Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 22. Jan. 2013 - 7 A 176/11

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2013:0122.7A176.11.0A
bei uns veröffentlicht am22.01.2013

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Berechtigung zum Führen des akademischen Grades „Diplomagraringenieurin (FH)“, hilfsweise „Diplomingenieurin (FH)“.

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Die am ... August 1969 geborene Klägerin ging bis 1986 in die 87. Polytechnische Oberschule in A-Stadt. Sie setzte ihre schulische Ausbildung fort an der Erweiterten Oberschule „Kreuzschule“ in A-Stadt. Sie erwarb dort das Abitur. In der Zeit von 1988 bis 1991 besuchte die Klägerin die „Agraringenieurschule Naumburg“. Sie studierte in der Fachrichtung Landwirtschaft, erlangte den Fachschulabschluss mit dem Gesamtprädikat „gut“ und erwarb dadurch die Berechtigung, die Berufsbezeichnung „Agraringenieur“ führen zu dürfen (Zeugnis über den Fachschulabschluss der Agraringenieurschule Naumburg vom 19. Juli 1991).

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Zum 01. September 1992 trat die Klägerin „als vollbeschäftigte Angestellte auf unbestimmte Zeit“ in den Dienst des Freistaates Sachsen – Sächsisches Staatsministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten. Sie wurde in die Vergütungsgruppe VI b der Anlage 1 a zum BAT-O eingruppiert. Sie ist auch jetzt noch im Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, Abteilung Land- und Forstwirtschaft, Referat „Pflanzliche Erzeugnisse und Landwirtschaftlicher Ressourcenschutz“ beschäftigt. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte sind in den Verwaltungsvorgängen aufgelistet. Darauf wird Bezug genommen. Seit dem 01. September 2009 – befristet auf 5 Jahre – arbeitet sie reduziert (35 Stunden pro Woche).

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Mit ihrem an das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt adressierten „Antrag auf Nachdiplomierung für Fach- und Ingenieurschulabschlüsse“ bat die Klägerin unter Berufung auf das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2011, Aktenzeichen: 2 A 278/09, „um Ausstellung einer entsprechenden Urkunde mit der Berechtigung, die Bezeichnung Diplomagraringenieur (FH) führen zu können“.

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Mit Schreiben vom 17. Februar 2011 teilte das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt der Klägerin mit, dass der Antrag – zuständigkeitshalber – an das Kultusministerium Sachsen-Anhalt weitergeleitet werde.

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Unter dem 07.06.2011 eröffnete das – zuständige – „Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt“ die „Anhörung zum Antrag auf Nachdiplomierung“. Dabei wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass der zuständige Hochschulausschuss in Kenntnis des Urteils des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2011 beschlossen habe, den Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 10. bzw. 11. Oktober 1991 zur „Feststellung der Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen im Sinne von Artikel 37 Abs. 1 des Einigungsvertrages“ in den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen weiter anzuwenden. Nach diesem Beschluss der Kultusministerkonferenz würden Fach- und Ingenieurschulabschlüsse der DDR den im alten Bundesgebiet erworbenen Fachhochschulabschlüssen dann und nur dann gleichgestellt, wenn der Inhaber des Fach- oder Ingenieurschulabschlusses eine mindestens einjährige begleitende Zusatzausbildung an einer Fachhochschule oder Hochschule absolviert habe. Bei Fach- und Ingenieurschulabschlüssen, die vor 1991 erworben worden seien, könne die Zusatzausbildung durch eine dreijährige einschlägige Berufstätigkeit ersetzt werden. Da die Klägerin „diese Voraussetzungen für eine Gleichwertigkeitsfeststellung“ nicht erfülle, werde ihr „Antrag auf Nachdiplomierung“ abgelehnt werden müssen.

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Die Klägerin erklärte, dass sie an ihrem Antrag festhalte; sie bat um einen rechtsmittelfähigen Bescheid.

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Mit Bescheid des Beklagten vom 14. Juli 2011 wurde der „Antrag vom 08.02.2011 auf Nachdiplomierung Ihres Fachschulabschlusses“ mit folgender Begründung abgelehnt: Der Antrag, „auf dem Verwaltungswege im Rahmen der Nachdiplomierung den Diplomgrad „Diplomingenieur“ mit dem Zusatz „FH“ zuerkannt [zu] bekommen“, scheitere zum einen an der fehlenden Gleichwertigkeit des erworbenen Abschlusses und zum anderen an der Nicht-Erfüllung der Voraussetzungen für eine Nachdiplomierung „trotz fehlender Gleichwertigkeit“ des in Rede stehenden Abschlusses. Die Voraussetzungen für eine Nachdiplomierung „trotz fehlender Gleichwertigkeit“ wären dann und nur dann gegeben, wenn die Klägerin ihr dreijähriges Direktstudium an der Agraringenieurschule Naumburg bis zum 31.12.1990 abgeschlossen und mindestens drei Jahre lang einschlägig gearbeitet hätte. Wer seine Ausbildung vor dem 31.12.1990 begonnen, aber erst nach diesem Zeitpunkt beendet habe, dem könne der Fachhochschulgrad nur zuerkannt werden, wenn er eine zusätzliche Qualifikation im Rahmen einer mindestens einjährigen Zusatzausbildung im Direktstudium oder einer zweijährigen Zusatzausbildung im Fernstudium an einer Fachhochschule erworben habe. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin nicht.

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Am 20. Juli 2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beruft sich auf Art. 37 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag). Danach stünden die in dem Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet oder in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) abgelegten Prüfungen oder erworbenen Befähigungsnachweise einander gleich und würden die gleichen Berechtigungen verleihen, wenn sie gleichwertig sind. Diese Vorschrift sei nicht nur auf Ausbildungen anwendbar, die vor dem 03. Oktober 1990 beendet worden sind. Die Vorschrift sei auch auf Ausbildungen anwendbar, die zwar vor dem 03.10.1990 begonnen, aber erst danach beendet worden sind. Dafür spreche insbesondere der Sinn und Zweck der Regelung. Das gesetzlich normierte Tatbestandsmerkmal „Gleichwertigkeit“ könne und dürfe durch einen Beschluss der Exekutive oder Kultusministerkonferenz nicht eingeschränkt werden. Eine Einschränkung erfordere ein Parlamentsgesetz. Außerdem breche Bundesrecht Landesrecht. Der Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 10. und 11. Oktober 1991, der einen Stichtag (31. Dezember 1990) einführe und für einen Anspruch auf Nachdiplomierung unterschiedliche Voraussetzungen „normiere“, sei keine geeignete Grundlage, um Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV einzuschränken. Diese Stichtagsregelung sei nach der Rechtssprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2011 verfassungswidrig und nichtig.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 14. Juli 2011 den Beklagten zu verpflichten, festzustellen, dass die Klägerin zur Führung des akademischen Grades „Diplomagraringenieurin (FH)“ berechtigt ist, hilfsweise, dass sie zur Führung des akademischen Grades „Diplomingenieurin (FH)“ berechtigt ist.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er erwidert: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gleichwertigkeitsfeststellung, weil die an der Agraringenieurschule Naumburg absolvierte Ausbildung zum Agraringenieur einer Fachhochschulausbildung nicht gleichwertig sei. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Nachdiplomierung, weil sie die dafür erforderlichen Voraussetzungen, die im Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. und 11. Oktober 1991 aufgestellt worden sind, nicht erfülle. Sie habe ihre Ausbildung an der Agraringenieurschule Naumburg nicht bis zum 31. Dezember 1990 abgeschlossen und keine einjährige Zusatzausbildung im Direktstudium an einer Fachhochschule oder Hochschule absolviert. Zur weiteren Begründung beruft sich der Beklagte auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. Oktober 1997, A 2 S 33/96, und auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 28. Februar 2002, 1 A 3/01, die zwischen Gleichwertigkeitsfeststellung und Nachdiplomierung unterscheiden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Der Bescheid des Beklagten vom 14. Juli 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Gleichwertigkeit ihrer an der Agraringenieurschule Naumburg absolvierten Ausbildung zum Agraringenieur mit einer vergleichbaren Fachhochschulausbildung (1.). Sie hat auch keinen Anspruch auf Nachdiplomierung (2.).

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1. Der Anspruch auf Feststellung der Gleichwertigkeit einer im Beitrittsgebiet erworbenen Ausbildung ist etwas anderes als die (von der Klägerin beanspruchte) „Nachdiplomierung“. Nach dem Autor Dr. Zimmerling (Akademische Grade und Titel, 2. Auflage, 1996, Seite 14 ff), dem die Kammer folgt, geht es „bei der Nachdiplomierung … um die Frage, inwieweit die Absolventen der höheren Fachschulen nachträglich den Diplomgrad erhalten können. Dahinter steht die Behauptung, dass die höheren Fachschulen vor ihrer Umbenennung in Fachhochschulen auch schon deren fachlichen Rang gehabt haben oder – umgekehrt – dass die heutigen Fachhochschulen nicht wesentlich besser sind als die damaligen höheren Fachschulen. … Durch die Wiedervereinigung Deutschlands stellen sich heute weitere Probleme bei der Nachdiplomierung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Pflicht zur Nachdiplomierung nicht besteht. Die Nachdiplomierung wird vielmehr als ‚Rechtswohltat’ bezeichnet. … Die Rechtsgrundlagen, anhand derer ein Antrag auf Nachdiplomierung zu überprüfen ist, sind alles andere als überschaubar. Das OVG Münster hat den Anspruch eines Absolventen einer privaten Fachschule als ‚Elektrotechniker’ auf Nachgraduierung zum ‚Ingenieur (grad)’ unter Berücksichtigung folgender Rechtsgrundlagen (aus Nordrhein-Westfalen) geprüft: Vereinbarung der Kultusminister der Länder zur Vereinheitlichung des Ingenieurschulwesens vom 16./17.1.1964 … .“

19

Der Anspruch auf Feststellung der Gleichwertigkeit ist etwas anderes. Er findet seine gesetzliche Grundlage in Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV. Danach stehen die in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet oder in den anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) abgelegten Prüfungen oder erworbenen Befähigungsnachweise einander gleich und verleihen die gleichen Berechtigungen, wenn sie gleichwertig sind.

20

Aus dieser Gegenüberstellung folgt, dass der gesetzlich verbürgte Anspruch auf Gleichwertigkeitsfeststellung Vorrang hat vor der in ministeriellen Erlassen und Beschlüssen der Kultusministerkonferenz „geregelten Nachdiplomierung“. Wenn „Gleichwertigkeit“ feststeht oder wenn sich „Gleichwertigkeit“ im (gerichtlichen) Verfahren feststellen lässt, dann treten die Rechtsfolgen des Art. 37 Abs. 1 Satz EV ein, ohne dass es einer „Nachdiplomierung“ bedarf.

21

Dazu hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 28. Februar 2002, 1 A 3/01, unter Bezugnahme auf das Urteil des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 1997, 6 C 10/97, veröffentlicht in juris, folgende Feststellungen getroffen:

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„Als unbestimmter Rechtsbegriff bedarf der in Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV enthaltene Begriff ‚gleichwertig’ der rechtlichen Konkretisierung. Dabei unterliegt die Bestimmung seines Inhalts der vollständigen gerichtlichen Nachprüfung, die nicht durch einen behördlichen Beurteilungsspielraum eingeschränkt wird. Die Verwaltungsgerichte sind danach befugt, diesen Begriff anders auszufüllen, als dies in den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz vom 11. Oktober 1991 in der Fassung vom 18. April 1997 sowie vom 24. April 1998 in der Fassung vom 30.Juni 2000 (abgedruckt jeweils i. d. Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand Juli 2001, unter Nr. 1965.1 und 1965.1.1) zum Ausdruck gekommen ist, sofern die Festlegungen in diesen Beschlüssen den Intentionen des Einigungsvertrages insgesamt und speziell des hier einschlägigen Art. 37 Abs. 1 EV widersprechen (vgl. Urteil des Senats vom 14. April 1999, a.a.O., S. 8). Der Maßstab für die Bestimmung dessen, was unter Gleichwertigkeit zu verstehen ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Einigungsvertrag. Vor allem sind die Ziele zu beachten, die der Einigungsvertrag verfolgt. Dabei darf die besondere historische Situation nicht aus dem Blick geraten, die mit dem Vertrag bewältigt werden sollte. Ausgehend von dem Ziel des Vertrages, die Zusammenführung der Menschen aus beiden deutschen Staaten in einer nunmehr gemeinsamen Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten, wozu auch die bildungs- und ausbildungsmäßige Zusammenführung gehört, muss es für die Anerkennung der ‚Gleichwertigkeit’ nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV genügen, wenn ‚Niveaugleichheit’ des in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erworbenen Abschlusses besteht, das heißt, wenn ein Ausbildungsniveau festgestellt wird, das auch bei der Aufnahme neuer beruflicher Betätigung im weiteren fachlichen Feld, in dem der Abschluss erworben wurde, nach geeigneten individuellen Bemühungen um die Beseitigung vorhandener Defizite eine erfolgreiche selbständige Einarbeitung – gegebenenfalls unter Anleitung – in die beruflichen Anforderungen erwarten lässt. Danach gelten die folgenden Voraussetzungen:

23
- es muss sich um einander fachlich angenäherte Ausbildungen handeln;
24
- die Bildungseinrichtungen müssen bzw. mussten die gleichen oder zumindest etwa gleichgewichtige Zulassungsvoraussetzungen fordern;
25
- der Umfang der absolvierten Ausbildung muss bzw. musste einen ähnlich weitgefassten Rahmen haben;
26
- das Ausbildungsangebot muss bzw. musste niveaugleich strukturiert sein
27
- und die Art der Prüfungen sowie der Studienabschluss bzw. der Bildungsabschluss müssen in einem vergleichbaren Verfahren erworben worden sein bzw. erworben werden.
28

Dabei ist kein strenger, sondern „eher großzügiger“ Maßstab anzulegen. „Großzügigkeit“ bedeutet jedoch nicht, dass Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt werden, die in Wahrheit nicht vorhanden sind. Vielmehr beschränkt sich eine „großzügige“ Feststellung der Gleichwertigkeit auf eine prognostische Aussage über die Fähigkeit zur selbständigen Einarbeitung in entsprechende Berufe. Diese Aussage wiederum ist auf der Grundlage eines Niveauvergleichs mit Abschlüssen auf dem Betätigungsfeld zu treffen, dem sich der in der früheren Deutschen Demokratischen Republik erlangte Abschluss zuordnen lässt. ‚Niveaugleichheit’ bedeutet hiernach in erster Linie eine formelle und funktionale Gleichheit; inhaltlich setzt sie nur eine fachliche Annäherung voraus (s. zum Vorstehenden im Einzelnen: BVerwG, Urteil v.10. Dezember 1997, a.a.O., S. 29 ff.; Urteil des Senats vom 14. April1999, a.a.O., S. 9 f.).”

29

Diese Gleichwertigkeit, die Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV für das Verleihen derselben Berechtigungen verlangt, ist hier nicht gegeben, weil die von der Klägerin absolvierte Ausbildung an der Agraringenieurschule Naumburg nicht als „niveaugleich“ eingestuft werden kann. Das Studium an der Agraringenieurschule Naumburg unterscheidet sich insbesondere in seinen Zugangsvoraussetzungen von einem Fachhochschulstudium. Die Aufnahme eines Studiums an der Agraringenieurschule Naumburg setzte „nur“ den erfolgreichen Abschluss der 10. Klasse voraus. Demgegenüber setzte ein in den alten Bundesländern betriebenes Fachhochschulstudium die Fachhochschulreife oder die allgemeine Hochschulreife voraus. Auch die Anforderungen an die Qualifikation der Mitglieder des Lehrkörpers sind unterschiedlich ausgestaltet gewesen. Die Mitglieder des Lehrkörpers der Ingenieurschulen brauchten zum Nachweis ihrer wissenschaftlichen Qualifikation keine erfolgreich abgeschlossene Promotion vorzulegen. Bei den Fachhochschulen war das in der Regel anders. Aus diesen Gründen ist die Niveaugleichheit der in Rede stehenden Ausbildungsgänge zu verneinen. Aus denselben Gründen hat die Klägerin keinen – aus Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV ableitbaren – Anspruch auf denselben akademischen Grad, den ein Fachhochschulstudium verleiht.

30

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Nachdiplomierung zur Diplomagraringenieurin (FH) oder – hilfsweise – zur Diplomingenieurin (FH) „auf dem Verwaltungswege“.

31

Bei der Nachdiplomierung geht es – wie eingangs dargestellt – „um die Frage, inwieweit die Absolventen der höheren Fachschulen nachträglich den Diplomgrad erhalten können. Dahinter steht die Behauptung, dass die höheren Fachschulen vor ihrer Umbenennung in Fachhochschulen auch schon deren fachlichen Rang gehabt haben oder – umgekehrt – dass die heutigen Fachhochschulen nicht wesentlich besser sind als die damaligen höheren Fachschulen“ (Dr. Zimmerling, a.a.O.). Von Nachdiplomierung wird gesprochen, wenn die Qualifikation, d. h. der akademische Grad nachträglich erlangt wird oder nachträglich bescheinigt werden soll. Die Nachdiplomierung ist nicht bundesrechtlich (§ 18 HRG) verboten; sie ist aber auch nicht in Landesgesetzen kodifiziert. Die Nachdiplomierung wird als „Rechtswohltat“ (Dr. Zimmerling: a.a.O) bezeichnet, die ihre „gesetzliche“ Grundlage in ministeriellen Erlassen und Beschlüssen der Kultusministerkonferenz findet.

32

Wie schon gesagt vermittelt Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV keinen Anspruch auf Nach- oder Umdiplomierung (ausländischer) akademischer Grade (Beschluss des 5. Senats des Oberverwaltungsgerichts vom 12. Mai 2006, OVG 5 N 66.04, veröffentlicht in juris). Art 37 Abs.1 Satz 2 EV eröffnet (lediglich) einen Anspruch auf Feststellung der Gleichwertigkeit.

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Eine „Nachdiplomierung“ ist etwas anderes. Ein (gesetzlich verbürgter) Anspruch auf Nachdiplomierung ist weder im Einigungsvertrag noch im Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt normiert. Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz, die die Voraussetzungen für eine Nachdiplomierung „auf dem Verwaltungswege“ eröffnen, haben keine Gesetzeskraft; sie gewinnen lediglich über den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) rechtlich bindende Bedeutung. Jedoch kann sich die Klägerin auf die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz vom 10. bzw. 11. Oktober 1991 nicht mit Erfolg berufen. Sie erfüllt die in diesen Beschlüssen für eine Nachdiplomierung aufgestellten Voraussetzungen nicht. Sie hat ihre Ausbildung an der Agraringenieurschule Naumburg nicht bis zum 31. Dezember 1990 abgeschlossen und kann keine ein- oder zweijährige Zusatzausbildung an einer Fachhochschule oder Hochschule vorweisen.

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Die Kritik der Klägerin an der – von der Exekutive für Nachdiplomierungen geschaffenen – Stichtagsregelung (31. Dezember 1990) teilt die Kammer nicht. Diese Stichtagsregel verletzt den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht. Sie behandelt nicht wesentlich Gleiches ungleich. Richtig ist, dass die Stichtagsregel diejenigen Absolventen von Fach- oder Ingenieurschulen „privilegiert“, die ihre Ausbildung an einer Fach- oder Ingenieurschule der DDR vor dem 31. Dezember 1990 abgeschlossen haben. Diese Absolventen können „auf dem Verwaltungswege“ nachdiplomiert werden, wenn sie eine dreijährige einschlägige Berufspraxis vorweisen können. Der Sinn und Zweck der Stichtagsregel besteht darin, „gedienten“ Praktikern die ein- oder zweijährige Zusatzausbildung an einer Fachhochschule zu ersparen, die den Absolventen abverlangt wird, die ihre Ausbildung an einer Fach- oder Ingenieurschule erst nach dem 31. Dezember 1990 abgeschlossen haben.

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Diese Differenzierung zwischen unterschiedlichen Gruppen von Absolventen stellt keine willkürliche Ungleichbehandlung dar und kann Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV nicht verletzen, weil Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV für Nachdiplomierungen nicht gilt, sondern die Rechtsfolgen der Gleichwertigkeit normiert. Von daher stellt sich die Frage, ob die in den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz für einen Anspruch auf Nachdiplomierung „normierte“ Stichtagsregelung den in Art. 37 Abs. 1 Satz 2 EV verbürgten Anspruch auf Gleichwertigkeit einschränken kann, nicht. Ebenso wenig ist dem Urteil des 2. Senats des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2011, 2 A 278/09, veröffentlicht in juris, zu folgen, das zwischen einem Anspruch auf Gleichwertigkeitsfeststellung und einem Anspruch auf Nachdiplomierung keinen (erkennbaren) Unterschied macht.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

37

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung i. V. mit den §§ 708, 711 ZPO.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Hochschulrahmengesetz - HRG | § 18 Hochschulgrade


(1) Auf Grund der Hochschulprüfung, mit der ein berufsqualifizierender Abschluss erworben wird, kann die Hochschule einen Diplomgrad mit Angabe der Fachrichtung verleihen. Auf Grund der Hochschulprüfung an Fachhochschulen oder in Fachhochschulstudien

Referenzen

(1) Auf Grund der Hochschulprüfung, mit der ein berufsqualifizierender Abschluss erworben wird, kann die Hochschule einen Diplomgrad mit Angabe der Fachrichtung verleihen. Auf Grund der Hochschulprüfung an Fachhochschulen oder in Fachhochschulstudiengängen anderer Hochschulen wird der Diplomgrad mit dem Zusatz "Fachhochschule" ("FH") verliehen. Die Hochschule kann einen Diplomgrad auch auf Grund einer staatlichen Prüfung oder einer kirchlichen Prüfung, mit der ein Hochschulstudium abgeschlossen wird, verleihen. Das Landesrecht kann vorsehen, daß eine Hochschule für den berufsqualifizierenden Abschluß eines Studiums einen Magistergrad verleiht; dies gilt, unbeschadet des § 19, nicht für den Abschluß in einem Fachhochschulstudiengang. Nach näherer Bestimmung des Landesrechts kann eine Hochschule für den berufsqualifizierenden Abschluß eines Studiums auf Grund einer Vereinbarung mit einer ausländischen Hochschule andere als die in den Sätzen 1, 2 und 4 genannten Grade verleihen. Ein Grad nach Satz 5 kann auch zusätzlich zu einem der in den Sätzen 1, 2 und 4 genannten Grade verliehen werden.

(2) Im übrigen bestimmt das Landesrecht, welche Hochschulgrade verliehen werden. Es kann vorsehen, daß die Kunsthochschulen für den berufsqualifizierenden Abschluß eines Studiums andere als die in Absatz 1 genannten Grade verleihen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.