Verwaltungsgericht Köln Urteil, 14. Apr. 2015 - 7 K 6358/13
Tenor
Die Auflage gemäß Anlage 1 zum Verlängerungsbescheid für W. E. 25 mg (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) vom 18.06.2013 zur Streichung der Packungsgröße 20 Tabletten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2013 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen die Streichung der Packungsgröße 20 Tabletten für das von ihr in den Verkehr gebrachte Fertigarzneimittel „W. E. 25 mg“ überzogene Tabletten.
3Das Arzneimittel wurde mit Bescheid vom 13.02.2006 u. a. mit dem Anwendungsgebiet „Leichte und mäßig starke Schmerzen“ unter der Bezeichnung „W. E1. 0
425 mg“ als verschreibungspflichtiges Arzneimittel zugelassen. Es enthält als Wirkstoff 25 mg Diclofenac-Kalium pro Tablette. Der Zulassungsbescheid bezog sich neben einer Klinikpackung und einer Musterpackung auf Packungsgrößen von 6, 12 und 24 überzogenen Filmtabletten.
5Mit Änderungsanzeige vom 11.07.2007 teilte die Klägerin u.a. eine Änderung der Packungsgrößen in Packungen von 6, 10, 12, 20 und 24 Tabletten mit, der mit Bescheid des BfArM vom 01.08.2007 zugestimmt wurde.
6In der Folgezeit verzichtete die Klägerin mit entsprechenden Änderungsanzeigen auf die Packungsgrößen 6, 12 und 24 Tabletten. Seit 2008 ist das Arzneimittel wegen der Eliminierung des Anwendungsgebietes Migräneanfälle nur noch apothekenpflichtig.
7Die Arzneimittelbezeichnung wurde mit Änderungsanzeige vom 06.02.2009 von „W. E1. 0 25 mg“ in „W. E. 25 mg“ geändert.
8Mit Schreiben vom 10.08.2010, das am 12.08.2010 beim BfArM einging, beantragte die Klägerin die Verlängerung der Zulassung gemäß § 31 AMG. In der vorgelegten Gebrauchsinformation befinden sich unter der Ziff. 3 „Wie ist W. E1. 0, 25 mg einzunehmen?“ u.a. die folgenden Angaben:
9„Generell sollte die niedrigst wirksame Dosis, die zur Linderung der Symptome erforderlich ist, über den kürzest möglichen Zeitraum angewendet werden.
10Soweit vom Arzt nicht anders verordnet, nehmen Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren:
11Erstdosis: 1 überzogene Tablette
12Weitere Einzeldosis: Bei Bedarf im Abstand von 4 – 6 Stunden einzunehmen: 1 überzogene Tablette
13Tagesgesamtdosis: Bis 3 überzogene Tabletten
14W. E1. 0, 25 mg soll nur kurzfristig eingenommen werden. Ohne Rücksprache mit Ihrem Arzt beträgt die Anwendungsdauer bei leichten und mäßig starken Schmerzen 4 Tage.“
15Der Verlängerungsantrag bezog sich auf die Packungsgrößen 10 und 20 Tabletten.
16Mit Bescheid vom 20.06.2013 wurde die Verlängerung der Zulassung mit der Auflage erteilt, dass die beigefügte Stellungnahme zur Klinik umzusetzen sei. Dort heißt es:
17„Für die apothekenpflichtigen Arzneimittel sollte die Packungsgröße auf den maximalen Bedarf begrenzt bleiben, die die zugelassene Dosierung vorgibt (4 Tage 3x25 mg pro Tag). Daher sind Packungsgrößen von 20 bzw. 24 Tabletten nicht therapiegerecht.“
18Am 11.07.2013 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Auflage ein. Die Versagung der Packungsgröße 20 Tabletten sei nicht gerechtfertigt. Aus der Anlage zu § 1 Nr. 1 der Verschreibungspflichtverordnung ergebe sich zwar eine maximale Anwendungsdauer von Diclofenac von 4 Tagen zur Schmerzbekämpfung. Damit sei jedoch keine Einschränkung der Packungsgröße auf eine Tablettenanzahl vorgenommen worden.
19In einer medizinischen Stellungnahme vom 28.02.2008 zu dem identischen Arzneimittel „W. E. 25 mg“ ( Zul.-Nr. 00000.00.00) habe das BfArM eine Packungsgröße von 20 Tabletten noch für vertretbar gehalten.
20Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2013 wurde der Widerspruch gegen die Streichung der Packungsgröße 20 Tabletten zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, die Auflage sei auf der Grundlage von § 28 Abs. 2 Nr. 4 AMG rechtmäßig ergangen. Diese Tablettenanzahl würde selbst bei durchgehender Höchstdosierung von 3 Tabletten täglich zu einer Anwendungsdauer von 7 Tagen führen, was erheblich über der zugelassenen Anwendungsdauer von 4 Tagen liege. Bei einer geringeren Tagesdosierung ergebe sich eine Behandlungsdauer, die den vorgegebenen Zeitrahmen um ein Vielfaches überschreiten würde. Mit Blick auf das kardiovaskuläre Risiko der Anwendung von Diclofenac sei eine möglichst genaue Einhaltung der angegebenen Zeitfenster angezeigt. Außerdem könne bei einem Schmerzzustand, der mehr als 4 Tage anhalte, eine andere Therapie angebracht sein, sodass eine Fortführung der Therapie ohne ärztliche Kontrolle unakzeptabel wäre.
21Am 11.10.2013 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben, mit der sie weiterhin eine Aufhebung der Auflage zur Streichung der Packungsgröße 20 Tabletten begehrt. Sie ist der Auffassung, die Packung mit 20 Tabletten sei im Hinblick auf das Anwendungsgebiet und die zugelassene Dauer der Anwendung angemessen. Bei dem zugelassenen Anwendungsgebiet der leichten bis mäßig starken Schmerzen handele es sich regelmäßig um Alltagsschmerzen wie beispielsweise Kopf- und Halsschmerzen, Zahnschmerzen, erkältungsbedingte Kopf- und Gliederschmerzen oder menstruationsbedingte Bauch- und Unterleibsschmerzen. Diese Schmerzen träten zwar nur kurzfristig, dafür aber in vielen Fällen wiederholt auf, z.B. Kopfschmerzen aufgrund von Wetterfühligkeit oder Menstruationsschmerzen.
22Bei wiederkehrenden Schmerzen sei die Vorhaltung einer kleinen Menge von Schmerzmitteln in der Hausapotheke erforderlich, um im akuten Fall sofort ein Medikament zur Hand zu haben, ohne dies zuerst in der Apotheke erwerben zu müssen. Eine sofortige Versorgung mit Schmerzmitteln in Apotheken sei insbesondere nachts oder an Wochenenden oder Feiertagen nicht möglich. Außerdem hätten bei einer etwas größeren Packung auch mehrere Menschen, die in einem Haushalt lebten, die Möglichkeit, das Arzneimittel bei akuten Schmerzzuständen zu benutzen. Schließlich dürfe das streitgegenständliche Arzneimittel nach Rücksprache mit dem Arzt auch länger als 4 Tage angewendet werden. Dies sei bei einer Beschränkung auf Packungsgrößen mit 12 oder weniger Tabletten nicht mehr möglich.
23Auch aus Gründen der Arzneimittelsicherheit spreche nichts gegen eine Packungsgröße mit 20 Tabletten. Das BfArM habe im Jahr 2008 dieser Packungsgröße noch zugestimmt. Seither habe sich die Erkenntnislage nicht geändert. Eine Bestimmung der Packungsgröße durch Auflage sei nach der Kommentarliteratur nur in Ausnahmefällen zur Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit zulässig.
24Die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf die Ergebnisprotokolle der 68. und 69. Sitzung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht. Dort seien in erster Linie Packungsgrößen mit mehr als 20 Tabletten diskutiert worden. Beispielsweise sei dort eine Orientierung an der Regelung in Dänemark und UK vorgeschlagen worden, wo eine Begrenzung der Packungsgröße auf 20 Tabletten erfolgt sei. Auch sei aus der Empfehlung, dass die Packungsgröße unter Berücksichtigung der maximalen Therapiedauer zu bestimmen sei, nicht zu entnehmen, dass nur noch die Packungsgröße mit 12 Tabletten zulässig sei. Vielmehr sei die maximale Therapiedauer nur „zu berücksichtigen“, aber nicht als strikte Grenze zu verstehen.
25Im Übrigen seien Empfehlungen des Sachverständigenausschusses für die Verschreibungspflicht nicht bindend, sondern müssten noch durch das Bundesministerium für Gesundheit und den Bundesrat umgesetzt werden, was aber bisher noch nicht geschehen sei, obwohl das BfArM schon mehrfach versucht habe, eine Begrenzung von Analgetika in der Selbstmedikation durchzusetzen. Dies mache deutlich, dass sicherheitsrelevante Aspekte, die eine Streichung der Packungsgröße 20 Tabletten rechtfertigen würden, nicht vorlägen. Mit der streitgegenständlichen Beschränkung der Packungsgrößen übernehme das BfArM eine Kompetenz, die eigentlich dem zuständigen Bundesministerium im Rahmen der Regelung der Verschreibungspflicht zustehe.
26Schließlich hätten die Änderungen in der Bewertung der Sicherheit von Diclofenac-haltigen Arzneimitteln, z. B. die kardiovaskulären Risiken, bereits Eingang in die Fachinformationen gefunden. Wenn diese Risiken einen Bezug zur Packungsgröße hätten, wäre dies im Rahmen des Referral-Verfahrens des Art. 31 Richtlinie 2001/83/EG bereits für alle wirkstoffgleichen Präparate umgesetzt worden.
27Die Klägerin beantragt,
28die Auflage gemäß Anlage 1 zum Verlängerungsbescheid für W. E. 25 mg (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) vom 18.06.2013 zur Streichung der Packungsgröße 20 Tabletten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2013 aufzuheben.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass eine Packungsgröße von 20 Tabletten nicht therapiegerecht sei. Gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 AMG bestimme sich die Frage der zulässigen Packungsgröße grundsätzlich nach dem zugelassenen Anwendungsgebiet und der vorgesehenen Therapiedauer. Diese betrage ohne Rücksprache mit dem Arzt 4 Tage bei der Schmerzbekämpfung und 3 Tage für die Fiebersenkung, sodass bei der zulässigen Höchstdosierung nur eine Menge von maximal 12 Tabletten erforderlich sei, die durch die beantragte Packungsgröße erheblich überschritten sei. Eine Fortführung der Behandlung bei über 4 Tage anhaltenden Schmerzen ohne ärztliche Kontrolle sei aus Gründen der Arzneimittelsicherheit nicht akzeptabel.
32Die in der Literatur nur noch vereinzelt vertretene Auffassung, dass eine Einschränkung der Packungsgrößen nur in Ausnahmefällen zulässig sei, finde im Wortlaut der Vorschrift keine Stütze und widerspreche der Arzneimittelsicherheit. Mit diesem Argument ließe sich jede beliebige Packungsgröße rechtfertigen. Eine vom Verbraucher möglicherweise gewünschte Vorratshaltung oder Nutzung durch mehrere Personen müsse aus Gründen der Arzneimittelsicherheit gegenüber der Angemessenheit der Therapie zurücktreten. Mit diesem Argument ließe sich jede beliebige Packungsgröße rechtfertigen.
33Die Zulassung der Packungsgröße 20 Tabletten bei einem anderen Diclofenac-haltigen Medikament im Jahr 2008 entfalte keine Bindungswirkung. Seither habe sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum kardiovaskulären Risiko geändert, sodass eine präzise Einhaltung der vorgegebenen Dosierung geboten und durch eine Begrenzung der Packungsgröße zu realisieren sei. Dies werde auch durch eine Empfehlung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht im Rahmen der 68. Sitzung vom 27.02.2012 und der 69. Sitzung vom 28.06.2012 gestützt. In diesen Sitzungen sei es keineswegs nur um eine Streichung der Packungsgrößen mit mehr als 20 Tabletten gegangen. Vielmehr sei über verschiedene Maßnahmen zur Begrenzung der Einnahmedauer von OTC-Präparaten zur Schmerzbekämpfung auf 4 Tage diskutiert worden (Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen) und schließlich eine Begrenzung der Packungsgröße als zielführend angesehen worden. Um den in den Sitzungen des Sachverständigenausschusses aufgezeigten, zum Teil erheblichen Risiken entgegenzutreten, sei eine Begrenzung auf 12 Tabletten erforderlich. Falls nach Rücksprache mit dem Arzt eine längere Einnahmedauer geboten sei, könne eine weitere Packung mit 12 Tabletten erworben werden.
34Schließlich sei es nicht zutreffend, dass eine Begrenzung der Packungsgrößen im Rahmen des Verfahrens nach Art. 31 der Richtlinie 2001/83/EG hätte Beachtung finden müssen. Denn die Festlegung der Packungsgrößen sei national geregelt und nicht Gegenstand des Verfahrens nach Art. 31 der Richtlinie. Jedoch habe die zuständige Koordinierungsgruppe für das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und das dezentralisierte Verfahren am 28.06.2013 einen Sicherheitshinweis zu Diclofenac herausgegeben. Danach sei aufgrund von kardio-vaskulären Nebenwirkungen das Arzneimittel in der niedrigsten wirksamen Dosis über den kürzest nötigen Zeitraum anzuwenden. (Mitteilung der EMA vom 25.09.2013 – EMA/592685/2013 - , S. 2). Dieser Sicherheitshinweis rechtfertige das Vorgehen der Beklagten, den gebotenen Sicherheitsstandard durch eine entsprechende Festlegung der Packungsgröße umzusetzen. Hierfür stehe dem BfArM auch gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 AMG die Kompetenz zu.
35Das BfArM beabsichtige daher bei einer Bestätigung der Auflage durch die Rechtsprechung, künftig bei allen Diclofenac-haltigen Schmerzmitteln eine Begrenzung der Packungsgröße auf die zugelassene längste Therapiedauer aus Anlass von anstehenden Verlängerungen oder durch nachträgliche Auflagen vorzunehmen.
36Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die leider völlig ungeordneten Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
37E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
38Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig und begründet. Die Auflage zum Verlängerungsbescheid vom 20.06.2013 für das Arzneimittel „W. E. 25 mg“, mit der die Streichung der Packungsgröße 20 Tabletten angeordnet wurde, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
39Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Auflage zur Reglementierung der Packungsgröße ist § 28 Abs. 1 Satz 1 und 3 i.V.m. § 28 Abs. 2 Nr. 4 AMG. Danach kann die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung – auch nachträglich – mit Auflagen verbinden, um sicherzustellen, dass das Arzneimittel in Packungsgrößen in den Verkehr gebracht wird, die den Anwendungsgebieten und der vorgesehenen Dauer der Anwendung angemessen sind.
40Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage sind im vorliegenden Verfahren nicht erfüllt. Die von der Klägerin beantragte Packungsgröße 20 Tabletten ist im Hinblick auf die zugelassenen Anwendungsgebiete und die Anwendungsdauer noch als angemessen anzusehen. Demnach war die Streichung dieser Packungsgröße zur Sicherstellung angemessener Packungsgrößen nicht erforderlich.
41Bei der Auslegung der Auflagenermächtigung in § 28 Abs. 2 Nr. 4 AMG ist davon auszugehen, dass die Packungsgröße, also die in einer Packung befindliche Arzneimittelmenge, nach dem Willen des Gesetzgebers therapiegerecht sein soll. Das bedeutet, dass die Menge des Arzneimittels für die Therapie in dem jeweiligen Anwendungsgebiet ausreichend bemessen sein soll. Sie soll nicht zu gering sein, um die Wirksamkeit des Arzneimittels, also die Erreichung des Therapiezwecks, nicht zu gefährden. Sie soll auch nicht zu groß sein, damit eine bestimmungswidrige und übermäßige Anwendung des Arzneimittels mit der Folge einer Erhöhung der Arzneimittelrisiken vermieden wird. Die Auflagenbefugnis dient somit Zwecken der Arzneimittelsicherheit,
42vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 127. Akt.-Lief. 2014, § 28 Erl. 31; Fleischfresser, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2. Aufl. 2014, § 20 Rn. 12 f.; VG Köln, Urteil vom 22.11.2005 - 7 K 5513/03 - und Urteil vom 15.11.2010 - 24 K 1782/09 - .
43Aus dem Wortlaut und Zweck der Vorschrift lässt sich zwar nicht entnehmen, dass eine Auflage zur Bestimmung der Packungsgröße nur in gravierenden Fällen zulässig ist, in denen die Unangemessenheit einer Packungsgröße evident ist,
44Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, a.a.O., § 28 Erl. 31; a. A. Sander, Arzneimittelgesetz, 48. Lfg. August 2011, § 28 Erl. 9.
45Jedoch lässt der Wortlaut des § 28 Abs. 2 Nr. 4 AMG bei der Gestaltung der Packungsgröße einen gewissen Spielraum, indem er auf die „Angemessenheit“ der Packungsgröße abgestellt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die notwendige Therapiedauer individuell unterschiedlich sein kann und lässt Raum für die Berücksichtigung von Besonderheiten des jeweiligen Arzneimittels. Der Begriff der „Angemessenheit“ hat auch einen Bezug zum Übermaßverbot, das hier ebenfalls im Rahmen des eingeräumten Ermessens zu beachten ist. Dieses lässt einen Eingriff in den unternehmerischen Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Packungsgröße nicht zu, wenn eine Gefahr für die Arzneimittelsicherheit im Zusammenhang mit der Packungsgröße nicht ersichtlich ist,
46vgl. Fleischfresser, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, a.a.O., § 28 Rn. 11 f. und VG Köln, Urteil vom 22.11.2005 - 7 K 5513/03 - : „nicht mehr hinnehmbare Gefahr einer bestimmungswidrigen Anwendung“.
47Danach erweist sich im vorliegenden Fall die beantragte Packungsgröße von 20 Tabletten im Hinblick auf die zugelassenen Anwendungsgebiete und die Anwendungsdauer, die insbesondere Bedeutung für die Vermeidung von Arzneimittelrisiken hat, nicht als unangemessen.
48Das Anwendungsgebiet „leichte bis mäßig starke Schmerzen“ ist sehr weit formuliert und lässt eine generelle Bestimmung der notwendigen oder üblichen Therapiedauer nicht zu. Hiervon werden Schmerzzustände verschiedener Ursachen und damit auch unterschiedlicher Zeitdauer erfasst, die nur durch die Intensität der Schmerzen (leicht bis mäßig) begrenzt werden. Die zur Schmerzlinderung notwendige Therapiedauer kann dabei kürzer (Menstruationsschmerzen), aber auch länger als 4 Tage sein, beispielsweise bei Kopfschmerzen aufgrund eines grippalen Infektes oder Schmerzen nach Verletzungen oder Eingriffen, Gelenk- oder Muskelschmerzen. Insbesondere ist vom Anwendungsgebiet auch eine Schmerzdauer von 7 oder 10 Tagen erfasst, die mit der beantragten Packungsgröße von 20 Tabletten bei einer Dosierung von 3 oder 2 Tabletten täglich adäquat behandelt werden kann. Eine Packung mit 12 Tabletten wäre folglich für derartige Anwendungszeiträume nicht ausreichend. Eine Reduzierung der Packungsgröße auf 12 Tabletten, die das BfArM als maximale Packungsgröße anstrebt, lässt sich also im Hinblick auf das Anwendungsgebiet nicht rechtfertigen.
49Auch die vorgesehene Anwendungsdauer gebietet kein Verbot der Packungsgröße 20 Tabletten. Für die Anwendungsdauer gelten hier nach Maßgabe der genehmigten Gebrauchsinformation bzw. Fachinformation unterschiedliche Vorgaben für die Anwendung in der Selbstmedikation bzw. die Behandlung durch den Arzt. Ohne ärztlichen oder zahnärztlichen Rat soll das Arzneimittel nicht länger als 4 Tage bei leichten bis mäßig starken Schmerzen angewendet werden. Die Begrenzung der Anwendungsdauer auf 4 Tage gilt also nur für die Selbstmedikation.
50Nach Rücksprache und unter Kontrolle des Arztes kann das Arzneimittel auch länger angewendet werden. In diesem Fall gilt keine strikte zeitliche Begrenzung der Anwendungsdauer; vielmehr ist die Behandlungsdauer flexibel an den individuellen Bedarf des Patienten anzupassen, soll jedoch so kurz wie möglich sein. Dies ergibt sich aus der zugelassenen Fachinformation, in der es unter der Ziff. 4.2 und Ziff. 4.4 wie folgt heißt:
51„Nebenwirkungen können minimiert werden, indem die niedrigste wirksame Dosis über den kürzesten zur Symptomkontrolle erforderlichen Zeitraum angewendet wird.“ ...
52„Da die kardiovaskulären Risiken von Diclofenac mit der Dosis und der Dauer der Anwendung steigen können, sollte die niedrigste wirksame tägliche Dosis über den kürzesten möglichen Zeitraum angewendet werden. Es sollte regelmäßig überprüft werden, ob der Patient noch einer Symptomlinderung bedarf und wie er auf die Therapie anspricht. Die verfügbaren Daten deuten nicht auf ein erhöhtes Risiko bei der Anwendung von niedrig dosiertem Diclofenac (bis zu 75 mg/Tag) bei einer Anwendungsdauer von 4 Tagen bzw. bei Fieber von 3 Tagen hin.“
53Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die hiernach vorgesehene flexible Dauer einer ärztlichen Schmerztherapie bei 7 oder 10 Tagen, wie sie mit der streitgegenständlichen Packung möglich ist, bereits überschritten wird. Auch bei einer Anwendung über 20 Tage, die bei Einnahme einer Tagesdosis von nur 1 Tablette denkbar, aber wahrscheinlich nicht ausreichend wirksam ist, dürfte die ärztliche Behandlungsdauer mit dem Arzneimittel noch vertretbar sein, zumal in diesem Fall wegen der geringen Tagesdosis das Nebenwirkungsrisiko wiederum sinkt.
54Das BfArM hat anerkannt, dass der Wirkstoff Diclofenac trotz seiner nicht unerheblichen gastro-intestinalen und kardio-vaskulären Risiken unter ärztlicher Überwachung auch längerfristig angewendet werden kann. Das ergibt sich beispielsweise aus den Texten der zugelassenen Fachinformation zu „W. E. 25 mg“ unter der Ziff. 4.4:
55„Bei längerer Behandlung mit Diclofenac ist als Vorsichtsmaßnahme eine regelmäßige Überwachung der Leberfunktion indiziert. ...Bei längerer Behandlung mit Diclofenac wird – wie bei anderen NSAR – empfohlen, das Blutbild zu überwachen.“
56Ferner ist dies aus der im Internet verfügbaren Gebrauchsinformation für das verschreibungspflichtige Arzneimittel W. S. vom September 2014 zu entnehmen. Dieses enthält pro Hartkapsel 75 mg Diclofenac, die bis zu 2 mal täglich eingenommen werden kann. Es ist damit doppelt so hoch dosiert (Tagesdosis) und u.a. für chronische Gelenk-, Wirbelsäulen- und rheumatische Erkrankungen zugelassen. Dort befindet sich der folgende Text unter Ziff. 2 und 3.:
57„Nebenwirkungen können minimiert werden, indem die niedrigste wirksame Dosis über den kürzesten, zur Besserung der Symptome erforderlichen Zeitraum angewendet wird. ...
58Für leichtere Fälle und in der Langzeittherapie ist oft 1 Hartkapsel pro Tag ausreichend. ... Über die Dauer der Anwendung entscheidet der behandelnde Arzt. Bei rheumatischen Erkrankungen kann die Einnahme von W. S. über einen längeren Zeitraum erforderlich sein.“
59Diese Angaben stehen in Übereinstimmung mit dem von der Beklagten angeführten Sicherheitshinweis der EMA vom 25.09.2013 (EMA/592685/2013), der aus dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu den Risiken von Diclofenac eine Überwachung und Begrenzung der Therapiedauer auf den kürzesten, zur Symptomkontrolle erforderlichen Zeitraum, aber nicht auf eine Zeitdauer von 4 Tagen abgeleitet hat.
60Diese Empfehlung ist daher nicht geeignet, die Reduzierung der Packungsgröße auf 12 Tabletten generell und auch für den Fall der ärztlichen Behandlung zu rechtfertigen.
61Die Beklagte hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die kardiovaskulären Risiken bereits nach dem Ablauf von 4 Tagen, insbesondere in dem hier maßgeblichen Zeitraum bis zu 20 Tagen (bei 1 Tablette täglich) und bei der hier zugelassenen Tagesdosis bis 75 mg Diclofenac erheblich ansteigen. Im Gegenteil beruhen die Daten, aus denen die veränderte Sicherheitsbewertung für Diclofenac abgeleitet wurde, auf Langzeitbehandlungen von mehreren Monaten bis zu eineinhalb Jahren von Arthrosepatienten mit doppelt so hoher Dosierung (150 mg/Tag), wie die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben,
62vgl. Krum, et al., “Blood Pressure and Cardiovascular Outcomes in Patients Taking Nonsteroidal Antiinflammatory Drugs”, Cardiovascular Therapeutics 30 (2012), 342 – 350 (Anlage B 5); Coxib and traditional NSAID Trialists’ (CNT) Collaboration, “Vascular and popper gastrointestinal effects of non-steroidal anti-inflammatory drugs: meta-analyses of individual participant data from randomized trials”, Lancet 2013, 769 – 79 (Anlage B 6).
63Demnach erfordert auch die wissenschaftliche Erkenntnis, dass „Arzneimittel wie W. E. 25 mg möglicherweise mit einem geringfügig erhöhten Risiko für Herzanfälle („Herzinfarkt“) oder Schlaganfälle verbunden sind“ (so die Packungsbeilage von Juli 2013), keine Anwendungsbeschränkung auf 4 Tage und damit eine Packungsgröße von 12 Tabletten. Vielmehr ist ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis auch bei einer Therapiedauer zwischen 5 und 20 Tagen noch gegeben.
64Diese Auffassung hat das BfArM selbst auch noch im Jahr 2010 vertreten. Es hat in der 64. Sitzung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht am 12.01.2010 (Anlage B 7) noch eine Begrenzung der Packungsgröße für Diclofenac in einer Stärke von 25 mg auf 20 Tabletten (bis zu 500 mg = 20 x 25 mg) vorgeschlagen und dies mit den Risiken einer gastro-intestinalen und kardiovaskulären Toxizität sowie der Gefahr der Krankheitsverschleppung begründet. Demnach waren die Risiken für Herz- und Schlaganfälle schon seinerzeit bekannt. Das BfArM hat bisher nicht begründet, warum die Erkenntnisse aus den neueren Studien (z.B. Anlagen B 5 und B 6) dazu führen, dass nunmehr die Risiken bereits bei einer niedrig dosierten Kurzzeitbehandlung in einem Zeitraum zwischen 5 und 20 Tagen substantiell erhöht sind und daher nur noch eine kürzere Anwendung rechtfertigen.
65Es ist auch nicht hinreichend dargetan, dass das Risiko für gastro-intestinale Nebenwirkungen oder eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes bei einer Einnahmedauer zwischen 5 und max. 20 Tagen substantiell ansteigt. Auf diese Risiken hat sich das BfArM im vorliegenden Verfahren bisher nicht berufen. Lediglich in der mündlichen Verhandlung wurden auch diese Punkte kurz erwähnt. Zwar wurde der Vorschlag des BfArM für eine Begrenzung der Packungsgröße der OTC-Analgetika in den Sitzungen des Ausschusses für Verschreibungspflicht im Wesentlichen auf eine erhebliche Zunahme des Nebenwirkungsrisikos für den Magen-Darmbereich nach dem 5. Tag der Anwendung gestützt, vgl. Vorlage des BfArM für die 69. Sitzung vom 26.06.2012, Beiakte 7. Die dort zitierten Studien und Nebenwirkungsmeldungen sind aufgrund der sehr kurzen Darstellung aber weder nachvollziehbar, noch speziell auf den Wirkstoff Diclofenac und die hier streitgegenständliche Dosierung und kurzfristige Anwendungsdauer bezogen. Derselbe Einwand gilt auch für das Risiko eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes, dessen Prävalenz in der Bevölkerung bei 1 % liegen soll. Ein Zusammenhang mit der Anwendung des vorliegenden Präparats in einer Packungsgröße von 20 Tabletten lässt sich nicht erkennen. Daher ist die beantragte Packungsgröße von 20 Tabletten für eine ärztlich kontrollierte Kurzzeitbehandlung als therapiegerecht anzusehen.
66Diese Packungsgröße kann aber auch im Fall der auf 4 Tage begrenzten Selbstmedikation noch als angemessen bewertet werden. Zwar überschreitet die verfügbare Arzneimittelmenge die vorgesehene Anwendungsdauer deutlich, da bei einer Tageshöchstdosis von 3 Tabletten nur 12 Tabletten benötigt werden, somit 8 Tabletten übrig bleiben. Diese ermöglichen eine verlängerte oder eine nochmalige Anwendung über 2 – 4 Tage (bei einer ausreichend wirksamen Dosis von 2 oder 3 Tabletten täglich).
67Unter dem Gesichtspunkt der Therapiegerechtigkeit ist es nicht unangemessen, wenn ein begrenzter Rest in der Verpackung verbleibt, der bei wiederkehrenden Schmerzereignissen als Vorrat zur Verfügung steht. Das streitgegenständliche Arzneimittel ist auch für die Anwendung bei wiederkehrenden Schmerzzuständen, z.B. bei Menstruationsschmerzen oder Kopfschmerzen, vorgesehen. Es erscheint therapeutisch sinnvoll, wenn Menschen, die unter derartigen wiederholten Schmerzen leiden, einen kleinen Vorrat an Schmerztabletten in der Hausapotheke vorrätig halten und diese nicht erst in einer Apotheke erwerben müssen. Bei akuten Schmerzen ist eine sofortige Schmerzbekämpfung erforderlich, um Leiden zu lindern und der Entstehung eines „Schmerzgedächtnisses“ entgegenzuwirken,
68vgl. www.aezteblatt.de: „Schmerzgedächtnis: Entstehung, Vermeidung und Löschung.“, Dtsch. Ärzteblatt 2001, 98 (42), Abruf vom 02.04.2014.
69Dass diese Gesundheitsinteressen eines Patienten gegenüber der Arzneimittelsicherheit (Verhinderung einer Überschreitung der Anwendungsdauer) zurücktreten müssen, ist nicht erkennbar. Der weitere Einwand des BfArM, dass mit dieser Begründung jede Packungsgröße gerechtfertigt werden könnte, ist nicht überzeugend. Die hier streitige Packungsgröße wäre lediglich für eine zweite Schmerzepisode der Selbstmedikation von 2 – 3 Tagen ausreichend. Hiermit kann zwar ein Wochenende überbrückt, aber ein länger andauernder Medikamentenmissbrauch oder eine gewohnheitsmäßig Einnahme von Schmerzmitteln nicht gefördert werden.
70Erweist sich die beantragte Packungsgröße somit in der bestimmungsgemäßen Anwendung unter ärztlicher Kontrolle als auch in der wiederholten Selbstmedikation für 4 Tage als therapiegerecht, so kann die angefochtene Auflage nur noch dann gerechtfertigt sein, wenn sie geeignet und erforderlich ist, um eine bestimmungswidrige Überschreitung der Anwendungsdauer in der Selbstmedikation zu verhindern. Dies kann jedoch nicht festgestellt werden.
71Es ist zunächst zweifelhaft, ob – wie das BfArM in der 69. Sitzung des Ausschusses für die Verschreibungspflicht vorgetragen hat – tatsächlich davon auszugehen ist, dass die Vorgaben der Packungsbeilage und damit die Anwendungsdauer häufig nicht beachtet werden (Protokoll, S. 3, Bl. 55 d.A.). Gleichzeitig wurde nämlich vorgetragen, dass sich über die tatsächliche Anwendungsdauer nur begrenzte Daten aus Studien ergäben (Protokoll, S. 4, Bl. 56 d.A.). Ferner hat einer der Sachverständigen eingewandt, es gebe publizierte Daten, nach denen die durchschnittliche Anwendungsdauer von Analgetika in Deutschland etwa 2,2 Tage betrage und der Verbrauch in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten eher niedrig sei. (Protokoll S. 5, Bl. 57 d.A.). Dem ist das BfArM bisher nicht substantiiert entgegengetreten. Es ist daher unklar, ob überhaupt eine Gefahr für die Arzneimittelsicherheit in der Selbstmedikation besteht, die ein Einschreiten erforderlich macht.
72Ferner erscheint fraglich, ob gerade bei Schmerzmitteln eine Überschreitung der Anwendungsdauer - diese einmal unterstellt - durch die Packungsgröße verhindert werden kann, mithin die Reduzierung der Packungsgröße geeignet ist, eine Änderung des Verbraucherverhaltens zu bewirken. Denn das Nutzungsverhalten hängt von zahlreichen anderen Parametern ab (z. B. Dauer des Schmerzzustandes, Aufwand für einen Arztbesuch), und eine kleinere Packungsgröße kann leicht durch vermehrte Einkäufe bei verschiedenen Apotheken oder in Internetapotheken kompensiert werden. Außerdem ist zweifelhaft, ob die vom BfArM beabsichtigte Signalwirkung der einheitlichen Packungsgröße aller nicht verschreibungspflichtigen Schmerzmittel überhaupt wahrgenommen wird. Dementsprechend wurden auch in der 68. und 69. Sitzung des Ausschusses für die Verschreibungspflicht mehrfach Zweifel daran geäußert, dass das Einnahmeverhalten von Patienten durch die Packungsgröße beeinflusst werden kann und es wurde vorgeschlagen, Verbraucher stattdessen auf die Risiken einer längerfristigen Schmerzmitteleinnahme hinzuweisen (Protokoll der 68. Sitzung, S. 8 und 9, Bl. 51 und 52 d. A. und Protokoll der 69. Sitzung, S. 4 und 5, Bl. 56 und 57 d.A.).
73Dieser Vorschlag zeigt auf, dass es ein besseres Mittel zur zeitlichen Begrenzung der Selbstmedikation gibt als die leicht zu umgehende Reduzierung der Packungsgröße. Hierbei ist nach der Rechtsprechung ein Verbraucherleitbild zugrunde zu legen, welches von einem verständigen, aufmerksamen und durchschnittlich informierten Verbraucher ausgeht. Demgegenüber scheint für das BfArM immer noch das Leitbild eines „unbedarften“ und uninformierten Patienten maßgeblich zu sein, der durch kleinere Arzneimittelmengen an einer längeren Einnahme gehindert werden soll (Protokoll der 68. Sitzung, S. 7 und 10, Bl. 50 und 53 d.A.). Vom Ausgangspunkt eines vernünftigen Verbrauchers erscheint eine verstärkte Information über Risiken von Schmerzmitteln und eine längere Einnahme ohne ärztliche Diagnose, z.B. durch deutliche, hervorgehobene Hinweise auf Verpackung und Gebrauchsinformation, besser geeignet, die Einsicht und damit das Verhalten des Verbrauchers zu beeinflussen als eine einheitliche Packungsgröße. Erweist sich aber eine bessere Information des Verbrauchers über Arzneimittelrisiken als ein besser geeignetes Mittel zur Verhinderung eines langfristigen Schmerzmittelgebrauchs in der Selbstmedikation, dann ist die Begrenzung der Packungsgröße nicht erforderlich.
74Schließlich sind die im vorliegenden Verfahren zu beachtenden Risiken der Selbstmedikation, die bei einer ausreichenden Dosierung lediglich einen Zeitraum von 7 bis 10 Tagen, und nicht eine gewohnheitsmäßige, langfristige Einnahme von Schmerzmitteln betreffen, überschaubar . Wie bereits ausgeführt, ist nicht erkennbar, dass die gastro-intestinalen Risiken und die kardiovaskulären Risiken eine Reduzierung der Einnahme auf 4 Tage rechtfertigen. Das hat auch die europäische Arzneimittelagentur in ihrem Sicherheitshinweis nicht gefordert.
75Auch die Gefahren, die durch die Verschleppung einer Krankheit entstehen können, wenn ein Arztbesuch mit einer Verspätung von wenigen Tagen erfolgt, sind in zahlreichen Fällen der Selbstmedikation als beherrschbar anzusehen. Zwar ist die Anwendungsdauer in der Selbstmedikation bestandskräftig auf 4 Tage festgesetzt und trägt der Tatsache Rechnung, dass Schmerz ein Krankheitssymptom ist, das auf eine erhebliche Gesundheitsgefahr hinweisen kann und daher von dem Patienten ernst genommen werden muss. Schmerzen weisen jedoch nicht in jedem Fall auf eine bedrohliche Gesundheitsgefahr hin. Die häufige Einnahme von OTC-Analgetika in Deutschland zeigt, dass es sich hier um wiederkehrende Schmerzzustände handelt, die dem Patienten bekannt und in der Regel auch ärztlich diagnostiziert sind, ohne dass eine ursächliche Therapie möglich ist. Dies gilt beispielsweise für Menstruationsschmerzen, Kopfschmerzen bei Erkältungskrankheiten, Wetterfühligkeit oder Übermüdung, Rücken- oder Gelenkschmerzen. Wenn der Patient seine Beschwerden einem solchen bekannten Krankheitsbild zuordnen kann, erscheint es vertretbar, die Einnahme eines Schmerzmittels auch nach Ablauf von 4 Tagen, beispielsweise an einem Wochenende, für kurze Zeit fortzusetzen, bevor ein Arzt konsultiert wird. Einem durchschnittlich informierten und verständigen Patienten kann es durchaus zugetraut werden, seine Beschwerden einzuordnen und bei unbekannten oder zunehmenden Schmerzen spätestens nach 4 Tagen einen Arzt aufzusuchen. Demnach erscheint das Risiko, dass es im Fall der streitgegenständlichen Packungsgröße zu einer wesentlichen Überschreitung der Anwendungsdauer in der Selbstmedikation und in der Folge zu einer ernsthaften Gesundheitsgefahr durch eine verspätete Diagnose und Therapie kommen kann, eher gering.
76Im Hinblick auf den Nutzen der streitgegenständlichen Packungsgröße bei der ärztlich überwachten Anwendung und bei der wiederholten, kurzzeitigen Anwendung in der Selbstmedikation sind die Gefahren durch eine geringfügige Überschreitung der Therapiedauer um wenige Tage nicht so ausgeprägt, dass sie eine Untersagung der Packungsgröße rechtfertigen. Dieser – bis 2010 auch vom BfArM vertretenen - Auffassung ist bisher wohl auch das Bundesministerium für Gesundheit gefolgt. Denn es hat die Empfehlung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht, eine einheitliche Begrenzung der Packungsgröße auf eine maximale Anwendungsdauer von 4 Tagen für OTC (over-the-counter)-Analgetika vorzunehmen, bisher nicht realisiert. Wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt haben, wurde zunächst eine Studie in Auftrag gegeben, die das Nebenwirkungsrisiko dieser Arzneimittel durch eine Erhebung bei Krankenhauspatienten näher untersuchen soll. Die Ergebnisse der Studie liegen bisher noch nicht vor. Diese Entwicklung zeigt, dass die Empfehlung des Sachverständigenrates zur Reduzierung der Packungsgrößen auf einer eher dürftigen Datenlage beruhte, wie insbesondere in der 68. Sitzung des Ausschusses vielfach bemängelt worden ist. Sie kann daher auch im vorliegenden Verfahren nicht davon überzeugen, dass die Untersagung der beantragten Packungsgröße aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist.
77Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
78Das Gericht hat die Berufung zugelassen, da die Entscheidung im Hinblick auf das Vorhaben des BfArM, die Packungsgrößen künftig bei allen Diclofenac-haltigen Arzneimitteln zu begrenzen, grundsätzliche Bedeutung hat, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 14. Apr. 2015 - 7 K 6358/13
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Referenzen - Gesetze
(1) Die Zulassung erlischt
- 1.
wenn das zugelassene Arzneimittel innerhalb von drei Jahren nach Erteilung der Zulassung nicht in den Verkehr gebracht wird oder wenn sich das zugelassene Arzneimittel, das nach der Zulassung in den Verkehr gebracht wurde, in drei aufeinander folgenden Jahren nicht mehr im Verkehr befindet, - 2.
durch schriftlichen Verzicht, - 3.
nach Ablauf von fünf Jahren seit ihrer Erteilung, es sei denn, dass spätestens neun Monate vor Ablauf der Frist bei der zuständigen Bundesoberbehörde ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung gestellt wird, - 3a.
(weggefallen) - 4.
wenn die Verlängerung der Zulassung versagt wird.
(1a) Eine Zulassung, die verlängert wird, gilt ohne zeitliche Begrenzung, es sei denn, dass die zuständige Bundesoberbehörde bei der Verlängerung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 eine weitere Verlängerung um fünf Jahre nach Maßgabe der Vorschriften in Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Absatz 2 auch unter Berücksichtigung einer zu geringen Anzahl von Patienten, bei denen das betreffende Arzneimittel angewendet wurde, als erforderlich beurteilt und angeordnet hat, um das sichere Inverkehrbringen des Arzneimittels weiterhin zu gewährleisten.
(2) Der Antrag auf Verlängerung ist durch einen Bericht zu ergänzen, der Angaben darüber enthält, ob und in welchem Umfang sich die Beurteilungsmerkmale für das Arzneimittel innerhalb der letzten fünf Jahre geändert haben. Der Inhaber der Zulassung hat der zuständigen Bundesoberbehörde dazu eine überarbeitete Fassung der Unterlagen in Bezug auf die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit vorzulegen, in der alle seit der Erteilung der Zulassung vorgenommenen Änderungen berücksichtigt sind.
(3) Die Zulassung ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 oder des Absatzes 1a auf Antrag nach Absatz 2 Satz 1 innerhalb von sechs Monaten vor ihrem Erlöschen um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 6 vorliegt oder die Zulassung nicht nach § 30 Abs. 1 Satz 2 zurückzunehmen oder zu widerrufen ist oder wenn von der Möglichkeit der Rücknahme nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 oder des Widerrufs nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 kein Gebrauch gemacht werden soll. § 25 Abs. 5 Satz 5 und Abs. 5a gilt entsprechend. Bei der Entscheidung über die Verlängerung ist auch zu überprüfen, ob Erkenntnisse vorliegen, die Auswirkungen auf die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht haben.
(4) Erlischt die Zulassung nach Absatz 1 Nr. 2 oder 3, so darf das Arzneimittel noch zwei Jahre, beginnend mit dem auf die Bekanntmachung des Erlöschens nach § 34 folgenden 1. Januar oder 1. Juli, in den Verkehr gebracht werden. Das gilt nicht, wenn die zuständige Bundesoberbehörde feststellt, dass eine Voraussetzung für die Rücknahme oder den Widerruf nach § 30 vorgelegen hat; § 30 Abs. 4 findet Anwendung.
(1) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung mit Auflagen verbinden. Bei Auflagen nach den Absätzen 2 bis 3d zum Schutz der Umwelt, entscheidet die zuständige Bundesoberbehörde im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt, soweit Auswirkungen auf die Umwelt zu bewerten sind. Hierzu übermittelt die zuständige Bundesoberbehörde dem Umweltbundesamt die zur Beurteilung der Auswirkungen auf die Umwelt erforderlichen Angaben und Unterlagen. Auflagen können auch nachträglich angeordnet werden.
(2) Auflagen nach Absatz 1 können angeordnet werden, um sicherzustellen, dass
- 1.
die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen den Vorschriften des § 10 entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
Hinweise oder Warnhinweise, soweit sie erforderlich sind, um bei der Anwendung des Arzneimittels eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit zu verhüten, - b)
Aufbewahrungshinweise für den Verbraucher und Lagerhinweise für die Fachkreise, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten,
- 2.
die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
die in der Nummer 1 Buchstabe a genannten Hinweise oder Warnhinweise, - b)
die Aufbewahrungshinweise für den Verbraucher, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten,
- 2a.
die Fachinformation den Vorschriften des § 11a entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
die in Nummer 1 Buchstabe a genannten Hinweise oder Warnhinweise, - b)
besondere Lager- und Aufbewahrungshinweise, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten, - c)
Hinweise auf Auflagen nach Absatz 3,
- 3.
die Angaben nach den §§ 10, 11 und 11a den für die Zulassung eingereichten Unterlagen entsprechen und dabei einheitliche und allgemein verständliche Begriffe und ein einheitlicher Wortlaut, auch entsprechend den Empfehlungen und Stellungnahmen der Ausschüsse der Europäischen Arzneimittel-Agentur, verwendet werden, wobei die Angabe weiterer Gegenanzeigen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zulässig bleibt; von dieser Befugnis kann die zuständige Bundesoberbehörde allgemein aus Gründen der Arzneimittelsicherheit, der Transparenz oder der rationellen Arbeitsweise Gebrauch machen; dabei kann angeordnet werden, dass bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bestimmte Anwendungsgebiete entfallen, wenn zu befürchten ist, dass durch deren Angabe der therapeutische Zweck gefährdet wird, - 4.
das Arzneimittel in Packungsgrößen in den Verkehr gebracht wird, die den Anwendungsgebieten und der vorgesehenen Dauer der Anwendung angemessen sind, - 5.
das Arzneimittel in einem Behältnis mit bestimmter Form, bestimmtem Verschluss oder sonstiger Sicherheitsvorkehrung in den Verkehr gebracht wird, soweit es geboten ist, um die Einhaltung der Dosierungsanleitung zu gewährleisten oder um die Gefahr des Missbrauchs durch Kinder zu verhüten.
(2a) Warnhinweise nach Absatz 2 können auch angeordnet werden, um sicherzustellen, dass das Arzneimittel nur von Ärzten bestimmter Fachgebiete verschrieben und unter deren Kontrolle oder nur in Kliniken oder Spezialkliniken oder in Zusammenarbeit mit solchen Einrichtungen angewendet werden darf, wenn dies erforderlich ist, um bei der Anwendung eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Menschen zu verhüten, insbesondere, wenn die Anwendung des Arzneimittels nur bei Vorhandensein besonderer Fachkunde oder besonderer therapeutischer Einrichtungen unbedenklich erscheint.
(3) Die zuständige Bundesoberbehörde kann durch Auflagen ferner anordnen, dass weitere analytische, pharmakologisch-toxikologische oder klinische Prüfungen durchgeführt werden und über die Ergebnisse berichtet wird, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Arzneimittel einen großen therapeutischen Wert haben kann und deshalb ein öffentliches Interesse an seinem unverzüglichen Inverkehrbringen besteht, jedoch für die umfassende Beurteilung des Arzneimittels weitere wichtige Angaben erforderlich sind. Die zuständige Bundesoberbehörde überprüft jährlich die Ergebnisse dieser Prüfungen.
(3a) Die zuständige Bundesoberbehörde kann bei Erteilung der Zulassung durch Auflagen ferner anordnen,
- 1.
bestimmte im Risikomanagement-System enthaltene Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Anwendung des Arzneimittels zu ergreifen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 2.
Unbedenklichkeitsstudien durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 3.
Verpflichtungen im Hinblick auf die Erfassung oder Meldung von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen, die über jene des Zehnten Abschnitts hinausgehen, einzuhalten, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 4.
sonstige erforderliche Maßnahmen hinsichtlich der sicheren und wirksamen Anwendung des Arzneimittels zu ergreifen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 5.
ein angemessenes Pharmakovigilanz-System einzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 6.
soweit Bedenken bezüglich einzelner Aspekte der Wirksamkeit des Arzneimittels bestehen, die erst nach seinem Inverkehrbringen beseitigt werden können, Wirksamkeitsstudien nach der Zulassung durchzuführen, die den Vorgaben in Artikel 21a Satz 1 Buchstabe f der Richtlinie 2001/83/EG entsprechen.
(3b) Die zuständige Bundesoberbehörde kann nach Erteilung der Zulassung ferner durch Auflagen anordnen,
- 1.
ein Risikomanagement-System und einen Risikomanagement-Plan einzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 2.
Unbedenklichkeitsstudien durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 3.
eine Wirksamkeitsstudie durchzuführen, wenn Erkenntnisse über die Krankheit oder die klinische Methodik darauf hindeuten, dass frühere Bewertungen der Wirksamkeit erheblich korrigiert werden müssen; die Verpflichtung, diese Wirksamkeitsstudie nach der Zulassung durchzuführen, muss den Vorgaben nach Artikel 22a Absatz 1 Buchstabe b Satz 2 der Richtlinie 2001/83/EG entsprechen.
(3c) Die zuständige Bundesoberbehörde kann durch Auflage ferner anordnen, dass bei der Herstellung und Kontrolle solcher Arzneimittel und ihrer Ausgangsstoffe, die biologischer Herkunft sind oder auf biotechnischem Wege hergestellt werden,
- 1.
bestimmte Anforderungen eingehalten und bestimmte Maßnahmen und Verfahren angewendet werden, - 2.
Unterlagen vorgelegt werden, die die Eignung bestimmter Maßnahmen und Verfahren begründen, einschließlich von Unterlagen über die Validierung, - 3.
die Einführung oder Änderung bestimmter Anforderungen, Maßnahmen und Verfahren der vorherigen Zustimmung der zuständigen Bundesoberbehörde bedarf,
(3d) (weggefallen)
(3e) (weggefallen)
(3f) Bei Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b kann die zuständige Bundesoberbehörde Art, Umfang und Zeitrahmen der Studien oder Prüfungen sowie Tätigkeiten, Maßnahmen und Bewertungen im Rahmen des Risikomanagement-Systems bestimmen. Die Ergebnisse sind durch Unterlagen so zu belegen, dass aus diesen Art, Umfang und Zeitpunkt der Studien oder Prüfungen hervorgehen.
(3g) Der Inhaber der Zulassung eines Arzneimittels hat alle Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b in sein Risikomanagement-System aufzunehmen. Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet die Europäische Arzneimittel-Agentur über die Zulassungen, die unter den Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b erteilt wurden.
(3h) Die zuständige Bundesoberbehörde kann bei biologischen Arzneimitteln geeignete Maßnahmen zur besseren Identifizierbarkeit von Nebenwirkungsmeldungen anordnen.
(4) Soll die Zulassung mit einer Auflage verbunden werden, so wird die in § 27 Abs. 1 vorgesehene Frist bis zum Ablauf einer dem Antragsteller gewährten Frist zur Stellungnahme gehemmt. § 27 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung mit Auflagen verbinden. Bei Auflagen nach den Absätzen 2 bis 3d zum Schutz der Umwelt, entscheidet die zuständige Bundesoberbehörde im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt, soweit Auswirkungen auf die Umwelt zu bewerten sind. Hierzu übermittelt die zuständige Bundesoberbehörde dem Umweltbundesamt die zur Beurteilung der Auswirkungen auf die Umwelt erforderlichen Angaben und Unterlagen. Auflagen können auch nachträglich angeordnet werden.
(2) Auflagen nach Absatz 1 können angeordnet werden, um sicherzustellen, dass
- 1.
die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen den Vorschriften des § 10 entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
Hinweise oder Warnhinweise, soweit sie erforderlich sind, um bei der Anwendung des Arzneimittels eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit zu verhüten, - b)
Aufbewahrungshinweise für den Verbraucher und Lagerhinweise für die Fachkreise, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten,
- 2.
die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
die in der Nummer 1 Buchstabe a genannten Hinweise oder Warnhinweise, - b)
die Aufbewahrungshinweise für den Verbraucher, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten,
- 2a.
die Fachinformation den Vorschriften des § 11a entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
die in Nummer 1 Buchstabe a genannten Hinweise oder Warnhinweise, - b)
besondere Lager- und Aufbewahrungshinweise, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten, - c)
Hinweise auf Auflagen nach Absatz 3,
- 3.
die Angaben nach den §§ 10, 11 und 11a den für die Zulassung eingereichten Unterlagen entsprechen und dabei einheitliche und allgemein verständliche Begriffe und ein einheitlicher Wortlaut, auch entsprechend den Empfehlungen und Stellungnahmen der Ausschüsse der Europäischen Arzneimittel-Agentur, verwendet werden, wobei die Angabe weiterer Gegenanzeigen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zulässig bleibt; von dieser Befugnis kann die zuständige Bundesoberbehörde allgemein aus Gründen der Arzneimittelsicherheit, der Transparenz oder der rationellen Arbeitsweise Gebrauch machen; dabei kann angeordnet werden, dass bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bestimmte Anwendungsgebiete entfallen, wenn zu befürchten ist, dass durch deren Angabe der therapeutische Zweck gefährdet wird, - 4.
das Arzneimittel in Packungsgrößen in den Verkehr gebracht wird, die den Anwendungsgebieten und der vorgesehenen Dauer der Anwendung angemessen sind, - 5.
das Arzneimittel in einem Behältnis mit bestimmter Form, bestimmtem Verschluss oder sonstiger Sicherheitsvorkehrung in den Verkehr gebracht wird, soweit es geboten ist, um die Einhaltung der Dosierungsanleitung zu gewährleisten oder um die Gefahr des Missbrauchs durch Kinder zu verhüten.
(2a) Warnhinweise nach Absatz 2 können auch angeordnet werden, um sicherzustellen, dass das Arzneimittel nur von Ärzten bestimmter Fachgebiete verschrieben und unter deren Kontrolle oder nur in Kliniken oder Spezialkliniken oder in Zusammenarbeit mit solchen Einrichtungen angewendet werden darf, wenn dies erforderlich ist, um bei der Anwendung eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Menschen zu verhüten, insbesondere, wenn die Anwendung des Arzneimittels nur bei Vorhandensein besonderer Fachkunde oder besonderer therapeutischer Einrichtungen unbedenklich erscheint.
(3) Die zuständige Bundesoberbehörde kann durch Auflagen ferner anordnen, dass weitere analytische, pharmakologisch-toxikologische oder klinische Prüfungen durchgeführt werden und über die Ergebnisse berichtet wird, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Arzneimittel einen großen therapeutischen Wert haben kann und deshalb ein öffentliches Interesse an seinem unverzüglichen Inverkehrbringen besteht, jedoch für die umfassende Beurteilung des Arzneimittels weitere wichtige Angaben erforderlich sind. Die zuständige Bundesoberbehörde überprüft jährlich die Ergebnisse dieser Prüfungen.
(3a) Die zuständige Bundesoberbehörde kann bei Erteilung der Zulassung durch Auflagen ferner anordnen,
- 1.
bestimmte im Risikomanagement-System enthaltene Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Anwendung des Arzneimittels zu ergreifen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 2.
Unbedenklichkeitsstudien durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 3.
Verpflichtungen im Hinblick auf die Erfassung oder Meldung von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen, die über jene des Zehnten Abschnitts hinausgehen, einzuhalten, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 4.
sonstige erforderliche Maßnahmen hinsichtlich der sicheren und wirksamen Anwendung des Arzneimittels zu ergreifen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 5.
ein angemessenes Pharmakovigilanz-System einzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 6.
soweit Bedenken bezüglich einzelner Aspekte der Wirksamkeit des Arzneimittels bestehen, die erst nach seinem Inverkehrbringen beseitigt werden können, Wirksamkeitsstudien nach der Zulassung durchzuführen, die den Vorgaben in Artikel 21a Satz 1 Buchstabe f der Richtlinie 2001/83/EG entsprechen.
(3b) Die zuständige Bundesoberbehörde kann nach Erteilung der Zulassung ferner durch Auflagen anordnen,
- 1.
ein Risikomanagement-System und einen Risikomanagement-Plan einzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 2.
Unbedenklichkeitsstudien durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 3.
eine Wirksamkeitsstudie durchzuführen, wenn Erkenntnisse über die Krankheit oder die klinische Methodik darauf hindeuten, dass frühere Bewertungen der Wirksamkeit erheblich korrigiert werden müssen; die Verpflichtung, diese Wirksamkeitsstudie nach der Zulassung durchzuführen, muss den Vorgaben nach Artikel 22a Absatz 1 Buchstabe b Satz 2 der Richtlinie 2001/83/EG entsprechen.
(3c) Die zuständige Bundesoberbehörde kann durch Auflage ferner anordnen, dass bei der Herstellung und Kontrolle solcher Arzneimittel und ihrer Ausgangsstoffe, die biologischer Herkunft sind oder auf biotechnischem Wege hergestellt werden,
- 1.
bestimmte Anforderungen eingehalten und bestimmte Maßnahmen und Verfahren angewendet werden, - 2.
Unterlagen vorgelegt werden, die die Eignung bestimmter Maßnahmen und Verfahren begründen, einschließlich von Unterlagen über die Validierung, - 3.
die Einführung oder Änderung bestimmter Anforderungen, Maßnahmen und Verfahren der vorherigen Zustimmung der zuständigen Bundesoberbehörde bedarf,
(3d) (weggefallen)
(3e) (weggefallen)
(3f) Bei Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b kann die zuständige Bundesoberbehörde Art, Umfang und Zeitrahmen der Studien oder Prüfungen sowie Tätigkeiten, Maßnahmen und Bewertungen im Rahmen des Risikomanagement-Systems bestimmen. Die Ergebnisse sind durch Unterlagen so zu belegen, dass aus diesen Art, Umfang und Zeitpunkt der Studien oder Prüfungen hervorgehen.
(3g) Der Inhaber der Zulassung eines Arzneimittels hat alle Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b in sein Risikomanagement-System aufzunehmen. Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet die Europäische Arzneimittel-Agentur über die Zulassungen, die unter den Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b erteilt wurden.
(3h) Die zuständige Bundesoberbehörde kann bei biologischen Arzneimitteln geeignete Maßnahmen zur besseren Identifizierbarkeit von Nebenwirkungsmeldungen anordnen.
(4) Soll die Zulassung mit einer Auflage verbunden werden, so wird die in § 27 Abs. 1 vorgesehene Frist bis zum Ablauf einer dem Antragsteller gewährten Frist zur Stellungnahme gehemmt. § 27 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.