das italienische Recht übernommen (Gesetzesdekret 142/2015: decreto legislative 18 agosto 2015, n 143 „Attuazione della direttiva 2013/33/UE recante norme relative all'accoglienza die richiedenti protezione internazionale, noch‚ della direttiva 2013/32/UE, recante procedure comuni ai fini del riconoscimento e della revoca dello status die protezione internazionale“) (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2016; aida: Country Report: Italy, Dezember 2015, S. 9 und 12).

23

Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass das Asylsystem trotz ggf. einzelner Unzulänglichkeiten prinzipiell funktionsfähig ist. Es ist weder in Bezug auf die tatsächliche Dauer noch auf die Qualität menschenrechtswidrig. In etwa der Hälfte der Fälle ist in den letzten Jahren ein Schutzstatus gewährt worden (2013: 61 %, 2014: 59 %, 2015: 42 %; vgl. AA, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016; zur Schutzquote: Eurostat, Recognition rates, 2013, 2014, 2015, abrufbar unter http://ec.europa.eu/eurostat).

24

Bisher ist regelmäßig vor allem gerügt worden, dass für die formelle Registrierung als Asylbewerber (verbalizzazione) eine Wohnsitzbestätigung erforderlich sei und in der mitunter langen Zeit bis zur verbalizzazione eine Unterbringung nicht gewährleistet sei. Es kann offen bleiben, ob insoweit systemische Schwachstellen anzunehmen wären. Nach der aktuellen Rechtslage (Gesetzesdekret 142/2015) wird ein Wohnsitz nicht verlangt und beträgt die Frist zwischen Asylgesuch und formeller Registrierung drei bis maximal zehn Tage. Selbst wenn das Verfahren in der Praxis länger dauert, ist die Unterbringung in der Regel gewährleistet (vgl. SFH, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2016; AA, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016).

25

Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCh ist für Asylbewerber in Italien nicht gegeben. Die vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigen nicht den Schluss, dass die Antragstellerin während der Dauer des Asylerstverfahrens oder des Asylfolgeverfahrens die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme, Hygienebedürfnisse, medizinische Grundversorgung) nicht in einer noch zumutbarer Weise wird befriedigen können. Die zweifellos bestehenden Mängel der Aufnahmebedingungen sind nicht derart gravierend, dass bei jedem Rückkehrer bzw. Asylbewerber die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 4 GRCh zu bejahen wäre.

26

Die sich aus der Aufnahmerichtlinie ergebenden Verpflichtungen, die als Konkretisierung des für ein menschenwürdiges Dasein einzuhaltenden Maßstabs im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh angesehen werden, hat Italien, wie bereits ausgeführt, in innerstaatliches Recht übernommen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die rechtlichen Vorgaben in der Praxis im erheblichen Ausmaß nicht beachtet werden.

27

Das in Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 g) der Aufnahmerichtlinie verankerte Recht auf Unterkunft bleibt auch nicht systematisch unbeachtet, so dass etwa mit monatelanger Obdachlosigkeit zu rechnen wäre. Eine solchermaßen dramatische Lage lässt sich aktuell für Italien aufgrund belastbarer Tatsachen nicht feststellen. Wer noch keinen Asylantrag gestellt hat, kann bei der Questura desjenigen Flughafens, an den er rücküberstellt wird, einen Asylantrag stellen (Verbalizzazione) und erhält etwa bei der Nichtregierungsorganisation (NGO) am Flughafen in Rom einen Unterbringungsplatz in einem CAS (Centro die accoglienza straordinaria)-Zentrum in der Umgebung von Rom. Wer vor der Weiterreise bereits ein Asylgesuch in Italien gestellt hatte, muss zur zuständigen Questura reisen, um das Asylverfahren weiterzuführen. Dazu erhält er an der Grenze, etwa auch bei seiner Ankunft am Flughafen in Rom, von NGOs ein Bahnticket zur Verfügung gestellt. Bei der zuständigen Präfektur wird die Unterkunft beantragt. Wer das Unterbringungszentrum ohne Meldung verlassen hat, verliert zwar grundsätzlich seinen Unterkunftsanspruch, kann aber einen neuen Platz beantragen (vgl. SFH, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2016; AA, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016).

28

Ende 2015 verfügte Italien nach einer massiven Aufstockung über rund 104.000 Unterbringungsplätze in CAS-, CPSA (Centro di primo soccorso e accoglienza)-, CDA (centro di accoglienza)-, CARA (Centro di accoglienza per richiedenti asilo; jetzt: „centri governativi di accoglienza“)- und SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e refugiati")-Einrichtungen, wovon der größte Anteil auf die temporären Aufnahmeeinrichtungen des CAS-Systems entfällt (76.683 Plätze). Dem standen 2015 rund 84.000 neue Asylanträge gegenüber, knapp 20.000 mehr als im Vorjahr (vgl. Eurostat-Statistik „Asylum and new asylum applicants - annual aggregated data“ abrufbar unter http://ec.europa.eu/eurostat)

29

Hinzu kommen noch die Personen, die sich bereits zuvor im Asylverfahren befanden, und die sog. Dublin-Rückkehrer. Am 29. Februar 2016 waren insgesamt 107.387 Personen in diversen national unterhaltenen Unterkunftszentren untergebracht (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation, Italien, Wien, 22.03.2016). Unterstützt von EASO (European Asylum Support Office der EU) hat Italien die Unterkunftskapazitäten erheblich erhöht (vgl. EASO Special Support Plan to Italy, 11.3.2015). Das SPRAR-System, ein kommunales Unterbringungssystem, das vom italienischen Staat zentral verwaltet wird und eine Unterbringung bei privaten oder kommunalen Trägern vorsieht, wird ständig ausgebaut und soll von 20.000 auf mindestens 35.000 Plätze aufgestockt werden (vgl. AA, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016). Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen wird grundsätzlich für die Zeit des Asylverfahrens und eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens gewährleistet (vgl. aida: Country Report: Italy, Dezember 2015).

30

Eine zuvor angenommene maximale Aufenthaltsdauer von 20 bzw. 35 Tagen in CARA-/CDA-Zentren oder sechs Monaten in SPRAR-Einrichtungen, gibt es für Asylantragsteller nicht (mehr). Eine Obergrenze für die Dauer des Aufenthaltes ist im Gesetzesdekret 142/2015, das die entsprechenden Vorgaben der Aufnahmerichtlinie umsetzt, nicht vorgesehen (vgl. aida: Country Report: Italy, Dezember 2015).

31

Ergänzend zu den staatlichen Unterbringungseinrichtungen stellen verschiedene kirchliche oder kommunale Einrichtungen sowie lokale Hilfsorganisationen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Unterkünfte zur Verfügung (vgl. SFH, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2016; AA, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016).

32

Insgesamt kann angesichts dieser Zahlen nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterbringung, auch wenn sie von unterschiedlicher Qualität ist und nicht in jedem Fall den Mindeststandards entspricht (vgl. zu den Bedingungen in den Einrichtungen: aida: Country Report: Italy, Dezember 2015) im Sinne systemischer Schwachstellen defizitär ist.

33

Selbst wenn man aber unterstellt, die in Italien aktuell vorhandenen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern reichten derzeit oder in naher Zukunft nicht aus, ergäbe sich daraus nach Auffassung des Gerichts noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 GR-Charta überschreitendes Versagen des Staates. Die Menschenrechte verpflichten die Staaten weder, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer „Spitzenbelastung“ vorzuhalten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7.3.2014, 1 A 21/12.A, juris).

34

Nach den vorliegenden Erkenntnissen reagiert Italien jedenfalls inzwischen flexibel auf den Zustrom. Das System ist durch die kurze Auftragsdauer für die temporären CAS-Zentren (Ausschreibung alle sechs Monate) sehr flexibel in Bezug auf Schwankungen. Ferner waren jüngst unter dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU (AMIF) verschiedene Projekte ausgeschrieben, die auch die Unterbringung von Asylbewerbern umfassten (vgl. SFH, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2016).

35

Hiervon ausgehend ist die Erwartung, dass künftig wieder mehr Flüchtlinge den Weg über das Mittelmeer suchen und in Italien die Grenze zur EU überschreiten werden, nicht ausreichend, um derzeit systemische Schwachstellen anzunehmen. Die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung durch Italien würde erst dann überschritten, wenn - was hier nicht der Fall ist - absehbar wäre, dass auf die erhöhte Zahl von Einwanderern keinerlei Maßnahmen zur Bewältigung dieses Problems ergriffen würden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.4.2015, 14 A 2356/12.A, juris).

36

Auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung, Hygieneartikeln und der Zugang zu einer medizinischen Mindestversorgung (vgl. Art. 19 der Richtlinie 2013/33/EU) ist während des Asylverfahrens grundsätzlich in menschenrechtskonformer Weise gewährleistet. Asylbewerber haben Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Die übrige Versorgung erfolgt über die Unterbringungseinrichtungen, teilweise auch über karitative Organisationen (vgl. SFH, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.04.2016; AA, Auskunft an das OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2016; Auskunft an das VG Schwerin vom 25.03.2015; aida Country Report: Italy, Dezember 2015; EASO Special Support Plan to Italy, 11.3.2015).

37

Zudem ist es Asylbewerbern nach Art. 22 Abs. 1 des Gesetzesdekrets 142/2015 bereits 60 Tage nach Stellung des Asylgesuchs erlaubt zu arbeiten (vgl. aida: Country Report: Italy, Dezember 2015).

38

Auch der EGMR hat für den Fall eines alleinstehenden (jungen) Mannes (Urteile vom 13.01.2015, 51428/10 (A.M.E. ./. Niederlande) und vom 30.06.2015, 39350/13 (A.S. ./.Schweiz)) keine Grundlage für die Annahme gesehen, ihm drohe im Fall der Rückführung nach Italien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Die Tarakhel-Entscheidung des EGMR vom 4. November 2014, mit der die Rückführung nach Italien von Garantien italienischer Behörden abhängig gemacht worden ist, beruhte auf der besonderen Situation einer Familie mit sechs minderjährigen Kindern, der spezifischen Schutzbedürftigkeit von Kindern und dem Gebot der Wahrung der Familieneinheit.

39

Darüber hinaus ist nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln auch eine eventuell notwendig werdende weitere medizinische Versorgung in Italien überdies sowohl möglich als auch für die Antragstellerin erreichbar (vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Rom vom 03.08.2016 auf das Amtshilfeersuchen in Asyl- und Abschiebeangelegenheiten des Verwaltungsgerichts Leipzig - Geschäftszeichen: RK 516 00). Als Asylbewerber im Erst- oder im Folgeverfahren erhält sie - wie alle Asylbewerber - die Gesundheitskarte („tessa sanitaria“), die sie zunächst ohne Selbstbeteiligung zu kostenlosen Arztbesuchen, Hausbesuchen, Rezepten etc. berechtigt. Später kann sie, sofern sie arbeitslos oder arbeitsunfähig sein sollte - wenn sie sich offiziell als arbeitslos registrieren lässt - weiterhin von dem ansonsten anfallenden Selbstbehalt befreit werden (vgl. aida: Country Report Italy, Dezember 2015).

40

Im Übrigen verweist das Gericht auf die Gründe im Bescheid der Antragsgegnerin vom 31.01.2017 (§ 117 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

41

2. Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich. Dies gilt sowohl für zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), deren Nichtvorliegen die Antragsgegnerin in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG in Ziffer 2) des angefochtenen Bescheides festgestellt hat. Auch inlandsbezogene Abschiebehindernisse im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, die die Antragsgegnerin bei Abschiebungsanordnungen nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gleichfalls zu prüfen hat (vgl. statt vieler m.w.N. VGH München, Beschl. v. 21.04.2015 - 10 CE 15.810, 10 C10 C 15.813 -, juris Rn. 4; VG Greifswald, Beschl. v. 05.12.2016 – 3 B 2079/16 As HGW -), sind nicht ersichtlich.

42

Soweit die Antragstellerin in ihrer Anhörung vorgetragen hat, dass sie krank sei, genügt dies nicht den Anforderungen einer Glaubhaftmachung, die an eine etwaig bestehende Reise- und Transportunfähigkeit bzw. an ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gestellt werden. Ausweislich der Verfahrensakte hat die Antragstellerin zwar ein ärztliches Attest des AMEOS Klinikum Halberstadt vom 16.11.2016 (Bl. 89 f. d. Beiakte) vorgelegt. Hieraus ergibt sich jedoch weder, dass sie reise- oder transportunfähig sei, noch dass sie eine besondere medizinische Behandlung/Versorgung bedürfe, die ihr in Italien nicht gewährt werden könne. Eine allgemeine medizinische Versorgung in Italien ist für die Antragstellerin – wie oben bereits ausgeführt – sowohl möglich als auch erreichbar (vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Rom vom 03.08.2016 auf das Amtshilfeersuchen in Asyl- und Abschiebeangelegenheiten des Verwaltungsgerichts Leipzig - Geschäftszeichen: RK 516 00).


ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 20. Feb. 2017 - 8 B 90/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 20. Feb. 2017 - 8 B 90/17

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 20. Feb. 2017 - 8 B 90/17 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 117


(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 31 Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge


(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 20. Feb. 2017 - 8 B 90/17 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 20. Feb. 2017 - 8 B 90/17 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht München Beschluss, 29. Dez. 2016 - M 1 S 16.50997

bei uns veröffentlicht am 29.12.2016

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I. Die am ... geborene Antragstellerin ist äthiopische Staatsangehörige. Sie hat

Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. Dez. 2016 - M 9 S 16.50788

bei uns veröffentlicht am 23.12.2016

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen. Gründe I. Der am ... geborene Antragsteller reiste nach eigenen Anga

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 21. Apr. 2015 - 10 CE 15.810

bei uns veröffentlicht am 21.04.2015

Tenor I. Die Verfahren 10 CE 15.810 und 10 C 15.813 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen. III. Die Kosten der Beschwerdeverfahren trägt der Antragsteller. IV. Der Streitwert

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 24. Apr. 2015 - 14 A 2356/12.A

bei uns veröffentlicht am 24.04.2015

Tenor Das angegriffene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstrec

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 07. März 2014 - 1 A 21/12.A

bei uns veröffentlicht am 07.03.2014

Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläg

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die am ... geborene Antragstellerin ist äthiopische Staatsangehörige. Sie hatte bereits im August 2015 in der Bundesrepublik einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt wurde. Das Asylverfahren ist seit dem 19. Februar 2016 unanfechtbar abgeschlossen, die Antragstellerin wurde am 19. Mai 2016 nach Italien abgeschoben.

Am 13. September 2016 wurde die Antragstellerin in einer Münchner Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende aufgegriffen. Am 5. Oktober 2016 beantragte sie erneut die Durchführung eines Asylverfahrens und gab an diesem Tag im Zuge einer Erstbefragung an, dass sie geschieden sei.

In einer späteren Befragung durch Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab sie u. a. an, ihr Ehemann lebe in Deutschland. Sie sei auf ihrem Weg nach Deutschland im Jahr 2015 über Italien gereist, wo sie sich zwei Wochen aufgehalten habe. Daraufhin richtete das Bundesamt am 17. Juni 2016 ein Übernahmeersuchen an Italien. Die italienischen Behörden erklärten am 21. Oktober 2016 ihre Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens, woraufhin das Bundesamt mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 die Überstellung der Antragstellerin nach Italien vorbereitete

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2016, zugestellt am 3. November 2016, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung der Antragstellerin nach Italien an (Nr. 3). In Nr. 4 des Bescheids wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf die Bescheidsbegründung wird Bezug genommen.

Die Antragstellerin erhob am ... November 2016 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen den vorgenannten Bescheid (M 1 K 16.50996). Ebenfalls an diesem Tag beantragt sie,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung trägt sie vor, sie habe einen Ehemann, der in Deutschland lebe und als Flüchtling anerkannt sei. Heiratsurkunden hierzu seien jedoch nicht vorhanden. Das Asylsystem Italiens weise systemische Mängel auf, weshalb eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin nach der Europäischen Menschenrechtskonvention drohe. Die hohe Zahl an Flüchtlingen werde von den italienischen Behörden nicht bewältigt. Eine Garantieerklärung italienischer Behörden, dass in Italien ihre elementaren Bedürfnisse gedeckt würden, liege nicht vor. Dort drohe ihr Obdachlosigkeit und eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Am ... Dezember 2016 legt sie eine Kopie eines Mutterpasses vor, wonach bei einer Untersuchung am ... November 2016 eine Schwangerschaft in der 10. Schwangerschaftswoche festgestellt worden sei. Als voraussichtlicher Entbindungstermin wird der 16. Juli 2017 angegeben.

Die Antragsgegnerin legte am 27. Dezember 2016 die Akten vor, stellt aber keinen Antrag.

Zum weiteren Vorbringen und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig gestellte Antrag ist unbegründet.

Die von der Antragstellerin erhobene Klage entfaltet von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG. Das Gericht der Hauptsache kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Grundlage der Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung des Gerichts zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Ein gewichtiges Indiz sind dabei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Vorliegend überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da die Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG rechtmäßig ist. Nach § 34a Abs. 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Das Bundesamt hat zu Recht seine Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens abgelehnt (1.) und das Vorliegen von Abschiebungshindernissen verneint (2.).

1. Aufgrund des bestandskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens der Antragstellerin ist der Asylantrag der Antragstellerin als Folgeantrag nach § 71 AsylG gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig. Entsprechend der bereits am 19. Mai 2016 erstmals durchgeführten Abschiebung nach Italien haben sich die dortigen Behörden am 21. Oktober 2016 für das weitere Verfahren der Antragstellerin zuständig erklärt. Deshalb ist gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin III-VO von einer Zuständigkeit Italiens auszugehen.

Besondere Umstände, die die ausnahmsweise Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Dublin III-VO begründen oder nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO rechtfertigen bzw. bedingen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann die Antragstellerin ihrer Überstellung nach Italien nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 Grundrechtecharta (GRCh) mit sich bringen, so dass eine Überstellung nach Italien unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Dublin III-VO).

Nach dem Konzept der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93 u. a. - juris) und dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 - juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a.a.O Rn. 86). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris Rn. 5 f. m. w. N.). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).

Dies zugrunde gelegt, ist in Bezug auf Italien nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse nicht davon auszugehen, dass der Antragstellerin bei einer Überstellung dorthin eine menschenunwürdige Behandlung im vorgenannten Sinne droht. Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen. Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des umfangreichen aktuellen Erkenntnismaterials durch verschiedene Obergerichte und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an (vgl. aktuell OVG NRW, U. v. 21.6.2016 - 13 A 1896/14.A - juris Rn. 32 ff; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte vom 13.1.2015 (Nr. 51428/10) und vom 30.06.2015 (Nr. 39350/13)). Es mag zwar immer wieder vorkommen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihres Asylantrags in Italien auf sich alleine gestellt und zum Teil auch obdachlos sind. Dies und auch die zum Teil lange Dauer der Asylverfahren sind darauf zurückzuführen, dass das italienische Asylsystem aufgrund der momentan hohen Asylbewerberzahlen stark ausgelastet und an der Kapazitätsgrenze ist. Die im Bereich der Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber weiterhin feststellbaren Mängel und Defizite sind aber weder für sich genommen noch insgesamt als so gravierend zu bewerten, dass ein grundlegendes systemisches Versagen des Mitgliedstaates vorläge, welches für einen „Dublin-Rückkehrer“ nach dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Rechtsverletzungen im Schutzbereich von Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK mit dem dafür notwendigen Schweregrad impliziert (vgl. OVG NW, U. v. 21.6.2016 a.a.O). Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, völker- und unionsrechtskonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, das trotz einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss. In Italien bestehen ausdifferenzierte Strukturen zur Aufnahme von Asylbewerbern, auch speziell für „Dublin-Rückkehrer“. Diese befinden sich in staatlicher, in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft und werden zum Teil zentral koordiniert (vgl. VG Ansbach, U. v. 11.12.2015 - AN 14 K 15.50316 - juris Rn. 24 m. w. N.). Das italienische Recht gewährt den Asylsuchenden zudem ab dem Zeitpunkt des Asylantrags Zugang zu diesen Unterbringungsmöglichkeiten. In der Praxis wird zwar der Zugang zu den Aufnahmezentren häufig erst von der formellen Registrierung des Asylantrags abhängig gemacht, so dass hierdurch eine Zeitspanne ohne Unterbringung entstehen kann. Die Behörden sind jedoch darum bemüht, diese zu verringern (vgl. VG Ansbach, U. v. 11.12.2015 a. a. O.). Auch „Dublin-Rückkehrer“ haben bei ihrer Ankunft in Italien nach Kapazität sofort Zugang zu bestimmten Unterkünften; es ist auch gewährleistet, dass sie nach ihrer Rückkehr ihr ursprüngliches Asylverfahren weiterbetreiben bzw. einen Asylantrag stellen können, wenn sie das noch nicht getan haben.

Auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, begründet noch keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbares landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt, sondern vielmehr nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris).

Ein systemischer Mangel der Aufnahmebedingungen kann auch für die Personengruppe der „Dublin-Rückkehrer“, der die Antragstellerin angehört, nach alledem nicht angenommen werden (vgl. aktuell VG München, U. v.10.5.2016 - M 12 K 15.50474 - juris Rn. 43).

Belegte verwandtschaftliche Bindungen, die einer Überstellung der Antragstellerin nach Italien entgegenstünden, liegen nicht vor. Ihrem Vortrag, sie habe einen Ehemann, der als anerkannter Flüchtling in Deutschland lebe, steht bereits entgegen, dass sie sich am 5. Oktober 2016 im Zuge der Erstbefragung als geschieden bezeichnet hatte. Zudem liegen nach ihrem eigenen Vortrag keine Heiratsurkunden vor.

2. Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bescheids bleibt voraussichtlich auch ohne Erfolg, soweit Abschiebungshindernisse zu prüfen sind. Persönliche Vollstreckungshindernisse, die über die allgemeinen Verhältnisse für Asylbewerber in Italien hinausgehen, hat die Antragstellerin nicht belegen können. Ihr Einwand, dass sie derzeit schwanger sei, und die Vorlage des Mutterpasses stehen dem nicht entgegen.

Über den engeren Kreis der durch die Dublin-III-VO vorgegebenen Zuständigkeitsaspekte hinaus ist eine Abschiebungsanordnung - schon im Hinblick darauf, dass § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG verlangt, dass die Abschiebung „durchgeführt werden kann“ - dann ausgeschlossen, wenn inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, wie sie in § 60a Abs. 2 AufenthG niedergelegt sind, vorliegen (BayVGH B. v. 28.10.2013 - 10 CE 13.2257 - juris Rn. 4; BayVGH B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris Rn. 4).

Im Falle einer Schwangerschaft der abzuschiebenden Ausländerin ist eine auf ein Abschiebungshindernis zurückzuführende Reiseunfähigkeit entweder dann anzu-nehmen, wenn eine Risikoschwangerschaft durch ärztliche Atteste nachgewiesen ist - was hier nicht der Fall ist - und ferner dann, wenn die Niederkunft unmittelbar bevorsteht. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Einheit der Rechtsordnung bereits aus den gesetzlichen Schutzvorschriften der §§ 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG; vgl. VG München, B. v. 19.07.2016 - M 12 S 16.50456 - juris Rn. 33). In Anlehnung daran beginnt der Abschiebungsschutz sechs Wochen vor der Entbindung (§ 3 Abs. 2 MuSchG) und endet acht bzw. bei Früh- und Mehrlingsgeburten zwölf Wochen nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1 MuSchG). Ausweislich der vorgelegten Kopie des Mutterpasses ist Entbindungstermin bei der Antragstellerin wohl der 16. Juli 2017, so dass ihre Abschiebung derzeit (noch) zulässig ist. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen insoweit somit nicht.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG)

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der am ... geborene Antragsteller reiste nach eigenen Angaben am ... September 2015 von Italien kommend in das Bundesgebiet ein (Bl. 2 des Behördenakts - i.F.: BA -). Er beantragte am ... Februar 2016 Asyl (Bl. 9 des BA). Der Antragsteller ist Staatsangehöriger des Senegals.

Nach eigener Aussage beantragte der Antragsteller vor seiner Einreise nach Deutschland bereits in Italien Asyl (Bl. 3 des BA). Daraufhin wurde am ... April 2016 ein Wiederaufnahmegesuch an Italien gerichtet (Bl. 38ff. des BA). Die italienischen Behörden haben nicht geantwortet.

Mit gegen Postzustellungsurkunde vom ... September 2016 zugestelltem Bescheid vom ... September 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und befristete das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4).

Wegen des Bescheidinhalts wird auf diesen Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat mit Schriftsatz vom ... Oktober 2016, bei Gericht am selben Tag eingegangen, Klage gegen den Bescheid erhoben. Vorliegend beantragt er,

die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.

Die Abschiebung nach Italien erscheine als unzulässig, da dort systemische Mängel des Verfahrens vorlägen. Dies ergebe sich aus einem Beschluss des VG ... B. v. 8.8.2016 - M 24 S 16.50494 - juris.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichts- sowie die beigezogene Behördenakte.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu.

An der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt zutreffend auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat u. a. aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft, v.a. nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Italien ist hier für die Prüfung zuständig. Dies ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Buchst. b, Art. 23 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO. Mit Verstreichen der Monatsfrist aus Art. 25 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO war die fiktive (Wieder-) Aufnahmebereitschaft Italiens gegeben. Das Wiederaufnahmegesuch wurde auch innerhalb der 3-Monats-Frist des Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO - welche am ... Februar 2016 (Erstbefragung am ... Februar 2016) begann und am ... Mai 2016 endete - und damit rechtzeitig, Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO, gestellt. Dass der Antragsteller in der Erstbefragung vom ... Februar 2016 zunächst noch angab, aus Griechenland zu kommen (Bl. 2 des BA), ist als irrtümliche Fehlinformation zu werten, da er in diesem Zusammenhang auch behauptete, sich dort in „Calabria“ aufgehalten zu haben. Kalabrien aber ist eine Region in Italien.

Die Überstellung an Italien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO. Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass in Italien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit der Folge gegeben sind, dass Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Grundsätzlich erhalten auch Rückkehrer eine Unterkunft, medizinische Behandlung und sonstige Versorgung. Sofern sie einen Asylantrag stellen, wird ein Asylverfahren durchgeführt. Zusätzliche Aufnahmezentren sind geschaffen worden. Aktuelle Erkenntnisse diesbezüglich liegen den neueren Entscheidungen zugrunde (VG München, U. v. 9.12.2016 - M 9 K 16.50798 -m. w. N.; BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - juris; OVG NW, U. v. 21.6.2016 - 13 A 1896/14.A - juris; U. v. 24.8.2016 - 13 A 63/16.A - juris; B. v. 12.10.2016 - 13 A 1624/16.A - juris; NdsOVG, U. v. 25.6.2015 - 11 LB 248/14 - juris). Gegenteilige Ansichten, auf die sich der Antragsteller beruft, blieben vereinzelt und sind für das Gericht nicht bindend. Probleme bei der Unterbringung in der zweiten Jahreshälfte 2015 und im Folgenden rechtfertigen keine andere Einschätzung, da diesbezügliche Schwierigkeiten nicht nur in Italien, sondern in weiten Teilen Europas bestanden und bestehen. Die hohe Zahl von speziell nach Italien einreisenden Asylbewerbern stellt keinen Umstand dar, der hier eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte. Auch der Umstand, dass sich die Situation des Antragstellers in Italien unter Umständen schlechter als im Bundesgebiet darstellt, begründet keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens (EGMR, B. v. 2.4.2013 - Hussein u. a. ./. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10). Aus diesen Gründen bestand für die Beklagte auch keine Veranlassung, das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben.

Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG, oder inlandsbezogene Vollzugshindernisse (BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris) wurden darüber hinaus nicht geltend gemacht und sind nicht ersichtlich. In der Zweitbefragung vom ... Juni 2016 (Bl. 58f. des BA) gab der Antragsteller an, unter keinen Beschwerden oder Krankheiten zu leiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

...

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198

Tenor

Das angegriffene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.