Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 04. Juli 2013 - 2 A 336/13

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2013:0704.2A336.13.0A
bei uns veröffentlicht am04.07.2013

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die teilweise Aufhebung eines Grundsteueränderungsbescheides für das Jahr 2013 und zwar hinsichtlich des Teilbetrages, der auf der Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B im Ortsteil H. beruht.

2

Die Kläger sind (Mit-) Eigentümer des in der Gemarkung H. gelegenen Grundstücks A-Straße in A-Stadt.

3

Die früher selbstständige Gemeinde H. ist auf Grund des mit der Beklagten am 18.05.2009 geschlossenen Gebietsänderungsvertrages mit Wirkung zum 01.01.2010 aufgelöst und in das Gemeindegebiet der Beklagten eingegliedert worden. In Bezug auf die Fortgeltung der Steuerhebesätze trifft § 11 des v. g. Vertrages die Regelung, dass die für das Gebiet der Ortschaft H. entsprechend der für 2009 vom Gemeinderat beschlossenen Haushaltssatzung festgesetzten Steuerhebesätze – Grundsteuer A 200 v. H., Grundsteuer B 300 v. H. und Gewerbesteuer 320 v. H. – bis zum Haushaltsjahr 2019 fortgelten.

4

Die kommunalaufsichtliche Genehmigung des Gebietsänderungsvertrages erging mit Bescheid des Landkreises Harz vom 30.09.2009. Die Gebietsänderungsvereinbarung sowie deren kommunalaufsichtliche Genehmigung wurden im Amtsblatt des Landkreises Harz Nr. 11/2009 öffentlich bekannt gemacht.

5

Aufgrund von Mindereinnahmen aus den Allgemeinen Zuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) in Höhe von 2.055.328,00 Euro (Berechnung der Beklagten), ausgelöst durch die Änderung der Schlüsselzuweisung infolge der Änderung des FAG, der Gemeindegebietsreform sowie des Rückgangs der Steuereinnahmen und damit der Finanzausgleichsmasse aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise, sowie aufgrund der Belastung des Haushalts mit Fehlbeträgen der Verwaltungshaushalte zweier eingegliederter Gemeinden (C. und D.) aus den Vorjahren (in Höhe von 901.011,25 Euro), befand sich die Beklagte mit der Aufstellung des ersten gemeinsamen Haushalts nach der Gemeindegebietsreform im Jahre 2010 in Konsolidierung.

6

Wegen der anhaltenden Haushaltsnotlage der Beklagten wurde von dieser im Rahmen der 2. Fortschreibung des Haushaltskonsolidierungskonzeptes als Konsolidierungsmaßnahme am 05.03.2012 u. a. beschlossen, die in den verschiedenen Gebietsänderungsverträgen festgeschriebenen Realsteuerhebesätze anzuheben. Bereits am 19.04.2012 hatte der Ortschaftsrat H. die Vorlage des v. g. Haushaltskonsolidierungskonzeptes beraten und anschließend mehrheitlich zum Beschluss empfohlen.

7

In der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2013 vom 25.04.2013 beschloss der Stadtrat der Beklagten die Anhebung der Realsteuerhebsätze für 2013 und bestimmte hierbei den Hebsatz für die Grundsteuer B (von ursprünglich 300 v. H. für ) auf 400 v. H.. Die Haushaltssatzung wurde entsprechend § 17 Abs. 1 der Hauptsatzung der Beklagten vom 16.12.2004 i. d. F. vom 10.12.2009 im Amtsblatt der Stadt A-Stadt vom 08.06.2013 öffentlich bekannt gemacht.

8

Auf der Grundlage dieses erhöhten Hebesatzes sowie eines Grundsteuermessbetrages in Höhe von 48,06 Euro änderte die Beklagte mit Bescheid vom 04.07.2013 gegenüber den Klägern die Grundsteuer B und setzte diese (von ursprünglich 144,18 Euro) auf 192,24 Euro fest (Erhöhungsbetrag 48,06 Euro). Den dagegen von den Klägern eingelegten Widerspruch, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2013 zurück.

9

Am 15.11.2013 haben die Kläger hiergegen Klage erhoben im Wesentlichen mit der Begründung, der angefochtene Steuerbescheid sei (teilweise) rechtswidrig, weil die Beklagte aufgrund der Festschreibung der Steuerhebsätze bis zum Haushaltsjahr 2019 in § 11 des Gebietsänderungsvertrages vom 18.05.2009 rechtlich gehindert gewesen sei, den Hebesatz für die Grundsteuer B anzuheben.

10

Der Gebietsänderungsvertrag sei wirksam und sehe die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung nicht vor. Auch eine Vertragsänderung entsprechend § 60 VwVfG wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage komme nicht in Betracht. Es fehle bereits an einer wesentlichen Änderung der maßgeblichen Verhältnisse seit Abschluss des Vertrages, weil hierfür die Verschlechterung der Haushaltslage nicht genüge. Vor dem Hintergrund der zeitlichen Abfolge – Vertragsschluss im Mai 2009 und Haushaltskonsolidierung im August 2010 – dürfte es zudem bereits bei Vertragsschluss absehbar gewesen sein, wie es haushaltsrechtliche um die Rechtsnachfolgerin stehe. Dennoch sei eine Änderungsklausel im Vertrag nicht aufgenommen worden. Zudem sei aus diesen Gründen ein weiteres Festhalten an der vertraglichen Regelung in § 11 für die Beklagte zumutbar.

11

Soweit der Ortschaftsrat H. die 2. Fortschreibung des Haushaltskonsolidierungskonzeptes der Beklagten am 19.04.2012 beraten und anschließend mehrheitlich zum Beschluss empfohlen habe, rechtfertige auch dies keine andere Beurteilung. Denn der Einhaltung der Regelung in § 11 des Vertrages könne sich die Beklagte nicht dadurch entziehen, dass sie auf ein mit dem Ortschaftsrat abgestimmtes einvernehmliches Abweichen vom Vertrag in Form einer Verwaltungsentscheidung verweise.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vortrags im Klageverfahren wird gemäß § 117 Abs. 3 S. 2 VwGO auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Kläger Bezug genommen.

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Die Kläger beantragen,

14

den Grundsteuerbescheid der Beklagten vom 04.07.2013 betreffend das Grundstück: A-Straße (Kassenzeichen: ) über 192,24 Euro Grundsteuer B in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2013 wird in Höhe von 48,06 Euro aufzuheben.

15

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

17

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und tritt der Argumentation der Kläger entgegen. Sie verweist insbesondere auf die Billigung der mit der 2. Fortschreibung des Haushaltskonsolidierungskonzeptes beschlossenen Erhöhung der Realsteuerhebesätze durch den Ortschaftsrat H., in der eine einvernehmliche Änderung des § 11 des Gebietsänderungsvertrages zu sehen sei, sowie darauf, dass aufgrund der Erlasslage die Mindereinnahmen aus den Allgemeinen Zuweisungen nach dem FAG bei Abschluss des Gebietsänderungsvertrages nicht absehbar gewesen seien.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Sitzungsniederschrift und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage, mit der die Kläger (entsprechend der Klarstellung in der mündlichen Verhandlung) die Aufhebung des Teilbetrages der für 2013 festgesetzten Grundsteuer begehren, der auf der Erhöhung des Hebesatzes beruht, hat Erfolg.

20

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere bestehen an der für die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis der Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO keine durchgreifenden Bedenken. Zwar sind die Kläger nicht Vertragspartei des Gebietsänderungsvertrages vom 18.05.2009, was zunächst dagegen spricht, dass sie subjektive Rechte aus dieser Vereinbarung für sich herleiten können. Zu berücksichtigen ist hierbei jedoch, dass der in Rede stehenden Regelung über die Festschreibung der Steuerhebesätze bis zum 31.12.2019 (§ 11), die das Hebesatzrecht der Beklagten einschränkt, normative Wirkung zukommt. Insoweit wirkt sie erkennbar auch zugunsten der Steuerpflichtigen der eingegliederten, ehemals selbständigen Gemeinden und vermittelt diesen (als Normbetroffene) ein wehrfähiges Recht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Dessen ungeachtet sind die Kläger (Inhalts-)Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes (Erhöhung der Realsteuer) mit der Folge, dass ihnen ein Abwehrrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG zusteht, wenn die der Erhöhung der Hebesätze zugrundeliegende Satzung unwirksam ist, weil sie gegen § 11 des Gebietsänderungsvertrages verstößt. Denn in diesem Fall fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage für die angefochtene Erhöhung der Realsteuer.

21

II. Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Steuerbescheid der Beklagten vom 04.07.2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 17.10.2013 erweisen sich hinsichtlich des Teilbetrages, der auf der Erhöhung der Hebesätze beruht, als rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. VwGO).

22

Grundlage für den in dem angefochtenen Steuerbescheid in Ansatz gebrachten (erhöhten) Steuerhebesatz ist die Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2013 vom 25.04.2013, die rechtlichen Bedenken unterliegt, soweit es die durch diese Satzung für das Haushaltsjahr 2013 vorgenommene Erhöhung des Steuerhebsatzes für die Grundsteuer B (von ursprünglich 300 v. H. für ) auf 400 v. H. betrifft. Denn einer solchen Erhöhung steht § 11 des Gebietsänderungsvertrages vom 18.05.2009 entgegen.

23

Nach Art. 106 Abs. 6 Grundgesetz steht das Aufkommen der Grundsteuer den Gemeinden zu. Die Gemeinden haben dabei das Recht, die Hebesätze der Grundsteuer festzusetzen. Bei der Festsetzung der Hebesätze haben die Gemeinden wegen dieser verfassungsrechtlich garantierten Steuerhoheit grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum, der seine Grenzen lediglich in allgemeinen Grundsätzen des Haushalts- und Steuerrechts findet (BVerwG, U. v. 11.06.1993 – 8 C 32.90 –, zitiert nach juris). Eine Beschränkung des Hebesatzrechts der Gemeinde kann sich dabei aus § 25 Abs. 4 Satz 2 GrStG ergeben, der im Falle von Gebietsänderungen nach entsprechender landesrechtlicher Gestattung die Möglichkeit eröffnet, unterschiedliche Hebesätze festzusetzen. Liegt – wie hier - eine solche landesrechtliche Gestattung vor (vgl. hierzu Beschlüsse der Landesregierung vom 6. Februar 2001 [MBl. LSA 2001, 157] und vom 28. Juli 2007 [MBl. LSA 2007, 734] sowie OVG LSA, B. v. 10.12.2012 – 4 L 174/12 -) und vereinbart die Parteien hiernach im Rahmen eines Gebietsänderungsvertrages unterschiedliche Hebsätze, so sind sie daran für die vertraglich bestimmte Zeit gebunden, wenn die Vereinbarung wirksam zustande gekommen ist, eine einschränkende Auslegung des Vertragstextes nicht in Betracht kommt und der eingemeindenden bzw. neu entstehenden Gemeinde auch ein Recht auf Vertragsanpassung entsprechend § 60 VwVfG wegen wesentlicher Veränderung der Umstände, die für diese Regelung maßgebend gewesen sind, nicht zusteht (vgl. VG MD, U. v. 25.04.2013 – 2 A 286/12 MD -, juris).

24

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben (vgl. 1.). Der Gebietsänderungsvertrag hat bislang auch keine (wirksame) Änderung erfahren (vgl. 2.).

25

1. Der Gebietsänderungsvertrag vom 18.05.2009 ist – soweit aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich - wirksam zustande gekommen. Die hierfür erforderliche kommunalaufsichtliche Genehmigung des Gebietsänderungsvertrages erging mit Bescheid des Landkreises Harz vom 30.09.2009. Die Gebietsänderungsvereinbarung sowie deren kommunalaufsichtliche Genehmigung wurden im Amtsblatt des Landkreises Harz Nr. 11/2009 öffentlich bekannt gemacht. Damit ist die Beklagte an die Vereinbarung in § 11 des Gebietsänderungsvertrages grundsätzlich gebunden (vgl. auch OVG LSA, B. v. 27.04.2012 – 4 M 75/12 -, zit. nach juris).

26

Eine einschränkende Auslegung des Vertragstextes in § 11 kommt nicht in Betracht. Die Einhaltung dieser Bestimmung steht insbesondere nicht unter einem allgemeinen „Haushaltsvorbehalt“ in dem Sinne, dass sich die Beklagte durch eine einfache Rats- oder Verwaltungsentscheidung von ihr lösen könnte. Vielmehr sind grundsätzlich auch „unwirtschaftliche“ Bestimmungen in Eingliederungsverträgen einzuhalten, soweit sie – wie hier - im Rahmen der gesetzlichen Gestaltungsfreiheit ausgehandelt wurden und wirksam sind. Eingliederungsverträge werden gerade zu dem Zweck abgeschlossen, verbindliche Regelungen für den Fall zu treffen, dass die aufnehmende Gemeinde den Inhalt früherer Zusicherungen nicht mehr als zweckmäßig ansieht. Gerade durch ihre Bindungswirkung unterscheiden sich Eingliederungsverträge von bloßen Absichtserklärungen oder Wahlkampfversprechen. Diese Bindungswirkung entfällt nicht schon dadurch, dass eine Vertragspartei nach heutiger Interessen- oder Kenntnislage einer damals ausgehandelten Regelung vernünftigerweise nicht mehr zustimmen könnte. Etwas anderes ergibt sich auch aus dem in § 156 Abs. 2 GO LSA enthaltenen Gebot, den Gemeindehaushalt sparsam und wirtschaftlich zu führen. Denn diesem - eher als wertfreiem Optimierungsgebot denn als zwingenden Rechtssatz zu verstehenden - allgemeinen Haushaltsgrundsatz sind schon mit Blick auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht und das Rechtsstaatsgebot nur in Ausnahmefällen konkrete Handlungsgebote für die Gemeinden zu entnehmen. Damit sind auch „unwirtschaftliche“ Regelungen eines ansonsten wirksamen Eingemeindungsvertrages nicht ohne weiteres wegen eines gesetzlichen Verbots i. S. v. § 59 VwVfG i. V. m. § 134 BGB nichtig (vgl. insg.: Sächs. OVG, B. v. 04.01.2008 - 4 BS 449/07 – sowie B. 25.07.2013 – 4 A 218/13 -, jeweils juris; VG MD, U. v. 25.04.2013 – 2 A 286/12 MD -, juris).

27

Soweit sich die Beklagte auf den Erlass des MI vom 14.10.2011/19.12.2011 (Recht zur Abweichung von Regelungen in Gebietsänderungsverträgen aufgrund der Pflicht zur Haushaltskonsolidierung) beruft und darin gefordert wird, „freiwillige öffentliche Verpflichtungen unter Beachtung bindender gesetzlicher Vorgaben (§ 90 bzw. § 156 Abs. 3 GO LSA) auszulegen (VG Sigmaringen, Urteil vom 10.10.2007, Az.: 3 K 102/06)“, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Denn für eine solche einschränkende Auslegung des Vertragstextes besteht vorliegend kein Raum. Entscheidend hierbei ist, dass in dem vom VG Sigmaringen entschiedenen Fall, auf den der Erlass insoweit Bezug nimmt, die in Streit stehende Regelung des Gebietsänderungsvertrag (Verpflichtung zur Erhaltung einer Grundsschule) den ausdrücklichen Zusatz enthielt: „solange dies gesetzlich möglich ist“. Ein solcher Vorbehalt fehlt in der hier in Rede stehenden Bestimmung des § 11 des Gebietsänderungsvertrages. Findet jedoch die vom Ministerium geforderte Auslegung in der Formulierung der betreffenden Vereinbarung keine Stütze, kommt eine solche einschränkende Auslegung nicht in Betracht (so auch Sächs. OVG, B. v. 04.01.2008, a. a. O.).

28

Auch die Voraussetzungen für eine Kündigung/Anpassung der Vereinbarung durch die Beklagte entsprechend § 60 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 VwVfG LSA wegen wesentlicher Veränderung der Umstände, die für diese Regelung maßgebend gewesen sind, liegen nicht vor.

29

Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG setzt voraus, dass nach Vertragsschluss tatsächliche Umstände oder rechtliche Bedingungen weggefallen sind, die die Vertragspartner zwar nicht zum Vertragsinhalt gemacht haben, deren Bestand sie jedoch als gemeinsame Grundlage des Vertrags angenommen haben. Vertragsgrundlage sind die bei Vertragsabschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Vertragsparteien oder die für den Vertragspartner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Vertragsparteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH, Urteil vom 24. März 2010 - VIII ZR 160/09 - NJW 2010, 1663 ). Wesentlich ist eine Änderung der Verhältnisse daher nur, wenn die Vertragsparteien bei Kenntnis dieser Änderung den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten. Schließlich müssen die Folgen der nachträglichen Änderung den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat, weshalb ihm das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zumutbar ist (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U. v. 18.07.2012 – 8 C 4.11 -, zit. nach juris).

30

Gemessen an diesem Maßstab steht der Beklagten ein Recht auf Kündigung/Vertragsanpassung entsprechend § 60 VwVfG nicht zu.

31

Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im v. g. Sinn ist nicht deshalb eingetreten, weil sich die Haushaltslage der Beklagten nach Abschluss des Gebietsänderungsvertrages insbesondere infolge der veränderten Zuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) nicht unerheblich verschlechtert hat. Denn hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass im Zeitpunkt der Vereinbarung Vorstellungen der Beklagten zu Tage getreten sind oder zumindest erkennbar für eine der vereinbarenden Parteien waren, wonach Grundlage der Vereinbarung in § 11 des Vertrages sein sollte, dass sich die Haushaltslage der Beklagten zukünftig nicht verschlechtere, liegen nicht vor. Zwar mag anlässlich der Verhandlungen zum Gebietsänderungsvertrag über die weitere wirtschaftliche Entwicklung der neuen Einheitsgemeinde gesprochen und aufgrund der damaligen Erlasslage davon ausgegangen worden sein, dass diese auch im Hinblick auf die Zuweisungen nach FAG stabil verlaufe. Dies allein genügt indes nicht. Denn eine Vorstellung, die bei Abschluss der Vereinbarung in der erforderlichen Art und Weise zu Tage getreten ist, vermag nur dann die Geschäftsgrundlage einer Vereinbarung zu bilden, wenn der Geschäftswille beider (bzw. sämtlicher) Vertragsparteien auf dieser Vorstellung aufbaut. Daran fehlt es regelmäßig, wenn Umstände betroffen sind, die nach dem Sinn der Vereinbarung in den Risikobereich einer Partei fallen (vgl. SächsOVG, B. v. 30.06.1997 – 3 S 391/97 –, a. a. O., m. w. N.).

32

So liegt der Fall hier. Denn anders als in § 7 Abs. 1 des Vertrages (Bereitstellung von finanziellen Mitteln für die Wahrung der Eigenart der Ortschaft) haben die Parteien in dem hier in Rede stehenden § 11 des Vertrages auf die Aufnahme einer Änderungsklausel bzw. eines entsprechendes Vorbehaltes (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4: „im Rahmen der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten“) verzichtet und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Festschreibung der in der aufgelösten Gemeinden geltenden Hebesätze auch bei einer Verschlechterung der Einnahmesituation der Beklagten fortbestehen soll. Die in Rede stehende Bestimmung über die Festschreibung der Hebesätze in § 11 des Vertrages ist danach von den Vertragsparteien offenbar bewusst als Gegenleistung dafür vereinbart worden, dass die früher selbstständige Gemeinde H. ihre Selbständigkeit aufgibt und auf diese Weise ein Zusammenschluss auf freiwilliger Basis ermöglicht wird.

33

Dem entsprechend ist davon auszugehen, dass die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Beklagten – jedenfalls soweit es die Bestimmung in § 11 des Vertrages betrifft - nach dem Sinn der Vereinbarung in den Risikobereich der Beklagten fallen sollte. Sie ist somit nicht zur Geschäftsgrundlage geworden.

34

Dessen ungeachtet – und darauf weist das Gericht lediglich ergänzend hin – ist weder hinreichend dargelegt noch ersichtlich, dass der Beklagten das unveränderte Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung in § 11 des Gebietsänderungsvertrages nicht mehr zuzumuten ist.

35

Für eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG genügt nicht, dass sich für eine Vertragspartei das normale Vertragsrisiko realisiert. Es reicht ferner nicht aus, dass eine Vertragspartei nach ihrer gegenwärtigen Interessenlage in den Vertragsschluss vernünftigerweise jetzt nicht mehr einwilligen würde. Vielmehr muss nach dem Regelungszusammenhang sowie nach dem Zweck der Vorschrift die Änderung der für den Vertragsinhalt maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu schwerwiegenden, bei Vertragsschluss nicht absehbaren Nachteilen für die Vertragspartei geführt haben, denen die Vertragspartner billigerweise Rechnung getragen hätten, wenn sie die Entwicklung vorhergesehen hätten. Die Folgen der nachträglichen Änderung müssen also den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden der Vertragspartei abzustellen, sondern ein objektiver Maßstab zugrunde zulegen. Anderenfalls hätte es eine Vertragspartei entgegen dem - für die Gewährleistung von Rechtssicherheit unverzichtbaren - Grundsatz "pacta sunt servanda" in der Hand, über die Eigendefinition der Unzumutbarkeit die Notwendigkeit einer Vertragsanpassung weitgehend selbst zu bestimmen. Die rechtliche Würdigung, ob sich aus der wesentlichen Änderung der gemeinsam vorausgesetzten Grundlagen des Vertrages unzumutbare Folgewirkungen für eine Vertragspartei ergeben, ist auf der Grundlage aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. BVerwG, U. v. 18.07.2012, a. a. O., m. w. N.)

36

Gemessen an diesem Maßstab ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die verschlechterte Haushaltslage insbesondere infolge der Mindereinnahmen aus den Allgemeinen Zuweisungen nach dem FAG den Risikorahmen bereits überschreitet, den die Beklagte nach Treu und Glauben hinzunehmen hat. Im Ausgangspunkt der Betrachtung maßgeblich ist auch hier der Umstand, dass die Beklagte es in der Hand hatte, im Hinblick auf die Festschreibung der Realsteuerhebsätze in § 11 des Vertrages einen ausdrücklichen Vorbehalt aufzunehmen, wie sie es etwa in § 7 Abs. 1 des Vertrages (Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Wahrung der Eigenart der Ortschaft) getan hat. Da sie davon Abstand genommen hat und diese Entscheidung von ihrem Entscheidungsspielraum gedeckt war, dürfte ihr ein Festhalten an der getroffenen vertraglichen Regelung erst dann nicht mehr zuzumuten sein, wenn sich die haushaltsrechtlichen Verhältnisse derart verschlechtern, dass ein Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Frage, wie der gesetzlich vorgegebene Haushaltsausgleich angestrebt und erreicht werden soll, nicht mehr besteht, sich also aus dem allgemeinen Haushaltsgrundsatz ein konkretes Handlungsgebot ergibt (vgl. VG MD, U. v. 25.04.2013 – 2 A 286/12 MD -, juris). Zu berücksichtigen ist hierbei indes, dass auch dann, wenn die Finanzlage der betreffenden Gemeinde sehr angespannt und die Erfüllung der Pflichtaufgaben nicht mehr sichergestellt ist, es grundsätzlich innerhalb des Gestaltungsspielraums der Gemeinde liegt, durch ihre demokratisch gewählten Organe zu entscheiden, wie die notwendige Reduzierung freiwilliger Leistungen und die Erzielung zusätzlicher Einnahmen erfolgen soll (vgl. BVerwG, U. v. 27.10.2010 – 8 C 43/09 -: für den Fall einer kommunalaufsichtlichen Beanstandung der Senkung der Realsteuerhebsätze durch die Gemeinde bei anhaltender Haushaltsnotlage, zitiert nach juris).

37

Ein solcher Gestaltungsspielraum bestand für die Beklagten auch im Jahre 2013. Denn aus dem Inhalt der kommunalaufsichtlichen Genehmigungen des Landkreises Harz betreffend die Haushaltssatzung und das Haushaltskonsolidierungskonzept der Beklagten für das Hauhaltsjahr 2012 und 2013 ergibt sich, dass zum damaligen Zeitpunkt weitere Möglichkeiten der Haushaltskonsolidierung bestanden und diese Möglichkeiten durch die Beklagte nicht ausgeschöpft worden sind (etwa bei den Ausgaben für freiwillige Aufgaben). In Anbetracht dieser tatsächlichen Gegebenheiten kann nicht davon die Rede sein, dass im Jahre 2013 ein Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Frage, wie der gesetzlich vorgegebene Haushaltsausgleich angestrebt und erreicht werden soll, nicht mehr bestand, sich also aus dem allgemeinen Haushaltsgrundsatz in Bezug auf die Erhöhung der Realsteuersätze bereits ein konkretes Handlungsgebot ergab. Bis zu diesem Zeitpunkt aber liegt das Risiko der Verschlechterung der Haushaltslage – wie oben ausgeführt - einseitig bei der Beklagten.

38

2. Der Gebietsänderungsvertrag hat bislang – entgegen der Auffassung der Beklagten - auch keine (wirksame) Änderung erfahren.

39

Erforderlich ist hierzu grundsätzlich eine vertraglich, d.h. im gegenseitigen Einvernehmen vereinbarte Änderungsregelung (vgl. OVG LSA, B. v. 27.04.2012 – 4 M 75/12 -, juris Rn. 4), an der es vorliegend fehlt.

40

Die Tatsache, dass der Ortschaftsrat H. die 2. Fortschreibung des Haushaltskonsolidierungskonzeptes der Beklagten vom 03.05.2012, mit der diese u. a. die Erhöhung der Realsteuerhebesätze entgegen der Regelung in § 11 des Gebietsänderungsvertrages beschlossen hat, im Vorfeld am 19.04.2012 beraten und anschließend mehrheitlich zum Beschluss empfohlen hatte, genügt hierfür nicht. Dies ergibt sich schon daraus, dass diese Bekundung des Ortschaftsrates erkennbar nicht auf den Abschluss eines Änderungsvertrages gerichtet war, sondern es sich hierbei um die Ausübung lediglich des Anhörungsrechts des Ortschaftsrates gemäß § 87 Abs. 1 Satz 3 GO LSA handelte.

41

Hinzu tritt, dass der Beschluss des Ortschaftsrates auch den Anforderungen im Hinblick auf Form und Verfahren nicht genügt, die Änderungen oder Ergänzungen des Gebietsänderungsvertrages zu ihrer Wirksamkeit bedürfen. Zwar trifft die Gebietsänderungsvereinbarung vom 18.05.2009 hierzu selbst – anders als in dem vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt entschiedenen Fall – keine Regelung. Maßgeblich ist jedoch, dass die Änderung einzelner Regelungen einer Gebietsänderungsvertrages sich als ein „actus contrarius“ zum Abschluss der Regelungen darstellt mit der Folge, dass es auch hierfür einer vertraglichen Regelung bedarf, deren wirksames Zustandekommen zusätzlich die kommunalaufsichtliche Genehmigung (§ 18 Abs. 1 Satz 5 GO LSA) sowie die Veröffentlichung der Änderungsvereinbarung und der Genehmigung amtlichen Verkündungsblatt des Landkreises voraussetzt (§ 18 Abs. 3 GO LSA). Diese förmlichen Anforderungen tragen dem Umstand Rechnung, dass die einzelnen Zusagen in einem Gebietsänderungsvertrag durch die Vereinbarung Rechtsqualität (Vertragsrecht) erlangt haben (vgl. Klang/Gundlach/Kirchmer GO LSA, 3. Aufl. (2012), § 18 Anm. 2). Im Hinblick auf die in Rede stehende Regelung über die Festschreibung der Steuerhebesätze bis zum 31.12.2019 (§ 11) tritt hierbei hinzu, dass sie das Hebesatzrecht der Beklagten einschränkt, ihr normative Wirkung zukommt und sie – wie oben bereits ausgeführt - insoweit erkennbar auch zugunsten der Steuerpflichtigen der eingegliederten, ehemals selbständigen Gemeinden wirkt.

42

Diese Erwägungen schließen aus Sicht des Gerichts die Annahme aus, die Regelungen in einem Gebietsänderungsvertrag, die entsprechende Zusagen der aufnehmenden oder neu gebildeten Gemeinde gegenüber der aufgelösten Gemeinde enthalten und die wirksam zustande gekommen sind, könnten allein durch die Anhörung des Ortschaftsrates im Verfahren nach § 87 Abs. 1 Satz 3 GO LSA eine wirksame Änderung erfahren.

43

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

44

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

45

Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 3 und 1 GKG und berücksichtigt die Höhe der strittigen Steuerfestsetzung.


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Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 04. Juli 2013 - 2 A 336/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 04. Juli 2013 - 2 A 336/13 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2010 - VIII ZR 160/09

bei uns veröffentlicht am 24.03.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 160/09 Verkündet am: 24. März 2010 Freitag, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 27. Okt. 2010 - 8 C 43/09

bei uns veröffentlicht am 27.10.2010

Tatbestand 1 Die Klage richtet sich gegen die Aufhebung eines Satzungsbeschlusses des Rates der Klägerin über die Festsetzung der Hebesätze für die Gewerbesteuer und die

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 10. Okt. 2007 - 3 K 102/06

bei uns veröffentlicht am 10.10.2007

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckun

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(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

(2) Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Sie soll begründet werden.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Gemeinde bestimmt, mit welchem Hundertsatz des Steuermeßbetrags oder des Zerlegungsanteils die Grundsteuer zu erheben ist (Hebesatz).

(2) Der Hebesatz ist für ein oder mehrere Kalenderjahre, höchstens jedoch für den Hauptveranlagungszeitraum der Steuermeßbeträge festzusetzen.

(3) Der Beschluß über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes ist bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Nach diesem Zeitpunkt kann der Beschluß über die Festsetzung des Hebesatzes gefaßt werden, wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet.

(4) Der Hebesatz muß jeweils einheitlich sein

1.
für die in einer Gemeinde liegenden Betriebe der Land- und Forstwirtschaft;
2.
für die in einer Gemeinde liegenden Grundstücke.
Wird das Gebiet von Gemeinden geändert, so kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle für die von der Änderung betroffenen Gebietsteile auf eine bestimmte Zeit verschiedene Hebesätze zulassen.

(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

(2) Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Sie soll begründet werden.

(1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt.

(2) Ein Vertrag im Sinne des § 54 Satz 2 ist ferner nichtig, wenn

1.
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre;
2.
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 46 rechtswidrig wäre und dies den Vertragschließenden bekannt war;
3.
die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrags nicht vorlagen und ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 46 rechtswidrig wäre;
4.
sich die Behörde eine nach § 56 unzulässige Gegenleistung versprechen lässt.

(3) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Vertrags, so ist er im Ganzen nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

 
Die frühere selbstständige Gemeinde H. ist heute ein Ortsteil der Gemeinde G.-H.. Die Kläger wenden sich gegen die Schließung der Grundschule H..
Die ehemalige Gemeinde H. wurde aufgrund der Vereinbarung über die Vereinigung der Gemeinden G. und H. vom 06.06.1974 und der Genehmigung des Regierungspräsidiums T. vom 25.06.1974 mit der damaligen Gemeinde G. mit Wirkung zum 01.01.1975 zur beklagten Gemeinde G.-H. vereinigt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde sowohl in G. als auch in H. eine Grundschule unterhalten. Auch nach der Vereinigung der beiden Gemeinden wurde weiterhin in diesen Grundschulen unterrichtet.
In der Vereinigungsvereinbarung wurden u. a. Regelungen über die Schulen in G. und H. getroffen. § 19 der Vereinbarung lautet wie folgt:
㤠19 Schulwesen
(1) Die Grundschulen in G. und H. müssen, solange dies gesetzlich möglich ist, im Sinne der bestehenden Vereinbarung vom 23.07.1973 erhalten bleiben.
(2) Die Schulräume in H. müssen dabei im Rahmen von Abs. 1 unter eigener Leitung stets mit 3 Klassen belegt sein.“
Gegenstand der Vereinbarung vom 23.07.1973 war im Wesentlichen die Verteilung der Schulkinder der Stadt O. aus der ehemaligen Gemeinde R. ohne W. auf die Grundschulen der ehemaligen Gemeinden G. und H..
Zu dieser Zeit besuchten etwa 100 Kinder in drei Jahrgangsklassen die Grundschule H., in die Grundschule G. gingen damals etwa 170 Kinder in fünf Jahrgangsklassen. Nachdem im Jahre 1985 die Grundschule R. wieder eröffnet wurde, kündigte die Stadt O. die Vereinbarung über die Nachbarschaftsgrundschulen am 25.07.1985 und am 24.06.1986 gemäß § 5 der Vereinbarung. Die hiergegen gerichteten Klagen der jetzigen Beklagten blieben erfolglos (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.05.1988 - 9 S 2255/87). Da die Kinder aus diesem Gebiet die Grundschulen G. und H. nicht mehr besuchten, wurden bis 2002 die Grundschüler in Jahrgangsklassen zusammengefasst und wechselweise in G. und H. eingeschult. Für das Schuljahr 2004/2005 wurde die in G. frei gewordene Rektorenstelle durch das Staatliche Schulamt B. nicht neu besetzt. Die Leitung der Grundschule G. wurde der Rektorin der Grundschule H. übertragen. Das Staatliche Schulamt B. schlug der Beklagten mit Schreiben vom 07.06.2004 vor, beide Grundschulen zusammenzulegen. Als Gründe wurden die Schülerzahlen und ein effizienterer Lehrereinsatz angeführt. Im Schuljahr 2004/2005 besuchten insgesamt 97 Schulkinder die Grundschule G.-H. im Teilort G..
Der Gemeinderat der Beklagten entschied sich am 19.07.2004, ab dem Schuljahr 2004/2005 die Schulkinder der Gemeinde lediglich in G. zu unterrichten. Nach Überprüfung durch das Landratsamt B. wurde diese Entscheidung am 27.08.2004 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht. Mit Schreiben vom 25.08.2004 stimmte das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport der Aufhebung der Grundschule H. und der Erweiterung des Schulbezirks der Grundschule G. um den ehemaligen Schulbezirk der Grundschule H. zu.
In der Folge wurden von den Einwohnern einige Widersprüche eingelegt sowie einstweiliger Rechtsschutz beantragt.
Nachdem sich der Gemeinderat der Beklagten hierauf mehrmals für eine Zusammenlegung der Grundschulen aussprach und dagegen von Gemeinderatsmitgliedern jeweils der Rechtsweg beschritten wurde, wurde das diesem Verfahren vorangehende Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen vergleichsweise beendet.
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Zunächst fand ein Mediationsverfahren mit Vertretern des Oberschulamts T. und den Gemeinderäten erfolglos statt. Nach entsprechender Absprache mit den dortigen Beteiligten blieb der Prozessvertreter der ehemaligen Gemeinde H. nach der ersten Sitzung fern. Hierauf entschied der Gemeinderat der Beklagten am 25.07.2005 erneut, die beiden Grundschulen zusammenzulegen. Dieser Beschluss wurde am 29.07.2005 im Mitteilungsblatt der Beklagten öffentlich bekannt gemacht.
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Am 16.08.2005 legte der Prozessvertreter mit Vollmachten von drei ehemaligen Gemeinderäten der früheren Gemeinde H. Widerspruch gegen den Beschluss ein, der offenbar nicht beschieden wurde.
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Am 27.01.2006 erhoben die Kläger für die ehemalige Gemeinde H. gegen die beklagte Gemeinde G.-H. Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen. Zur Begründung tragen sie zur Zulässigkeit der Klage im Wesentlichen vor, in Streitigkeiten aus Eingemeindungsverträgen seien untergegangene Gemeinden im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens beteiligungsfähig. Diese Befugnis umfasse Streitigkeiten über Regelungen die als Gegenleistung zur Aufgabe der Selbstständigkeit der untergegangenen Gemeinde aufgenommen wurden.
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Die ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Prozessvertreters folge aus entsprechenden Erklärungen dreier ehemaliger Gemeinderäte, eines im Gebiet der ehemaligen Gemeinde H. wohnhaften derzeitigen Gemeinderats sowie eines Zehntels der derzeitigen Bewohner des Teilorts. Die Vorschriften über Bürgerentscheide und Bürgerbegehren seien hinsichtlich der Artikulation des Willens dieses Bevölkerungsanteils entsprechend heranzuziehen.
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Um dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG genügen zu können, sei zumindest die Bestellung eines Pflegers zur Durchsetzung der Rechte der ehemaligen Gemeinde H. geboten.
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Die Klage sei auch begründet, weil die Beklagte gemäß § 19 der Vereinbarung verpflichtet sei, die Grundschule in H. zu erhalten. Die Regelungen seien unabhängig von Schülerzahlen in die Vereinigungsvereinbarung aufgenommen worden. Daher könne ein Rückgang der Schülerzahlen kein Kriterium für die Schließung der Grundschule darstellen. Da in § 20 Abs. 2 des Vertrags Regelungen für sinkende Kinderzahlen im Bezug auf die Kindergärten aufgenommen wurden, könne man schließen, dass wegen fehlender entsprechender Regelung in § 19 der Vereinbarung die Schülerzahl für den Erhalt der Grundschulen unbeachtlich gewesen sein soll.
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Um gemäß § 12 der Vereinbarung vergleichbare Lebensbedingungen in G. und H. gewährleisten zu können, sei jeweils eine Grundschule zwingend erforderlich. Hierfür spreche auch § 7 des Vertrags, der die Erfüllung der Vereinbarung im Geiste der Gleichbehandlung fordere.
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Des Weiteren sei mit § 19 Abs. 2 der Vereinbarung ausdrücklich dem Fortbestand der Grundschule H. ein Vorzug eingeräumt. Bloße Schwierigkeiten der Beklagten bei der Finanzierung der beiden Grundschulen in H. und G. würden eine Zusammenlegung nicht rechtfertigen, da der Betrieb beider Schulen zwar mit Anstrengungen, aber dennoch im gesetzlichen Rahmen möglich sei. Zudem sei das Schulgebäude in H. in funktionsfähigem Zustand.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Schule in H. seien auch nicht mit der Aufhebung der Vereinbarung vom 23.07.1973 entfallen. Vielmehr sei auch weiterhin ein öffentliches Bedürfnis am Erhalt der Schule gegeben, da verbindliche Zusagen der zuständigen obersten Schulbehörde mit den Schreiben des Ministeriums für Kultus und Sport Baden-Württemberg vom 21.11.1985 und vom 23.02.1986 gegeben worden seien.
19 
In der Beschlussfassung habe die Beklagte die Auswirkungen einer Schulschließung auf die Schulkinder nicht ausreichend berücksichtigt, finanzielle Erwägungen hätten statt dessen im Vordergrund gestanden.
20 
Ein Anspruch der Beklagten auf Vertragsanpassung sei schon deshalb nicht gegeben, weil die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung bereits mit rückläufigen Kinderzahlen gerechnet hätten, wie § 20 Abs. 2 der Vereinbarung zeige, weshalb dies keine unvorgesehene Änderung des zu Grunde liegenden Sachverhalts darstellen könne. Das Fernbleiben vom Mediationsverfahren könne der ehemaligen Gemeinde H. nicht angelastet werden, da dies im Einverständnis mit dem Gemeinderat der Beklagten erfolgt sei.
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Die Kläger beantragen,
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festzustellen, dass der Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 25.07.2005, öffentlich bekannt gemacht am 29.07.2005, rechtswidrig ist und die Beklagte gemäß § 19 der Vereinbarung über die Vereinigung der Gemeinden G. und H. zu verpflichten, im Ortsteil H. weiterhin eine Grundschule zu unterhalten.
23 
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
25 
Die Beklagte ist der Auffassung, die ehemalige Gemeinde H. sei nicht mehr beteiligungsfähig. Nachdem sie in der Beklagten als deren Rechtsnachfolgerin aufgegangen sei, obliege die Vertretung dem Gemeinderat der Beklagten, nicht mehr dem ehemaligen Gemeinderat der untergegangenen Gemeinde H.. Aufgrund der unechten Teilortswahl sei auch eine ausreichende Repräsentation der Bewohner der ehemaligen Gemeinde H. gewährleistet. Da kein Ortschaftsrat für den Teilort H. existiere, könne der derzeitige Gemeinderat B. keine Vertretungsbefugnis beanspruchen. Gleiches gelte für die im Teilort H. wohnende Bevölkerung, welche für eine Bevollmächtigung zur Vertretung der ehemaligen Gemeinde H. unterschrieben hat.
26 
Eine außergerichtliche Streitbeilegung sei nicht unternommen worden, obwohl § 29 der Vereinigungsvereinbarung dieser einen Vorrang einräume.
27 
Der Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 25.07.2005 sei außerdem rechtmäßig und verletze die ehemalige Gemeinde H. nicht in deren Rechten. Nach Abwägung aller in Frage stehenden Argumente stehe auch nicht § 19 der Vereinbarung entgegen. Diese Regelung der Vereinbarung dürfe die Beklagte bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse finanziell nicht unvertretbar einschränken. Die von den Klägern zitierten Schreiben des Kultusministeriums würden keine rechtsverbindlichen Zusagen darstellen, sondern nur politische Aussagen enthalten.
28 
Wegen der Bezugnahme des § 19 der Vereinigungsvereinbarung auf die Vereinbarung vom 23.07.1973 habe sich der Sachverhalt, welcher der Vereinigungsvereinbarung zu Grunde lag, wesentlich geändert. Da nach vorheriger, wirksamer Kündigung der Vereinbarung vom 23.07.1973 die Grundschule in R. wieder geöffnet wurde, nahmen die Schüler aus dieser Gegend nicht mehr am Schulbetrieb in G. und H. teil – dies habe einen erheblichen Rückgang der Schülerzahl nach sich gezogen.
29 
Aufgrund der stetig schlechter werdenden Haushaltslage sei es der Beklagten nicht länger zuzumuten, die Grundschule in H. zu betreiben, zumal Renovierungen in größerem Umfang an den beiden Schulgebäuden in H. und G. notwendig seien.
30 
Wegen der weiteren Beteiligtenvorbringen wird auf die Verfahrensakten nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
31 
Nachdem die Beteiligten übereinstimmend auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben, konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
32 
Die Klage ist unzulässig, weil die ehemalige Gemeinde H., für die die Kläger handeln wollen, nicht gemäß § 61 VwGO beteiligtenfähig ist. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass nach der Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde die untergegangene Gemeinde trotz ihrer Auflösung befugt ist, die Rechte in einem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren geltend zu machen, die mit ihrem Untergang in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen (vgl. z.B. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.03.1979 - I 1367/78 -, DÖV 1979, 605-606 m.w.N.). Dies wird zum einen damit begründet, dass sonst die vertraglich vereinbarten Rechte mit Inkrafttreten des Vertrags gegenstandslos würden, weil es an einem „Kläger“ fehlen würde, der diese Rechte geltend machen könnte. Zum anderen wird der Regelung in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO, nach der in der Eingliederungsvereinbarung Bestimmungen über eine befristete Vertretung der eingegliederten Gemeinde bei Streitigkeiten über die Vereinbarung zu treffen sind, entnommen, dass auch der Gesetzgeber von einem Fortbestand der untergegangenen Gemeinde für Streitigkeiten aus dem Vertrag ausgeht. Diese Verpflichtung besteht aber nur für die Konstellation des § 9 Abs. 1 S. 3 GemO (Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde), bei der die aufnehmende Gemeinde - wenn auch in veränderter Form - bestehen bleibt, nicht jedoch für den Fall des § 9 Abs. 1 S. 2 GemO (Bildung einer neuen Gemeinde), bei dem keine der bisherigen Gemeinden fortbesteht, sondern ausschließlich eine neue Gemeinde entsteht. Ganz offensichtlich hat der Gesetzgeber die Bestimmung in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO nicht auch für diese Konstellation getroffen, weil er ein Fortbestehen der bisherigen Gemeinden nicht einmal für Streitigkeiten aus dem Vereinigungsvertrag angenommen hat. Auch die der Kammer bekannten Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte behandeln nur Eingemeindungen in andere Gemeinden (so auch das Urteil es VG Freiburg vom 02.02.2005 - 7 K 1212/04 -, auf das sich die Kläger berufen). Eine analoge Anwendung auf die Situation des § 9 Abs. 1 S. 2 GemO ist nicht zulässig. Da § 9 Abs. 1 S. 4 GemO ausdrücklich auf den Satz 3 beschränkt worden ist, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass es sich hierbei um ein Versehen und damit um eine Gesetzeslücke handelt. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass es sich um eine bewusste Differenzierung handelt, weil unterschiedliche Auslegungen der Gründungsvereinbarung vom neu zu wählenden Gemeinderat der neuen Gemeinde, in dem die Bevölkerung ihrem Anteil entsprechend vertreten ist, entschieden werden sollen.
33 
Entgegen der Ansicht der Kläger verliert die Vereinigungsvereinbarung damit nicht jeglichen Wert, weil die Einhaltung ihrer Bestimmungen nicht durch die ehemalige Gemeinde durchgesetzt werden kann. Nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist die neu entstandene Gemeinde gehalten, die vertraglich festgelegten Verpflichtungen zu beachten. Gemäß § 118 Abs. 1 GemO ist die Rechtsaufsichtsbehörde berechtigt und verpflichtet, die Beachtung des Verfassungsgrundsatzes zu überwachen und notfalls mit Aufsichtsmaßnahmen durchzusetzen (§§ 120 bis 124 GemO; vgl. auch Altenmüller DÖV 1977, 34 / 38). Im Rahmen einer Maßnahme der Kommunalaufsicht könnte dann auch gerichtlich geprüft werden, ob ein Verstoß gegen die Vereinigungsvereinbarung vorliegt.
34 
Die Klage ist auch deshalb unzulässig, weil eine fingierte ehemalige Gemeinde H. nicht prozessfähig im Sinne des § 62 Abs. 3 VwGO ist. Danach handeln für Vereinigungen, zu denen auch die juristischen Personen gehören (vgl. Kopp / Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rdnr. 14 zu § 62), ihre gesetzlichen Vertreter, Vorstände oder besonders Beauftragten. Die vertragsschließenden Gemeinden haben in der Vereinbarung vom 06.06.1974 keine Bevollmächtigten für etwaige Rechtsstreitigkeiten bestellt, was der gesetzlichen Vorgabe entsprach. Denn in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO werden Bestimmungen über eine befristete Vertretung bei Streitigkeiten über die Vereinbarung nur für den Fall des Satzes 3 verlangt, d.h. bei der Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde, nicht jedoch bei der Bildung einer neuen Gemeinde aus mehreren Gemeinden (Satz 2).
35 
Eine Vertretung durch die drei ehemaligen Gemeinderäte der ehemaligen Gemeinde H., die als deren Vertreter auftreten, verbietet sich aus grundsätzlichen kommunalrechtlichen Erwägungen. Zum einen können nicht einzelne Gemeinderatsmitglieder für die Gemeinde handeln, sondern immer nur der Gemeinderat oder beschließende Ausschüsse als Gremium aufgrund eines mit Mehrheit gefassten Beschlusses (vgl. §§ 23, 24, 37 und 39 GemO). Zum anderen hatten Gemeinderäte schon immer ein zeitlich befristetes Mandat (früher vier Jahre, jetzt fünf Jahre). Nach Ablauf dieses Mandats sind sie nicht einmal mehr befugt, an der Willensbildung der Gemeinde unmittelbar mitzuwirken; noch weniger können sie Rechte der Gemeinde geltend machen.
36 
Deshalb kann auch ein einzelnes Gemeinderatsmitglied, das noch im Amt ist, selbst dann nicht die Rechte der ehemaligen Gemeinde wahrnehmen, wenn es aufgrund der unechten Teilortswahl für den Teilort der untergegangenen Gemeinde gewählt worden ist, wie von den Klägern hilfsweise geltend gemacht worden ist. Selbst alle für diesen Teilort gewählten Vertreter gemeinsam wären hierzu nicht befugt, weil sie zum einen kein handlungs- und entscheidungsfähiges Kommunalgremium darstellen und zum anderen von den Bürgern der gesamten Gemeinde und nicht nur von denen des Teilorts gewählt werden. Sie repräsentieren somit nicht nur die Bewohner des Teilorts, sondern die Bevölkerung der gesamten Gemeinde (vgl. auch Altenmüller DÖV 1977, 34 / 40).
37 
Ebenso wenig können 10 v.H. der wahlberechtigten Gemeindeeinwohner die ehemalige Gemeinde vertreten, obwohl sie im Teilort H. wohnen. Da das Kommunalverfassungsrecht eine solche Vertretung nicht kennt, kann sie schon deshalb nicht als Hilfskonstruktion für die Vertretung einer ehemaligen Gemeinde herangezogen werden. Darüber hinaus können Bürger in dieser Anzahl lediglich erreichen, dass ein Bürgerentscheid durchgeführt wird (vgl. § 21 Abs. 3 GemO). Für eine verbindliche Entscheidung ist eine qualifizierte Mehrheit von 25 v. H. der Stimmberechtigten erforderlich (§ 21 Abs. 6 GemO). Da aber gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 7 GemO ein Bürgerentscheid bei Entscheidungen in Rechtsmittelverfahren nicht zulässig ist, ist es höchst fraglich, ob selbst bei extensiver Auslegung diese qualifizierte Mehrheit für die ehemalige Gemeinde die Erhebung einer Klage beschließen könnte.
38 
Schließlich käme auch die ins Gespräch gebrachte Bestellung eines Prozesspflegers nicht in Betracht. Schon gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 59 ZPO, auf den verwiesen wird, ist nur dem Beklagten unter bestimmten Voraussetzungen ein Prozesspfleger zu bestellen. Der ehemaligen Gemeinde H. könnte diese Norm nicht weiterhelfen (Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO 61. Aufl., Rdnr. 3 zu § 57). Vor allem aber sind juristische Personen des öffentlichen Rechts als solche nicht prozessfähig i. S. des § 62 Abs. 1 VwGO, sondern handeln durch ihre gesetzlichen Vertreter (vgl. auch Kopp / Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rdnr. 14 zu § 62). Wer gesetzlicher Vertreter ist, ergibt sich aus dem materiellen Recht, so dass sich für die ehemalige Gemeinde auch in diesem Zusammenhang wieder die oben erörterten Probleme stellen. Sie können durch die im Gesetz für einen Kläger grundsätzlich nicht vorgesehene Bestellung eines Prozesspflegers nicht umgangen werden.
39 
Die Klage ist aber auch nicht in Bezug auf die Kläger selbst zulässig. Die Kläger können nicht geltend machen, dass durch den Gemeinderatsbeschluss vom 25.07.2005 die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO gegeben ist, da sie durch den Beschluss rechtlich nicht betroffen sind und § 19 der Vereinbarung keine Individualrechte begründet hat. Ebenso wenig haben sie (persönlich) ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO an der beantragten Feststellung dargelegt.
40 
Die Klage hat aber auch dann keinen Erfolg, wenn man die Zulässigkeit der Klage und eine wirksame Vertretung der ehemalige Gemeinde H. unterstellt . Auch unter Berücksichtigung des § 19 der Vereinbarung vom 06.06.1974 ist der Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 25.07.2005 nicht rechtswidrig und ist die Beklagte nicht verpflichtet, im Teilort H. weiterhin eine Grundschule zu unterhalten. Gemäß § 19 Abs. 1 der Vereinbarung besteht diese Verpflichtung nur, „solange dies gesetzlich möglich ist“. Da auch die Gemeinden gehalten sind, bei ihrem Handeln Recht und Gesetz zu beachten, sind freiwillige öffentlich-rechtliche Verpflichtung grundsätzlich unter Beachtung bindender gesetzlicher Vorgaben auszulegen. Die in § 19 der Vereinbarung enthaltene Einschränkung „solange dies gesetzlich möglich ist“ kann nicht nur auf schulrechtliche Normen beschränken werden. Die Gemeinden sind gemäß § 77 Abs. 2 GemO verpflichtet, die Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu führen. Die Verpflichtung aus § 19 Abs. 1 der Vereinbarung besteht deshalb nur solange, wie dies unter Beachtung auch des § 77 Abs. 2 GemO möglich ist, weil sonst ein Verstoß gegen zwingendes Recht gegeben wäre. Die Renovierung und weitere Unterhaltung eines zweiten Schulgebäudes, obwohl alle Schüler problemlos in dem Gebäude im Teilort G. Platz haben, würde gegen den Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung verstoßen. Ob die Beklagte die Renovierungskosten in jeder Hinsicht richtig ermittelt hat, ist in diesem Zusammenhang rechtlich ohne Bedeutung, denn unter den gegebenen Verhältnissen ist jede Renovierung der Schule im Teilort H. zu schulischen Zwecken unwirtschaftlich. Bei der geringen Entfernung und dem von der Beklagten organisierten Bustransfer zur Schule können alle Grundschüler aus dem Teilort H. mühelos die Grundschule im Teilort G. besuchen.
41 
Da schon aus diesem Grund § 19 der Vereinbarung die Beklagte nicht zur Erhaltung der Schule im Teilort H. verpflichtet, braucht nicht weiter untersucht zu werden, welche Auswirkungen die Nichtigkeit des § 19 Abs. 2 der Vereinbarung auf den Absatz 1 hat (vgl. § 59 Abs. 3 LVwVfG). Mit der Bestimmung, dass die Schule im Teilort H. unter eigener Leitung betrieben werde müsse, haben die Vertragsschließenden etwas Unmögliches vereinbart, weil die Schulleitung von der staatlichen Schulverwaltung und nicht vom Schulträger bestellt wird.
42 
Schließlich gilt auch für öffentlich-rechtliche Verträge die sog. „clausula rebus sic stantibus“, die in § 60 Abs. 1 LVwVfG ihren Niederschlag gefunden hat. Haben sich die Verhältnisse, die für die vertragliche Regelung maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht mehr zuzumuten ist, so ist entweder der Vertrag den aktuellen Verhältnissen anzupassen oder, sofern dies nicht möglich ist, die vertragliche Bestimmung nicht mehr verbindlich. Zwar kann dieser Grundsatz höchstwahrscheinlich nicht unmittelbar angewandt werden, weil die Beklagte nicht Vertragspartnerin im eigentlichen Sinne ist (vgl. oben Ziffer 1), doch gilt dieser Rechtsgedanke auch bei einer Vereinbarung zur Gründung einer neuen Gemeinde.
43 
Eine wesentliche Änderung ist in zweierlei Hinsicht eingetreten. Zum einen ist die Vereinbarung mit der Stadt O. vom 23.07.1973, die in § 19 Abs. 1 der Vereinbarung ausdrücklich erwähnt ist, 1985 und 1986 gekündigt worden. Dies ist eine Tatsache, so dass es nicht entscheidend darauf ankommt, ob diese Bestimmung vor allem im Hinblick auf die Schulvereinbarung getroffen worden ist.
44 
Zum anderen besuchten bei Inkrafttreten der Vereinbarung etwa so viele Kinder allein die Grundschule in H. wie heute aus beiden Teilorten zusammen eingeschult sind. Die Gesamtschülerzahl beläuft sich heute auf etwa ein Drittel der damaligen Schülerzahl (98: 270). Schon allein in dieser Tatsache liegt eine so wesentliche Veränderung der maßgebenden Umstände, dass die Unterhaltung von zwei Schulgebäuden insbesondere im Hinblick auf § 77 Abs. 2 GemO der Beklagten nicht mehr zuzumuten ist. Aus diesem Grund ist es der Beklagten auch nicht zuzumuten, das Schulgebäude im Teilort H. zu erweitern, um diesen Schulstandort zu erhalten, obwohl das Raumangebot im Teilort G. ausreichend ist. Schließlich kann dem § 19 der Vereinbarung auch keine Bevorzugung des Teilorts H. zu Lasten des Teilorts G. entnommen werden. Die damaligen Vertragspartner sind ganz offensichtlich davon ausgegangen, dass der Standort G. nicht zur Disposition steht. Das wird insbesondere durch die Bezugnahme auf die Schulvereinbarung vom 23.07.1973 deutlich, weil zum Stichtag 15.10.1972 von den 100 Schülern in H. 49 aus R. stammten, während bei 170 Schülern in G. nur 24 aus R. kamen.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 159 S. 2 VwGO. Zwar sind die Kosten grundsätzlich dem unterliegenden Beteiligten auch dann aufzuerlegen, wenn er wegen seiner Prozessunfähigkeit unterliegt. Ist jedoch für eine nicht existente juristische Person Klage erhoben worden, können die Kosten nur denjenigen natürlichen Personen auferlegt werden, die als Vertreter der nicht existenten Beteiligten auftreten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. mit §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
46 
Die Berufung war nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorliegt. Insbesondere liegt keine Divergenz zum Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 29.03.1979 - I 1367/78 - vor, weil dieser Entscheidung im maßgeblichen Punkt ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Klägerin war eine ehemalige Gemeinde, die in eine andere Gemeinde eingemeindet worden war, und nicht eine ehemalige Gemeinde, die sich mit einer anderen Gemeinde zu einer völlig neuen Gemeinde zusammen geschlossen hatte. Im Übrigen ist die Unzulässigkeit der Klage nicht die allein tragende Begründung des Urteil, den die Kammer hat die Klage auch - bei unterstellter Zulässigkeit - als unbegründet abgewiesen, wie im Einzelnen ausgeführt worden ist.

Gründe

 
31 
Nachdem die Beteiligten übereinstimmend auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben, konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
32 
Die Klage ist unzulässig, weil die ehemalige Gemeinde H., für die die Kläger handeln wollen, nicht gemäß § 61 VwGO beteiligtenfähig ist. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass nach der Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde die untergegangene Gemeinde trotz ihrer Auflösung befugt ist, die Rechte in einem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren geltend zu machen, die mit ihrem Untergang in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen (vgl. z.B. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.03.1979 - I 1367/78 -, DÖV 1979, 605-606 m.w.N.). Dies wird zum einen damit begründet, dass sonst die vertraglich vereinbarten Rechte mit Inkrafttreten des Vertrags gegenstandslos würden, weil es an einem „Kläger“ fehlen würde, der diese Rechte geltend machen könnte. Zum anderen wird der Regelung in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO, nach der in der Eingliederungsvereinbarung Bestimmungen über eine befristete Vertretung der eingegliederten Gemeinde bei Streitigkeiten über die Vereinbarung zu treffen sind, entnommen, dass auch der Gesetzgeber von einem Fortbestand der untergegangenen Gemeinde für Streitigkeiten aus dem Vertrag ausgeht. Diese Verpflichtung besteht aber nur für die Konstellation des § 9 Abs. 1 S. 3 GemO (Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde), bei der die aufnehmende Gemeinde - wenn auch in veränderter Form - bestehen bleibt, nicht jedoch für den Fall des § 9 Abs. 1 S. 2 GemO (Bildung einer neuen Gemeinde), bei dem keine der bisherigen Gemeinden fortbesteht, sondern ausschließlich eine neue Gemeinde entsteht. Ganz offensichtlich hat der Gesetzgeber die Bestimmung in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO nicht auch für diese Konstellation getroffen, weil er ein Fortbestehen der bisherigen Gemeinden nicht einmal für Streitigkeiten aus dem Vereinigungsvertrag angenommen hat. Auch die der Kammer bekannten Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte behandeln nur Eingemeindungen in andere Gemeinden (so auch das Urteil es VG Freiburg vom 02.02.2005 - 7 K 1212/04 -, auf das sich die Kläger berufen). Eine analoge Anwendung auf die Situation des § 9 Abs. 1 S. 2 GemO ist nicht zulässig. Da § 9 Abs. 1 S. 4 GemO ausdrücklich auf den Satz 3 beschränkt worden ist, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass es sich hierbei um ein Versehen und damit um eine Gesetzeslücke handelt. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass es sich um eine bewusste Differenzierung handelt, weil unterschiedliche Auslegungen der Gründungsvereinbarung vom neu zu wählenden Gemeinderat der neuen Gemeinde, in dem die Bevölkerung ihrem Anteil entsprechend vertreten ist, entschieden werden sollen.
33 
Entgegen der Ansicht der Kläger verliert die Vereinigungsvereinbarung damit nicht jeglichen Wert, weil die Einhaltung ihrer Bestimmungen nicht durch die ehemalige Gemeinde durchgesetzt werden kann. Nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist die neu entstandene Gemeinde gehalten, die vertraglich festgelegten Verpflichtungen zu beachten. Gemäß § 118 Abs. 1 GemO ist die Rechtsaufsichtsbehörde berechtigt und verpflichtet, die Beachtung des Verfassungsgrundsatzes zu überwachen und notfalls mit Aufsichtsmaßnahmen durchzusetzen (§§ 120 bis 124 GemO; vgl. auch Altenmüller DÖV 1977, 34 / 38). Im Rahmen einer Maßnahme der Kommunalaufsicht könnte dann auch gerichtlich geprüft werden, ob ein Verstoß gegen die Vereinigungsvereinbarung vorliegt.
34 
Die Klage ist auch deshalb unzulässig, weil eine fingierte ehemalige Gemeinde H. nicht prozessfähig im Sinne des § 62 Abs. 3 VwGO ist. Danach handeln für Vereinigungen, zu denen auch die juristischen Personen gehören (vgl. Kopp / Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rdnr. 14 zu § 62), ihre gesetzlichen Vertreter, Vorstände oder besonders Beauftragten. Die vertragsschließenden Gemeinden haben in der Vereinbarung vom 06.06.1974 keine Bevollmächtigten für etwaige Rechtsstreitigkeiten bestellt, was der gesetzlichen Vorgabe entsprach. Denn in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO werden Bestimmungen über eine befristete Vertretung bei Streitigkeiten über die Vereinbarung nur für den Fall des Satzes 3 verlangt, d.h. bei der Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde, nicht jedoch bei der Bildung einer neuen Gemeinde aus mehreren Gemeinden (Satz 2).
35 
Eine Vertretung durch die drei ehemaligen Gemeinderäte der ehemaligen Gemeinde H., die als deren Vertreter auftreten, verbietet sich aus grundsätzlichen kommunalrechtlichen Erwägungen. Zum einen können nicht einzelne Gemeinderatsmitglieder für die Gemeinde handeln, sondern immer nur der Gemeinderat oder beschließende Ausschüsse als Gremium aufgrund eines mit Mehrheit gefassten Beschlusses (vgl. §§ 23, 24, 37 und 39 GemO). Zum anderen hatten Gemeinderäte schon immer ein zeitlich befristetes Mandat (früher vier Jahre, jetzt fünf Jahre). Nach Ablauf dieses Mandats sind sie nicht einmal mehr befugt, an der Willensbildung der Gemeinde unmittelbar mitzuwirken; noch weniger können sie Rechte der Gemeinde geltend machen.
36 
Deshalb kann auch ein einzelnes Gemeinderatsmitglied, das noch im Amt ist, selbst dann nicht die Rechte der ehemaligen Gemeinde wahrnehmen, wenn es aufgrund der unechten Teilortswahl für den Teilort der untergegangenen Gemeinde gewählt worden ist, wie von den Klägern hilfsweise geltend gemacht worden ist. Selbst alle für diesen Teilort gewählten Vertreter gemeinsam wären hierzu nicht befugt, weil sie zum einen kein handlungs- und entscheidungsfähiges Kommunalgremium darstellen und zum anderen von den Bürgern der gesamten Gemeinde und nicht nur von denen des Teilorts gewählt werden. Sie repräsentieren somit nicht nur die Bewohner des Teilorts, sondern die Bevölkerung der gesamten Gemeinde (vgl. auch Altenmüller DÖV 1977, 34 / 40).
37 
Ebenso wenig können 10 v.H. der wahlberechtigten Gemeindeeinwohner die ehemalige Gemeinde vertreten, obwohl sie im Teilort H. wohnen. Da das Kommunalverfassungsrecht eine solche Vertretung nicht kennt, kann sie schon deshalb nicht als Hilfskonstruktion für die Vertretung einer ehemaligen Gemeinde herangezogen werden. Darüber hinaus können Bürger in dieser Anzahl lediglich erreichen, dass ein Bürgerentscheid durchgeführt wird (vgl. § 21 Abs. 3 GemO). Für eine verbindliche Entscheidung ist eine qualifizierte Mehrheit von 25 v. H. der Stimmberechtigten erforderlich (§ 21 Abs. 6 GemO). Da aber gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 7 GemO ein Bürgerentscheid bei Entscheidungen in Rechtsmittelverfahren nicht zulässig ist, ist es höchst fraglich, ob selbst bei extensiver Auslegung diese qualifizierte Mehrheit für die ehemalige Gemeinde die Erhebung einer Klage beschließen könnte.
38 
Schließlich käme auch die ins Gespräch gebrachte Bestellung eines Prozesspflegers nicht in Betracht. Schon gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 59 ZPO, auf den verwiesen wird, ist nur dem Beklagten unter bestimmten Voraussetzungen ein Prozesspfleger zu bestellen. Der ehemaligen Gemeinde H. könnte diese Norm nicht weiterhelfen (Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO 61. Aufl., Rdnr. 3 zu § 57). Vor allem aber sind juristische Personen des öffentlichen Rechts als solche nicht prozessfähig i. S. des § 62 Abs. 1 VwGO, sondern handeln durch ihre gesetzlichen Vertreter (vgl. auch Kopp / Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rdnr. 14 zu § 62). Wer gesetzlicher Vertreter ist, ergibt sich aus dem materiellen Recht, so dass sich für die ehemalige Gemeinde auch in diesem Zusammenhang wieder die oben erörterten Probleme stellen. Sie können durch die im Gesetz für einen Kläger grundsätzlich nicht vorgesehene Bestellung eines Prozesspflegers nicht umgangen werden.
39 
Die Klage ist aber auch nicht in Bezug auf die Kläger selbst zulässig. Die Kläger können nicht geltend machen, dass durch den Gemeinderatsbeschluss vom 25.07.2005 die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO gegeben ist, da sie durch den Beschluss rechtlich nicht betroffen sind und § 19 der Vereinbarung keine Individualrechte begründet hat. Ebenso wenig haben sie (persönlich) ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO an der beantragten Feststellung dargelegt.
40 
Die Klage hat aber auch dann keinen Erfolg, wenn man die Zulässigkeit der Klage und eine wirksame Vertretung der ehemalige Gemeinde H. unterstellt . Auch unter Berücksichtigung des § 19 der Vereinbarung vom 06.06.1974 ist der Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 25.07.2005 nicht rechtswidrig und ist die Beklagte nicht verpflichtet, im Teilort H. weiterhin eine Grundschule zu unterhalten. Gemäß § 19 Abs. 1 der Vereinbarung besteht diese Verpflichtung nur, „solange dies gesetzlich möglich ist“. Da auch die Gemeinden gehalten sind, bei ihrem Handeln Recht und Gesetz zu beachten, sind freiwillige öffentlich-rechtliche Verpflichtung grundsätzlich unter Beachtung bindender gesetzlicher Vorgaben auszulegen. Die in § 19 der Vereinbarung enthaltene Einschränkung „solange dies gesetzlich möglich ist“ kann nicht nur auf schulrechtliche Normen beschränken werden. Die Gemeinden sind gemäß § 77 Abs. 2 GemO verpflichtet, die Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu führen. Die Verpflichtung aus § 19 Abs. 1 der Vereinbarung besteht deshalb nur solange, wie dies unter Beachtung auch des § 77 Abs. 2 GemO möglich ist, weil sonst ein Verstoß gegen zwingendes Recht gegeben wäre. Die Renovierung und weitere Unterhaltung eines zweiten Schulgebäudes, obwohl alle Schüler problemlos in dem Gebäude im Teilort G. Platz haben, würde gegen den Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung verstoßen. Ob die Beklagte die Renovierungskosten in jeder Hinsicht richtig ermittelt hat, ist in diesem Zusammenhang rechtlich ohne Bedeutung, denn unter den gegebenen Verhältnissen ist jede Renovierung der Schule im Teilort H. zu schulischen Zwecken unwirtschaftlich. Bei der geringen Entfernung und dem von der Beklagten organisierten Bustransfer zur Schule können alle Grundschüler aus dem Teilort H. mühelos die Grundschule im Teilort G. besuchen.
41 
Da schon aus diesem Grund § 19 der Vereinbarung die Beklagte nicht zur Erhaltung der Schule im Teilort H. verpflichtet, braucht nicht weiter untersucht zu werden, welche Auswirkungen die Nichtigkeit des § 19 Abs. 2 der Vereinbarung auf den Absatz 1 hat (vgl. § 59 Abs. 3 LVwVfG). Mit der Bestimmung, dass die Schule im Teilort H. unter eigener Leitung betrieben werde müsse, haben die Vertragsschließenden etwas Unmögliches vereinbart, weil die Schulleitung von der staatlichen Schulverwaltung und nicht vom Schulträger bestellt wird.
42 
Schließlich gilt auch für öffentlich-rechtliche Verträge die sog. „clausula rebus sic stantibus“, die in § 60 Abs. 1 LVwVfG ihren Niederschlag gefunden hat. Haben sich die Verhältnisse, die für die vertragliche Regelung maßgebend gewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht mehr zuzumuten ist, so ist entweder der Vertrag den aktuellen Verhältnissen anzupassen oder, sofern dies nicht möglich ist, die vertragliche Bestimmung nicht mehr verbindlich. Zwar kann dieser Grundsatz höchstwahrscheinlich nicht unmittelbar angewandt werden, weil die Beklagte nicht Vertragspartnerin im eigentlichen Sinne ist (vgl. oben Ziffer 1), doch gilt dieser Rechtsgedanke auch bei einer Vereinbarung zur Gründung einer neuen Gemeinde.
43 
Eine wesentliche Änderung ist in zweierlei Hinsicht eingetreten. Zum einen ist die Vereinbarung mit der Stadt O. vom 23.07.1973, die in § 19 Abs. 1 der Vereinbarung ausdrücklich erwähnt ist, 1985 und 1986 gekündigt worden. Dies ist eine Tatsache, so dass es nicht entscheidend darauf ankommt, ob diese Bestimmung vor allem im Hinblick auf die Schulvereinbarung getroffen worden ist.
44 
Zum anderen besuchten bei Inkrafttreten der Vereinbarung etwa so viele Kinder allein die Grundschule in H. wie heute aus beiden Teilorten zusammen eingeschult sind. Die Gesamtschülerzahl beläuft sich heute auf etwa ein Drittel der damaligen Schülerzahl (98: 270). Schon allein in dieser Tatsache liegt eine so wesentliche Veränderung der maßgebenden Umstände, dass die Unterhaltung von zwei Schulgebäuden insbesondere im Hinblick auf § 77 Abs. 2 GemO der Beklagten nicht mehr zuzumuten ist. Aus diesem Grund ist es der Beklagten auch nicht zuzumuten, das Schulgebäude im Teilort H. zu erweitern, um diesen Schulstandort zu erhalten, obwohl das Raumangebot im Teilort G. ausreichend ist. Schließlich kann dem § 19 der Vereinbarung auch keine Bevorzugung des Teilorts H. zu Lasten des Teilorts G. entnommen werden. Die damaligen Vertragspartner sind ganz offensichtlich davon ausgegangen, dass der Standort G. nicht zur Disposition steht. Das wird insbesondere durch die Bezugnahme auf die Schulvereinbarung vom 23.07.1973 deutlich, weil zum Stichtag 15.10.1972 von den 100 Schülern in H. 49 aus R. stammten, während bei 170 Schülern in G. nur 24 aus R. kamen.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 159 S. 2 VwGO. Zwar sind die Kosten grundsätzlich dem unterliegenden Beteiligten auch dann aufzuerlegen, wenn er wegen seiner Prozessunfähigkeit unterliegt. Ist jedoch für eine nicht existente juristische Person Klage erhoben worden, können die Kosten nur denjenigen natürlichen Personen auferlegt werden, die als Vertreter der nicht existenten Beteiligten auftreten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. mit §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
46 
Die Berufung war nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorliegt. Insbesondere liegt keine Divergenz zum Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 29.03.1979 - I 1367/78 - vor, weil dieser Entscheidung im maßgeblichen Punkt ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Klägerin war eine ehemalige Gemeinde, die in eine andere Gemeinde eingemeindet worden war, und nicht eine ehemalige Gemeinde, die sich mit einer anderen Gemeinde zu einer völlig neuen Gemeinde zusammen geschlossen hatte. Im Übrigen ist die Unzulässigkeit der Klage nicht die allein tragende Begründung des Urteil, den die Kammer hat die Klage auch - bei unterstellter Zulässigkeit - als unbegründet abgewiesen, wie im Einzelnen ausgeführt worden ist.

(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

(2) Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Sie soll begründet werden.

(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden

1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.

(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

(2) Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Sie soll begründet werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 160/09 Verkündet am:
24. März 2010
Freitag,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Anpassung eines Wohnraummietvertrags wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage
, wenn sich die vom Vermieter einseitig nach §§ 10, 8a WoBindG
vorgenommenen Mieterhöhungen nach langjähriger Mietdauer deswegen als
unwirksam erweisen, weil die Wohnung entgegen der übereinstimmenden Vorstellung
der Parteien bei Vertragsschuss mangels Erfüllung der gesetzlichen
Voraussetzungen (hier: § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG) nicht der Preisbindung
unterliegt.
BGH, Urteil vom 24. März 2010 - VIII ZR 160/09 - LG Berlin
AG Berlin-Charlottenburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen
Dr. Milger, Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 12. Mai 2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 28. Juli 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin hat im Jahr 1981 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Wohnung in B. gemietet. Die ursprüngliche Vermieterin hatte das um das Jahr 1900 errichtete Gebäude, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet , in den 1970er Jahren unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel saniert.
2
In § 1 (2) des Mietvertrags heißt es: "Art der Wohnung: Neubau. Die Wohnung ist öffentlich gefördert / mit Mitteln des § 46 StBauFG errichtet."
3
Die monatliche Grundmiete - ursprünglich 379,64 DM (194,11 €) - wurde von der Vermieterin wiederholt einseitig nach §§ 10, 8a WoBindG erhöht, zu- letzt von der Beklagten für die Zeit ab Januar 2004 auf 430,26 €, ab September 2004 auf 443,09 €, ab Januar 2005 auf 447,18 €, ab Juli 2005 auf 458,97 €, ab Juli 2006 auf 469,80 € und seit Juli 2007 auf 481,59 €. Die Klägerin zahlte die jeweils geforderten Beträge.
4
Die Klägerin macht geltend, dass sie nur die ursprünglich vereinbarte Ausgangsmiete schulde. Die einseitig vorgenommenen Mieterhöhungen seien unwirksam, weil die in den siebziger Jahren von der Rechtsvorgängerin der Beklagten durchgeführten Sanierungsmaßnahmen nicht den in § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG beschriebenen Umfang gehabt hätten und die Wohnung deshalb während der gesamten Mietdauer nicht der Mietpreisbindung unterlegen habe. Für den Zeitraum von Januar 2004 bis Dezember 2007 müsse die Beklagte ihr deshalb die über die Ausgangsmiete von 194,11 € monatlich hinausgehenden Zahlungen auf die Grundmiete zurückerstatten.
5
Die Klägerin hat Zahlung von 12.615,02 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die von ihr zu zahlende Nettokaltmiete ab 1. Januar 2008 den Betrag von 194,11 € nicht übersteige. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

6
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
8
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Rückzahlung vermeintlich zu viel gezahlter Mieten nicht zu. An der Geltendmachung eines dahingehenden Bereicherungsanspruchs sei die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert. Die Rückforderung der seit 1981 vorbehaltlos gezahlten Mieterhöhungsbeträge stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, auch wenn die Klägerin nur diejenigen Beträge zurückverlange, für deren Rückforderung die Verjährung noch nicht eingetreten sei. Denn die Beklagte habe im Hinblick auf die Preisgebundenheit der Miete auf Mieterhöhungen nach §§ 558 ff. BGB verzichtet und könne diese auch nicht mehr nachholen.
9
Zwar sei mit den Zahlungen der Klägerin auf die jeweiligen Erhöhungserklärungen keine konkludente Vereinbarung der erhöhten Miete zustande gekommen , weil die Befolgung einer Aufforderung regelmäßig keine Willenserklärung enthalte. Nachdem die Klägerin jedoch über einen derart langen Zeitraum von mehr als 25 Jahren vorbehaltlos jede Mieterhöhung der Beklagten akzeptiert und die entsprechenden Zahlungen geleistet habe, sei sie mit einer Rückforderung ebenso wie mit einem Anspruch auf rückwirkende Herabsetzung der Mieten ausgeschlossen.
10
Die Klägerin habe den Mietvertrag mit der Maßgabe geschlossen, dass es sich um eine preisgebundene Neubauwohnung handele, weil umfangreiche bauliche Änderungen in dem Gebäude und in Bezug auf ihre Wohnung vorge- nommen worden seien. Auch wenn sie sich keine Gedanken über die rechtliche Gestaltung des Mietverhältnisses gemacht habe, sei für sie jedoch erkennbar gewesen, dass und wie sich die Miete zukünftig erhöhen würde. Darauf, dass die Miete in diesem langen Zeitraum unverändert bleiben würde, habe sie offensichtlich nicht vertraut und auch nicht vertrauen dürfen. In der Vergangenheit sei die Behandlung der Wohnung als preisgebunden für die Klägerin insoweit wirtschaftlich vorteilhaft gewesen, als die Mieterhöhungen infolge der öffentlichrechtlichen Vorgaben maßvoll gewesen seien und jedenfalls längerfristig nach den Erfahrungen der Kammer unterhalb der im preisfreien Wohnungsmietbereich zu erzielenden Mieten gelegen hätten.
11
Auch aus dem Rechtsgedanken des § 313 BGB ergebe sich, dass die Beklagte sich nicht mit der ursprünglich vereinbarten Grundmiete zufrieden geben müsse, so dass die auf Fortgeltung dieser Grundmiete gerichtete Feststellungsklage unbegründet sei. Die Mietpreisbindung der Wohnung und damit die Möglichkeit einseitiger Mieterhöhungen nach §§ 10, 8a WoBindG habe nicht allein die Risikosphäre der Beklagten betroffen, sondern sei Grundlage des Mietvertrages gewesen.
12
Da der Beklagten ein Festhalten an der Ausgangsmiete nicht zumutbar sei, stehe ihr ein Anpassungsanspruch zu, den sie auch einredeweise geltend machen könne. Denn die Ausgangsmiete betrage nur 44 % der ortsüblichen Vergleichsmiete, die sich nach dem B. Mietspiegel 2007 auf 437,49 € belaufe. Diese ganz erhebliche Differenz könne die Beklagte mittels Mieterhöhung nach §§ 558 ff. BGB wegen der dortigen Kappungs- und Zeitgrenzen auf absehbare Zeit nicht erreichen.
13
Soweit die Klägerin geltend mache, dass die Beklagte in einem Schreiben im Jahre 1995 selbst Zweifel an der Einordnung der Wohnung als preisge- bunden geäußert habe, rechtfertige diese immerhin erst 14 Jahre nach Vertragsschluss vorgenommene Äußerung es nicht, der Beklagten den Vertrauensschutz auf das Bestehen des Vertrages zu den vorgesehenen Bedingungen zu versagen.

II.

14
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beklagte nicht an der im Jahr 1981 vereinbarten Ausgangsmiete festhalten lassen muss, weil die Voraussetzungen einer Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage vorliegen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Anpassung aber nicht in der Weise erfolgen, dass die Klägerin die an sich unwirksamen Mieterhöhungen in vollem Umfang gegen sich gelten lassen muss. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass die von der Beklagten begehrte Kostenmiete die ortsübliche Vergleichsmiete in dem hier entscheidenden Zeitraum ab dem Jahr 2004 zumindest teilweise übersteigt.
15
1. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob es sich bei der von der Klägerin gemieteten Wohnung mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG um nicht preisgebundenen Wohnraum handelt und die nach den Vorschriften für preisgebundenen Wohnraum von der Beklagten einseitig vorgenommenen Mieterhöhungen deshalb unwirksam sind. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin ist dies jedoch der Fall und ist deshalb - wie auch das Berufungsgericht unterstellt hat - von einem grundsätzlichen Rückforderungsanspruch der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) auszugehen, soweit sie Zahlungen auf unwirksame Mieterhöhungen geleistet hat.
16
2. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die Beklagte dem Rückforderungsanspruch der Klägerin entgegenhalten kann, dass eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage geboten ist und sie sich deshalb nicht an der im Jahr 1981 vereinbarten Ausgangsmiete festhalten lassen muss. Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, kann das Fehlen der Geschäftsgrundlage vom Verpflichteten auch einredeweise geltend gemacht werden (MünchKommBGB/Roth, 5. Aufl., § 313 Rdnr. 91). Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht ferner zu Recht angenommen, dass die Preisgebundenheit der Wohnung Geschäftsgrundlage des Mietvertrags war und dass eine Vertragsanpassung erforderlich ist, weil der Beklagten ein unverändertes Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Vertragsanpassung sei in der Weise vorzunehmen, dass - ohne Rücksicht auf die ortsübliche Vergleichsmiete - jeweils die Miete geschuldet sei, die sich aus den bis zum Jahr 2007 vorgenommenen Kostenmieterhöhungen ergebe.
17
a) Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebildet durch die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGHZ 120, 10, 23; Senatsurteile vom 15. November 2000 - VIII ZR 324/99, WM 2001, 523, unter II 1 a, sowie vom 8. Februar 2006 - VIII ZR 304/04, WM 2006, 828, Tz. 8). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Preisgebundenheit der Wohnung der Klägerin erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts entsprach es den Vorstellungen der Mietvertragsparteien bei Abschluss des Mietvertrages im Jahre 1981, dass die Wohnung der Klägerin der Mietpreisbindung unterliegt und die Miete deshalb nach den für die Kostenmiete geltenden Vorschriften erhöht werden kann.
18
Ob ein bestimmter Umstand Geschäftsgrundlage ist, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung, die für das Revisionsgericht nur dann nicht bindend ist, wenn gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind (Senatsurteil vom 15. November 2000 aaO, unter II 1 b). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Die Preisgebundenheit einer Wohnung ist auch kein Umstand, der nach der gesetzlichen Regelung der Risikosphäre des Vermieters zugeordnet ist. Die Einordnung einer Wohnung als preisfreier oder preisgebundener Wohnraum steht nicht im Belieben des Vermieters, sondern richtet sich nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (hier § 17 Abs. 1 II. WoBauG). Entgegen der Auffassung der Revision steht der Annahme, dass die Preisgebundenheit der Wohnung Geschäftsgrundlage war, nicht entgegen, dass dieser Umstand in § 1 des Mietvertrags Niederschlag gefunden hat. Insoweit hat das Berufungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Preisgebundenheit der Wohnung der Parteidisposition nicht unterliegt (Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 122/05, NZM 2007, 283, Tz. 15) und deshalb nicht Vertragsgegenstand geworden sein kann.
19
Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich auch der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Mai 2002 (XII ZR 8/00, NJW 2002, 2384), wonach bei der Staffelmiete jede Partei das Risiko trägt, dass sich die Marktmiete aus ihrer Sicht ungünstiger entwickelt als die jeweilige Mietstaffel, mangels Vergleichbarkeit nichts dafür entnehmen, dass die Einordnung einer Wohnung als preisgebunden oder preisfrei allein der Risikosphäre Vermieters zuzuordnen wäre und deshalb nicht Geschäftsgrundlage eines Mietvertrags sein könnte.
20
b) Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Beklagten ein unverändertes Festhalten am Mietvertrag angesichts des erst nach langjähriger Vertragsdauer zu Tage getretenen Fehlens der Geschäftsgrundlage nicht zumutbar ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, dass die vor mehr als 25 Jahren vereinbarte Ausgangsmiete nur etwa 40 % der zuletzt geforderten Kostenmiete und nur etwa 44 % der ortsüblichen Vergleichsmiete des Jahres 2007 beträgt, die Beklagte Mieterhöhungen nach §§ 558 ff. BGB für die Vergangenheit nicht mehr nachholen und den Stand der ortsüblichen Vergleichsmiete auch für die Zukunft mit Rücksicht auf die Kappungsgrenze und die Sperrfrist des § 558 BGB nicht in absehbarer Zeit erreichen kann. Ohne eine Vertragsanpassung würde sowohl für den Zeitraum von 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2007, für den die Klägerin Rückforderungsansprüche geltend macht, als auch für die Zeit ab 1. Januar 2008 ein erhebliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen, weil die Klägerin dann über einen längeren Zeitraum - eine Kündigung ist der Beklagten wegen des sozialen Kündigungsschutzes verwehrt - nur eine Miete zahlen müsste, die weniger als die Hälfte sowohl der Kostenmiete als auch der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt.
21
Ohne Erfolg wendet die Revision ein, dass der Beklagten während des Mietverhältnisses Zweifel an der Preisgebundenheit der Wohnung gekommen sein müssten und sie aus diesem Grund nicht schutzwürdig sei. Diesen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung berücksichtigt, aber nicht für durchgreifend erachtet. Einen Rechtsfehler dieser tatrichterlichen Würdigung zeigt die Revision nicht auf.
22
c) Zu weit geht allerdings die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, die Vertragsanpassung sei in der Weise vorzunehmen, dass - ohne Rücksicht auf die ortsübliche Vergleichsmiete - jeweils die Miete geschuldet sei, die sich aus den bis zum Jahr 2007 vorgenommenen Kostenmieterhöhungen ergebe. Das Berufungsgericht hat hierbei nicht berücksichtigt, dass bei nicht preisgebundenen Wohnraum Mieterhöhungen - von der Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 BGB abgesehen - nur bis zur Grenze der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt werden können (§ 558 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Vertragsanpassung im Interesse der Beklagten ist hier nicht schon deshalb erforderlich, weil sie die Miete angesichts der fehlenden Preisbindung der Wohnung nicht nach §§ 10, 8a WoBindG erhöhen kann, denn auch bei preisfreiem Wohnraum hat der Vermieter grundsätzlich die Möglichkeit, die Miete zu erhöhen, nämlich nach § 558 BGB bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Notwendigkeit einer Vertragsanpassung ergibt sich vielmehr erst aus dem Zeitablauf seit dem Beginn des Mietverhältnisses und dem Umstand, dass die Beklagte nach § 558 BGB mögliche Mieterhöhungen im Vertrauen auf das Bestehen der Preisbindung über einen Zeitraum von 25 Jahren nicht geltend gemacht hat und sie jetzt nicht mehr nachholen kann. Hinzu kommt, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, dass die Beklagte ohne eine Vertragsanpassung auch durch künftige Mieterhöhungen die ortsübliche Vergleichsmiete in absehbarer Zeit nicht annähernd erreichen dürfte.
23
Es liegt zwar nahe, dass die Beklagte als gewerbliche Vermieterin, falls die Parteien nicht von preisgebundenem Wohnraum ausgegangen wären, seit Beginn des Mietverhältnisses Mieterhöhungsverfahren nach § 558 BGB durchgeführt und in den Grenzen dieser Vorschrift auch die Anhebung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete erreicht hätte. Obergrenze für eine Anpassung des Vertrages ist damit aber die ortsübliche Vergleichmiete; auch aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung oder der unzulässigen Rechtsausübung kann der Klägerin die Rückforderung der in den Jahren 2004 bis 2006 gezahlten Miete insoweit nicht verwehrt werden, als sie Zahlungen über die ortsübliche Miete hinaus erbracht hat. Dies hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, indem es sämtliche Rückzahlungsansprüche der Klägerin verneint hat, obwohl die ortsübliche Vergleichsmiete im Jahr 2007 sich nach seinen Feststellungen auf monatlich 437,49 € belief und die Klägerin schon seit Dezember 2004 eine diesen Betrag übersteigende Miete gezahlt hat. Dass die Klägerin nicht geltend gemacht hatte, dass die Miete überhöht sei, geht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu ihren Lasten. Da die Beklagte Vertragsanpassung verlangt, ist es ihre Sache darzulegen, welche Mieterhöhungen sie nach §§ 558 ff. BGB hätte durchsetzen können.
24
3. Für die Feststellungsklage gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Auch insoweit hat das Berufungsgericht die Klage zu Unrecht vollständig abgewiesen. Zwar kann die Klägerin nach den vorstehenden Ausführungen nicht verlangen, dass für den Zeitraum ab Januar 2008 noch die Ausgangsmiete von 194,11 € gilt. Der Antrag der Klägerin enthält jedoch als Minus, dass jedenfalls ein geringerer Betrag als die von der Beklagten zuletzt geforderte Miete von 481,59 € maßgeblich sein soll. Da die ortsübliche Vergleichsmiete des Jahres 2007 deutlich niedriger lag, dürfte die der Beklagten im Wege der Vertragsanpassung insoweit zustehende Miete den Betrag der letzten Kostenmieterhöhung nicht erreichen.

III.

25
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben ; es ist daher aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zu § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG getroffen hat und der Beklagten im Übrigen Ge- legenheit zu geben ist, zur Entwicklung der ortsüblichen Vergleichsmiete in den Jahren 2004 bis 2006 und 2008 näher vorzutragen, zu denen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat. Ball Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 21.05.2008 - 203 C 611/07 -
LG Berlin, Entscheidung vom 12.05.2009 - 65 S 198/08 -

(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

(2) Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Sie soll begründet werden.

Tatbestand

1

Die Klage richtet sich gegen die Aufhebung eines Satzungsbeschlusses des Rates der Klägerin über die Festsetzung der Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B durch den beklagten Landrat als Kommunalaufsichtsbehörde.

2

Die Klägerin ist eine kreisangehörige Gemeinde, die seit 1999 weder über einen ausgeglichenen Haushalt noch über ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept verfügt. Für das Haushaltsjahr 2003 setzte der Beklagte im Wege der Ersatzvornahme die Hebesätze der Klägerin für die Grundsteuer B auf 391 v.H. (im Vorjahr 350 v.H.) und für die Gewerbesteuer auf 413 v.H. (im Vorjahr 400 v.H.) des Steuermessbetrages fest.

3

Durch Beschluss vom 5. Juli 2005 senkte der Rat der Klägerin für das Haushaltsjahr 2005 die Hebesätze für die Grundsteuer B auf 350 v.H. und für die Gewerbesteuer auf 400 v.H. des Steuermessbetrages. Nach der auf Anweisung des Beklagten erfolgten Beanstandung des Beschlusses durch den Bürgermeister und nach dem Beschluss des Rates vom 1. September 2005, den beanstandeten Beschluss nicht aufzuheben, hob der Beklagte mit der streitgegenständlichen Verfügung vom 23. Dezember 2005 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den Beschluss des Rates vom 5. Juli 2005 auf.

4

Der dagegen von der Klägerin erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 28. Juni 2007 stattgegeben und die Verfügung des Beklagten vom 23. Dezember 2005 aufgehoben.

5

Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a VwGO mit Beschluss vom 22. Juli 2009 das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtene Verfügung des Beklagten vom 23. Dezember 2005 sei zu Recht auf § 122 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (GO NRW) gestützt. Der aufgehobene Ratsbeschluss vom 5. Juli 2005 verletze geltendes Recht, weil er gegen § 75 Abs. 3 GO NRW in der gemäß Art. 1 § 9 des Gesetzes über ein Neues Kommunales Finanzmanagement für die Gemeinden im Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004 (NKFG NRW) auch nach dem 31. Dezember 2004 noch anwendbaren Fassung (GO NRW a.F.) verstoße, wonach die Gemeinden die Pflicht haben, den Haushalt in jedem Jahr auszugleichen. Wenn der Haushaltsausgleich nicht erreicht werden könne, sei dieser gemäß § 75 Abs. 4 Satz 2 GO NRW a.F. zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederherzustellen. Daraus ergebe sich die haushaltsrechtliche Pflicht für die Gemeinden, alles zu unternehmen, um durch Zurückführung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen dieses Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. Insbesondere beinhalte dies die Pflicht, von Einnahmen mindernden Maßnahmen - wie hier der Senkung der Realsteuerhebesätze - grundsätzlich abzusehen. Diese Pflicht sei allerdings auf das Zumutbare begrenzt. Die Zumutbarkeit des haushaltsrechtlich gebotenen Verhaltens bestimme sich einerseits nach den jeweiligen rechtlichen Vorgaben für das in Rede stehende Tun oder Unterlassen sowie danach, ob das Verhalten auch unter Berücksichtigung des im Rahmen des Grundsatzes sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung (§ 75 Abs. 2 GO NRW a.F.) eröffneten Handlungsspielraums der betroffenen Gemeinde geboten sei. Dabei sei der Spielraum umso enger, je größer oder andauernder das Haushaltsdefizit und je unabsehbarer sein Ende sei. Diesen Vorgaben des kommunalen Haushaltsrechts werde der beanstandete Ratsbeschluss der Klägerin vom 5. Juli 2005 nicht gerecht. Mit ihm wäre die Grundsteuer B mit 350 v.H. des Steuermessbetrages und die Gewerbesteuer mit 400 v.H. auf ein Niveau reduziert worden, das im Landesdurchschnitt zuletzt 1994 bzw. 1992 erreicht worden sei. Der Hebesatz für die Grundsteuer B wäre 2005 im Landkreis der niedrigste gewesen; beim Hebesatz für die Gewerbesteuer hätte sich die Klägerin zusammen mit der Gemeinde Dahlem im landkreisinternen Vergleich ebenfalls an der unteren Belastungsgrenze befunden. Für die Klägerin sei es auch zumutbar gewesen, auf die Absenkung zu verzichten. Die Annahme, die beschlossene Senkung der Realsteuerhebesätze werde wegen der damit bewirkten Steigerung der Attraktivität der Klägerin zu höheren Einnahmen führen, sei allenfalls eine Hoffnung, deren tatsächliche Grundlage dünn sei. Denn die Höhe der Realsteuerhebesätze sei regelmäßig nicht der zentrale Grund für die Entscheidung, in welcher Gemeinde sich ein Unternehmen ansiedle bzw. Personen ihren Wohnsitz nähmen. Die Absenkung der Realsteuerhebesätze könne nicht mit dem Hinweis auf die sonstige Abgabenbelastung der Bürger im Bereich der Klägerin, insbesondere mit hohen Entwässerungsgebühren, begründet werden. Weder die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG noch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG stünden der angefochtenen Verfügung entgegen. Ferner sei ein Verstoß gegen § 25 Abs. 1 GrStG und § 16 Abs. 1 GewStG nicht ersichtlich.

6

Gegen den Beschluss hat die Klägerin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Dem Beklagten fehle es an der Kompetenz, auf die Höhe der kommunalen Hebesätze für die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer Einfluss zu nehmen. Denn Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG räume allein den Gemeinden das Recht ein, die Hebesätze für diese Steuern im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Da der Bundesgesetzgeber im Grundsteuer- und im Gewerbesteuergesetz keine Regelung geschaffen habe, die Landesbehörden eine Reglementierung des originär den Gemeinden zustehenden Rechts zur Bestimmung der Höhe der Hebesätze eröffne, gelte dies auch für den Beklagten als staatliche Kommunalaufsichtsbehörde. Zwar gebe die angefochtene Aufhebungsverfügung des Beklagten nach ihrem Wortlaut der Klägerin keinen exakten Hebesatz vor. Die Verfügung laufe im Ergebnis jedoch darauf hinaus, dass für das Haushaltsjahr 2005 der Hebesatz für die Grundsteuer B auf 391 v.H. und für die Gewerbesteuer auf 413 v.H. des Steuermessbetrages festzusetzen sei. Damit werde der gemeindliche Handlungsspielraum missachtet, obwohl die Festlegung der Hebesätze auch in kritischen Haushaltssituationen immer noch eine - auch für soziale und wirtschaftspolitische Motive offene - kommunale Ermessensentscheidung sei.

7

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Oberwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Juli 2009 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 28. Juni 2007 zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt das angegriffene Urteil.

10

Der Vertreter des öffentlichen Interesses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren, hat jedoch keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung und Anwendung der Regelungen der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung (§ 122 Abs. 1 Satz 2 GO NRW sowie § 75 Abs. 3 und 4 Satz 2 GO NRW a.F.), auf die die angefochtene Verfügung des Beklagten vom 23. Dezember 2005 über die Aufhebung des Ratsbeschlusses vom 5. Juli 2005 gestützt ist, verstößt weder gegen Art. 28 Abs. 2 GG noch gegen Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG i.V.m. § 25 Abs. 1 GrStG und § 16 Abs. 1 GewStG oder gegen sonstiges Bundesrecht.

12

Die revisionsgerichtliche Prüfung muss von dem Inhalt der irrevisiblen Vorschriften des Landesrechts ausgehen, den das Berufungsgericht durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Das Revisionsgericht kann insoweit lediglich nachprüfen, ob Bundesrecht - insbesondere Bundesverfassungsrecht - ein anderes Ergebnis gebietet (stRspr; vgl. u.a. Urteile vom 12. November 1993 - BVerwG 7 C 23.93 - BVerwGE 94, 288 = Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 38 S. 21 <23 f.> und vom 9. Dezember 2009 - BVerwG 8 C 17.08 - NVwZ 2010, 834 m.w.N.).

13

Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen muss gemäß § 75 Abs. 3 GO NRW a.F. der Haushalt einer Gemeinde in jedem Jahr ausgeglichen sein. Wenn der Haushaltsausgleich nicht erreicht werden kann, ist dieser gemäß § 75 Abs. 4 Satz 2 GO NRW a.F. zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederherzustellen. Das Berufungsgericht hat die Vorschrift dahin ausgelegt, dass sich daraus für die Klägerin in ihrer angespannten Haushaltssituation die Pflicht ergibt, alles zu unternehmen, um durch Zurückführung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen dieses Ziel im Rahmen des Zumutbaren so schnell wie möglich zu erreichen. Das haushaltsrechtlich gebotene Verhalten bestimmt sich dabei einerseits nach den jeweiligen rechtlichen Vorgaben für das in Rede stehende Tun oder Unterlassen sowie danach, ob das Verhalten auch unter Berücksichtigung des im Rahmen des Grundsatzes sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung (§ 75 Abs. 2 GO NRW a.F.) eröffneten Handlungsspielraums der Gemeinde zumutbar ist, wobei dieser Spielraum um so enger ist, je größer oder andauernder das Haushaltsdefizit und je unabsehbarer sein Ende ist. Daraus hat das Berufungsgericht die weitere Schlussfolgerung gezogen, dass in der Haushaltssituation, in der sich die Klägerin im Haushaltsjahr 2005 befand, von die Einnahmen mindernden Maßnahmen - wie hier der Senkung der Realsteuerhebesätze - grundsätzlich abzusehen ist. Der Ratsbeschluss der Klägerin vom 5. Juli 2005 wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts diesen Anforderungen nicht gerecht und verstößt damit gegen das zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Verfügung des Beklagten vom 23. Dezember 2005 geltende Recht, so dass dieser ihn deshalb nach § 122 Abs. 1 Satz 2 GO NRW zu Recht aufgehoben hat.

14

Diese Annahme verletzt weder Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG noch die der Klägerin durch Art. 28 Abs. 2 GG garantierte gemeindliche Selbstverwaltung in Gestalt ihrer kommunalen Finanzhoheit. Sie stellt auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in diese Rechte dar.

15

Nach Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG ist den Gemeinden das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und der Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Nach Art. 105 Abs. 2 GG hat der Bund - neben der nach § 105 Abs. 1 GG ihm zugewiesenen Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole - für die "übrigen Steuern" die Kompetenz zur konkurrierenden Gesetzgebung, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Das Aufkommen der beiden Steuern steht nicht nach Art. 106 Abs. 1 GG dem Bund, sondern nach Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG den Gemeinden zu, so dass der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nur nach Maßgabe des Art. 72 Abs. 2 GG Gebrauch machen durfte, was er mit dem Grundsteuergesetz und dem Gewerbesteuergesetz getan hat. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestehen im Hinblick auf Art. 72 Abs. 2 GG oder andere Regelungen des Grundgesetzes nicht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04, 2 BvR 22 BvR 2189/04 - DVBl 2010, 509 = juris Rn. 56 ff.). Der Bundesgesetzgeber ist durch § 25 Abs. 1 GrStG und § 16 Abs. 1 GewStG dem Gesetzgebungsauftrag des Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG nachgekommen, wonach den Gemeinden das Recht einzuräumen ist, die Hebesätze der Grundsteuer und der Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen.

16

Das durch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG i.V.m. § 25 Abs. 1 GrStG und § 16 Abs. 1 GewStG eingeräumte Hebesatzrecht dient der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden. Einerseits ermöglicht es ihnen, Unterschiede in der Belastung und in der Ergiebigkeit der zugewiesenen Steuerquellen auszugleichen. Die Gemeinden sollen die Möglichkeit haben, ihre Einnahmen durch Anhebung der Gewerbesteuer an den Finanzbedarf anzupassen und damit angesichts wachsender Haushaltslasten handlungsfähig zu bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 86 m.w.N.). Die Gewährleistung des Hebesatzrechts ermöglicht andererseits aber auch eine Anpassung nach unten und damit den Einsatz niedriger Hebesätze im interkommunalen Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen. In dem Spannungsverhältnis zwischen dem Streben nach einem möglichst hohen Niveau der öffentlichen Leistungen und einer möglichst niedrigen Steuerbelastung, das bei der Einführung der Verfassungsgarantie des gemeindlichen Hebesatzrechts als unentbehrlich für eine eigenverantwortliche Selbstverwaltung hervorgehoben wurde (vgl. BTDrucks V/2861 S. 39 Nr. 183), wird das Streben nach einer möglichst niedrigen Steuerbelastung gerade durch die Bedeutung der Gewerbesteuerbelastung im Standortwettbewerb befördert (BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 86).

17

Die durch Bundesrecht in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG in Verbindung mit den Ausführungsregelungen in § 16 Abs. 1 GewStG und § 25 Abs. 1 GrStG erfolgte Zuweisung der ausschließlichen Kompetenz der Gemeinden zur Festsetzung der Hebesätze für die Gewerbe- und die Grundsteuer ist vom Bundesgesetzgeber in beiden Gesetzen allerdings in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt worden. So hat er für die Gewerbesteuer einen Mindesthebesatz von 200 v.H. des Steuermessbetrages vorgeschrieben (§ 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG). Die Gemeinden dürfen damit weder auf die Erhebung der Gewerbesteuer verzichten noch einen den Mindesthebesatz unterschreitenden Hebesatz festsetzen. Ausweislich der Gesetzesbegründung dienten die Einführung der Pflicht zur Erhebung der Gewerbesteuer und die Normierung eines Mindesthebesatzes vor allem der Vermeidung von "Gewerbesteueroasen" sowie der Verhinderung von Ausfällen bei der Gewerbesteuerumlage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 95 ff. unter Verweis auf BTDrucks 15/481 S. 16; BTDrucks 15/1517 S. 17, 19; Protokoll der 786. Sitzung des Bundesrates vom 14. März 2003, S. 48). Andererseits werden die Bundesländer ermächtigt, sowohl für die Grundsteuer als auch für die Gewerbesteuer einen das Hebesatzrecht der Gemeinden begrenzenden Höchsthebesatz zu normieren (§ 16 Abs. 5 GewStG, § 26 GrStG). Das ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen in Nordrhein-Westfalen bisher nicht geschehen. Des Weiteren ist in den beiden Bundesgesetzen als letzter Zeitpunkt für den Fall einer Erhöhung des Hebesatzes verbindlich der 30. Juni eines Jahres festgelegt (§ 16 Abs. 3 GewStG, § 25 Abs. 3 GrStG). Außerdem ist in beiden Bundesgesetzen näher bestimmt, inwieweit bei der Erhebung von Grund- und Gewerbesteuern Differenzierungen zwischen Unternehmen, Betrieben bzw. Grundstücken zulässig sind (§ 16 Abs. 4 Satz 1 GewStG, § 25 Abs. 4 Satz 1 GrStG). Schließlich gestatten das Gewerbe- und das Grundsteuergesetz den Ländern bei Gebietsänderungen, vorübergehend verschiedene Hebesätze innerhalb des Hoheitsgebiets einer Gemeinde zuzulassen (§ 16 Abs. 4 Satz 3 GewStG, § 25 Abs. 4 Satz 2 GrStG). Weitergehende Beschränkungen des den Gemeinden im Rahmen der Gesetze gewährleisteten Rechts zur Festsetzung der Hebesätze für die Grundsteuer und für die Gewerbesteuer lassen sich beiden Bundesgesetzen nicht entnehmen.

18

Nach Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG ist das Hebesatzrecht für die Grund- und die Gewerbesteuer den Gemeinden allerdings nur "im Rahmen der Gesetze" gewährleistet. Dies entspricht der Regelung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 77 m.w.N.), der den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, ebenfalls nur im Rahmen der Gesetze garantiert. Das in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG i.V.m. § 16 Abs. 1 GewStG und § 25 Abs. 1 GrStG den Gemeinden gewährleistete Hebesatzrecht für die Grundsteuer und die Gewerbesteuer ist eine spezielle Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und konkretisiert diese. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie unterliegt normativer Prägung durch den Gesetzgeber, der sie inhaltlich ausformen und begrenzen darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 1994 - 2 BvR 445/91 - BVerfGE 91, 228 <240> m.w.N.). Die im Rahmen der Gesetze garantierte finanzielle Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden stellt sich als notwendiges Korrelat zur verfassungsrechtlich gewährleisteten eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung dar (Knemeyer, Der Städtetag, 1988, 330 <331>; Corsten, Der Gemeindehaushalt, 1990, 57 <58>). Die kommunale Finanzhoheit besteht jedoch nicht darin, dass die Gemeinde nach Belieben frei schalten kann, sondern darin, dass sie verantwortlich disponiert und bei ihren Maßnahmen auch ihre Stellung innerhalb der Selbstverwaltung des modernen Verwaltungsstaates und die sich daraus ergebende Notwendigkeit des Finanzausgleichs in Betracht zieht (BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 - BVerfGE 23, 353 = juris Rn. 57). Daran hat die durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) erfolgte Ergänzung des Art. 28 Abs. 2 GG um einen Satz 3 ("Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung.") nichts geändert. Mit dieser Regelung, die auf eine Empfehlung der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat zurückgeht (BTDrucks 12/6000 S. 46 ff.), sollten nach der Vorstellung des verfassungsändernden Gesetzgebers keine über die im Grundgesetz verankerte Finanzverfassung hinausgehenden finanziellen Absicherungen geschaffen werden (vgl. BTDrucks 12/6000 S. 1 <48>; Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 44). Der kommunalen Finanzhoheit sollte allerdings ein ausdrücklicher Stellenwert eingeräumt und diese damit gestärkt werden (BTDrucks 12/6633 S. 7). Vor dem Hintergrund gewachsener Belastungen der Gemeinden bei der Erfüllung ihrer vielfältigen staatlichen Aufgaben sollte so klargestellt werden, dass die finanzielle Eigenverantwortung zum Recht auf kommunale Selbstverwaltung gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 70 unter Berufung auf den Abschlussbericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BTDrucks 12/6000 S. 46). Die durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 28 und Art. 106) vom 20. Oktober 1997 (BGBl I S. 2470) erfolgte Einfügung eines weiteren Halbsatzes in Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG ("zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle") garantiert den Gemeinden über Art. 106 Abs. 2 Satz 2 GG hinaus, dass die wirtschaftskraftbezogene Gewerbesteuer nicht abgeschafft wird, ohne dass die Gemeinden an ihrer Stelle eine andere wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle mit Hebesatzrecht erhalten. Die kommunale Finanzautonomie sollte so durch die Garantie des Bestandes der Gewerbeertragsteuer oder einer anderen an der Wirtschaftskraft orientierten Steuer mit Verfassungsrang gewährleistet werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 71 unter Berufung auf BTDrucks 13/8488 S. 5; 13/8340 S. 2).

19

Die verfassungsrechtlich in dieser Weise geschützte kommunale Selbstverwaltungsfreiheit kann allerdings vom Gesetzgeber beschränkt werden. Hinsichtlich des den Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Rechts zur Aufgabenerledigung "in eigener Verantwortung" ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, dass dieses nur "im Rahmen der Gesetze" besteht. Demnach genießen die gemeindlichen Selbstverwaltungskörperschaften einerseits zwar die durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete kommunale Autonomie. Andererseits müssen sie jedoch den Vorrang der staatlichen Gesetze beachten. Der sowohl in Art. 28 Abs. 2 GG als auch in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG normierte Gesetzesvorbehalt gilt auch für die kommunale Finanzhoheit als Teil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (vgl. dazu BVerfG, Entscheidungen vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 - BVerfGE 23, 353 <369>, vom 10. Juni 1969 - 2 BvR 480/61 - BVerfGE 26, 172 <181>, vom 24. Juni 1969 - 2 BvR 446/64 - BVerfGE 26, 228 <244>, vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 - BVerfGE 52, 95 <117> und vom 15. Oktober 1985 - 2 BvR 1808/82, 2 BvR 1809/82, 2 BvR 1810/82 - BVerfGE 71, 25 <36>), die die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens beinhaltet (vgl. u.a. BVerfG; Entscheidung vom 24. Juni 1969 - 2 BvR 446/64 - a.a.O. <244>).

20

Das Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung einschließlich der kommunalen Finanzautonomie steht allerdings nicht zur vollständigen Disposition des einfachen Gesetzgebers (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 91 und vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 - BVerfGE 79, 127 <143>). Es ist in seinem Kern gesetzgebungsfest gewährleistet. Dem beschränkenden Zugriff des Gesetzgebers sind insoweit verfassungsrechtliche Schranken gesetzt. Die durch Art. 28 Abs. 2 GG garantierten wesentlichen Hoheitsrechte, die der Staat den Gemeinden im Interesse einer funktionsgerechten Aufgabenwahrnehmung gewährleistet, darunter die Finanzhoheit, müssen den Gemeinden im Kern erhalten bleiben (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 a.a.O. <117>). Der Gesetzgeber darf nicht in den Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung eingreifen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 91 unter Verweis auf BVerfGE 79, 127 <143>; 83, 363 <381>; 91, 228 <238>; 107, 1 <2>; stRspr). Was zu dem Bereich gehört, der verfassungskräftig gegen jede Schmälerung durch gesetzgeberische Eingriffe geschützt ist, lässt sich nicht abstrakt-allgemein umschreiben, sondern ergibt sich einmal aus der geschichtlichen Entwicklung und sodann aus den verschiedenen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung (BVerfG, Entscheidungen vom 10. Juni 1969 a.a.O. juris Rn. 31, vom 26. November 1963 - 2 BvL 12/62 - BVerfGE 17, 172 <182> = juris Rn. 38 m.w.N. und vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 92 m.w.N.). Den absoluten Schutz der Kernbereichsgarantie genießt jedoch nicht jede einzelne Ausformung der den Gemeinden durch Art. 28 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 6 GG garantierten Hoheitsrechte (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 - BVerfGE 103, 332 <366> und vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 93; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 28 Rn. 78). Der Kernbereich ist dann verletzt, wenn das Recht auf kommunale Selbstverwaltung beseitigt wird oder kein hinreichender Spielraum für seine Ausübung mehr übrig bleibt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Mai 2001 a.a.O. <366> und vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 93; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 28 Rn. 22; Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 1998, S. 59; Stern, Staatsrecht Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 12 II 4, S. 416).

21

Außerdem unterliegt der Gesetzgeber bei Beschränkungen der Gewährleistung der gemeindlichen Selbstverwaltung und der kommunalen Finanzhoheit dem verfassungsrechtlichen Gebot zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Entscheidungen vom 24. Juni 1969 a.a.O. <241>, vom 7. Oktober 1980 - 2 BvR 584/76, 2 BvR 598/76, 2 BvR 599/76, 2 BvR 604/76 - BVerfGE 56, 298 <313>, vom 23. Juni 1987 - 2 BvR 826/83 - BVerfGE 76, 107 <121 ff.> sowie vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 94 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 4. August 1983 - BVerwG 7 C 2.81 - BVerwGE 67, 321 = DVBl 1983, 1152 f. = juris Rn. 13 und 20; von Mutius, Kommunalrecht, 1996, Rn. 866; Knemeyer, JuS 2000, 521 <522>; Franz, JuS 2004, 937; Schmidt-Assmann, Kommunale Selbstverwaltung "nach Rastede", Festschrift für Horst Sendler, 1991, S. 121 <132>; Selmer/Hummel, NVwZ 2006, S. 14 <18 ff.>). Wie die Selbstverwaltungsgarantie im Allgemeinen und die Finanzhoheit als eines ihrer wesentlichen Elemente darf auch das in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG und in Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG gewährleistete Hebesatzrecht nicht unverhältnismäßig beschränkt werden. Beschränkungen müssen danach zur Erreichung eines nach dem Grundgesetz zulässigen Zwecks geeignet sowie erforderlich und (im engeren Sinne) verhältnismäßig sein.

22

Unter den in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG normierten Gesetzesvorbehalt fallen (auch) gesetzliche Regelungen des Landesrechts, wie sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Nordrhein-Westfalen für den Bereich der kommunalen Haushaltswirtschaft in § 75 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 GO NRW a.F. sowie für die staatliche Kommunalaufsicht in § 122 Abs. 1 Satz 2 GO NRW bestehen. Das ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Die staatliche Rechtsaufsicht über die Gemeinden ist ein von Verfassungs wegen vorgesehenes Korrelat der kommunalen Selbstverwaltung. Nach der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes steht die staatliche Aufsicht über die Gemeinden ausschließlich dem jeweiligen Bundesland zu. Bei der Wahrnehmung der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden, zu denen jedenfalls freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheiten sowie pflichtige, aber weisungsfreie Selbstverwaltungsaufgaben gehören, unterliegen die Kommunen nur der staatlichen Rechts-, jedoch keiner Fachaufsicht. Eine über die Rechtmäßigkeitskontrolle hinausgehende Zweckmäßigkeitskontrolle mit Weisungsrechten der staatlichen Kommunalaufsichtsbehörden wäre mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG und der kommunalen Finanzhoheit nicht zu vereinbaren. Dass die Staatsaufsicht in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Kommunen auf die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit (Rechtsaufsicht) beschränkt ist, ist in der Regel in den Landesverfassungen und in den Gemeindeordnungen der Bundesländer ausdrücklich angeordnet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist dies in Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe des Art. 78 Abs. 4 Satz 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen in § 122 Abs. 1 GO NRW angeordnet.

23

Der aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts und der Finanzhoheit der Gemeinden resultierende Gestaltungsspielraum wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Nordrhein-Westfalen durch die in § 75 Abs. 3 und 4 Satz 2 GO NRW a.F. geregelte Pflicht beschränkt, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen und gegebenenfalls den Haushaltsausgleich zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder herbeizuführen. Die Annahme des Berufungsgerichts, dies schränke das Recht der Gemeinden zur Senkung der Hebesätze in Fällen einer schweren Haushaltsnotlage von unabsehbarer Dauer ein, ist weder verfassungsrechtlich zu beanstanden noch verstößt sie gegen sonstiges Bundesrecht.

24

Die Erfüllung der den Gemeinden nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in § 75 Abs. 4 Satz 2 GO NRW a.F. auferlegten rechtlichen Verpflichtung, im Falle eines unausgeglichenen Haushalts den Haushaltsausgleich zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederherzustellen, ist auf der Einnahmeseite nicht nur von Art und Höhe der Erhebung kommunaler Gebühren und Beiträge sowie der Gemeinde zustehender Steuern wie der Gewerbe- und Grundsteuer abhängig. Vielmehr wird diese Einnahmesituation entscheidend auch von den Finanzzuweisungen des Landes (Schlüsselzuweisungen, zweckgebundene Zuweisungen, Sonderbedarfszuweisungen) beeinflusst. Ebenso wird auch die kommunale Ausgabenseite in starkem Maße von den den Kommunen durch Bund und Land auferlegten (Pflicht-)Aufgaben mitgeprägt. Wegen der in Art. 28 Abs. 2 GG erfolgten verfassungsrechtlichen Gewährleistung der gemeindlichen Selbstverwaltung und kommunalen Finanzhoheit ist es daher grundsätzlich Aufgabe des Rates und der Verwaltung einer Gemeinde, alle notwendigen Maßnahmen - sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Aufwandsseite - zu ergreifen, um den gesetzlich vorgegebenen Haushaltsausgleich zu erreichen. Innerhalb des den Gemeinden zustehenden Gestaltungsspielraums ist es der Kommunalaufsicht deshalb grundsätzlich untersagt, der Gemeinde im Falle eines unausgeglichenen Haushalts alternativlos vorzuschreiben, was sie zu tun hat. Auch wenn die Finanzlage der betreffenden Gemeinde sehr angespannt und unter Umständen selbst die Erfüllung der Pflichtaufgaben nicht mehr sichergestellt ist, liegt es innerhalb des Gestaltungsspielraums der Gemeinde, durch ihre demokratisch gewählten Organe zu entscheiden, wie die notwendige Reduzierung freiwilliger Leistungen und die Erzielung zusätzlicher Einnahmen (z.B. durch Abgaben und Steuern) erfolgen soll.

25

Auf der Ausgabenseite ist die Aufsichtsbehörde grundsätzlich darauf beschränkt, eine Reduzierung der Mittel für freiwillige Leistungen der Gemeinde insgesamt anzumahnen, ohne ein konkretes Mittel oder einzelne geförderte Projekte für die gebotene Einsparung vorzuschreiben (BayVGH, Urteil vom 27. Mai 1992 - 4 B 91.190 - NVwZ-RR 1993, 373 <375> = juris Rn. 22; Brüning, DÖV 2010, 553 <557>). Entsprechendes muss angesichts der verfassungsrechtlichen Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung für Anordnungen der Kommunalaufsicht hinsichtlich der Einnahmeseite gelten, also für die Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen zur Erhöhung der kommunalen Einnahmen und Erträge.

26

Die staatliche Kommunalaufsichtsbehörde ist jedoch - unabhängig von der Frage einer aufgabenadäquaten Finanzausstattung der Gemeinde durch das Land - bei sachgerechter Ausübung des ihr zustehenden Entschließungs- und Auswahlermessens im Rahmen der Rechtsaufsicht befugt, bei Nichterfüllung einer der Gemeinde obliegenden rechtlichen Verpflichtung einzugreifen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots eine gegen diese Verpflichtung verstoßende Maßnahme zu beanstanden und aufzuheben. Unter welchen Voraussetzungen im Rahmen der Rechtsaufsicht auch weitergehende Eingriffe der staatlichen Kommunalaufsichtsbehörden in die gemeindliche Selbstverwaltung und kommunale Finanzhoheit in Betracht kommen, bedarf hier keiner näheren Prüfung und Entscheidung.

27

Weder Art. 28 Abs. 2 noch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG i.V.m. § 6 Abs. 1 GewStG und § 25 Abs. 1 GrStG schließen eine Beanstandung der Senkung der Hebesätze für die Grund- und die Gewerbesteuer aus, wenn die betreffende Gemeinde sich in einer anhaltenden Haushaltsnotlage befindet und das von ihr vorgelegte - gesetzlich vorgeschriebene - Haushaltssicherungskonzept nicht erkennen lässt, wie der durch die Hebesatzabsenkung unmittelbar bewirkte Einnahmeverlust hinreichend verlässlich ausgeglichen werden soll. In einer solchen Situation darf die betroffene Gemeinde die Hebesätze nicht auf ein deutlich niedrigeres Niveau festsetzen, wenn ein Ausgleich des Einnahmeausfalls weder konkret in der Haushaltsplanung vorgesehen noch hinreichend konkret absehbar ist.

28

Eine solche Beschränkung des Rechts zur Festsetzung der Hebesätze für die Grund- und für die Gewerbesteuer wahrt den Kernbereich des in Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts und der kommunalen Finanzhoheit. Denn es belässt weiterhin der Gemeinde die Entscheidung, wie der Haushaltsausgleich angestrebt und erreicht werden soll. Reichen die Einnahmen nicht aus, um die zur Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde erforderlichen Ausgaben zu decken (sog. kameralistischer Rechnungsstil) oder deckt der Gesamtbetrag der Erträge nicht die Höhe des Gesamtbetrages der Aufwendungen (neues Rechnungswesen), ist zu prüfen, inwieweit der Ausgleich durch Beschränkung der Ausgaben bzw. der Aufwendungen oder Erhöhung der Einnahmen bzw. Erträge herbeigeführt werden kann. Die angefochtene kommunalaufsichtliche Verfügung des Beklagten belässt der Klägerin den notwendigen grundsätzlichen Gestaltungsspielraum, da keine konkreten Vorgaben für die Zurückführung bestimmter Ausgaben/Aufwendungen und die Erhöhung bestimmter Einnahmen/Erträge erteilt werden. Sie beanstandet allein, dass die von dem Rat der Klägerin beschlossene Senkung der Hebesätze für die Grund- und für die Gewerbesteuer in einer anhaltenden Haushaltsnotlage der Klägerin vorgenommen wurde, obwohl ein Ausgleich des damit bewirkten Einnahmeausfalls, der nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Haushaltsjahr 2005 ca. 300 000 € betrug, weder konkret in die Haushaltsplanung eingestellt noch auf der Basis eines genehmigungsfähigen Haushaltssicherungskonzepts für die Folgejahre in nachvollziehbarer Weise hinreichend verlässlich absehbar war.

29

Die angefochtene kommunalaufsichtliche Verfügung des Beklagten schränkt die gemeindliche Finanzhoheit und das daraus fließende Hebesatzrecht auch nicht unverhältnismäßig ein.

30

Sie ist ersichtlich auf das Ziel ausgerichtet, Einnahmeausfälle im Haushalt der Klägerin zu unterbinden, solange deren Ausgleich durch anderweitige Einnahmeerhöhungen und/oder Ausgabenminderungen nicht in hinreichendem Maße absehbar ist. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen verfügt die Klägerin seit 1999 weder über einen ausgeglichenen Haushalt noch über ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept gemäß § 75 Abs. 4 Satz 1 GO NRW a.F. Sie befand sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der angegriffenen Verfügung des Beklagten seit Jahren im Zustand vorläufiger Haushaltsführung. Das vom Rat der Klägerin zusammen mit der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2005 am 31. Mai 2005 beschlossene und dem Beklagten vorgelegte Haushaltssicherungskonzept wurde lediglich für die Jahre 2004 bis 2008 erstellt. Bei der Beschlussfassung über die Senkung der Hebesätze am 5. Juli 2005 erfolgte insoweit keine Änderung. Das vorliegende Haushaltssicherungskonzept war nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auch nicht genehmigungsfähig, weil aus ihm entgegen § 75 Abs. 4 GO NRW a.F bzw. § 76 GO NRW a.F. jedenfalls nicht hervorging, dass spätestens im auf das Haushaltsjahr 2005 folgenden vierten Jahr (= 2009) die Einnahmen die Ausgaben (ohne Abdeckung von Fehlbeträgen aus Vorjahren) decken werden. Auch der Bürgermeister der Klägerin hatte danach das vorgelegte Haushaltssicherungskonzept nicht für genehmigungsfähig gehalten. Wenn der Rat der Klägerin auf dieser gesetzwidrigen Grundlage eine Senkung der Hebesätze für die Grundsteuer B und für die Gewerbesteuer beschloss, ohne die sich daraus ergebenden Konsequenzen für ihre Einnahmesituation und den notwendigen Haushaltsausgleich hinreichend zu ermitteln und in das vom Gesetz vorgeschriebene Haushaltssicherungskonzept einzustellen, konnte das Berufungsgericht ohne Bundesrechtsverstoß die Rechtswidrigkeit dieses Handelns feststellen. Die Unterbindung eines solchen rechtswidrigen Verhaltens der Klägerin ist ein nach dem Grundgesetz zulässiges, ja gebotenes Ziel der staatlichen Kommunalaufsicht.

31

Die angefochtene Verfügung des Beklagten war auch geeignet, zur Erreichung dieses Zieles beizutragen. Denn sie bewirkte jedenfalls, dass wenigstens die durch die Hebesatzsenkungen unmittelbar veranlassten Einnahmeausfälle, die sich nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Haushaltsjahr 2005 in einer Größenordnung von etwa 300 000 € bewegten und deren Ausgleich nicht hinreichend verlässlich absehbar war, vermieden wurden.

32

Eine gleichermaßen wirksame, die Klägerin weniger belastende Maßnahme ist nicht ersichtlich. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen beruht die Annahme der Klägerin, die beschlossene Senkung der Realsteuerhebesätze werde wegen der damit bewirkten Steigerung der Standortattraktivität der Klägerin zu höheren Einnahmen führen, auf vagen Hoffnungen, deren tatsächliche Grundlage "dünn", also unzureichend ist. Die prognostischen Grundlagen der nach dem Vorbringen der Klägerin mit der beschlossenen Senkung der Hebesätze angestrebten Verbesserung ihrer Standortattraktivität und ihrer Haushaltsnotlage sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder dem Beklagten als Kommunalaufsichtsbehörde dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Diese berufungsgerichtlichen Feststellungen hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht angegriffen.

33

Eine Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht ordnungsgemäß erhoben worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zudem auf Befragen bestätigt, dass nach seiner Kenntnis seitens der Klägerin keine näheren Untersuchungen oder Erhebungen über die konkreten Auswirkungen der für das Haushaltsjahr 2005 von ihrem Rat beschlossenen Senkung der Hebesätze auf den Haushaltsausgleich erstellt worden sind und vorliegen.

34

Die auf § 122 Abs. 1 Satz 2 GO NRW gestützte Verfügung des Beklagten beschränkt das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht und die kommunale Finanzhoheit der Klägerin zudem ersichtlich weniger gravierend als eine Festsetzung der Hebesätze im Wege der Ersatzvornahme oder die Bestellung eines Beauftragten der Kommunalaufsicht nach § 123 Abs. 2 GO NRW. Denn sie hebt zwar die erfolgte Senkung der Hebesätze für das Haushaltsjahr 2005 auf, belässt jedoch im Übrigen der Klägerin die weitere Entscheidung darüber, mit welchen anderen Mitteln der Haushaltsausgleich zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederhergestellt werden soll. Anders als bei der Bestellung eines Beauftragten nach § 124 GO NRW durch die Kommunalaufsichtsbehörde verbleibt den zuständigen Organen der Klägerin weiterhin das Recht, die ihnen zustehenden gesetzlichen Befugnisse eigenverantwortlich auszuüben.

35

Die angefochtene Verfügung ist im Hinblick auf das angestrebte gesetzlich vorgegebene Ziel, zum Haushaltsausgleich der Klägerin zum nächstmöglichen Zeitpunkt beizutragen, auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne. Es bleibt weiterhin der Klägerin überlassen, die - mit Ausnahme der aufgehobenen, für das Haushaltsjahr 2005 beschlossenen Senkung der Hebesätze - aus ihrer Sicht gebotenen Maßnahmen zum Haushaltsausgleich zu prüfen und zu treffen sowie in die Haushaltsplanung (Haushaltssicherungskonzept) einzustellen. Indem der Beklagte sich auf die Aufhebung des Beschlusses der Klägerin über die Senkung der Hebesätze beschränkt und gerade nicht angeordnet hat, welche konkrete(n) Maßnahme(n) zur Wiederherstellung des Haushaltsausgleichs getroffen werden sollen, hat er den Gestaltungsspielraum der Klägerin anerkannt und respektiert.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.