Verwaltungsgericht Köln Urteil, 29. Nov. 2013 - 19 K 6165/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger befand sich seit dem 01. 09. 2009 im Beamtenverhältnis auf Widerruf in der Ausbildung im gehobenen Polizeivollzugsdienst des Landes NRW.
3Zum Abschluss des Fachmoduls 4 war eine Prüfung zum Nachweis der körperlichen Leistungsfähigkeit abzulegen. Diese Prüfung wurde im Falle des Klägers als endgültig „nicht bestanden“ gewertet, da in der Laufprüfung auch im Wiederholungsversuch am 24. 08. 2012 nach der vorgenommenen Zeitmessung das in der Studienordnung vorgeschriebene Zeitlimit nicht eingehalten wurde.
4Das Prüfungsergebnis wurde dem Kläger mit Schreiben vom 24. 08. 2012 mitgeteilt.
5Mit Schreiben vom 27. 08. 2012 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er mit Ablauf des 24. August 2012 kraft Gesetzes aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ausgeschieden sei.
6Der Kläger hat am 26. 10. 2012 Klage erhoben.
7Er macht unter anderem geltend, er habe während der Laufprüfung unter Magenkrämpfen und Defäkationsdrang gelitten, die Wiederholungsprüfung dürfe deshalb nicht gewertet werden. Zudem bestünden Zweifel an einer korrekten Zeitmessung. Ohnehin sei die Wirksamkeit der Prüfungsordnung in verfassungsrechtlicher Hinsicht zweifelhaft, die im Rahmen der Sportprüfung gestellten Anforderungen seien unverhältnismäßig. Da aufgrund dieser Umstände kein endgültiges Nichtbestehen vorliege, sei auch die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis rechtswidrig. Es sei auch die erforderliche Anhörung vor der Entlassung und die Beteiligung der Personalvertretung unterblieben.
8Das Verfahren wurde getrennt und unter dem Aktenzeichen 6 K 6243/12 fortgeführt, soweit der Kläger die Wiederholung der Prüfung begehrt.
9Im vorliegenden Verfahren beantragt der Kläger,
101. festzustellen, dass das Beamtenverhältnis auf Widerruf des Klägers über den 24. 08. 2012 hinaus fortbesteht,
112. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01. 09. 2012 Anwärterbezüge als Kommissaranwärter nach der Besoldungsgruppe A9 zu gewähren,
12hilfsweise,
133. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger erneut in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Kommissaranwärter für den Laufbahnabschnitt II (Bachelor) für den gehobenen Polizeivollzugsdienst zu berufen,
14äußerst hilfsweise,
154. die Beklagte zu verpflichten, über eine erneute Berufung des Klägers in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Kommissaranwärter für den Laufbahnabschnitt II (Bachelor) für den gehobenen Polizeivollzugsdienst unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Er führt unter anderem aus, die Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf gemäß § 22 Abs. 4 BeamtStG sei vom rechtlichen Bestand der Prüfungsentscheidung, für welche die Fachhochschule zuständig sei, unabhängig. Allein maßgeblich sei das rein tatsächliche Ereignis des endgültigen Nichtbestehens der Prüfung, das zu einer Entlassung kraft Gesetzes führe.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
22Die Hauptanträge haben keinen Erfolg, da das Beamtenverhältnis des Klägers nach § 22 Abs. 4 BeamtStG kraft Gesetzes am 24. 08. 2012 endete.
23Gemäß § 22 Abs. 4 BeamtStG endet das Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Ablauf des Tages der Ablegung oder dem endgültigen Nichtbestehen der für die Laufbahn vorgeschriebenen Prüfung, sofern durch Landesrecht nichts anderes bestimmt ist. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b) der Verordnung über die Ausbildung und die II. Fachprüfung für den Laufbahnabschnitt II (Bachelor) der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein- Westfalen (VAPPol II Bachelor) vom 21. August 2008 endet das Beamtenverhältnis für Beamtinnen und Beamte auf Widerruf, die die Prüfung endgültig nicht bestanden haben, an dem Tag, an dem das Prüfungsergebnis bekanntgegeben wird.
24Tatbestandsvoraussetzung der Vorschrift ist allein der Umstand, dass der Beamte die Prüfung endgültig nicht bestanden hat. Die daran geknüpfte Rechtsfolge besteht in der mit dem Tage der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses eintretenden Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf.
25"Prüfung" im Sinne der Vorschrift ist die für die Laufbahn vorgeschriebene Prüfung, mithin die II. Fachprüfung. Die II. Fachprüfung besteht u.a. aus den Modulprüfungen während des Studiums (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 VAPPol II Bachelor). Ein erfolgreicher Abschluss des Studiums und damit auch der II. Fachprüfung ist nur dann möglich, wenn die Modulprüfungen jeweils mindestens mit der Note "ausreichend" (4,0) oder "bestanden" bewertet wurden (vgl. § 14 Abs. 2 VAPPol II Bachelor).
26Hieraus folgt: Ein endgültiges Nichtbestehen der II. Fachprüfung ist auch dann gegeben, wenn eine Modulprüfung endgültig nicht bestanden ist. Ein endgültiges Nichtbestehen einer Modulprüfung liegt vor, wenn sie nach den einschlägigen Prüfungsbestimmungen (hier der VAPPol II Bachelor sowie der Studienordnung der Bachelorstudiengänge an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW) nicht mehr wiederholt werden kann. § 12 Abs. 1 VAPPol II Bachelor bestimmt insoweit, dass eine nicht bestandene Prüfung einmal wiederholt werden kann. Erreichen Studierende in der Abschlussnote eines Moduls auch nach Inanspruchnahme einer Wiederholungsmöglichkeit nach § 12 Abs. 1 VAPPol II Bachelor nicht eine Bewertung von mindestens "ausreichend" (4,0) oder "bestanden", ist die Modulprüfung nach § 12 Abs. 2 VAPPol II Bachelor und damit - wie dargelegt - auch die II. Fachprüfung (vgl. § 14 Abs. 1 und 2 VAPPol II Bachelor) endgültig nicht bestanden.
27OVG NRW, Beschluss vom 04.08.2009 – 6 B 948/09 –, juris.
28Liegt - wie vorliegend - ein "endgültiges Nichtbestehen der Prüfung" in diesem Sinne vor, endet das Widerrufsbeamtenverhältnis kraft Gesetzes mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, hier also des Ergebnisses der Modulprüfung.
29OVG NRW, Beschluss vom 04.08.2009 – 6 B 948/09 –, juris.
30Diese Rechtsfolge tritt unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung und unabhängig von deren Bestandskraft ein. Das folgt zunächst schon daraus, dass die Beendigung des Beamtenverhältnisses kein Regelungsgegenstand der Prüfungsentscheidung ist, von deren Rechtmäßigkeit und Bestand also nicht abhängig sein kann. Dementsprechend knüpft die Prüfungsordnung nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Rechtsfolge der Beendigung des Beamtenverhältnisses ausschließlich an das rein tatsächliche Ereignis der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses an. Durch die Anknüpfung an dieses eindeutig fixierbare Ereignis werden entsprechend dem Sinn und Zweck der Prüfungsordnung und des Gesetzes sofort von einem Streit um das Prüfungsergebnis unabhängige Verhältnisse und damit in Bezug auf den beamtenrechtlichen Status unmittelbar die gebotene Rechtsklarheit geschaffen.
31OVG NRW, Beschluss vom 04.08.2009 – 6 B 948/09 –, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. 04. 2012 - 1 M 32/12 -, juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 30. 01. 1986 - 2 C 27.85 -, ZBR 1986, 295, und Urteil vom 14. 11. 1985 - 2 C 35.84 -, ZBR 1986, 170.
32Da das Ende des Beamtenverhältnisses auf Widerruf eine sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Rechtsfolge ist, kam weder eine vorherige Anhörung noch eine vorherige Beteiligung der Personalvertretung in Betracht.
33Ob ein Anspruch auf erneute Absolvierung der Modulteilprüfung besteht, wird im Klageverfahren 6 K 6243/12 zu klären sein. Rechtliche Zweifel an der Beendigung des aktuellen Widerrufsbeamtenverhältnisses bestehen demgegenüber nach der einhelligen obergerichtlichen Rechtssprechung nicht.
34Vgl. zum ganzen OVG NRW, Beschlüsse vom 04.08.2009 – 6 B 948/09 –und vom 12.03.2010 – 1 B 1684/09 –, juris; vgl. auch VG Köln, Beschlüsse vom 11.11.2010 – 19 L 1670/10 - und vom 29. 06. 2011 - 19 L 849/11.
35Die Hilfsanträge haben ebenfalls keinen Erfolg, da zum einen die negative Prüfungsentscheidung aktuell nicht aufgehoben ist und zum anderen eine erneute Absolvierung einer Prüfung infolge einer bestandskräftigen Aufhebung einer negativen Prüfungsentscheidung nicht notwendig in einem fortbestehenden Beamtenverhältnis auf Widerruf geschehen muss.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 09. 03. 1989 - 2 C 59.86 -, Urteil vom 30. 01. 1986 - 2 C 27.85 -, und Urteil vom 14. 11. 1985 - 2 C 35.84 -; OVG NRW, Beschluss vom 04.08.2009 – 6 B 948/09 –, juris.
37Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
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(1) Beamtinnen und Beamte sind entlassen, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 nicht mehr vorliegen und eine Ausnahme nach § 7 Absatz 3 auch nachträglich nicht zugelassen wird oder - 2.
sie die Altersgrenze erreichen und das Beamtenverhältnis nicht durch Eintritt in den Ruhestand endet.
(2) Die Beamtin oder der Beamte ist entlassen, wenn ein öffentlich-rechtliches Dienst- oder Amtsverhältnis zu einem anderen Dienstherrn oder zu einer Einrichtung ohne Dienstherrneigenschaft begründet wird, sofern nicht im Einvernehmen mit dem neuen Dienstherrn oder der Einrichtung die Fortdauer des Beamtenverhältnisses neben dem neuen Dienst- oder Amtsverhältnis angeordnet oder durch Landesrecht etwas anderes bestimmt wird. Dies gilt nicht für den Eintritt in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf oder als Ehrenbeamtin oder Ehrenbeamter.
(3) Die Beamtin oder der Beamte ist mit der Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Zeit aus einem anderen Beamtenverhältnis bei demselben Dienstherrn entlassen, soweit das Landesrecht keine abweichenden Regelungen trifft.
(4) Das Beamtenverhältnis auf Widerruf endet mit Ablauf des Tages der Ablegung oder dem endgültigen Nichtbestehen der für die Laufbahn vorgeschriebenen Prüfung, sofern durch Landesrecht nichts anderes bestimmt ist.
(5) Das Beamtenverhältnis auf Probe in einem Amt mit leitender Funktion endet mit Ablauf der Probezeit oder mit Versetzung zu einem anderen Dienstherrn.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.