Verwaltungsgericht Köln Urteil, 30. Juli 2015 - 20 K 3942/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die am 00.00.0000 im Dorf T. , Gebiet L. , Kasachstan, geborene Klägerin ist Staatsangehörige der Republik Kasachstan, wo sie bis heute ihren Wohnsitz hat.
3Am 26.09.1991 stellte sie zusammen mit ihrer am 00.00.0000 geborenen Mutter F. O. einen Antrag auf Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz. Im Antrag gab sie an, ihre Eltern seien deutsche Volkszugehörige. Sie selbst könne die deutsche Sprache verstehen und sprechen. Sie habe von 1979 bis 1983 im Komsomolen gearbeitet, von 1983 bis 1989 im ZK Komsomolen.
4Das Bundesverwaltungsamt forderte in der Folgezeit auf Veranlassung des Regierungspräsidiums Chemnitz weitere Angaben der Klägerin zu ihrem Aufnahmeantrag an. Insbesondere sollte sie zu den angegebenen beruflichen Tätigkeiten ergänzende Angaben machen und ihr Arbeitsbuch vorlegen. Dem kam die Klägerin über ihre damalige Bevollmächtigte nach.
5Unter dem 28.09.1994 wurde der Klägerin und ihrer Mutter ein Aufnahmebescheid erteilt, die Klägerin blieb jedoch in der Folgezeit im Aussiedlungsgebiet; ihre Mutter siedelte im September 1995 in die Bunderepublik über.
6Im Oktober 2011 sprach die Klägerin bei der deutschen Botschaft in Astana zwecks Erteilung eines Visums vor. Am 19.10.2011 nahm die Klägerin an einem Bestätigungssprachtest in der deutschen Botschaft teil. Der Sprachtester stellte fest, dass mit der Klägerin ein fließendes Gespräch in deutscher Sprache möglich war (Stufe I, Systemeintrag H). Die Klägerin wurde angehört und ein Zusatzprotokoll zur Tätigkeit der Klägerin für Komsomol gefertigt. Wegen der Einzelheiten der Anhörung wird auf das entsprechende Protokoll im Verwaltungsvorgang der Beklagten (Bl. 158-163) verwiesen. Des Weiteren legte die Klägerin ihr Arbeitsbuch vor, wegen des Inhalts wird auf die gefertigte Übersetzung im Verwaltungsvorgang der Beklagten (Bl. 184, 185) verwiesen.
7Mit Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 02.04.2012 wurde der Aufnahmebescheid der Klägerin zurückgenommen und die sofortige Vollziehung angeordnet. In der Begründung wurde ausgeführt, der Aufnahmebescheid sei rechtswidrig ergangen, denn die Klägerin habe im Herkunftsgebiet eine berufliche Stellung im Sinne des § 5 Nr. 1 d BVFG a.F. innegehabt. Ihre Tätigkeit als hauptamtliche Komsomol-Funktionärin, insbesondere die als Leiterin des Sektors für Kultur-Massenarbeit des Komsomol-Zentralkomitees Kasachstans vom 24.03.1983 bis 02.10.1989 stelle eine Tätigkeit im Sinne des § 5 Nr. 1 d BVFG a.F. dar. Die seinerzeitige Bewertung der beruflichen Betätigung der Klägerin im Rahmen des Ausschlusstatbestandes des § 5 Nr. 1 d BVFG a.F. durch das Bundesverwaltungsamt sei rechtsfehlerhaft gewesen.
8Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung überwiege das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides die Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes. Zwar habe grundsätzlich ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Bescheides vorgelegen, da im Verfahren keine falschen Angaben gemacht worden seien, jedoch habe das private Interesse nur ein geringeres Gewicht gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Gleichbehandlung aller Aufnahmebewerber, zumal die Klägerin noch keine unumkehrbaren Schritte zur Ausreise unternommen habe und nach einer Einreise in das Bundesgebiet auch kleine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 BVFG erhalten könne. Im Übrigen sei der erteilte Aufnahmebescheid auch nach der derzeit gültigen Fassung des BVFG rechtswidrig, denn die Voraussetzungen des nunmehrigen Ausschlusstatbestandes des § 5 Nr. 2 b BVFG seien im Hinblick auf die von der Klägerin innegehabte Funktion als hauptamtliche Komsomol-Funktionärin ebenfalls erfüllt.
9Gegen den Rücknahmebescheid legte die Klägerin am 24.04.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Aufnahmebescheid sei im Zeitpunkt seiner Erteilung rechtmäßig gewesen. Der Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 1 d BVFG a.F. sei im Hinblick auf die von ihr konkret ausgeübte Tätigkeit nicht erfüllt gewesen. Zudem habe in der früheren UdSSR Gorbatschow regiert, dessen Politik von Glasnost und Perestroika gekennzeichnet gewesen sei. Es könne daher nicht die Rede davon sein, dass sie eine Funktion ausgeübt hätte, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam gegolten habe.
10Außerdem sei bei der Rücknahme die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht beachtet worden. Die Jahresfrist sei bereits im Jahre 1995 abgelaufen. Eine Rücknahme könne daher nach 17 Jahren nicht mehr erfolgen. Dies widerspreche der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz. Ihre Anhörung 17 Jahre nach Erteilung des Aufnahmebescheides habe gegenüber den im Aufnahmeverfahren gemachten Angaben für die Behörde keine neuen Erkenntnisse erbracht; sie habe vielmehr von Anfang an durchgängig ihren beruflichen Werdegang geschildert.
11Der Widerspruch der Klägerin gegen den Rücknahmebescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2013 zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass der Aufnahmebescheid vom 28.09.1994 bei seiner Erteilung rechtswidrig gewesen sei. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG sei bei Erlass des Rücknahmebescheides noch nicht abgelaufen gewesen. Maßgeblich für den Fristbeginn sei die Kenntnis des innerbehördlichen Amtswalters. Diese sei erst auf Grund der Vorsprache der Klägerin bei der deutschen Botschaft in Astana Im Oktober 2011 erlangt worden. Die Jahresfrist beginne aber erst mit dem Zeitpunkt des Erkennens der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes durch die Behörde zu laufen.
12Am 24.06.2013 hat die Klägerin gegen den Rücknahmebescheid Klage erhoben.
13Zur Begründung trägt sie vertiefend vor, dass die Beklagte im Hinblick auf ihre Betätigung für Komsomol zu Unrecht nicht die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt habe, insbesondere ihren beruflichen Werdegang und ihre Motive für die Aufnahme der Tätigkeit sowie ihren konkreten Aufgaben- und Wirkungsbereich. Sie habe seit jeher mit Hingabe als Pädagogin gearbeitet; es sei niemals ihr Ziel gewesen, sich politisch zu betätigen und sich eben durch politische Betätigung eine höherrangige Stellung zu verschaffen. Ihre eigentliche Tätigkeit habe sich auf künstlerisches Schaffen bezogen. Hierzu macht sie schriftsätzlich im Einzelnen Ausführungen. Im Hinblick auf den langen Zeitablauf ließen auch die ergänzenden Ermessenserwägungen der Beklagten im Klageverfahren eine ordnungsgemäße Interessenabwägung vermissen.
14Die Klägerin beantragt,
15den Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 02.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2013 aufzuheben.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und trägt vor, dass die Klägerin wegen der ausgeübten Tätigkeit als hauptamtliche Komsomolsekretärin den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 1 d BVFG a.F. erfülle. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden. Insbesondere sei es weder im öffentlichen Interesse noch im privaten Interesse der Klägerin, wenn sie mit einem rechtswidrigen Aufnahmebescheid in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einreise, obwohl eine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG nicht erteilt werden könne und damit kein gesichertes Aufenthaltsrecht bestehe.
19Auf einen Hinweis des Gerichts hat die Beklagte ihre Ermessenserwägungen mit Schriftsatz vom 09.06.2015 wie folgt ergänzt:
20Auch im Hinblick auf den langen Zeitablauf von 17 Jahren seit der Erteilung des Aufnahmebescheides stelle sich die Rücknahme nicht als rechtsmissbräuchlich dar.
21Der Gesetzgeber habe seit 1993 durch eine Kontingentierung der Aufnahmebescheide gemäß § 27 BVFG die Vorstellung zum Ausdruck gebracht, dass Antragsteller die Aufnahmebescheide auch zeitnah zum Zwecke der Übersiedlung nutzten. Gleichwohl habe er die Geltung der Aufnahmebescheide nicht zeitlich beschränkt und toleriere daher die Inanspruchnahme der Bescheide auch noch Jahre nach deren Erteilung. Daraus lasse sich aber nicht ableiten, dass mit der Dauer der Nichtinanspruchnahme auch das Vertrauen in den Bestand des Aufnahmebescheides wachse.
22Die Beklagte habe keine Veranlassung, nach Abschluss des Aufnahmeverfahrens erteilte, aber noch nicht genutzte Aufnahmebescheide regelmäßig auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dies sei bei einem Massenverfahren wie dem Aufnahmeverfahren auch nicht möglich. Anlass für eine Überprüfung bestehe erst dann, wenn ein Aufnahmebescheid für die Einreise oder zur Einbeziehung von Familienangehörigen genutzt werden solle.
23Auch nach über 17 Jahren bestehe weiterhin ein öffentliches Interesse daran, den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen und auszuschließen, dass die Klägerin von dem Bescheid Gebrauch mache. Da sich die Klägerin noch im Aussiedlungsgebiet aufhalte und sie auf Grund der Vorläufigkeit des Aufnahmebescheides noch nicht die Rechtsposition einer Spätaussiedlerin erlangt habe und anderweitige schutzwürdige Belange weder ersichtlich noch vorgetragen seien, sei die Rücknahme auch unter besonderer Berücksichtigung des zeitlichen Aspekts und des Individualinteresses der Klägerin an dem Fortbestand des Bescheides verhältnismäßig und sachgerecht.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
25E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
26Die Klage ist unbegründet.
27Der Rücknahmebescheid vom 02.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
28Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines rechtswidrigen Aufnahmebescheides ist - mangels einer speziellen Ermächtigung im BVFG - die allgemeine Vorschrift des § 48 VwVfG. Nach § 48 Abs. 1 VwVfG kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Da der Aufnahmebescheid keine Geld- oder Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, greift § 48 Abs. 2 VwVfG nicht ein. Die Rücknahme eines rechtswidrigen Aufnahmebescheides richtet sich somit nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und 4 VwVfG. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
29Der zurückgenommene Aufnahmebescheid vom 28.09.1994 war im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf die Erteilung eines Aufnahmebescheides gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG in der seit dem 01.01.1993 geltenden Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl. I S. 2094).
30Danach wurde denjenigen Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten auf Antrag ein Aufnahmebescheid erteilt, die nach Verlassen dieser Gebiete die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllten. Spätaussiedler ist gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 BVFG u.a., wer deutscher Volkszugehöriger ist.
31Selbst bei Vorliegen dieser Voraussetzungen erwarb gemäß § 5 Nr. 1 d erste Alternative BVFG a.F. derjenige die Rechtsstellung des Spätaussiedlers nach § 4 Abs. 1 BVFG nicht, der in den Aussiedlungsgebieten eine herausgehobene politische oder berufliche Stellung innegehabt hatte, die er nur durch eine besondere Bindung an das totalitäre System erreichen konnte. Diese Vorschrift ist auch maßgebend für den streitigen Rücknahmebescheid, zumal die Beklagte den Aufnahmebescheid vom 28.09.1994 ausdrücklich „von Anfang an“ (ex tunc) zurückgenommen hat.
32vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.02.2014 – 11 A 2122/13 –, juris m.w.N.
33Die Voraussetzungen des § 5 Nr. 1 d BVFG a.F. sind vorliegend erfüllt.
34Es kann dabei offen bleiben, ob dies bereits auf Grund der Tätigkeit der Klägerin als „Sekretär des Komsomol-Komitees des Rayons Semiosjornoje zur Arbeit mit Schuljugend und –kindern“ vom 27.10.1978 bis 29.09.1981 oder der Tätigkeit als „Konsultant des Kabinetts für politische Aufklärung des Komitees der Kommunistischen Partei Kasachstans des Rayons Semiosjornoje“ zu bejahen ist. Jedenfalls stellt ihre Tätigkeit als – hauptamtliche - Leiterin des Sektors für Kultur-Massenarbeit des Komsomol-Zentralkomitees Kasachstans vom 24.03.1983 bis 02.10.1989 eine Tätigkeit im Sinne des § 5 Nr. 1 d BVFG a.F. dar. Diese Vorschrift knüpft an das Erreichen einer bestimmten hervorgehobenen beruflichen Stellung und der damit verbundenen wirtschaftlichen Privilegierung in der Gesellschaft des Herkunftslandes an. Eine solche Stellung hatte die Klägerin inne, denn sie hatte mehr als 6 ½ Jahre von März 1983 bis Oktober 1989 hauptamtlich die Funktion als Leiterin des Sektors für Kultur-Massenarbeit des Komsomol-Zentralkomitees Kasachstans, somit der höchsten territorialen Verwaltungseinheit auf Unionsrepublikebene, inne. Das kommunistische Herrschaftssystem in der ehemaligen Sowjetunion war geprägt durch die führende Rolle, die der KPdSU in Staat und Gesellschaft zukam. Der „Komsomol“ (Kurzbezeichnung für den „Leninschen kommunistischen Bundesverband der Jugend“) war die Jugendorganisation der kommunistischen Partei. Im Unterschied zur KPdSU handelte es sich um eine monopolistische Massenorganisation, die unter enger Führung und Kontrolle der KPdSU als „Schule des Kommunismus“ die Jugend im Geiste des Marxismus-Leninismus indoktrinierte und kontrollierte. Hauptziel der Jugenderziehung war die ideologische „Stählung“ im Geiste des Marxismus-Leninismus, Ergebenheit gegenüber der Partei, Stärkung des Sowjetpatriotismus und des proletarischen Internationalismus, Wehrgesinnung und -ertüchtigung, Arbeitsfreude und -disziplin, Lernbereitschaft in Schule und Betrieb, Wahrung der Gesetze, Kampf gegen alle Verwahrlosungserscheinungen in der Jugend und Opferbereitschaft für die Allgemeinheit. Dass die Jugendarbeit im Komsomol hauptsächlich der Stärkung und Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems diente, zeigt nicht nur der indoktrinäre Charakter dieser einzelnen Erziehungsziele, sondern auch die außergewöhnliche Verbindung zwischen Komsomol und KPdSU. Indem die Parteiführung den Parteikern im Komsomol nach 1966 bis auf die Grundorganisationen ausdehnte und die Organisation dadurch noch einer strafferen Leitung unterwarf, geriet sie in eine Abhängigkeit vom Parteiapparat, die größer war als die der anderen gesellschaftlichen Organisationen. Hierbei lag die Aufgabenerfüllung in personeller Hinsicht in erster Linie bei den hauptamtlichen Funktionären des Komsomol. Die hauptamtlichen Funktionäre waren es, die in ihrem Bereich, ähnlich den hauptamtlichen Parteifunktionären des Parteiapparates, für eine effektive Aufgabenerfüllung Sorge zu tragen hatten. Demnach waren hauptamtliche Funktionäre des Komsomol nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des Bundesverwaltungsgerichts – unabhängig von der konkret ausgeübten Tätigkeit im Einzelfall – als bedeutsam für die Erhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems einzustufen,
35vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.11.2005 – 2 A 3385/04 –, juris; BVerwG, Beschluss vom 21.12.2006 – 5 B 9/06 –, juris; VG Köln, Gerichtsbescheid vom 27.11.2014 – 4 K 4230/13 -, juris; VG Köln, Urteil vom 29.04.2014 – 3276/13 -, juris; sämtlich zu § 5 Nr. 2 b BVFG n.F.
36Die Klägerin war nach den beiden zuvor ausgeübten Tätigkeiten immerhin mehr als 6 ½ Jahre von März 1983 bis Oktober 1989 als Leiterin des Sektors für Kultur-Massenarbeit des Komsomol-Zentralkomitees Kasachstans tätig, hat somit diese Position sehr lange bekleidet, so dass davon auszugehen ist, dass sie diese hohe Position durch eine besondere Bindung an das totalitäre System erreicht hat und ausüben konnte, nachdem sie sich zuvor als Sekretär des Komsomol-Komitees des Rayons Semiosjornoje und als Konsultant des Kabinetts für politische Aufklärung des Komitees der Kommunistischen Partei Kasachstans des Rayons Semiosjornoje bewährt hatte. Ihr beruflicher Werdegang und ihr Amt im Komsomol-Zentralkomitee Kasachstans weisen sie deutlich als Person aus, die der KPdSU über eine bloße (passive) Mitgliedschaft verbunden war.
37Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.03.1999 - 5 C 2.99 -, juris.
38Soweit die Klägerin geltend macht, dass während dieser Zeit in der früheren UdSSR Gorbatschow regiert habe, dessen Politik von Glasnost und Perestroika gekennzeichnet gewesen sei, vermag dies eine abweichende Betrachtungsweise bereits deshalb nicht zu rechtfertigen, weil Gorbatschow erst am 11.03.1985 zum Generalsekretär der KPdSU gewählt wurde und dann von März 1990 bis Dezember 1991 Staatspräsident der Sowjetunion war.
39Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das umfangreiche Vorbringen der Klägerin zu ihren Gründen für die Übernahme des Amtes als Leiterin des Sektors für Kultur-Massenarbeit des Komsomol-Zentralkomitees Kasachstans und der dort von ihr im Rahmen ihres Aufgabenbereichs konkret ausgeübten Betätigungen. Auf ihre Motive, aus denen heraus sie sich für die Wahl der eingeschlagenen Laufbahn entschieden hat, und den Charakter der ausgeübten Dienstaufgaben kommt es vorliegend nicht an.
40Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.1996 - 16 S 2682/94 -, juris.
41Soweit sie im Übrigen ihre Betätigungen unter Benennung konkreter Beispielsfälle als rein kulturell-organisatorisch einstuft, vermag dies bereits nicht recht zu überzeugen, jedenfalls aber ändert es nichts an der Feststellung, dass sie als Inhaberin des ihr übertragenden (hohen) Amtes insgesamt eine Tätigkeit entfaltet hat, die dazu geeignet und bestimmt war, die politischen Ziele des dortigen Systems durchzusetzen und damit das politische System des Landes zu stützen und zu befestigen.
42Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.1996, a.a.O.
43Die Beklagte hat bei Erlass des Rücknahmebescheides auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG eingehalten. Diese Frist beginnt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erst dann, wenn der zuständige Sachwalter der Behörde alle Umstände kennt, die für die Rücknahme des Verwaltungsakts Bedeutung haben. Hierzu gehört auch, dass er die Rechtswidrigkeit des konkreten Verwaltungsakts aufgrund tatsächlicher Ereignisse erkennt und sich der Notwendigkeit einer Entscheidung über die Rücknahme bewusst wird. Demgegenüber wird die Frist nicht durch allgemeine Hinweise ohne konkreten Fallbezug – wie z.B. das Bekanntwerden höchstrichterlicher Entscheidungen oder die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit einer bestimmten Verwaltungspraxis - in Gang gesetzt,
44vgl. BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1984 - GrSen 1/84 und Gr Sen 2/84 - BVerwGE 70, 356, juris, Rn.16.
45Danach begann die Frist für die Rücknahme des Aufnahmebescheides erst zu laufen, nachdem das Bundesverwaltungsamt durch die Vorsprache der Klägerin bei der deutschen Botschaft in Astana Im Oktober 2011 erfahren hatte, dass diese nunmehr als Spätaussiedlerin nach Deutschland ausreisen wolle. Der am 02.04.2012 erlassene Rücknahmebescheid erging somit innerhalb der Jahresfrist.
46Das Gericht sieht unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen davon ab, der zu diesem Punkt mit Schriftsatz vom 29.07.2015 erfolgten Beweisanregung der Klägerin (Vernehmung der für das Aufnahmeverfahren der Klägerin zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten als Zeugin) nachzugehen. Die von der Klägerin vorgeschlagenen, an die benannte Zeugin zu richtenden Fragen sind für die Entscheidung über die Frage, ob die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG eingehalten ist oder nicht, nicht erheblich; der Sachverhalt ist insoweit nach dem Inhalt des Verwaltungsvorgangs als geklärt anzusehen. Die Tatsachen, auf die die Sachbearbeiterin ihre Entscheidung gestützt hat, ergeben sich aus dem Verwaltungsvorgang der Beklagten (und sind letztlich auch unstreitig), ebenfalls die angewandte Norm, nämlich § 5 Nr. 1 d BVFG a.F. Es bestehen zudem keine Zweifel daran, dass die in Rede stehende Sachbearbeiterin als zuständige Amtswalterin für und im Namen des Bundesverwaltungsamtes gehandelt hat (sie hat den Aufnahmebescheid der Behörde unterzeichnet). Dafür, dass die Sachbearbeiterin nach Erlass des von ihr gefertigten Aufnahmebescheides in der Folgezeit in der Angelegenheit noch weiterhin tätig gewesen wäre, ergeben sich aus dem Verwaltungsvorgang keinerlei Anhaltspunkte.
47Der lange Zeitablauf zwischen der Erteilung des Aufnahmebescheides im Jahr 1994 und der Rücknahme im Jahr 2012 führt auch nicht dazu, dass das Recht der Beklagten zur Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides verwirkt ist. Der Eintritt der Rechtsfolge des auch im öffentlichen Recht anerkannten Instituts der Verwirkung setzt kumulativ voraus, dass das Recht trotz entsprechender Möglichkeit über längere Zeit nicht geltend gemacht worden ist (Zeitmoment) und dass besondere Umstände vorliegen, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment).
48Hier fehlt es jedoch an dem zweiten Element. Die Rechtsausübung der Behörde verstößt insbesondere dann gegen Treu und Glauben, wenn der Betroffene infolge eines Verhaltens der Behörde darauf vertrauen durfte, dass diese das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde, der Betroffene tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde und sich infolgedessen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde,
49vgl. BVerwG, Urteil vom 09.12.1998 - 3 C 1.98 - , BVerwGE 108,93, juris; OVG NRW, Beschluss vom 23.08.2010 - 1 A 3124/08 – juris.
50Die Beklagte hat durch ihr Verhalten kein Vertrauen dahingehend begründet, dass sie auch in Zukunft an dem rechtswidrigen Aufnahmebescheid festhalten werde. Sie hat nach dem Erlass des Aufnahmebescheides keine Erklärungen abgegeben oder sonst durch ein positives Tun deutlich gemacht, dass sie die Rücknahmebefugnis nicht mehr ausüben werde. Vielmehr gab es nach dem Erlass des Aufnahmebescheides keinerlei Kontakt mehr zwischen der Klägerin, ihrer seinerzeitigen Bevollmächtigten und dem Bundesverwaltungsamt.
51Die Beklagte hat auch nicht durch ihre Untätigkeit eine solche Vertrauensgrundlage geschaffen. Sie ist nicht unter Umständen untätig geblieben, unter denen der Betroffene erwarten kann, dass vernünftigerweise Schritte zur Rechtswahrung unternommen werden. Der von einem rechtswidrigen Verwaltungsakt Begünstigte kann nicht erwarten, dass eine Behörde Schritte zur Rücknahme einleitet, solange diese keine Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des konkreten Verwaltungsakts hat und bei einer Massenverwaltung keinen äußeren Umstände vorliegen, die Anlass zu einer Überprüfung geben,
52vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.08.2010 - 1 A 3124/08 - juris, Rn. 22 – 28.
53Schließlich ist auch die Ermessensausübung der Beklagten nicht zu beanstanden. Sie hat die maßgeblichen Gesichtspunkte, nämlich das öffentliche Interesse an einer rechtmäßigen Verwaltungspraxis und einem gleichmäßigem Gesetzesvollzug gegen das private Interesse der Klägerin an einem Fortbestand des Aufnahmebescheides gegeneinander abgewogen und dem öffentlichen Interesse den Vorzug gegeben.
54Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte hierbei wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen hat oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Insbesondere hat sie auch beachtet, dass die Klägerin den rechtswidrigen Aufnahmebescheid nicht durch falsche Angaben erwirkt hat, sodass dem Vertrauensschutz hier eine nicht unerhebliche Bedeutung zukommt.
55Sie hat letztlich auch im Klageverfahren den Umstand in ihre Ermessenserwägungen einbezogen, dass zwischen dem Erlass des Aufnahmebescheides und der Rücknahme eine sehr lange Zeitspanne von über 17 Jahren liegt. Diese Überlegungen sind bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung nach § 114 Satz 2 VwGO zu berücksichtigen, da die Beklagte das bereits ausgeübte Ermessen hierdurch lediglich ergänzt und vervollständigt hat. Die Beklagte hat ihre Ermessenerwägungen weder komplett ausgetauscht noch im Kern verändert und damit die Grenzen des § 114 Satz 2 VwGO eingehalten,
56vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.01.1999 - 6 B 133/98 - , juris; OVG NRW, Urteil vom 02.02.2001 - 12 A 2882/99 - , juris.
57Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass die Beklagte gleichwohl dem öffentlichen Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung den Vorrang gegenüber dem Vertrauensschutz der Klägerin eingeräumt hat. Es liegt im vorliegenden Fall keine Ermessensreduzierung auf null zu Gunsten einer Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides aus Gründen des Vertrauensschutzes vor.
58Aus der Regelung des § 48 Abs. 3 VwVfG ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber in den Fällen einer Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts, der nicht eine Geld- oder Sachleistung gewährt, dem Vertrauensschutz bzw. dem Grundsatz der Rechtssicherheit keine größere Bedeutung beimisst als dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Denn ein schutzwürdiges Vertrauen steht der Rücknahme grundsätzlich nicht entgegen, kann aber dazu führen, dass dem Betroffenen der hierdurch entstandene Vermögensnachteil auszugleichen ist. Somit sind diese gegenläufigen Rechtsprinzipien, die wesentliche Bestandteile des Rechtsstaatsprinzips sind und damit Verfassungsrang besitzen, grundsätzlich gleichwertig,
59vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1976 – III C 21.75 - , Buchholz 427.3 zu § 335 a lag zur Rechtslage vor Inkrafttreten des VwVfG.
60Auch die im Rahmen der Ermessensausübung zu beachtenden Aspekte des Vertrauensschutzes sind im vorliegenden Fall nicht so gravierend, dass sie eine Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Bescheides gebieten. Zwar ist zutreffend, dass der Gesetzgeber die Gültigkeit von Aufnahmebescheiden zeitlich nicht beschränkt hat und die Beklagte auch in ihren Verlautbarungen in den Aussiedlungsgebieten darauf hingewiesen hat, dass eine Verpflichtung zur zeitnahen Ausreise nach Deutschland nicht besteht.
61Das hierdurch geschaffene Vertrauen in den Bestand von Aufnahmebescheiden wird aber durch den Regelungsgegenstand dieser Bescheide von vornherein beschränkt. Ein schützenswertes Vertrauen auf die Anerkennung als Spätaussiedler ergibt sich noch nicht aus der Prüfung und Bejahung der Spätaussiedlereigenschaft im Aufnahmeverfahren. Denn der Aufnahmebescheid enthält nur eine vorläufige Regelung. Er berechtigt den Inhaber lediglich zur Einreise nach Deutschland zum Zweck der Durchführung des eigenständigen Verfahrens zur Feststellung der Spätaussiedlereigenschaft nach § 15 Abs. 1 BVFG. Erst in diesem nach der Einreise stattfindenden Verfahren wird rechtsverbindlich festgestellt, ob der Inhaber des Aufnahmebescheides tatsächlich Spätaussiedler geworden ist und die daran anknüpfenden Rechte und Vergünstigungen in Anspruch nehmen kann, § 15 Abs. 1 Satz 3 BVFG,
62vgl. BVerwG, Urteil vom 12.03.2002 - 5 C 2/01 - juris.
63Insbesondere hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, dass der Status als Spätaussiedler nicht schon mit der Erteilung des Aufnahmebescheides, sondern erst mit der Einreise und der Begründung eines ständigen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland entsteht, sofern zu diesem Zeitpunkt auch alle übrigen Voraussetzungen für die Spätaussiedlereigenschaft vorliegen, § 4 Abs. 1 BVFG. Erst in diesem Zeitpunkt erhält der Antragsteller eine gesicherte Rechtsposition als Spätaussiedler,
64vgl. BVerwG, Urteil vom 12.03.2002 - 5 C 45/01 - juris.
65Daraus folgt, dass sich eine mit Aufnahmebescheid eingereiste Person nicht auf Vertrauen berufen kann, wenn sich bei unveränderter Rechtslage im Bescheinigungsverfahren herausstellt, dass sie doch die Voraussetzungen als Spätaussiedler nicht erfüllt, der Aufnahmebescheid sich also als rechtswidrig erweist.
66Demnach beschränkt sich das schutzwürdige Vertrauen der Klägerin darauf, dass sie mit dem erteilten Aufnahmebescheid nach Deutschland einreisen darf, um hier ihre Rechte als Spätaussiedlerin in dem dafür vorgesehenen Verfahren nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BVFG geltend zu machen. Demgegenüber kann ein möglicherweise entstandenes Vertrauen der Klägerin auf Anerkennung als Spätaussiedlerin oder auf die Geltendmachung von Rechten aus aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen nicht auf den Aufnahmebescheid gestützt werden,
67vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.03.2006 - 2 A 3382/04 - .
68Das Vertrauen darauf, mit dem Aufnahmebescheid nach Deutschland zum Zweck der Begründung eines Spätaussiedlerstatus einzureisen, kann auch nicht deshalb als besonders schutzwürdig angesehen werden, weil es bereits vor 17 Jahren begründet wurde. Zwar hat der Gesetzgeber die Gültigkeit von Aufnahmebescheiden nicht befristet und keine Verpflichtung oder Obliegenheit zu einer zeitnahen Ausreise begründet, um eine massenhafte und gleichzeitige Zuwanderung von Spätaussiedlern zu verhindern und einen Anreiz zum Verbleib in den Aussiedlungsgebieten zu setzen,
69vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.02.2014 – 11 A 2122/13 – unter Hinweis auf BT-Drs. 12/3212, S. 19 und BT-Drs. 16/12592.
70Demnach kann der Klägerin nicht zur Last gelegt werden, dass sie den Aufnahmebescheid über lange Jahre nicht genutzt hat. Jedoch ergibt sich daraus umgekehrt auch nicht, dass das Vertrauen in die Gültigkeit eines Aufnahmebescheides mit Ablauf der Zeit immer größer wird, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Vielmehr wächst mit der Zeitdauer einer ungenutzten Einreiseberechtigung generell das Risiko, dass man diese aus persönlichen Gründen oder wegen einer – hier nicht vorliegenden - nachteiligen Änderung der Gesetzeslage nicht mehr in Anspruch nehmen kann.
71Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall erheblich von den Fallgestaltungen, in denen ein rechtswidriger Verwaltungsakt bereits genutzt worden ist und zu einer Gewährung von Geldleistungen vor vielen Jahren geführt hat, auf die sich der Begünstigte eingestellt hat,
72vgl. OVG NRW, Urteil vom 08.11.2012 - 11 A 1548/11 - , juris; BVerwG, Urteile vom 20.01.1976 – III C 21.75 – Buchholz 4273 zu § 335 a lag und vom 08.10.1981 – 3 C 36.81 – Buchholz 427.3 zu § 335 a lag.
73Gegenstand der genannten Entscheidungen, in denen dem langen Zeitablauf seit Erlass des zurückgenommenen Verwaltungsaktes im Rahmen des Ermessens eine besondere Bedeutung zugemessen wurde, waren jeweils Verwaltungsakte im Sinne des § 48 Abs. 2 VwVfG, die auf die Gewährung von Geldleistungen gerichtet waren und in denen daher dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ein größeres Gewicht zukam. Diese können daher nicht ohne Weiteres auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden.
74Aber auch die Anwendung der Maßstäbe, die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Fall einer Rücknahme eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG für die Berücksichtigung einer langen Zeitspanne zwischen Aufnahmebescheid und Rücknahmebescheid aufgestellt hat,
75vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.02.2014 – 11 A 2122/13 - , juris,
76führt im vorliegenden Verfahren nicht zu einer Aufhebung des Rücknahmebescheides wegen eines Ermessensfehlers. Abweichend zu dem oben genannten Verfahren hat die Beklagte im vorliegenden Fall ihre Ermessenserwägungen im Hinblick auf den langen Zeitablauf noch ergänzt. Und im Unterschied zu dem vom Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall ist im vorliegenden Verfahren der Aufnahmebescheid rechtswidrig, mit der Folge, dass der Klägerin nach der Einreise keine Spätaussiedlerbescheinigung erteilt werden kann. Die Interessenlage ist damit nicht vergleichbar.
77Das Vertrauen der Klägerin in den Bestand des Aufnahmebescheides ist daher im vorliegenden Streitfall nicht mit einem wirklich bedeutsamen, rechtlichen Vorteil verknüpft. Sie könnte zwar bei Aufrechterhaltung des Aufnahmebescheides in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und in einer Erstaufnahmeeinrichtung zunächst Aufenthalt nehmen. Sie erhielte jedoch keine Spätaussiedlerbescheinigung und damit nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, kein gesichertes Aufenthaltsrecht und nicht die für Spätaussiedler vorgesehenen Leistungen, insbesondere keine Fremdrente. Allein die Einreise in das Bundesgebiet bringt ihr keine besonderen Vorteile.
78Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes hat im vorliegenden Verfahren auch deshalb kein überwiegendes Gewicht, weil fraglich ist, ob die Klägerin überhaupt auf den Bestand des Aufnahmebescheides nach diesem langen Zeitablauf vertraut hat, zumal sie auch von 2003 bis 2008 als Vizekonsulin im Generalkonsulat der Republik Kasachstan in Frankfurt/Main gearbeitet hat.
79Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass sie im Hinblick auf einen gesicherten Status in Deutschland bereits ihr Vertrauen betätigt und bestimmte, nicht mehr rückgängig zu machende Vermögensdispositionen getroffen hat.
80Demnach erscheint es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte dem Vertrauen der Klägerin in die Aufrechterhaltung des Aufnahmebescheides hier keine überwiegende Bedeutung zuerkannt hat.
81Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
82Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, beteiligt das Bundesverwaltungsamt vor Erteilung der Bescheinigung den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt, wenn dies zur Feststellung von Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d und e geboten ist. Die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung ist für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch das Bundesverwaltungsamt beantragen.
(2) Das Bundesverwaltungsamt stellt dem in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung zum Nachweis des Status nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 aus. Eine Bescheinigung nach Absatz 1 kann nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.
(3) Über die Rücknahme und die Ausstellung einer Zweitschrift einer Bescheinigung entscheidet die Ausstellungsbehörde.
(4) Eine Bescheinigung kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Ausstellung gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Ausstellung der Bescheinigung erfolgen. Hat die Rücknahme einer Bescheinigung nach Absatz 1 auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen nach Absatz 2, so ist für jeden Betroffenen eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das Maß der Beteiligung des Ehegatten oder Abkömmlings an einer arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Spätaussiedlers gegen die schutzwürdigen Belange des Ehegatten oder Abkömmlings, insbesondere unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen. Der Widerruf einer Bescheinigung ist nicht zulässig.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, beteiligt das Bundesverwaltungsamt vor Erteilung der Bescheinigung den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt, wenn dies zur Feststellung von Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d und e geboten ist. Die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung ist für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch das Bundesverwaltungsamt beantragen.
(2) Das Bundesverwaltungsamt stellt dem in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung zum Nachweis des Status nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 aus. Eine Bescheinigung nach Absatz 1 kann nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.
(3) Über die Rücknahme und die Ausstellung einer Zweitschrift einer Bescheinigung entscheidet die Ausstellungsbehörde.
(4) Eine Bescheinigung kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Ausstellung gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Ausstellung der Bescheinigung erfolgen. Hat die Rücknahme einer Bescheinigung nach Absatz 1 auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen nach Absatz 2, so ist für jeden Betroffenen eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das Maß der Beteiligung des Ehegatten oder Abkömmlings an einer arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Spätaussiedlers gegen die schutzwürdigen Belange des Ehegatten oder Abkömmlings, insbesondere unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen. Der Widerruf einer Bescheinigung ist nicht zulässig.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Spätaussiedler ist in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor
- 1.
seit dem 8. Mai 1945 oder - 2.
nach seiner Vertreibung oder der Vertreibung eines Elternteils seit dem 31. März 1952 oder - 3.
seit seiner Geburt, wenn er vor dem 1. Januar 1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach Nummer 1 oder des 31. März 1952 nach Nummer 2 erfüllt, es sei denn, dass Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31. März 1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben,
(2) Spätaussiedler ist auch ein deutscher Volkszugehöriger aus den Aussiedlungsgebieten des § 1 Abs. 2 Nr. 3 außer den in Absatz 1 genannten Staaten, der die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt und glaubhaft macht, dass er am 31. Dezember 1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit unterlag.
(3) Der Spätaussiedler ist Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Ehegatten oder Abkömmlinge von Spätaussiedlern, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 in den Aufnahmebescheid einbezogen worden sind, erwerben, sofern die Einbeziehung nicht unwirksam geworden ist, diese Rechtsstellung mit ihrer Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 und sein Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2013 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 18. April 1949 geborene Kläger zu 1. lebt in Kasachstan. Er erhielt auf seinen Antrag am 7. Oktober 1997 einen Aufnahmebescheid, in den seine Ehefrau, die Klägerin zu 2., einbezogen wurde. Der Kläger zu 1. hatte im Antragsformular angegeben, als „Lehrer“ tätig gewesen zu sein.
3Im Jahr 2012 betrieben die Kläger ihre Ausreise nach Deutschland. Auf Aufforderung des Bundesverwaltungsamtes legten sie im Rahmen des Visum-Verfahrens ihre Arbeitsbücher vor. Hieraus ergab sich, dass der Kläger zu 1. seit 1970 als Physiklehrer tätig war. Ab dem 1. März 1973 war er Leiter der Lehrabteilung für die Lehr- und Erziehungsarbeit in der Mittelschule „Q. “, seit dem 15. Juli 1976 Direktor der Mittelschule „K. “ und seit dem 28. August 1981 Direktor der Mittelschule „Q. “. Seit dem 27. Oktober 1986 war er „Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. “. Diese Tätigkeit übte er bis zum 1. Januar 2005 aus. Auf Nachfrage des Bundesverwaltungsamtes gab die Tochter des Klägers zu 1. an:
4„1. Vom 01.03.1973 bis 15.07.1976 war mein Vater Leiter der Lehrabteilung, zuständig für den Stundenplan, die Stundenauslastung der Lehrkräfte und Kontrolle der Einhaltung dieser Punkte. Er unterrichtete in dieser Zeit die Fächer Physik und Astronomie, er war aber nicht zuständig für die politische Bildung der Schüler oder Lehrer.
52. Vom 15.07.1976 bis 27.10.1986 wurde er zum Direktor der 2 von Ihnen aufgeführten Mittelschulen ernannt auf Grund seiner korrekten pädagogischen Leistung und Arbeitsweise. Er wurde gerne in kleinen Dorfschulen eingesetzt, wo es auch keine geeigneten Physiklehrer gab. Er unterrichtete weiterhin die Fächer Physik und Astronomie. Damit ist der Wechsel von einer Schule zur anderen zu erklären. Als Direktor war er für die Aufgaben aus Punkt 1. verantwortlich. Dazu kamen noch die Verantwortung für die Kontrolle des Schulgebäudezustandes und Instandsetzung dessen (Heizung, Reinigung, Renovierungsarbeiten). Die einzige Bedingung für diesen Posten war, dass er Mitglied der Partei wurde. Er war aber nie ein aktives Mitglied, sondern es war für ihn eine reine Formalität, die es ihm ermöglichte in seinem Traumberuf Pädagoge zu bleiben. Wäre er nicht eingetreten, hätte er nicht mal als einfacher Lehrer mehr arbeiten können.
63. Vom 27.10.1986 bis 01.01.2005 wurde er zum Leiter der Volksbildungsabteilung ernannt, die für die Bildung in den Mittelschulen des Rayons M. zuständig war. Er war aber auch hier nicht für die politische Bildung zuständig, sondern für Instandhaltung und Renovierung der Schulgebäude des Rayons, für die Kontrolle der korrekten Durchführung der Abschlussprüfungen. Er konnte geeignete Lehrkräfte den jeweiligen Schulleitern vorschlagen, diese waren an seinen Vorschlag aber nicht gebunden. Er vertrat bei Bedarf in dieser Zeit auch erkrankte oder fehlende Physiklehrer.
74. Als Lehrer war er seinem jeweiligen Direktor Rechenschaft schuldig. Als Direktor der Volksbildungsabteilung des Rayons. Als Leiter der Volksbildungsabteilung der Gebietsfortbildungsabteilung in Q1. , Nordkasachstan.
85. Die Volksbildungsabteilung war der Verwaltung des Rayons M. unterstellt.
96.-7. Er war nie Mitglied des Komsomol, zum Eintritt in die KPdSU wurde er gezwungen, um als Lehrer, wozu er sich berufen führte, weiter arbeiten zu können. Er war aber nie ein aktives Mitglied. Er hatte keine Funktionen in der Partei. Als es möglich wurde, ist er auch sofort auf eigenen Wunsch 1991 aus der Partei ausgetreten. …“
10Mit Bescheid vom 18. Februar 2013 nahm das Bundesverwaltungsamt den Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zurück. Zur Begründung führte es aus: Die Tätigkeiten des Klägers zu 1. als Direktor einer Mittelschule und in noch größerem Umfang als Leiter der Volksbildungsabteilung eines Rayons erfüllten den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F., so dass der Aufnahmebescheid rechtswidrig sei. Das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides sei höherrangig anzusehen als das Interesse der Kläger an dessen Bestand. Die Aufrechterhaltung des Aufnahmebescheides bedeute eine unangemessene Bevorzugung gegenüber Aufnahmebewerbern, die bei gleichen Voraussetzungen keine Aufnahmebescheide erhalten hätten. Das Vertrauen der Kläger in den Bestand bedeute keine besondere Härte, da sie noch keine unumkehrbaren Schritte zur Ausreise unternommen hätten. Die Rücknahme sei daher verhältnismäßig. Andere Gesichtspunkte zu Gunsten der Aufrechterhaltung des Aufnahmebescheides, die gegenüber dem öffentlichen Interesse ein vergleichbares Gewicht aufwiesen, seien nicht ersichtlich.
11Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung sie der Auffassung des Bundesverwaltungsamts entgegentraten, die Tätigkeit des Klägers zu 1. erfülle den Ausschlusstatbestand des § 5 BVFG.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2013 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch der Kläger zurück und vertiefte seine Auffassung, dass die vom Kläger zu 1. ausgeübten Tätigkeiten den Ausschlusstatbestand des § 5 BVFG erfüllten.
13Am 18. Mai 2013 haben die Kläger Klage erhoben. Sie haben vorgetragen: Der Kläger zu 1. habe die Position als Abteilungsleiter der Volksbildungsabteilung im ländlichen Raum bis 2006 ausgeübt, also ohne „Karriereknick“ noch 16 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion. Das spreche dafür, dass es sich nicht um eine Nomenklatura-Position gehandelt habe. Gegen eine solche Position spreche ebenfalls, dass er letztlich auch die Arbeiten eines „Hausmeisters“ erledigt habe. Nach der zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufnahmebescheides geltenden Rechtslage, die für die Rücknahme maßgebend sei, komme es nicht allein auf die berufliche Position an, sondern zusätzlich auf eine kausale Verknüpfung mit einer besonderen Systembindung, die im Einzelfall festgestellt werden müsse. Die Beklagte trage hierfür die Beweislast. Auf den erteilten Aufnahmebescheid könne nicht rückwirkend die Neufassung des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG angewendet werden. Eine besondere Bindung an das totalitäre System sei der Kläger zu 1. nicht eingegangen, er sei passives Mitglied der KPdSU gewesen. Er habe sich nicht in besonderer, das übliche Maß an Anpassung in deutlich übersteigender Weise, mit dem System arrangiert und davon profitiert. Er sei nicht „für die kommunistische Erziehung der Kinder und Jugendlichen“ verantwortlich gewesen.
14Der Kläger hat beantragt,
15den Rücknahmebescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2013 aufzuheben.
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und insbesondere ihre Auffassung vertieft, dass jedenfalls die Position des Klägers zu 1. als Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. unter § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. falle. Die Stellung habe dem Nomenklatura-System angehört, d. h. die KPdSU habe sich die Personalentscheidung für diesen Posten vorbehalten und damit die Inhaber persönlich an sich gebunden. Hierzu verweist sie auf ein Gutachten von Prof. Dr. T. vom 23. September 2004. Auch als Schuldirektor sei der Kläger zu 1. auf das Engste an das übergeordnete Parteikomitee angebunden gewesen. In Kasachstan sei es keineswegs unüblich gewesen, dass verdiente Führungskräfte auch weiterhin herausgehobene Positionen bekleidet hätten. Auch die sonstigen Voraussetzungen für die Rücknahme des Aufnahmebescheides seien erfüllt. Die Ermessensentscheidung werde dahingehend ergänzt, dass der Kläger zu 1. bei Belassen des Aufnahmebescheides nach Einreise in die Bundesrepublik Deutschland keine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG erhalten könnte, weil er auch nach aktueller Rechtslage den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG erfülle.
19Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. August 2013 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der zurückgenommene Aufnahmebescheid sei rechtswidrig. Zwar bestünden Bedenken gegen die Annahme des Bundesverwaltungsamtes, die vom Kläger zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Mittelschuldirektor falle unter § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG. Der Kläger zu 1. habe jedoch spätestens mit seiner Ernennung zum Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. am 27. Oktober 1986 eine Stellung erreicht, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam gegolten habe. Es könne offen bleiben, ob § 5 BVFG in seiner aktuellen Fassung oder in der Fassung zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufnahmebescheides anzuwenden sei, weil die vom Kläger zu 1. ausgeübte Tätigkeit beide Tatbestände erfülle. Dagegen spreche auch nicht, dass der Kläger zu 1. diese Tätigkeit bis Ende 2004 ausgeübt habe. Der Rücknahmebescheid lasse keine Ermessensfehler erkennen und sei auch nicht unverhältnismäßig.
20Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung tragen die Kläger ergänzend vor: Der unter der Geltung des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. erteilte Aufnahmebescheid dürfe nicht nach den Kriterien des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG beurteilt werden. Das Gutachten von Prof. Dr. T. , das eher eine Referierung persönlicher Meinungen darstelle, beziehe sich auf die Rechtslage nach § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG. Der Ausschlusstatbestand sei nicht erfüllt. Eine hinreichende Ermessensentscheidung habe nicht stattgefunden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Aufnahmebescheid 16 Jahre lang bestandskräftig gewesen sei. Den mit Aufnahmebescheid im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Spätaussiedlern sei immer versichert worden, dass eine zeitliche Befristung für die Einreise bzw. der Wirksamkeit des Aufnahmebescheides nicht erfolgen werde. Die verstrichene Zeit könne ein Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse eine Rücknahme noch als rechtmäßig anzusehen sei. Eine Richtlinie dafür, innerhalb welchen Zeitraums ein Aufnahmebescheid zurückgenommen werden kann, könne die Fünf-Jahres-Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 2 BVFG sein. Eine vorsätzliche oder arglistige Täuschung habe nicht stattgefunden. Das Bundesverwaltungsamt habe den Sachverhalt früher näher aufklären bzw. überprüfen können. Das über 16 Jahre lang aufrechterhaltene Vertrauen der Kläger sei schutzwürdig. Sie seien hilfs- und pflegebedürftig, ihre Kinder und Enkel lebten in Deutschland.
21Die Kläger beantragen,
22das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2013 aufzuheben.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt insbesondere die Auffassung, dass die Rücknahme des Aufnahmebescheides vom 7. Oktober 1997 auch nach 16 Jahren noch möglich sei. Die Tätigkeiten des Klägers zu 1. fielen sowohl unter § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung als auch unter § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG in der seit dem 1. Januar 2000 geltenden Fassung.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
28Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 und sein Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29Rechtsgrundlage für die in den angefochtenen Bescheiden ausgesprochene Rücknahme des den Klägern erteilten Aufnahmebescheides vom 7. Oktober 1997 ist § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwVfG. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit unter den in den Absätzen 2 bis 4 geregelten Einschränkungen zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 ist nicht rechtswidrig (1.), außerdem hat die Beklagte von dem ihr eingeräumten Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei Gebrauch gemacht (2.).
301. Der den Klägern erteilte Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 ist nicht rechtswidrig.
31a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG in der damals geltenden Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. I. S. 2094 (im Folgenden: BVFG a. F.) wurde der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Verlassen dieser Gebiete die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllten. Das traf auf den Kläger zu 1. zu. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass er die Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft nach den §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 2 BVFG a. F. erfüllte.
32Entgegen der Auffassung der Beklagten stand der Erteilung des Aufnahmebescheides an den Kläger zu 1. § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift erwarb die Rechtsstellung als Spätaussiedler nicht, wer in den Aussiedlungsgebieten eine herausgehobene politische oder berufliche Stellung innegehabt hat, die er nur durch eine besondere Bindung an das totalitäre System erreichen konnte. Diese Vorschrift ist auch maßgebend für den streitigen Rücknahmebescheid, zumal die Beklagte den Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 ausdrücklich „von Anfang an“ (ex tunc) zurückgenommen hat.
33Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. November 1979 - 3 C 103.79 ‑ BVerwGE 59, 148 (159 f.); ferner Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 14. Auflage 2013, § 48 Rdnr. 57 mit zahlreichen Nachweisen; speziell für das Vertriebenenrecht OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 2008 ‑ 12 A 1679/06 ‑, juris, Rdnr. 22.
34b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangte § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. zunächst eine herausgehobene politische oder berufliche Stellung. Dies für sich allein führe jedoch nicht zu einem Ausschluss des Erwerbs der Spätaussiedlereigenschaft. Vielmehr verlange die Vorschrift eine herausgehobene Stellung des deutschen Volkszugehörigen, „die er nur durch eine besondere Bindung an das totalitäre System erreichen konnte“, also eine kausale Verknüpfung der herausgehobenen Stellung mit einer besonderen Systembindung. Dies könne jedenfalls in aller Regel nicht bereits aus der herausgehobenen Stellung selbst geschlossen werden, sondern müsse im Einzelfall konkret festgestellt werden. Entscheidend sei daher, ob der Betreffende eine besondere Bindung an das totalitäre System der früheren Sowjetunion gehabt habe, sowie weiter, ob er seine herausgehobene Stellung nur durch diese besondere Bindung habe erreichen können.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (343 f.).
36Als besondere Bindung an das totalitäre System könne nur die Mitgliedschaft in der KPdSU in Betracht kommen. Dabei sei zwischen einer bloß einfachen Bindung und einer besonderen Bindung an das totalitäre System zu unterscheiden. Eine besondere Bindung liege nicht vor, wenn die Mitgliedschaft passiv geblieben sei und sich auf das beschränkt habe, was von Parteimitgliedern allgemein erwartet worden sei, wie z. B. die Teilnahme an Aufmärschen. Daher müssten objektive Umstände hinzukommen, die den deutschen Volkszugehörigen als jemanden ausgewiesen hätten, der der KPdSU über eine bloße passive Mitgliedschaft hinaus verbunden gewesen sei, wie etwa durch die Übernahme eines Parteiamtes.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (344 ff.).
38Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. trug die Beklagte die materielle Beweislast.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (343).
40In der seit dem 1. Januar 2000 geltenden ‑ für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheides nicht maßgebenden ‑ Fassung des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG sind der Nachweis einer besonderen Bindung an das System sowie deren Ursächlichkeit für Beförderungsentscheidungen „im Unterschied zum geltenden Recht“ entfallen.
41So ausdrücklich Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Sanierung des Bundeshaushalts (Haushaltssanierungsgesetz ‑ HSanG ‑) vom 17. September 1999, BT-Drs. 14/1636, S. 176.
42c) Nach diesen Maßstäben lagen die Voraussetzungen des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. zu Lasten des Klägers zu 1. nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob die von ihm erreichten Positionen als Direktor einer Mittelschule und als Leiter der Volksbildungsabteilung eines Rayons herausgehobene politische oder berufliche Stellungen im Sinne des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. waren.
43Vgl. hierzu (bejahend) VG Minden, Urteil vom 16. September 2005 ‑ 4 K 724/03 ‑, juris; bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2006 ‑ 2 A 4265/05 ‑.
44Jedenfalls gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger zu 1. diese Positionen nur durch eine besondere Bindung an das totalitäre System, d. h. durch eine aktive Mitgliedschaft in der KPdSU erreichen konnte. Auch die angefochtenen Bescheide verhalten sich hierzu nicht. Nach seinen eigenen Angaben war der Kläger zwar (einfaches) Mitglied der KPdSU, hat die Partei jedoch bereits im Jahr 1991 unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlassen. Für die Annahme, dass der Kläger zu 1. ein Parteiamt innehatte, hat die Beklagte nichts geltend gemacht, noch ist sonst etwas dafür ersichtlich. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. vom 23. September 2004 ergibt sich das Erfordernis einer „aktiven“ Parteimitgliedschaft etwa in Form eines Parteiamtes nicht. Danach ist für den Schuldirektor die „Loyalität gegenüber der Partei eine zentrale Voraussetzung für die Ausübung dieser Funktion“ gewesen (Seite 5). Der Posten soll zur „Nomenklatura eines Parteikomitees“ gehört haben (Seite 8). Man habe nicht nur Parteimitglied sein müssen, sondern auch zumindest die Unterstützung, wenn nicht die Initiative des Stadtparteikomitees gebraucht (Seite 9). Für einen Leiter der Abteilung für Volksbildung gelte Entsprechendes (Seite 10). Dass der Direktor die Pionier- und Komsomolorganisation der Partei anleiten und fördern musste (Seite 10), bedeutet aber keine Übernahme eines Parteiamtes oder eine besondere Verbindung zur KPdSU.
45Das vom Gutachter mehrfach herangezogene System der Nomenklatura ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „zu diffus, um auf seiner Grundlage den Begriff der besonderen Bindung generell zu präzisieren.“
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (344).
47Daher ist für die Frage der besonderen Bindung nicht entscheidungserheblich, ob die vom Kläger zu 1. innegehabten Dienststellungen zum Nomenklatura-System gehörten.
48Zudem fehlt es an der – im Einzelfall konkret festzustellenden – kausalen Verknüpfung der herausgehobenen Stellung mit einer besonderen Systembindung. Die Beklagte leitet dies letztlich unmittelbar aus den vom Kläger zu 1. bekleideten Stellungen selbst ab. Das reichte jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die eine konkrete Feststellung im Einzelfall forderte, nicht aus. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. ergibt sich zu dieser Frage nichts.
49Dementsprechend war auch die Einbeziehung der Klägerin zu 2. in den dem Kläger zu 1. erteilten Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in der damals geltenden Fassung nicht rechtswidrig.
502. Die Rücknahmeentscheidung ist außerdem ermessensfehlerhaft. § 48 VwVfG enthält zwar keine absolute Ausschlussfrist für die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts (a). Die Beklagte hat aber ermessensfehlerhaft gehandelt, weil sie den Zeitraum von etwa fünfzehneinhalb Jahren, der seit dem Erlass des die Kläger begünstigenden Bescheides vom 7. Oktober 1997 bis zur Rücknahme-entscheidung am 18. Februar 2013 vergangen ist, nicht ausreichend berücksichtigt hat (b).
51Vgl. für einen Zeitraum von 52 Jahren OVG NRW, Urteil vom 8. November 2012 - 11 A 1548/11 -, NWVBl. 2013, 181.
52a) Der Gesetzgeber hat beim Erlass des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes die Frage einer absoluten Ausschlussfrist erwogen, aber nicht ins Gesetz aufgenommen. In der Gesetzesbegründung zu § 44 Abs. 4 E-VwVfG (BT-Drucks. 7/910, S. 71) heißt es:
53„Eine absolute Ausschlussfrist, für die es auf Kenntnis der Ausschließungsgründe nicht ankommt, erscheint nicht gerechtfertigt, da es durchaus Fälle geben kann, in denen ein so weitgehender Schutz des Betroffenen nicht angemessen wäre (z. B. Rücknahme einer ärztlichen Approbation, durch strafbare Handlung erlangte Vermögensvorteile). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung dem Zeitablauf allein keine eigenständige Bedeutung beigemessen; es ist vielmehr davon ausgegangen, dass die verstrichene Zeit ein Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein kann, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse eine Rücknahme noch als rechtmäßig anzusehen ist (BVerwG, Beschl. vom 5. September 1972 ‑ BVerwG III B 67.72 ‑)."
54Die auch vom Gesetzgeber in Bezug genommene damalige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ging davon aus, dass die Zeit, die seit Unanfechtbarkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts bis zum Erlass des Änderungsbescheides verstrichen war, allein für sich gesehen keine eigenständige Bedeutung habe. Die verstrichene Zeit könne aber ein Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse des Einzelfalles eine Rücknahme noch als rechtmäßig anzusehen sei.
55Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1976 ‑ III C 21.75 ‑, Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 57, m. w. N.
56Auch nach Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass weder § 48 Abs. 4 VwVfG noch den verwandten Vorschriften in der Abgabenordnung und des Sozialgesetzbuches ein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen werden könne, der auf eine absolute zeitliche Grenze hinauslaufe, nach deren Erreichen ein rechtswidriger Bescheid nicht mehr zurückgenommen werden dürfe. Auch eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 4 VwVfG scheide aus.
57Vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschluss vom 4. August 1993 ‑ 3 B 7.93 ‑, NVwZ-RR 1994, 388.
58Die Behörde sei jedoch bei der Ermittlung der Rücknahmevoraussetzungen dem Grundsatz von Treu und Glauben unterworfen, der sich insbesondere im Rechtsinstitut der Verwirkung manifestiere.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 1997 ‑ 3 B 66.97 ‑, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 87.
60In der Kommentarliteratur wird die Auffassung vertreten, unabhängig vom Gesichtspunkt der Verwirkung sei die Rücknahme mit Blick auf den Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit nicht unbefristet vorstellbar.
61Vgl. Meyer, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2010, § 48 Rdnr. 44.
62Weiter findet sich der Hinweis, die verstrichene Zeit erlange als Beurteilungsfaktor u. a. vor allem bei längeren Zeiträumen im Hinblick zumal auf Verschlechterungen der Beweissituation besonderes Gewicht.
63Vgl. Sachs, in: Stelkens u. a., Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2013, § 48 Rdnr. 203.
64Der Senat geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass § 48 VwVfG nach seinem eindeutigen Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers keine absolute Ausschlussfrist enthält.
65b) Der Zeitablauf ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Ermessensausübung im Sinne der §§ 40 VwVfG, 114 Satz 1 VwGO besteht in einer Abwägung der nach den Zwecken der Ermächtigung maßgebenden Gesichtspunkte gegen- und untereinander. Dabei ist zum einen der maßgebliche Sachverhalt zu ermitteln. Zum zweiten sind alle für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte gegen- und untereinander abzuwägen mit dem Ziel, allen beteiligten Gesichtspunkten soweit wie möglich Rechnung zu tragen.
66Vgl. etwa Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 14. Auflage 2013, § 40 Rdnr. 79, 89.
67Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Entscheidung zum Lastenausgleichsrecht die Auffassung vertreten, dass bereits ein „erheblicher Zeitablauf von mehr als 11 Jahren“ ein „wesentlicher Beurteilungsfaktor neben anderen“ sei.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1976 ‑ III C 21.75 ‑, Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 57.
69Die angefochtenen Bescheide enthalten zur Frage des verstrichenen Zeitraums keinerlei Ermessenserwägungen. Hier wäre aber der ungewöhnlich lange Zeitablauf von fünfzehneinhalb Jahren zu berücksichtigen gewesen, wobei hinzukommt, dass die Ernennung des Klägers zu 1. zum Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. am 27. Oktober 1986 bereits über 26 Jahre zurücklag. Dass die Kläger den Aufnahmebescheid noch nicht in Anspruch genommen haben, ist unerheblich. Sie konnten davon ausgehen, dass ihnen die sich aus diesem Bescheid ergebende Rechtsposition unbefristet zusteht. Es besteht keine Verpflichtung oder auch nur Obliegenheit, einen Aufnahmebescheid möglichst zeitnah auszunutzen. Im Gegenteil wollte der Gesetzgeber das Recht auf Aufnahme zeitlich gerade nicht beschneiden.
70Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen (Kriegsfolgenbereinigungsgesetz ‑ KfbG) vom 7. September 1992, BT-Drs. 12/3213, S. 19.
71Die durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 16. Mai 2007 (BGBl. I S. 748) in § 100 Abs. 4 und 5 sowie § 100a Abs. 2 eingefügten Befristungen für Übernahmegenehmigungen und Aufnahmebescheide von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union bis zum 31. Dezember 2009 sind durch das Achte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1694) wieder aufgehoben worden. In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt: „Die Beschränkung der Geltungsdauer wird wieder aufgehoben, damit hierdurch nicht Personen, deren weiterer Verbleib in ihren Herkunftsstaaten im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt, zu einer vorzeitigen Ausreise veranlasst werden. Dies betrifft insbesondere Personen, die eine herausgehobene Stellung innerhalb der deutschen Minderheit im Herkunftsgebiet haben.“
72Vgl. BT-Drs. 16/12593, S. 9.
73Das zeigt, dass der Gesetzgeber an der zeitlich unbegrenzten Geltung von Aufnahmebescheiden ausnahmslos festhält.
74Dass die Beklagte Sachverhaltsermittlungen, die einen Ausschusstatbestand ‑ nämlich den des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a.F. ‑ betreffen, für den sie die Darlegungs- und Beweislast trägt, erst 15 Jahre nach Erteilung des Bescheides anstellt, kann nicht zu Lasten des Inhabers eines Aufnahmebescheides gehen.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
76Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
77Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, beteiligt das Bundesverwaltungsamt vor Erteilung der Bescheinigung den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt, wenn dies zur Feststellung von Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d und e geboten ist. Die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung ist für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch das Bundesverwaltungsamt beantragen.
(2) Das Bundesverwaltungsamt stellt dem in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung zum Nachweis des Status nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 aus. Eine Bescheinigung nach Absatz 1 kann nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.
(3) Über die Rücknahme und die Ausstellung einer Zweitschrift einer Bescheinigung entscheidet die Ausstellungsbehörde.
(4) Eine Bescheinigung kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Ausstellung gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Ausstellung der Bescheinigung erfolgen. Hat die Rücknahme einer Bescheinigung nach Absatz 1 auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen nach Absatz 2, so ist für jeden Betroffenen eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das Maß der Beteiligung des Ehegatten oder Abkömmlings an einer arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Spätaussiedlers gegen die schutzwürdigen Belange des Ehegatten oder Abkömmlings, insbesondere unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen. Der Widerruf einer Bescheinigung ist nicht zulässig.
(1) Spätaussiedler ist in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor
- 1.
seit dem 8. Mai 1945 oder - 2.
nach seiner Vertreibung oder der Vertreibung eines Elternteils seit dem 31. März 1952 oder - 3.
seit seiner Geburt, wenn er vor dem 1. Januar 1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach Nummer 1 oder des 31. März 1952 nach Nummer 2 erfüllt, es sei denn, dass Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31. März 1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben,
(2) Spätaussiedler ist auch ein deutscher Volkszugehöriger aus den Aussiedlungsgebieten des § 1 Abs. 2 Nr. 3 außer den in Absatz 1 genannten Staaten, der die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt und glaubhaft macht, dass er am 31. Dezember 1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit unterlag.
(3) Der Spätaussiedler ist Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Ehegatten oder Abkömmlinge von Spätaussiedlern, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 in den Aufnahmebescheid einbezogen worden sind, erwerben, sofern die Einbeziehung nicht unwirksam geworden ist, diese Rechtsstellung mit ihrer Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes.
(1) Das Bundesverwaltungsamt stellt Spätaussiedlern zum Nachweis ihrer Spätaussiedlereigenschaft eine Bescheinigung aus. Eine Wiederholung des Gesprächs im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 3 findet hierbei nicht statt. Bei Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, beteiligt das Bundesverwaltungsamt vor Erteilung der Bescheinigung den Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Militärischen Abschirmdienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und das Zollkriminalamt, wenn dies zur Feststellung von Ausschlussgründen nach § 5 Nr. 1 Buchstabe d und e geboten ist. Die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung ist für Staatsangehörigkeitsbehörden und alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen als Spätaussiedler nach diesem oder einem anderen Gesetz zuständig sind. Hält eine Behörde oder Stelle die Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes über die Ausstellung der Bescheinigung nicht für gerechtfertigt, so kann sie nur ihre Änderung oder Aufhebung durch das Bundesverwaltungsamt beantragen.
(2) Das Bundesverwaltungsamt stellt dem in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogenen Ehegatten oder Abkömmling eine Bescheinigung zum Nachweis des Status nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie seiner Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 aus. Eine Bescheinigung nach Absatz 1 kann nur ausgestellt werden, wenn die Erteilung eines Aufnahmebescheides beantragt und nicht bestands- oder rechtskräftig abgelehnt worden ist. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.
(3) Über die Rücknahme und die Ausstellung einer Zweitschrift einer Bescheinigung entscheidet die Ausstellungsbehörde.
(4) Eine Bescheinigung kann mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückgenommen werden, wenn sie durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für ihre Ausstellung gewesen sind, erwirkt worden ist. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit darf nur bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Ausstellung der Bescheinigung erfolgen. Hat die Rücknahme einer Bescheinigung nach Absatz 1 auch Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit von Bescheinigungen nach Absatz 2, so ist für jeden Betroffenen eine selbständige Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei ist das Maß der Beteiligung des Ehegatten oder Abkömmlings an einer arglistigen Täuschung, Drohung oder Bestechung oder an unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Spätaussiedlers gegen die schutzwürdigen Belange des Ehegatten oder Abkömmlings, insbesondere unter Beachtung des Kindeswohls, abzuwägen. Der Widerruf einer Bescheinigung ist nicht zulässig.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 und sein Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2013 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 18. April 1949 geborene Kläger zu 1. lebt in Kasachstan. Er erhielt auf seinen Antrag am 7. Oktober 1997 einen Aufnahmebescheid, in den seine Ehefrau, die Klägerin zu 2., einbezogen wurde. Der Kläger zu 1. hatte im Antragsformular angegeben, als „Lehrer“ tätig gewesen zu sein.
3Im Jahr 2012 betrieben die Kläger ihre Ausreise nach Deutschland. Auf Aufforderung des Bundesverwaltungsamtes legten sie im Rahmen des Visum-Verfahrens ihre Arbeitsbücher vor. Hieraus ergab sich, dass der Kläger zu 1. seit 1970 als Physiklehrer tätig war. Ab dem 1. März 1973 war er Leiter der Lehrabteilung für die Lehr- und Erziehungsarbeit in der Mittelschule „Q. “, seit dem 15. Juli 1976 Direktor der Mittelschule „K. “ und seit dem 28. August 1981 Direktor der Mittelschule „Q. “. Seit dem 27. Oktober 1986 war er „Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. “. Diese Tätigkeit übte er bis zum 1. Januar 2005 aus. Auf Nachfrage des Bundesverwaltungsamtes gab die Tochter des Klägers zu 1. an:
4„1. Vom 01.03.1973 bis 15.07.1976 war mein Vater Leiter der Lehrabteilung, zuständig für den Stundenplan, die Stundenauslastung der Lehrkräfte und Kontrolle der Einhaltung dieser Punkte. Er unterrichtete in dieser Zeit die Fächer Physik und Astronomie, er war aber nicht zuständig für die politische Bildung der Schüler oder Lehrer.
52. Vom 15.07.1976 bis 27.10.1986 wurde er zum Direktor der 2 von Ihnen aufgeführten Mittelschulen ernannt auf Grund seiner korrekten pädagogischen Leistung und Arbeitsweise. Er wurde gerne in kleinen Dorfschulen eingesetzt, wo es auch keine geeigneten Physiklehrer gab. Er unterrichtete weiterhin die Fächer Physik und Astronomie. Damit ist der Wechsel von einer Schule zur anderen zu erklären. Als Direktor war er für die Aufgaben aus Punkt 1. verantwortlich. Dazu kamen noch die Verantwortung für die Kontrolle des Schulgebäudezustandes und Instandsetzung dessen (Heizung, Reinigung, Renovierungsarbeiten). Die einzige Bedingung für diesen Posten war, dass er Mitglied der Partei wurde. Er war aber nie ein aktives Mitglied, sondern es war für ihn eine reine Formalität, die es ihm ermöglichte in seinem Traumberuf Pädagoge zu bleiben. Wäre er nicht eingetreten, hätte er nicht mal als einfacher Lehrer mehr arbeiten können.
63. Vom 27.10.1986 bis 01.01.2005 wurde er zum Leiter der Volksbildungsabteilung ernannt, die für die Bildung in den Mittelschulen des Rayons M. zuständig war. Er war aber auch hier nicht für die politische Bildung zuständig, sondern für Instandhaltung und Renovierung der Schulgebäude des Rayons, für die Kontrolle der korrekten Durchführung der Abschlussprüfungen. Er konnte geeignete Lehrkräfte den jeweiligen Schulleitern vorschlagen, diese waren an seinen Vorschlag aber nicht gebunden. Er vertrat bei Bedarf in dieser Zeit auch erkrankte oder fehlende Physiklehrer.
74. Als Lehrer war er seinem jeweiligen Direktor Rechenschaft schuldig. Als Direktor der Volksbildungsabteilung des Rayons. Als Leiter der Volksbildungsabteilung der Gebietsfortbildungsabteilung in Q1. , Nordkasachstan.
85. Die Volksbildungsabteilung war der Verwaltung des Rayons M. unterstellt.
96.-7. Er war nie Mitglied des Komsomol, zum Eintritt in die KPdSU wurde er gezwungen, um als Lehrer, wozu er sich berufen führte, weiter arbeiten zu können. Er war aber nie ein aktives Mitglied. Er hatte keine Funktionen in der Partei. Als es möglich wurde, ist er auch sofort auf eigenen Wunsch 1991 aus der Partei ausgetreten. …“
10Mit Bescheid vom 18. Februar 2013 nahm das Bundesverwaltungsamt den Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zurück. Zur Begründung führte es aus: Die Tätigkeiten des Klägers zu 1. als Direktor einer Mittelschule und in noch größerem Umfang als Leiter der Volksbildungsabteilung eines Rayons erfüllten den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F., so dass der Aufnahmebescheid rechtswidrig sei. Das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides sei höherrangig anzusehen als das Interesse der Kläger an dessen Bestand. Die Aufrechterhaltung des Aufnahmebescheides bedeute eine unangemessene Bevorzugung gegenüber Aufnahmebewerbern, die bei gleichen Voraussetzungen keine Aufnahmebescheide erhalten hätten. Das Vertrauen der Kläger in den Bestand bedeute keine besondere Härte, da sie noch keine unumkehrbaren Schritte zur Ausreise unternommen hätten. Die Rücknahme sei daher verhältnismäßig. Andere Gesichtspunkte zu Gunsten der Aufrechterhaltung des Aufnahmebescheides, die gegenüber dem öffentlichen Interesse ein vergleichbares Gewicht aufwiesen, seien nicht ersichtlich.
11Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung sie der Auffassung des Bundesverwaltungsamts entgegentraten, die Tätigkeit des Klägers zu 1. erfülle den Ausschlusstatbestand des § 5 BVFG.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2013 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch der Kläger zurück und vertiefte seine Auffassung, dass die vom Kläger zu 1. ausgeübten Tätigkeiten den Ausschlusstatbestand des § 5 BVFG erfüllten.
13Am 18. Mai 2013 haben die Kläger Klage erhoben. Sie haben vorgetragen: Der Kläger zu 1. habe die Position als Abteilungsleiter der Volksbildungsabteilung im ländlichen Raum bis 2006 ausgeübt, also ohne „Karriereknick“ noch 16 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion. Das spreche dafür, dass es sich nicht um eine Nomenklatura-Position gehandelt habe. Gegen eine solche Position spreche ebenfalls, dass er letztlich auch die Arbeiten eines „Hausmeisters“ erledigt habe. Nach der zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufnahmebescheides geltenden Rechtslage, die für die Rücknahme maßgebend sei, komme es nicht allein auf die berufliche Position an, sondern zusätzlich auf eine kausale Verknüpfung mit einer besonderen Systembindung, die im Einzelfall festgestellt werden müsse. Die Beklagte trage hierfür die Beweislast. Auf den erteilten Aufnahmebescheid könne nicht rückwirkend die Neufassung des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG angewendet werden. Eine besondere Bindung an das totalitäre System sei der Kläger zu 1. nicht eingegangen, er sei passives Mitglied der KPdSU gewesen. Er habe sich nicht in besonderer, das übliche Maß an Anpassung in deutlich übersteigender Weise, mit dem System arrangiert und davon profitiert. Er sei nicht „für die kommunistische Erziehung der Kinder und Jugendlichen“ verantwortlich gewesen.
14Der Kläger hat beantragt,
15den Rücknahmebescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2013 aufzuheben.
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und insbesondere ihre Auffassung vertieft, dass jedenfalls die Position des Klägers zu 1. als Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. unter § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. falle. Die Stellung habe dem Nomenklatura-System angehört, d. h. die KPdSU habe sich die Personalentscheidung für diesen Posten vorbehalten und damit die Inhaber persönlich an sich gebunden. Hierzu verweist sie auf ein Gutachten von Prof. Dr. T. vom 23. September 2004. Auch als Schuldirektor sei der Kläger zu 1. auf das Engste an das übergeordnete Parteikomitee angebunden gewesen. In Kasachstan sei es keineswegs unüblich gewesen, dass verdiente Führungskräfte auch weiterhin herausgehobene Positionen bekleidet hätten. Auch die sonstigen Voraussetzungen für die Rücknahme des Aufnahmebescheides seien erfüllt. Die Ermessensentscheidung werde dahingehend ergänzt, dass der Kläger zu 1. bei Belassen des Aufnahmebescheides nach Einreise in die Bundesrepublik Deutschland keine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG erhalten könnte, weil er auch nach aktueller Rechtslage den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG erfülle.
19Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. August 2013 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der zurückgenommene Aufnahmebescheid sei rechtswidrig. Zwar bestünden Bedenken gegen die Annahme des Bundesverwaltungsamtes, die vom Kläger zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Mittelschuldirektor falle unter § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG. Der Kläger zu 1. habe jedoch spätestens mit seiner Ernennung zum Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. am 27. Oktober 1986 eine Stellung erreicht, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam gegolten habe. Es könne offen bleiben, ob § 5 BVFG in seiner aktuellen Fassung oder in der Fassung zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufnahmebescheides anzuwenden sei, weil die vom Kläger zu 1. ausgeübte Tätigkeit beide Tatbestände erfülle. Dagegen spreche auch nicht, dass der Kläger zu 1. diese Tätigkeit bis Ende 2004 ausgeübt habe. Der Rücknahmebescheid lasse keine Ermessensfehler erkennen und sei auch nicht unverhältnismäßig.
20Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung tragen die Kläger ergänzend vor: Der unter der Geltung des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. erteilte Aufnahmebescheid dürfe nicht nach den Kriterien des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG beurteilt werden. Das Gutachten von Prof. Dr. T. , das eher eine Referierung persönlicher Meinungen darstelle, beziehe sich auf die Rechtslage nach § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG. Der Ausschlusstatbestand sei nicht erfüllt. Eine hinreichende Ermessensentscheidung habe nicht stattgefunden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Aufnahmebescheid 16 Jahre lang bestandskräftig gewesen sei. Den mit Aufnahmebescheid im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Spätaussiedlern sei immer versichert worden, dass eine zeitliche Befristung für die Einreise bzw. der Wirksamkeit des Aufnahmebescheides nicht erfolgen werde. Die verstrichene Zeit könne ein Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse eine Rücknahme noch als rechtmäßig anzusehen sei. Eine Richtlinie dafür, innerhalb welchen Zeitraums ein Aufnahmebescheid zurückgenommen werden kann, könne die Fünf-Jahres-Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 2 BVFG sein. Eine vorsätzliche oder arglistige Täuschung habe nicht stattgefunden. Das Bundesverwaltungsamt habe den Sachverhalt früher näher aufklären bzw. überprüfen können. Das über 16 Jahre lang aufrechterhaltene Vertrauen der Kläger sei schutzwürdig. Sie seien hilfs- und pflegebedürftig, ihre Kinder und Enkel lebten in Deutschland.
21Die Kläger beantragen,
22das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2013 aufzuheben.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt insbesondere die Auffassung, dass die Rücknahme des Aufnahmebescheides vom 7. Oktober 1997 auch nach 16 Jahren noch möglich sei. Die Tätigkeiten des Klägers zu 1. fielen sowohl unter § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung als auch unter § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG in der seit dem 1. Januar 2000 geltenden Fassung.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
28Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 und sein Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29Rechtsgrundlage für die in den angefochtenen Bescheiden ausgesprochene Rücknahme des den Klägern erteilten Aufnahmebescheides vom 7. Oktober 1997 ist § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwVfG. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit unter den in den Absätzen 2 bis 4 geregelten Einschränkungen zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 ist nicht rechtswidrig (1.), außerdem hat die Beklagte von dem ihr eingeräumten Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei Gebrauch gemacht (2.).
301. Der den Klägern erteilte Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 ist nicht rechtswidrig.
31a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG in der damals geltenden Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. I. S. 2094 (im Folgenden: BVFG a. F.) wurde der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Verlassen dieser Gebiete die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllten. Das traf auf den Kläger zu 1. zu. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass er die Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft nach den §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 2 BVFG a. F. erfüllte.
32Entgegen der Auffassung der Beklagten stand der Erteilung des Aufnahmebescheides an den Kläger zu 1. § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift erwarb die Rechtsstellung als Spätaussiedler nicht, wer in den Aussiedlungsgebieten eine herausgehobene politische oder berufliche Stellung innegehabt hat, die er nur durch eine besondere Bindung an das totalitäre System erreichen konnte. Diese Vorschrift ist auch maßgebend für den streitigen Rücknahmebescheid, zumal die Beklagte den Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 ausdrücklich „von Anfang an“ (ex tunc) zurückgenommen hat.
33Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. November 1979 - 3 C 103.79 ‑ BVerwGE 59, 148 (159 f.); ferner Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 14. Auflage 2013, § 48 Rdnr. 57 mit zahlreichen Nachweisen; speziell für das Vertriebenenrecht OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 2008 ‑ 12 A 1679/06 ‑, juris, Rdnr. 22.
34b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangte § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. zunächst eine herausgehobene politische oder berufliche Stellung. Dies für sich allein führe jedoch nicht zu einem Ausschluss des Erwerbs der Spätaussiedlereigenschaft. Vielmehr verlange die Vorschrift eine herausgehobene Stellung des deutschen Volkszugehörigen, „die er nur durch eine besondere Bindung an das totalitäre System erreichen konnte“, also eine kausale Verknüpfung der herausgehobenen Stellung mit einer besonderen Systembindung. Dies könne jedenfalls in aller Regel nicht bereits aus der herausgehobenen Stellung selbst geschlossen werden, sondern müsse im Einzelfall konkret festgestellt werden. Entscheidend sei daher, ob der Betreffende eine besondere Bindung an das totalitäre System der früheren Sowjetunion gehabt habe, sowie weiter, ob er seine herausgehobene Stellung nur durch diese besondere Bindung habe erreichen können.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (343 f.).
36Als besondere Bindung an das totalitäre System könne nur die Mitgliedschaft in der KPdSU in Betracht kommen. Dabei sei zwischen einer bloß einfachen Bindung und einer besonderen Bindung an das totalitäre System zu unterscheiden. Eine besondere Bindung liege nicht vor, wenn die Mitgliedschaft passiv geblieben sei und sich auf das beschränkt habe, was von Parteimitgliedern allgemein erwartet worden sei, wie z. B. die Teilnahme an Aufmärschen. Daher müssten objektive Umstände hinzukommen, die den deutschen Volkszugehörigen als jemanden ausgewiesen hätten, der der KPdSU über eine bloße passive Mitgliedschaft hinaus verbunden gewesen sei, wie etwa durch die Übernahme eines Parteiamtes.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (344 ff.).
38Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. trug die Beklagte die materielle Beweislast.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (343).
40In der seit dem 1. Januar 2000 geltenden ‑ für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheides nicht maßgebenden ‑ Fassung des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG sind der Nachweis einer besonderen Bindung an das System sowie deren Ursächlichkeit für Beförderungsentscheidungen „im Unterschied zum geltenden Recht“ entfallen.
41So ausdrücklich Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Sanierung des Bundeshaushalts (Haushaltssanierungsgesetz ‑ HSanG ‑) vom 17. September 1999, BT-Drs. 14/1636, S. 176.
42c) Nach diesen Maßstäben lagen die Voraussetzungen des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. zu Lasten des Klägers zu 1. nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob die von ihm erreichten Positionen als Direktor einer Mittelschule und als Leiter der Volksbildungsabteilung eines Rayons herausgehobene politische oder berufliche Stellungen im Sinne des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. waren.
43Vgl. hierzu (bejahend) VG Minden, Urteil vom 16. September 2005 ‑ 4 K 724/03 ‑, juris; bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2006 ‑ 2 A 4265/05 ‑.
44Jedenfalls gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger zu 1. diese Positionen nur durch eine besondere Bindung an das totalitäre System, d. h. durch eine aktive Mitgliedschaft in der KPdSU erreichen konnte. Auch die angefochtenen Bescheide verhalten sich hierzu nicht. Nach seinen eigenen Angaben war der Kläger zwar (einfaches) Mitglied der KPdSU, hat die Partei jedoch bereits im Jahr 1991 unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlassen. Für die Annahme, dass der Kläger zu 1. ein Parteiamt innehatte, hat die Beklagte nichts geltend gemacht, noch ist sonst etwas dafür ersichtlich. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. vom 23. September 2004 ergibt sich das Erfordernis einer „aktiven“ Parteimitgliedschaft etwa in Form eines Parteiamtes nicht. Danach ist für den Schuldirektor die „Loyalität gegenüber der Partei eine zentrale Voraussetzung für die Ausübung dieser Funktion“ gewesen (Seite 5). Der Posten soll zur „Nomenklatura eines Parteikomitees“ gehört haben (Seite 8). Man habe nicht nur Parteimitglied sein müssen, sondern auch zumindest die Unterstützung, wenn nicht die Initiative des Stadtparteikomitees gebraucht (Seite 9). Für einen Leiter der Abteilung für Volksbildung gelte Entsprechendes (Seite 10). Dass der Direktor die Pionier- und Komsomolorganisation der Partei anleiten und fördern musste (Seite 10), bedeutet aber keine Übernahme eines Parteiamtes oder eine besondere Verbindung zur KPdSU.
45Das vom Gutachter mehrfach herangezogene System der Nomenklatura ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „zu diffus, um auf seiner Grundlage den Begriff der besonderen Bindung generell zu präzisieren.“
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (344).
47Daher ist für die Frage der besonderen Bindung nicht entscheidungserheblich, ob die vom Kläger zu 1. innegehabten Dienststellungen zum Nomenklatura-System gehörten.
48Zudem fehlt es an der – im Einzelfall konkret festzustellenden – kausalen Verknüpfung der herausgehobenen Stellung mit einer besonderen Systembindung. Die Beklagte leitet dies letztlich unmittelbar aus den vom Kläger zu 1. bekleideten Stellungen selbst ab. Das reichte jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die eine konkrete Feststellung im Einzelfall forderte, nicht aus. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. ergibt sich zu dieser Frage nichts.
49Dementsprechend war auch die Einbeziehung der Klägerin zu 2. in den dem Kläger zu 1. erteilten Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in der damals geltenden Fassung nicht rechtswidrig.
502. Die Rücknahmeentscheidung ist außerdem ermessensfehlerhaft. § 48 VwVfG enthält zwar keine absolute Ausschlussfrist für die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts (a). Die Beklagte hat aber ermessensfehlerhaft gehandelt, weil sie den Zeitraum von etwa fünfzehneinhalb Jahren, der seit dem Erlass des die Kläger begünstigenden Bescheides vom 7. Oktober 1997 bis zur Rücknahme-entscheidung am 18. Februar 2013 vergangen ist, nicht ausreichend berücksichtigt hat (b).
51Vgl. für einen Zeitraum von 52 Jahren OVG NRW, Urteil vom 8. November 2012 - 11 A 1548/11 -, NWVBl. 2013, 181.
52a) Der Gesetzgeber hat beim Erlass des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes die Frage einer absoluten Ausschlussfrist erwogen, aber nicht ins Gesetz aufgenommen. In der Gesetzesbegründung zu § 44 Abs. 4 E-VwVfG (BT-Drucks. 7/910, S. 71) heißt es:
53„Eine absolute Ausschlussfrist, für die es auf Kenntnis der Ausschließungsgründe nicht ankommt, erscheint nicht gerechtfertigt, da es durchaus Fälle geben kann, in denen ein so weitgehender Schutz des Betroffenen nicht angemessen wäre (z. B. Rücknahme einer ärztlichen Approbation, durch strafbare Handlung erlangte Vermögensvorteile). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung dem Zeitablauf allein keine eigenständige Bedeutung beigemessen; es ist vielmehr davon ausgegangen, dass die verstrichene Zeit ein Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein kann, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse eine Rücknahme noch als rechtmäßig anzusehen ist (BVerwG, Beschl. vom 5. September 1972 ‑ BVerwG III B 67.72 ‑)."
54Die auch vom Gesetzgeber in Bezug genommene damalige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ging davon aus, dass die Zeit, die seit Unanfechtbarkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts bis zum Erlass des Änderungsbescheides verstrichen war, allein für sich gesehen keine eigenständige Bedeutung habe. Die verstrichene Zeit könne aber ein Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse des Einzelfalles eine Rücknahme noch als rechtmäßig anzusehen sei.
55Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1976 ‑ III C 21.75 ‑, Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 57, m. w. N.
56Auch nach Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass weder § 48 Abs. 4 VwVfG noch den verwandten Vorschriften in der Abgabenordnung und des Sozialgesetzbuches ein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen werden könne, der auf eine absolute zeitliche Grenze hinauslaufe, nach deren Erreichen ein rechtswidriger Bescheid nicht mehr zurückgenommen werden dürfe. Auch eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 4 VwVfG scheide aus.
57Vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschluss vom 4. August 1993 ‑ 3 B 7.93 ‑, NVwZ-RR 1994, 388.
58Die Behörde sei jedoch bei der Ermittlung der Rücknahmevoraussetzungen dem Grundsatz von Treu und Glauben unterworfen, der sich insbesondere im Rechtsinstitut der Verwirkung manifestiere.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 1997 ‑ 3 B 66.97 ‑, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 87.
60In der Kommentarliteratur wird die Auffassung vertreten, unabhängig vom Gesichtspunkt der Verwirkung sei die Rücknahme mit Blick auf den Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit nicht unbefristet vorstellbar.
61Vgl. Meyer, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2010, § 48 Rdnr. 44.
62Weiter findet sich der Hinweis, die verstrichene Zeit erlange als Beurteilungsfaktor u. a. vor allem bei längeren Zeiträumen im Hinblick zumal auf Verschlechterungen der Beweissituation besonderes Gewicht.
63Vgl. Sachs, in: Stelkens u. a., Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2013, § 48 Rdnr. 203.
64Der Senat geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass § 48 VwVfG nach seinem eindeutigen Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers keine absolute Ausschlussfrist enthält.
65b) Der Zeitablauf ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Ermessensausübung im Sinne der §§ 40 VwVfG, 114 Satz 1 VwGO besteht in einer Abwägung der nach den Zwecken der Ermächtigung maßgebenden Gesichtspunkte gegen- und untereinander. Dabei ist zum einen der maßgebliche Sachverhalt zu ermitteln. Zum zweiten sind alle für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte gegen- und untereinander abzuwägen mit dem Ziel, allen beteiligten Gesichtspunkten soweit wie möglich Rechnung zu tragen.
66Vgl. etwa Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 14. Auflage 2013, § 40 Rdnr. 79, 89.
67Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Entscheidung zum Lastenausgleichsrecht die Auffassung vertreten, dass bereits ein „erheblicher Zeitablauf von mehr als 11 Jahren“ ein „wesentlicher Beurteilungsfaktor neben anderen“ sei.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1976 ‑ III C 21.75 ‑, Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 57.
69Die angefochtenen Bescheide enthalten zur Frage des verstrichenen Zeitraums keinerlei Ermessenserwägungen. Hier wäre aber der ungewöhnlich lange Zeitablauf von fünfzehneinhalb Jahren zu berücksichtigen gewesen, wobei hinzukommt, dass die Ernennung des Klägers zu 1. zum Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. am 27. Oktober 1986 bereits über 26 Jahre zurücklag. Dass die Kläger den Aufnahmebescheid noch nicht in Anspruch genommen haben, ist unerheblich. Sie konnten davon ausgehen, dass ihnen die sich aus diesem Bescheid ergebende Rechtsposition unbefristet zusteht. Es besteht keine Verpflichtung oder auch nur Obliegenheit, einen Aufnahmebescheid möglichst zeitnah auszunutzen. Im Gegenteil wollte der Gesetzgeber das Recht auf Aufnahme zeitlich gerade nicht beschneiden.
70Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen (Kriegsfolgenbereinigungsgesetz ‑ KfbG) vom 7. September 1992, BT-Drs. 12/3213, S. 19.
71Die durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 16. Mai 2007 (BGBl. I S. 748) in § 100 Abs. 4 und 5 sowie § 100a Abs. 2 eingefügten Befristungen für Übernahmegenehmigungen und Aufnahmebescheide von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union bis zum 31. Dezember 2009 sind durch das Achte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1694) wieder aufgehoben worden. In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt: „Die Beschränkung der Geltungsdauer wird wieder aufgehoben, damit hierdurch nicht Personen, deren weiterer Verbleib in ihren Herkunftsstaaten im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt, zu einer vorzeitigen Ausreise veranlasst werden. Dies betrifft insbesondere Personen, die eine herausgehobene Stellung innerhalb der deutschen Minderheit im Herkunftsgebiet haben.“
72Vgl. BT-Drs. 16/12593, S. 9.
73Das zeigt, dass der Gesetzgeber an der zeitlich unbegrenzten Geltung von Aufnahmebescheiden ausnahmslos festhält.
74Dass die Beklagte Sachverhaltsermittlungen, die einen Ausschusstatbestand ‑ nämlich den des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a.F. ‑ betreffen, für den sie die Darlegungs- und Beweislast trägt, erst 15 Jahre nach Erteilung des Bescheides anstellt, kann nicht zu Lasten des Inhabers eines Aufnahmebescheides gehen.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
76Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
77Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 und sein Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2013 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der am 18. April 1949 geborene Kläger zu 1. lebt in Kasachstan. Er erhielt auf seinen Antrag am 7. Oktober 1997 einen Aufnahmebescheid, in den seine Ehefrau, die Klägerin zu 2., einbezogen wurde. Der Kläger zu 1. hatte im Antragsformular angegeben, als „Lehrer“ tätig gewesen zu sein.
3Im Jahr 2012 betrieben die Kläger ihre Ausreise nach Deutschland. Auf Aufforderung des Bundesverwaltungsamtes legten sie im Rahmen des Visum-Verfahrens ihre Arbeitsbücher vor. Hieraus ergab sich, dass der Kläger zu 1. seit 1970 als Physiklehrer tätig war. Ab dem 1. März 1973 war er Leiter der Lehrabteilung für die Lehr- und Erziehungsarbeit in der Mittelschule „Q. “, seit dem 15. Juli 1976 Direktor der Mittelschule „K. “ und seit dem 28. August 1981 Direktor der Mittelschule „Q. “. Seit dem 27. Oktober 1986 war er „Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. “. Diese Tätigkeit übte er bis zum 1. Januar 2005 aus. Auf Nachfrage des Bundesverwaltungsamtes gab die Tochter des Klägers zu 1. an:
4„1. Vom 01.03.1973 bis 15.07.1976 war mein Vater Leiter der Lehrabteilung, zuständig für den Stundenplan, die Stundenauslastung der Lehrkräfte und Kontrolle der Einhaltung dieser Punkte. Er unterrichtete in dieser Zeit die Fächer Physik und Astronomie, er war aber nicht zuständig für die politische Bildung der Schüler oder Lehrer.
52. Vom 15.07.1976 bis 27.10.1986 wurde er zum Direktor der 2 von Ihnen aufgeführten Mittelschulen ernannt auf Grund seiner korrekten pädagogischen Leistung und Arbeitsweise. Er wurde gerne in kleinen Dorfschulen eingesetzt, wo es auch keine geeigneten Physiklehrer gab. Er unterrichtete weiterhin die Fächer Physik und Astronomie. Damit ist der Wechsel von einer Schule zur anderen zu erklären. Als Direktor war er für die Aufgaben aus Punkt 1. verantwortlich. Dazu kamen noch die Verantwortung für die Kontrolle des Schulgebäudezustandes und Instandsetzung dessen (Heizung, Reinigung, Renovierungsarbeiten). Die einzige Bedingung für diesen Posten war, dass er Mitglied der Partei wurde. Er war aber nie ein aktives Mitglied, sondern es war für ihn eine reine Formalität, die es ihm ermöglichte in seinem Traumberuf Pädagoge zu bleiben. Wäre er nicht eingetreten, hätte er nicht mal als einfacher Lehrer mehr arbeiten können.
63. Vom 27.10.1986 bis 01.01.2005 wurde er zum Leiter der Volksbildungsabteilung ernannt, die für die Bildung in den Mittelschulen des Rayons M. zuständig war. Er war aber auch hier nicht für die politische Bildung zuständig, sondern für Instandhaltung und Renovierung der Schulgebäude des Rayons, für die Kontrolle der korrekten Durchführung der Abschlussprüfungen. Er konnte geeignete Lehrkräfte den jeweiligen Schulleitern vorschlagen, diese waren an seinen Vorschlag aber nicht gebunden. Er vertrat bei Bedarf in dieser Zeit auch erkrankte oder fehlende Physiklehrer.
74. Als Lehrer war er seinem jeweiligen Direktor Rechenschaft schuldig. Als Direktor der Volksbildungsabteilung des Rayons. Als Leiter der Volksbildungsabteilung der Gebietsfortbildungsabteilung in Q1. , Nordkasachstan.
85. Die Volksbildungsabteilung war der Verwaltung des Rayons M. unterstellt.
96.-7. Er war nie Mitglied des Komsomol, zum Eintritt in die KPdSU wurde er gezwungen, um als Lehrer, wozu er sich berufen führte, weiter arbeiten zu können. Er war aber nie ein aktives Mitglied. Er hatte keine Funktionen in der Partei. Als es möglich wurde, ist er auch sofort auf eigenen Wunsch 1991 aus der Partei ausgetreten. …“
10Mit Bescheid vom 18. Februar 2013 nahm das Bundesverwaltungsamt den Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zurück. Zur Begründung führte es aus: Die Tätigkeiten des Klägers zu 1. als Direktor einer Mittelschule und in noch größerem Umfang als Leiter der Volksbildungsabteilung eines Rayons erfüllten den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F., so dass der Aufnahmebescheid rechtswidrig sei. Das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Aufnahmebescheides sei höherrangig anzusehen als das Interesse der Kläger an dessen Bestand. Die Aufrechterhaltung des Aufnahmebescheides bedeute eine unangemessene Bevorzugung gegenüber Aufnahmebewerbern, die bei gleichen Voraussetzungen keine Aufnahmebescheide erhalten hätten. Das Vertrauen der Kläger in den Bestand bedeute keine besondere Härte, da sie noch keine unumkehrbaren Schritte zur Ausreise unternommen hätten. Die Rücknahme sei daher verhältnismäßig. Andere Gesichtspunkte zu Gunsten der Aufrechterhaltung des Aufnahmebescheides, die gegenüber dem öffentlichen Interesse ein vergleichbares Gewicht aufwiesen, seien nicht ersichtlich.
11Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung sie der Auffassung des Bundesverwaltungsamts entgegentraten, die Tätigkeit des Klägers zu 1. erfülle den Ausschlusstatbestand des § 5 BVFG.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2013 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch der Kläger zurück und vertiefte seine Auffassung, dass die vom Kläger zu 1. ausgeübten Tätigkeiten den Ausschlusstatbestand des § 5 BVFG erfüllten.
13Am 18. Mai 2013 haben die Kläger Klage erhoben. Sie haben vorgetragen: Der Kläger zu 1. habe die Position als Abteilungsleiter der Volksbildungsabteilung im ländlichen Raum bis 2006 ausgeübt, also ohne „Karriereknick“ noch 16 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion. Das spreche dafür, dass es sich nicht um eine Nomenklatura-Position gehandelt habe. Gegen eine solche Position spreche ebenfalls, dass er letztlich auch die Arbeiten eines „Hausmeisters“ erledigt habe. Nach der zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufnahmebescheides geltenden Rechtslage, die für die Rücknahme maßgebend sei, komme es nicht allein auf die berufliche Position an, sondern zusätzlich auf eine kausale Verknüpfung mit einer besonderen Systembindung, die im Einzelfall festgestellt werden müsse. Die Beklagte trage hierfür die Beweislast. Auf den erteilten Aufnahmebescheid könne nicht rückwirkend die Neufassung des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG angewendet werden. Eine besondere Bindung an das totalitäre System sei der Kläger zu 1. nicht eingegangen, er sei passives Mitglied der KPdSU gewesen. Er habe sich nicht in besonderer, das übliche Maß an Anpassung in deutlich übersteigender Weise, mit dem System arrangiert und davon profitiert. Er sei nicht „für die kommunistische Erziehung der Kinder und Jugendlichen“ verantwortlich gewesen.
14Der Kläger hat beantragt,
15den Rücknahmebescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2013 aufzuheben.
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und insbesondere ihre Auffassung vertieft, dass jedenfalls die Position des Klägers zu 1. als Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. unter § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. falle. Die Stellung habe dem Nomenklatura-System angehört, d. h. die KPdSU habe sich die Personalentscheidung für diesen Posten vorbehalten und damit die Inhaber persönlich an sich gebunden. Hierzu verweist sie auf ein Gutachten von Prof. Dr. T. vom 23. September 2004. Auch als Schuldirektor sei der Kläger zu 1. auf das Engste an das übergeordnete Parteikomitee angebunden gewesen. In Kasachstan sei es keineswegs unüblich gewesen, dass verdiente Führungskräfte auch weiterhin herausgehobene Positionen bekleidet hätten. Auch die sonstigen Voraussetzungen für die Rücknahme des Aufnahmebescheides seien erfüllt. Die Ermessensentscheidung werde dahingehend ergänzt, dass der Kläger zu 1. bei Belassen des Aufnahmebescheides nach Einreise in die Bundesrepublik Deutschland keine Spätaussiedlerbescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG erhalten könnte, weil er auch nach aktueller Rechtslage den Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG erfülle.
19Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. August 2013 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der zurückgenommene Aufnahmebescheid sei rechtswidrig. Zwar bestünden Bedenken gegen die Annahme des Bundesverwaltungsamtes, die vom Kläger zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Mittelschuldirektor falle unter § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG. Der Kläger zu 1. habe jedoch spätestens mit seiner Ernennung zum Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. am 27. Oktober 1986 eine Stellung erreicht, die für die Aufrechterhaltung des kommunistischen Herrschaftssystems gewöhnlich als bedeutsam gegolten habe. Es könne offen bleiben, ob § 5 BVFG in seiner aktuellen Fassung oder in der Fassung zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufnahmebescheides anzuwenden sei, weil die vom Kläger zu 1. ausgeübte Tätigkeit beide Tatbestände erfülle. Dagegen spreche auch nicht, dass der Kläger zu 1. diese Tätigkeit bis Ende 2004 ausgeübt habe. Der Rücknahmebescheid lasse keine Ermessensfehler erkennen und sei auch nicht unverhältnismäßig.
20Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung tragen die Kläger ergänzend vor: Der unter der Geltung des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. erteilte Aufnahmebescheid dürfe nicht nach den Kriterien des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG beurteilt werden. Das Gutachten von Prof. Dr. T. , das eher eine Referierung persönlicher Meinungen darstelle, beziehe sich auf die Rechtslage nach § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG. Der Ausschlusstatbestand sei nicht erfüllt. Eine hinreichende Ermessensentscheidung habe nicht stattgefunden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Aufnahmebescheid 16 Jahre lang bestandskräftig gewesen sei. Den mit Aufnahmebescheid im Aussiedlungsgebiet verbliebenen Spätaussiedlern sei immer versichert worden, dass eine zeitliche Befristung für die Einreise bzw. der Wirksamkeit des Aufnahmebescheides nicht erfolgen werde. Die verstrichene Zeit könne ein Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse eine Rücknahme noch als rechtmäßig anzusehen sei. Eine Richtlinie dafür, innerhalb welchen Zeitraums ein Aufnahmebescheid zurückgenommen werden kann, könne die Fünf-Jahres-Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 2 BVFG sein. Eine vorsätzliche oder arglistige Täuschung habe nicht stattgefunden. Das Bundesverwaltungsamt habe den Sachverhalt früher näher aufklären bzw. überprüfen können. Das über 16 Jahre lang aufrechterhaltene Vertrauen der Kläger sei schutzwürdig. Sie seien hilfs- und pflegebedürftig, ihre Kinder und Enkel lebten in Deutschland.
21Die Kläger beantragen,
22das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2013 aufzuheben.
23Die Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt insbesondere die Auffassung, dass die Rücknahme des Aufnahmebescheides vom 7. Oktober 1997 auch nach 16 Jahren noch möglich sei. Die Tätigkeiten des Klägers zu 1. fielen sowohl unter § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung als auch unter § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG in der seit dem 1. Januar 2000 geltenden Fassung.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
28Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 18. Februar 2013 und sein Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29Rechtsgrundlage für die in den angefochtenen Bescheiden ausgesprochene Rücknahme des den Klägern erteilten Aufnahmebescheides vom 7. Oktober 1997 ist § 48 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwVfG. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit unter den in den Absätzen 2 bis 4 geregelten Einschränkungen zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 ist nicht rechtswidrig (1.), außerdem hat die Beklagte von dem ihr eingeräumten Rücknahmeermessen nicht fehlerfrei Gebrauch gemacht (2.).
301. Der den Klägern erteilte Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 ist nicht rechtswidrig.
31a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG in der damals geltenden Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl. I. S. 2094 (im Folgenden: BVFG a. F.) wurde der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Verlassen dieser Gebiete die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllten. Das traf auf den Kläger zu 1. zu. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass er die Voraussetzungen der Spätaussiedlereigenschaft nach den §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 2 BVFG a. F. erfüllte.
32Entgegen der Auffassung der Beklagten stand der Erteilung des Aufnahmebescheides an den Kläger zu 1. § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift erwarb die Rechtsstellung als Spätaussiedler nicht, wer in den Aussiedlungsgebieten eine herausgehobene politische oder berufliche Stellung innegehabt hat, die er nur durch eine besondere Bindung an das totalitäre System erreichen konnte. Diese Vorschrift ist auch maßgebend für den streitigen Rücknahmebescheid, zumal die Beklagte den Aufnahmebescheid vom 7. Oktober 1997 ausdrücklich „von Anfang an“ (ex tunc) zurückgenommen hat.
33Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. November 1979 - 3 C 103.79 ‑ BVerwGE 59, 148 (159 f.); ferner Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 14. Auflage 2013, § 48 Rdnr. 57 mit zahlreichen Nachweisen; speziell für das Vertriebenenrecht OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 2008 ‑ 12 A 1679/06 ‑, juris, Rdnr. 22.
34b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangte § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. zunächst eine herausgehobene politische oder berufliche Stellung. Dies für sich allein führe jedoch nicht zu einem Ausschluss des Erwerbs der Spätaussiedlereigenschaft. Vielmehr verlange die Vorschrift eine herausgehobene Stellung des deutschen Volkszugehörigen, „die er nur durch eine besondere Bindung an das totalitäre System erreichen konnte“, also eine kausale Verknüpfung der herausgehobenen Stellung mit einer besonderen Systembindung. Dies könne jedenfalls in aller Regel nicht bereits aus der herausgehobenen Stellung selbst geschlossen werden, sondern müsse im Einzelfall konkret festgestellt werden. Entscheidend sei daher, ob der Betreffende eine besondere Bindung an das totalitäre System der früheren Sowjetunion gehabt habe, sowie weiter, ob er seine herausgehobene Stellung nur durch diese besondere Bindung habe erreichen können.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (343 f.).
36Als besondere Bindung an das totalitäre System könne nur die Mitgliedschaft in der KPdSU in Betracht kommen. Dabei sei zwischen einer bloß einfachen Bindung und einer besonderen Bindung an das totalitäre System zu unterscheiden. Eine besondere Bindung liege nicht vor, wenn die Mitgliedschaft passiv geblieben sei und sich auf das beschränkt habe, was von Parteimitgliedern allgemein erwartet worden sei, wie z. B. die Teilnahme an Aufmärschen. Daher müssten objektive Umstände hinzukommen, die den deutschen Volkszugehörigen als jemanden ausgewiesen hätten, der der KPdSU über eine bloße passive Mitgliedschaft hinaus verbunden gewesen sei, wie etwa durch die Übernahme eines Parteiamtes.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (344 ff.).
38Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. trug die Beklagte die materielle Beweislast.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (343).
40In der seit dem 1. Januar 2000 geltenden ‑ für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheides nicht maßgebenden ‑ Fassung des § 5 Nr. 2 Buchst. b) BVFG sind der Nachweis einer besonderen Bindung an das System sowie deren Ursächlichkeit für Beförderungsentscheidungen „im Unterschied zum geltenden Recht“ entfallen.
41So ausdrücklich Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Sanierung des Bundeshaushalts (Haushaltssanierungsgesetz ‑ HSanG ‑) vom 17. September 1999, BT-Drs. 14/1636, S. 176.
42c) Nach diesen Maßstäben lagen die Voraussetzungen des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. zu Lasten des Klägers zu 1. nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob die von ihm erreichten Positionen als Direktor einer Mittelschule und als Leiter der Volksbildungsabteilung eines Rayons herausgehobene politische oder berufliche Stellungen im Sinne des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a. F. waren.
43Vgl. hierzu (bejahend) VG Minden, Urteil vom 16. September 2005 ‑ 4 K 724/03 ‑, juris; bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2006 ‑ 2 A 4265/05 ‑.
44Jedenfalls gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger zu 1. diese Positionen nur durch eine besondere Bindung an das totalitäre System, d. h. durch eine aktive Mitgliedschaft in der KPdSU erreichen konnte. Auch die angefochtenen Bescheide verhalten sich hierzu nicht. Nach seinen eigenen Angaben war der Kläger zwar (einfaches) Mitglied der KPdSU, hat die Partei jedoch bereits im Jahr 1991 unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion verlassen. Für die Annahme, dass der Kläger zu 1. ein Parteiamt innehatte, hat die Beklagte nichts geltend gemacht, noch ist sonst etwas dafür ersichtlich. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. vom 23. September 2004 ergibt sich das Erfordernis einer „aktiven“ Parteimitgliedschaft etwa in Form eines Parteiamtes nicht. Danach ist für den Schuldirektor die „Loyalität gegenüber der Partei eine zentrale Voraussetzung für die Ausübung dieser Funktion“ gewesen (Seite 5). Der Posten soll zur „Nomenklatura eines Parteikomitees“ gehört haben (Seite 8). Man habe nicht nur Parteimitglied sein müssen, sondern auch zumindest die Unterstützung, wenn nicht die Initiative des Stadtparteikomitees gebraucht (Seite 9). Für einen Leiter der Abteilung für Volksbildung gelte Entsprechendes (Seite 10). Dass der Direktor die Pionier- und Komsomolorganisation der Partei anleiten und fördern musste (Seite 10), bedeutet aber keine Übernahme eines Parteiamtes oder eine besondere Verbindung zur KPdSU.
45Das vom Gutachter mehrfach herangezogene System der Nomenklatura ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „zu diffus, um auf seiner Grundlage den Begriff der besonderen Bindung generell zu präzisieren.“
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1999 ‑ 5 C 2.99 ‑, BVerwGE 108, 340 (344).
47Daher ist für die Frage der besonderen Bindung nicht entscheidungserheblich, ob die vom Kläger zu 1. innegehabten Dienststellungen zum Nomenklatura-System gehörten.
48Zudem fehlt es an der – im Einzelfall konkret festzustellenden – kausalen Verknüpfung der herausgehobenen Stellung mit einer besonderen Systembindung. Die Beklagte leitet dies letztlich unmittelbar aus den vom Kläger zu 1. bekleideten Stellungen selbst ab. Das reichte jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die eine konkrete Feststellung im Einzelfall forderte, nicht aus. Aus dem Gutachten von Prof. Dr. T. ergibt sich zu dieser Frage nichts.
49Dementsprechend war auch die Einbeziehung der Klägerin zu 2. in den dem Kläger zu 1. erteilten Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG in der damals geltenden Fassung nicht rechtswidrig.
502. Die Rücknahmeentscheidung ist außerdem ermessensfehlerhaft. § 48 VwVfG enthält zwar keine absolute Ausschlussfrist für die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts (a). Die Beklagte hat aber ermessensfehlerhaft gehandelt, weil sie den Zeitraum von etwa fünfzehneinhalb Jahren, der seit dem Erlass des die Kläger begünstigenden Bescheides vom 7. Oktober 1997 bis zur Rücknahme-entscheidung am 18. Februar 2013 vergangen ist, nicht ausreichend berücksichtigt hat (b).
51Vgl. für einen Zeitraum von 52 Jahren OVG NRW, Urteil vom 8. November 2012 - 11 A 1548/11 -, NWVBl. 2013, 181.
52a) Der Gesetzgeber hat beim Erlass des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes die Frage einer absoluten Ausschlussfrist erwogen, aber nicht ins Gesetz aufgenommen. In der Gesetzesbegründung zu § 44 Abs. 4 E-VwVfG (BT-Drucks. 7/910, S. 71) heißt es:
53„Eine absolute Ausschlussfrist, für die es auf Kenntnis der Ausschließungsgründe nicht ankommt, erscheint nicht gerechtfertigt, da es durchaus Fälle geben kann, in denen ein so weitgehender Schutz des Betroffenen nicht angemessen wäre (z. B. Rücknahme einer ärztlichen Approbation, durch strafbare Handlung erlangte Vermögensvorteile). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung dem Zeitablauf allein keine eigenständige Bedeutung beigemessen; es ist vielmehr davon ausgegangen, dass die verstrichene Zeit ein Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein kann, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse eine Rücknahme noch als rechtmäßig anzusehen ist (BVerwG, Beschl. vom 5. September 1972 ‑ BVerwG III B 67.72 ‑)."
54Die auch vom Gesetzgeber in Bezug genommene damalige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ging davon aus, dass die Zeit, die seit Unanfechtbarkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts bis zum Erlass des Änderungsbescheides verstrichen war, allein für sich gesehen keine eigenständige Bedeutung habe. Die verstrichene Zeit könne aber ein Beurteilungsfaktor neben anderen Umständen dafür sein, ob nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gesamtverhältnisse des Einzelfalles eine Rücknahme noch als rechtmäßig anzusehen sei.
55Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1976 ‑ III C 21.75 ‑, Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 57, m. w. N.
56Auch nach Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass weder § 48 Abs. 4 VwVfG noch den verwandten Vorschriften in der Abgabenordnung und des Sozialgesetzbuches ein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen werden könne, der auf eine absolute zeitliche Grenze hinauslaufe, nach deren Erreichen ein rechtswidriger Bescheid nicht mehr zurückgenommen werden dürfe. Auch eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 4 VwVfG scheide aus.
57Vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschluss vom 4. August 1993 ‑ 3 B 7.93 ‑, NVwZ-RR 1994, 388.
58Die Behörde sei jedoch bei der Ermittlung der Rücknahmevoraussetzungen dem Grundsatz von Treu und Glauben unterworfen, der sich insbesondere im Rechtsinstitut der Verwirkung manifestiere.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 1997 ‑ 3 B 66.97 ‑, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 87.
60In der Kommentarliteratur wird die Auffassung vertreten, unabhängig vom Gesichtspunkt der Verwirkung sei die Rücknahme mit Blick auf den Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit nicht unbefristet vorstellbar.
61Vgl. Meyer, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2010, § 48 Rdnr. 44.
62Weiter findet sich der Hinweis, die verstrichene Zeit erlange als Beurteilungsfaktor u. a. vor allem bei längeren Zeiträumen im Hinblick zumal auf Verschlechterungen der Beweissituation besonderes Gewicht.
63Vgl. Sachs, in: Stelkens u. a., Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2013, § 48 Rdnr. 203.
64Der Senat geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass § 48 VwVfG nach seinem eindeutigen Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers keine absolute Ausschlussfrist enthält.
65b) Der Zeitablauf ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Ermessensausübung im Sinne der §§ 40 VwVfG, 114 Satz 1 VwGO besteht in einer Abwägung der nach den Zwecken der Ermächtigung maßgebenden Gesichtspunkte gegen- und untereinander. Dabei ist zum einen der maßgebliche Sachverhalt zu ermitteln. Zum zweiten sind alle für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte gegen- und untereinander abzuwägen mit dem Ziel, allen beteiligten Gesichtspunkten soweit wie möglich Rechnung zu tragen.
66Vgl. etwa Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 14. Auflage 2013, § 40 Rdnr. 79, 89.
67Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Entscheidung zum Lastenausgleichsrecht die Auffassung vertreten, dass bereits ein „erheblicher Zeitablauf von mehr als 11 Jahren“ ein „wesentlicher Beurteilungsfaktor neben anderen“ sei.
68Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1976 ‑ III C 21.75 ‑, Buchholz 427.3 § 335a LAG Nr. 57.
69Die angefochtenen Bescheide enthalten zur Frage des verstrichenen Zeitraums keinerlei Ermessenserwägungen. Hier wäre aber der ungewöhnlich lange Zeitablauf von fünfzehneinhalb Jahren zu berücksichtigen gewesen, wobei hinzukommt, dass die Ernennung des Klägers zu 1. zum Leiter der Volksbildungsabteilung des Rayons M. am 27. Oktober 1986 bereits über 26 Jahre zurücklag. Dass die Kläger den Aufnahmebescheid noch nicht in Anspruch genommen haben, ist unerheblich. Sie konnten davon ausgehen, dass ihnen die sich aus diesem Bescheid ergebende Rechtsposition unbefristet zusteht. Es besteht keine Verpflichtung oder auch nur Obliegenheit, einen Aufnahmebescheid möglichst zeitnah auszunutzen. Im Gegenteil wollte der Gesetzgeber das Recht auf Aufnahme zeitlich gerade nicht beschneiden.
70Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von Kriegsfolgengesetzen (Kriegsfolgenbereinigungsgesetz ‑ KfbG) vom 7. September 1992, BT-Drs. 12/3213, S. 19.
71Die durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 16. Mai 2007 (BGBl. I S. 748) in § 100 Abs. 4 und 5 sowie § 100a Abs. 2 eingefügten Befristungen für Übernahmegenehmigungen und Aufnahmebescheide von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union bis zum 31. Dezember 2009 sind durch das Achte Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1694) wieder aufgehoben worden. In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt: „Die Beschränkung der Geltungsdauer wird wieder aufgehoben, damit hierdurch nicht Personen, deren weiterer Verbleib in ihren Herkunftsstaaten im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt, zu einer vorzeitigen Ausreise veranlasst werden. Dies betrifft insbesondere Personen, die eine herausgehobene Stellung innerhalb der deutschen Minderheit im Herkunftsgebiet haben.“
72Vgl. BT-Drs. 16/12593, S. 9.
73Das zeigt, dass der Gesetzgeber an der zeitlich unbegrenzten Geltung von Aufnahmebescheiden ausnahmslos festhält.
74Dass die Beklagte Sachverhaltsermittlungen, die einen Ausschusstatbestand ‑ nämlich den des § 5 Nr. 1 Buchst. d) BVFG a.F. ‑ betreffen, für den sie die Darlegungs- und Beweislast trägt, erst 15 Jahre nach Erteilung des Bescheides anstellt, kann nicht zu Lasten des Inhabers eines Aufnahmebescheides gehen.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
76Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
77Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.