Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 26. Feb. 2013 - 7 K 716/12.KO

ECLI:ECLI:DE:VGKOBLE:2013:0226.7K716.12.KO.0A
26.02.2013

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Mai 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 verpflichtet, dem Kläger für das Sommersemester 2012 das beantragte Urlaubssemester zu bewilligen; im übrigen (soweit die Parteien hinsichtlich der Kostenfestsetzung vom 4. Juli 2012 den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben) wird das Verfahren eingestellt.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung eines Urlaubssemesters und wendet sich gegen eine Kostenfestsetzung.

2

Er ist eingeschriebener Student bei der beklagten Hochschule im Fachbereich Betriebs- und Sozialwirtschaft (Studiengang Sportmanagement) und hat sich für das Sommersemester 2012 rechtzeitig zurückgemeldet.

3

Am 13. März 2012 wurde er in Untersuchungshaft genommen, die bis heute andauert. Mit Schreiben vom 31. März 2012, bei der Beklagten eingegangen am 2. April 2012, beantragte der Vater des Klägers dessen Beurlaubung für das Sommersemester 2012. Daraufhin teilte die Beklagte unter dem 5. April 2012 mit, der Beurlaubungsantrag sei unwirksam, da die Willenserklärung nicht vom Kläger selbst abgegeben und auch eine Bevollmächtigung nicht nachgewiesen worden sei (§ 180 Satz 1 BGB analog). Am 24. April 2012 zeigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Vorlage einer Vollmacht dessen Vertretung an, genehmigte den vom Vater gestellten Urlaubsantrag und hielt diesen in der Sache aufrecht.

4

Mit Bescheid vom 3. Mai 2012 lehnte die Beklagte den Beurlaubungsantrag ab und führte zur Begründung aus: Eine Genehmigung des durch den Vater des Klägers gestellten Beurlaubungsantrages sei nicht möglich, da bei einem einseitigen Rechtsgeschäft wie der Beantragung einer Beurlaubung eine Vertretung ohne Vertretungsmacht gemäß § 180 Satz 1 BGB unzulässig und dies beanstandet worden sei. Der Beurlaubungsantrag vom 31. März 2012 sei daher unwirksam. Dem – wirksamen – Antrag vom 24. April 2012 könne nicht stattgegeben werden, da dieser nicht während der Rückmeldefrist für das Sommersemester 2012 (bis 10. Februar 2012) gestellt worden sei. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 4 der Einschreibeordnung der Beklagten (EO) sei die Beurlaubung innerhalb der Rückmeldefrist zu beantragen. Eine rückwirkende Beurlaubung finde gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 EO nicht statt. Auch eine Ausnahme nach § 12 Abs. 2 Satz 4 EO, die lediglich bei plötzlich und unerwartet nach Semesterbeginn eintretenden Ereignissen innerhalb von vier Wochen nach Vorlesungsbeginn möglich sei, scheide aus. Bei der Untersuchungshaft handele es sich um die Folge von eigenverantwortlichem Verhalten und es liege daher kein „plötzliches und unerwartet eintretendes Ereignis“ vor. Unabhängig davon seien auch keine Ausnahmegründe ersichtlich.

5

Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger insbesondere geltend, dass die Vorschrift des § 180 BGB der Wirksamkeit des Urlaubsantrags nicht entgegenstehe. Denn der Vater sei durch ihn, den Kläger, zum Stellen des Beurlaubungsantrages bevollmächtigt gewesen; er habe lediglich einen schriftlichen Nachweis nicht vorlegen können und sei hierzu auch vom Studentensekretariat nicht aufgefordert worden. In der Sache liege ein Ausnahmegrund nach § 12 Abs. 2 Satz 4 EO vor, denn die Untersuchungshaft stelle ein plötzliches und unerwartetes Ereignis dar. Es gelte die Unschuldsvermutung. Im Übrigen liege der Fall der Untersuchungshaft ähnlich wie in den als Beurlaubungsgründen angeführten Fällen von Krankheit, Schwangerschaft etc.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2012, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers per Postzustellungsurkunde zugestellt am 5. Juli 2012, wies der Beklagte den Widerspruch zurück, legte dem Kläger die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf und setzte unter Ziffer 3 des Tenors eine Gebühr in Höhe von 20,-- € sowie Auslagen in Höhe von 5,-- € fest.

7

Zur Begründung ist ausgeführt, dass kein wichtiger Grund für die Beurlaubung vorliege, die Beurlaubung nicht während der Rückmeldefrist oder der ersten vier Wochen nach Vorlesungsbeginn beantragt worden sei und auch kein plötzliches und unerwartet nach Semesterbeginn auftretendes Ereignis vorliege. Wichtige Gründe seien nach § 26 Abs. 5 HochSchG u. a. Krankheit, Behinderung oder andere von den Studenten nicht zu vertretende Gründe. Diese Regelung sei inzwischen auch in der ab 4. Mai 2012 geltenden neuen Einschreibeordnung niedergelegt. Die Untersuchungshaft sei vom Kläger durch vorsätzliches eigenverantwortliches Verhalten herbeigeführt worden und damit von diesem zu vertreten. Die strafrechtliche Unschuldsvermutung greife nicht ein, da es nicht um Schuld im Sinne des Strafrechts gehe, sondern darum, ob der Kläger die Nichtteilnahme an den Lehrveranstaltungen zu verantworten habe. Die Beurlaubung sei ferner nicht während der Rückmeldefrist beantragt worden, sondern erst nach Vorlesungsbeginn, da der Urlaubsantrag des Vaters unwirksam sei. Dies gelte unabhängig von einer Anwendung der § 180 Satz 1 BGB oder § 174 BGB. Denn der Beurlaubungsantrag sei unverzüglich nach Eingang beim verantwortlichen Leiter des Studentenservices bzw. im Justitiariat am 5. April 2012 noch am selben Tag zurückgewiesen worden. Selbst wenn man den Antrag vom 31. März 2012 als wirksam ansehen würde, wäre er jedenfalls nach Vorlesungsbeginn gestellt. Der Antrag durch den anwaltlichen Vertreter sei erst am 24. April 2012 und damit mehr als vier Wochen nach Vorlesungsbeginn am 26. März 2012 gestellt worden, so dass aus diesem Grunde bereits eine Ausnahme im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 4 EO ausscheide. Auch liege kein „plötzliches und unvorhersehbar nach Semesterbeginn auftretendes Ereignis“ vor. Der Kläger habe aufgrund seines umfangreichen vorsätzlichen Wirkens immer mit dem Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden rechnen müssen.

8

Der Kläger hat am 5. August 2012 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten beantragt und für den Fall der Bewilligung eine unbedingte Klageerhebung angekündigt. Das Verwaltungsgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 10. Oktober 2012, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 17. Oktober 2012, zur Durchführung des Verfahrens erster Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt.

9

Der Kläger hat am 25. Oktober 2012 Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und Prozesskostenhilfeverfahren wiederholt und vertieft.

10

Er beantragt,

11

unter Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Klagefrist

12

die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 3. Mai 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 zu verpflichten, ihm für das Sommersemester 2012 das beantragte Urlaubssemester zu bewilligen;

13

die unter Ziffer 3 des in dem Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2012 enthaltene Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 20,-- € sowie noch streitgegenständlicher Auslagen in Höhe von 3,45 € aufzuheben.

14

Die Beklagte ist dem Vortrag des Klägers unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens im Einzelnen entgegengetreten.

15

Sie hat in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2013 die festgesetzten Auslagen um 1,55 € reduziert. Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit in dieser Höhe übereinstimmend für erledigt erklärt.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie 1 Heft Verwaltungsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

17

Das Verfahren war einzustellen, soweit die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2013 den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt haben (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog). Im Übrigen hat die Klage sowohl hinsichtlich des Verpflichtungs- als auch des Anfechtungsbegehrens Erfolg.

18

Die Klage erweist sich zunächst als zulässig. Der Kläger kann gemäß § 44 VwGO im Wege der objektiven Klagehäufung seine Verpflichtungsklage hinsichtlich der begehrten Beurlaubung als auch seine Anfechtungsklage gegen die Kostenfestsetzung in einer einzigen Klage zusammen verfolgen, da die Begehren sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

19

Das nach § 68 VwGO vor Erhebung der Verpflichtungs- und Anfechtungsklage erforderliche Vorverfahren ist hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens durchgeführt worden. Es fehlt allerdings hinsichtlich des Anfechtungsbegehrens, da die Kostenfestsetzung erst im Widerspruchsbescheid erfolgte. Dies erweist sich aber als unschädlich, da die Beklagte sich vorbehaltlos auf die Klage eingelassen und, ohne das Fehlen des Vorverfahrens zu rügen, deren Abweisung beantragt hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 68 Rdnr. 28 m.w.N.).

20

Die Klage ist fristgerecht erhoben worden. Der Kläger hat zwar die einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO nicht eingehalten. Denn die Klage wurde nicht binnen eines Monats im Anschluss an die am 5. Juli 2012 erfolgte Zustellung des Widerspruchsbescheides, mithin nicht spätestens am 5. August 2012 erhoben, sondern erst am 25. Oktober 2012. Dies erweist sich indes als unschädlich, da dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist nach § 60 Abs. 1 VwGO zu bewilligen ist.

21

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten. Ein mittelloser Beteiligter ist regelmäßig ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Klagefrist verhindert, wenn er zunächst die gerichtliche Entscheidung über einen vor Ablauf der Frist eingereichten vollständigen Prozesskostenhilfe-Antrag abwartet und sodann binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses – d.h. der Zustellung des Beschlusses über die Prozesskostenhilfe-Entscheidung – die Erhebung der Klage nachholt (vgl. BVerwG, NVwZ 2005, 269 und NJW 1981, 698; Kopp/Schenke, a.a.O., § 60 Rdnr. 15). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn der Kläger hat binnen der einmonatigen Klagefrist den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt und im Anschluss an die Bewilligung von Prozesskostenhilfe binnen zwei Wochen die Klage erhoben. Er hat dabei ausdrücklich den gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO grundsätzlich notwendigen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt (zur Wiedereinsetzung ohne Antrag gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO vgl. BVerwG, NJW 1981, 698).

22

Die zulässige Klage ist auch begründet.

23

Das gilt zunächst für das Verpflichtungsbegehren, denn dem Kläger steht ein Anspruch auf Beurlaubung für das Sommersemester 2012 zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

24

Die Voraussetzungen für eine Beurlaubung sind in § 12 Abs. 1, Abs. 2 EO im Einzelnen geregelt. Die hier maßgeblichen Bestimmungen sind in der bis 3. Mai 2012 geltenden Einschreibeordnung vom 4. Juni 1997 in gleicher Weise wie in der ab 4. Mai 2012 geltenden Einschreibeordnung vom 7. Dezember 2011 festgelegt. Daher bedarf es keiner abschließenden Entscheidung darüber, welche Fassung der Einschreibeordnung zugrundezulegen ist.

25

Eine Beurlaubung setzt nach § 12 Abs. 1 EO einen fristgerecht gestellten Antrag sowie das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Grundsätzlich ist die Beurlaubung innerhalb der Rückmeldefrist zu beantragen (§ 12 Abs. 1 Satz 4 EO), eine rückwirkende Beurlaubung findet grundsätzlich nicht statt; allerdings sind Ausnahmen möglich bei plötzlichen und unerwartet nach Semesterbeginn eintretenden Ereignissen innerhalb von vier Wochen nach Vorlesungsbeginn (§ 12 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EO).

26

Der Kläger hat, vertreten durch seinen Vater, am 2. April 2012 einen wirksamen Beurlaubungsantrag gestellt.

27

Eine höchstpersönliche Antragstellung ist nicht erforderlich. Vielmehr kann sich ein Beteiligter nach § 14 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (in Verbindung mit § 1 Abs. 1 LVwVfG) im Verwaltungsverfahren durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Wirksamkeit des Antrages durch einen Bevollmächtigten ist nicht davon abhängig, dass dieser eine schriftliche Vollmacht vorlegt. Ansonsten ergäbe § 14 Abs. 1 Satz 3 VwVfG keinen Sinn, wonach der Bevollmächtigte auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen hat. Maßgeblich kommt es darauf an, dass eine Bevollmächtigung tatsächlich vorliegt (vgl. BVerwG, NJW 1988, 1226; Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, § 14 Rdnr. 14; Bader/Ronellenfitsch, Beck’scher Online-Kommentar, VwVfG, Stand 1. Oktober 2012, § 14 Rdnrn. 10 ff.).

28

Hier spricht nach Sachlage alles für eine Bevollmächtigung des Vaters des Klägers bereits bei der Antragstellung vom 31. März 2012. Die im Antrag nebst Anlagen zum Ausdruck kommende Sachkunde des Vaters lässt auf eine ihm vom Kläger übertragene Vertretungsmacht schließen. Ebenso kommt die Annahme einer Duldungsvollmacht in Betracht, die auch für das Verwaltungsverfahren anerkannt ist (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., Rdnr. 16 und Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., Rdnr. 16).

29

Überdies wäre bei Annahme einer zunächst fehlenden Vollmacht die Antragstellung des Vaters aufgrund des rechtsanwaltlichen Schreibens vom 24. April 2012 mit Rückwirkung genehmigt worden. Der bevollmächtigte Rechtsanwalt hat eine Vollmacht des Klägers vorgelegt, dessen Vertretung angezeigt und den vom Vater gestellten Urlaubsantrag genehmigt. Diese Genehmigung wirkte in analoger Anwendung des § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Antragstellung, d.h. auf den 2. April 2012, zurück. Für das Verwaltungsverfahrensrecht ist es anerkannt, dass die von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärung als schwebend unwirksam gilt und rückwirkend genehmigt werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Auflage 2010, § 14 Rdnrn. 20 f.; Ziekow, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 6; Obermayer, VwVfG, 3. Auflage 1999, § 14 Rdnrn. 25, 46). Die von der Beklagten in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 180, 174 BGB sind demgegenüber bei Anträgen und Willenserklärung des Verfahrensrechts nicht anwendbar. Nach § 180 Satz 1 BGB ist bei einem einseitigen Rechtsgeschäft eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. § 174 Satz 1 BGB bestimmt, dass ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam ist, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Für diese Fallgestaltungen gelten die speziellen Vorschriften des Verfahrensrechtes, wie sie hier in § 14 VwVfG geregelt sind (vgl. Schramm, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 180 Rdnr. 5; Ziekow, a.a.O.).

30

Der danach wirksame Antrag ist auch fristgerecht gestellt worden. Ein Urlaubsantrag vor Ablauf der am 10. Februar 2012 geendeten Rückmeldefrist (§ 12 Abs. 1 Satz 4 EO) scheidet zwar aus, da der Kläger erst am 13. März 2012 in Untersuchungshaft genommen wurde. Für ihn gilt indes die Frist des § 12 Abs. 2 Satz 4 EO, wonach eine rückwirkende Beurlaubung ausnahmsweise innerhalb von vier Wochen nach Vorlesungsbeginn möglich ist. Der nach den obigen Darlegungen am 2. April 2012 wirksam gestellte Antrag liegt in dieser Frist, da der Vorlesungsbeginn auf den 26. März 2012 fällt.

31

Der Kläger kann sich auch auf einen wichtigen Grund für die Beurlaubung berufen, der hier in der nach § 12 Abs. 2 Satz 4 EO qualifizierten Form eines „plötzlichen und unerwartet nach Semesterbeginn eintretenden Ereignisses“ vorliegen muss. Die gegen ihn verhängte Untersuchungshaft stellt ein solches plötzliches und unerwartetes Ereignis dar.

32

Es handelt sich zunächst tatbestandlich um ein Ereignis im Sinne des § 12 EO. Denn die Inhaftierung verhindert, dass der Student an den zur Erreichung des Studienziels erforderlichen Lehrveranstaltungen teilnehmen kann (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 EO).

33

Die Untersuchungshaft des Klägers ist auch als im Sinne des § 12 EO plötzlich und unerwartet eingetreten anzusehen. Denn sie war für den Kläger – im rechtlichen Sinne – nicht zwingend vorhersehbar. Im Rahmen des § 12 EO kommt es dabei grundsätzlich auf das das Studium hindernde Ereignis an. Das davor liegende Verhalten des Studenten ist regelmäßig irrelevant. Denn selbst wenn dieses – unterstellt – hier gesetzliche Straftatbestände erfüllen sollte, folgt daraus nicht zwangsläufig die unmittelbare Anordnung von Untersuchungshaft. Vielmehr ist noch ein selbständiges Verfahren nach den §§ 112 ff. StPO zwischengeschaltet. In diesem Verfahren prüft das zuständige Gericht eigenständig, ob die Voraussetzungen der Untersuchungshaft vorliegen. Dies hängt im Wesentlichen davon ab, dass der Beschuldigte der Tat dringend verdächtig ist und daneben ein Haftgrund besteht, sofern es nicht um den dringenden Tatverdacht hinsichtlich solcher Straftaten geht, bei denen die Untersuchungshaft auch ohne einen Haftgrund angeordnet werden kann (vgl. §§ 112, 112 a StPO). Darüber hinaus ist bei Anordnung der Untersuchungshaft der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der in § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO eine besondere gesetzliche Ausformung erfahren hat. Danach darf die Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht. Das Übermaßverbot verlangt eine wertende Abwägung zwischen den konkreten Nachteilen und Gefahren des Freiheitsentzugs für den Beschuldigten und der Bedeutung der Strafsache sowie der zu erwartenden Straffolgen.

34

Ungeachtet dieser inhaltlichen Kriterien für die Anordnung von Untersuchungshaft kommt diese auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Betracht. Das erhellt aus der Bestimmung des § 125 StPO über die Zuständigkeit für den Erlass des Haftbefehls. Danach ist vor Erhebung der öffentlichen Klage der Richter beim Amtsgericht zuständig, während nach Erhebung der öffentlichen Klage grundsätzlich das mit der Sache befasste Gericht den Haftbefehl erlässt.

35

Das Ereignis „Untersuchungshaft“ ist damit keine gleichsam automatische Folge eines Vorverhaltens des Betreffenden. Vielmehr wird die Anordnung von Untersuchungshaft in einem selbständigen Verfahren geprüft und die Haftanordnung als solche wie auch ihr Zeitpunkt hängen von Voraussetzungen ab, deren Bejahung von einem Beschuldigten nicht mit hinreichender Sicherheit vorhergesehen werden kann. Bezogen auf die Verhinderung an der Teilnahme der zur Erreichung des Studienziels erforderlichen Lehrveranstaltungen ist die Untersuchungshaft damit ein plötzliches und unerwartetes Ereignis.

36

Für dieses Ergebnis spricht auch eine Auslegung des § 12 EO, die sich an dessen Systematik sowie Sinnzusammenhang orientiert.

37

Abs. 2 Satz 1 der Bestimmung nennt Regelbeispiele von Beurlaubungsgründen wie beispielsweise Krankheit, Auslandsstudium, Tätigkeit in der studentischen Selbstverwaltung, Schwangerschaft oder die Erziehung eines Kindes. Sämtliche genannten Beurlaubungsgründe zeichnen sich dadurch aus, dass sie leicht dargelegt, nachgewiesen und geprüft werden können. Die Einschreibeordnung ermöglicht damit eine auch dem Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität genügende Bearbeitung von Beurlaubungsanträgen, die sich auf mehr oder weniger formalisiert nachweisbare Gründe stützen können. Angesichts dessen wäre es ein Systembruch und würde dem Willen des Satzungsgebers nicht entsprechen, wenn er in Satz 4 des § 12 Abs. 2 EO den Sachbearbeiter der Hochschule mit umfangreichen Ermittlungen dazu betraute, ob der die Beurlaubung beantragende Student voraussehen konnte, dass die Prüfung der anspruchsvollen Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehles nach §§ 112 f. StPO durch den zuständigen Richter mit der Entscheidung einer Haftanordnung abgeschlossen wird.

38

Folgt die Einordnung der Untersuchungshaft als einem plötzlichen und unerwarteten Ereignis bereits aus der Auslegung der Einschreibeordnung, bedarf es keiner Erörterung und Entscheidung der Frage, ob eine Betrachtung im Sinne der Argumentation der Beklagten mit der gesetzlichen Unschuldsvermutung vereinbar ist (zu deren Herleitung und Inhalt vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 1 BvL 18/11 – ).

39

Auch die Anfechtungsklage gegen die unter Ziffer 3 des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 erfolgte und noch in Höhe von 23,45 € rechtshängige Kostenfestsetzung hat Erfolg. Diese ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

40

Der Kläger hat, wie zuvor ausgeführt, einen Anspruch auf Beurlaubung für das Sommersemester 2012. Damit ist der ablehnende Bescheid vom 3. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2012 aufzuheben, mithin auch die unter Ziffer 2 des Widerspruchsbescheides getroffene Kostengrundentscheidung zu Lasten des Klägers. Diese gemäß § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO im Widerspruchsbescheid zu treffende Kostengrundentscheidung ist allerdings nicht die einzige Grundlage für die Festsetzung der Kosten des Widerspruchsverfahrens. Vielmehr besteht daneben schon kraft Gesetzes nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Landesgebührengesetz (LGebG) eine Kostenschuld. Nach dieser Vorschrift ist zur Zahlung der Kosten unter anderem derjenige verpflichtet, der die Amtshandlung veranlasst. Das ist der Widerspruchsführer, also hier der Kläger. An dieser (gesetzlichen) Kostengrundentscheidung für das Widerspruchsverfahren ändert sich nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz auch dann nichts, wenn der Widerspruchsbescheid auf die Klage des unterlegenen Widerspruchsführers hin im gerichtlichen Verfahren aufgehoben wird. Vielmehr gehören in diesem Falle die vom betreffenden Kläger entrichteten Gebühren und Auslagen des Widerspruchsverfahrens zu seinen nach § 162 Abs. 1 VwGO erstattungsfähigen außergerichtlichen Aufwendungen als Teil der Kosten des Vorverfahrens (vgl. OVG Rh-Pf., Beschluss vom 10. April 1991 – 6 B 10419/91.OVG –, NVwZ-RR 1992, 221; Urteil vom 27. Juni 1989 – 6 A 131/88 –; Urteil vom 21. Juni 1988 – 6 A 30/88 –).

41

In der vorliegenden Fallgestaltung tritt indes § 13 Abs. 1 Nr. 1 LGebG als Rechtsgrundlage für die Kostenfestsetzung zurück. Der Kläger hat die Kostenfestsetzung zulässigerweise gemeinsam mit dem Verpflichtungsbegehren angefochten. § 22 Abs. 1 LGebG bestimmt, dass die Kostenentscheidung zusammen mit der Sachentscheidung oder selbständig angefochten werden kann und der Rechtsbehelf gegen eine Sachentscheidung sich auch auf die Kostenentscheidung erstreckt. Aus dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass der Landesgesetzgeber im Falle der gemeinsamen Anfechtung von Sachentscheidung und Kostenentscheidung einen Zusammenhang dergestalt geregelt hat, dass der Erfolg der Klage in der Hauptsache bei der Anfechtung der Kostenentscheidung materiell-rechtlich berücksichtigt werden kann. Eine prozessrechtliche Regelung kann mangels Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers nicht angenommen werden. Aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes steht fest, dass der Widerspruch hätte erfolgreich sein müssen mit einer entsprechenden Kostenpflicht der Beklagten nach § 15 Abs. 5 LGebG. Würde die Kostenfestsetzung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch weiter aufrechterhalten, verbliebe es bei der Zahlungsverpflichtung des (ehemaligen) Widerspruchsführers und Klägers, obwohl er gemäß § 21 Abs. 1 LGebG nach erfolgter Zahlung einen Anspruch auf unverzügliche Erstattung hat. In dieser Konstellation erweist sich eine unmittelbare Berücksichtigung des Unterliegens der Beklagten als sachgerecht.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 VwGO.

43

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

44

Beschluss

45

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.025,-- € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG).

46

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

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Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 26. Feb. 2013 - 7 K 716/12.KO zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 26. Feb. 2013 - 7 K 716/12.KO zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 19. Dez. 2012 - 1 BvL 18/11

bei uns veröffentlicht am 19.12.2012

Tenor § 81 Absatz 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels vo

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Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Hat jedoch derjenige, welchem gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet oder ist er damit einverstanden gewesen, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht handele, so finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter ohne Vertretungsmacht mit dessen Einverständnis vorgenommen wird.

Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Beteiligter kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt. Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Ein Widerruf der Vollmacht wird der Behörde gegenüber erst wirksam, wenn er ihr zugeht.

(2) Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in seiner Handlungsfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben; der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er für den Rechtsnachfolger im Verwaltungsverfahren auftritt, dessen Vollmacht auf Verlangen schriftlich beizubringen.

(3) Ist für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt, so soll sich die Behörde an ihn wenden. Sie kann sich an den Beteiligten selbst wenden, soweit er zur Mitwirkung verpflichtet ist. Wendet sich die Behörde an den Beteiligten, so soll der Bevollmächtigte verständigt werden. Vorschriften über die Zustellung an Bevollmächtigte bleiben unberührt.

(4) Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht unverzüglich widerspricht.

(5) Bevollmächtigte und Beistände sind zurückzuweisen, wenn sie entgegen § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes Rechtsdienstleistungen erbringen.

(6) Bevollmächtigte und Beistände können vom Vortrag zurückgewiesen werden, wenn sie hierzu ungeeignet sind; vom mündlichen Vortrag können sie nur zurückgewiesen werden, wenn sie zum sachgemäßen Vortrag nicht fähig sind. Nicht zurückgewiesen werden können Personen, die nach § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung zur Vertretung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren befugt sind.

(7) Die Zurückweisung nach den Absätzen 5 und 6 ist auch dem Beteiligten, dessen Bevollmächtigter oder Beistand zurückgewiesen wird, mitzuteilen. Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten oder Beistands, die dieser nach der Zurückweisung vornimmt, sind unwirksam.

(1) Die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.

(2) Durch die Rückwirkung werden Verfügungen nicht unwirksam, die vor der Genehmigung über den Gegenstand des Rechtsgeschäfts von dem Genehmigenden getroffen worden oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt sind.

Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Hat jedoch derjenige, welchem gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet oder ist er damit einverstanden gewesen, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht handele, so finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter ohne Vertretungsmacht mit dessen Einverständnis vorgenommen wird.

Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig. Hat jedoch derjenige, welchem gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet oder ist er damit einverstanden gewesen, dass der Vertreter ohne Vertretungsmacht handele, so finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung. Das Gleiche gilt, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter ohne Vertretungsmacht mit dessen Einverständnis vorgenommen wird.

Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

(1) Ein Beteiligter kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt. Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Ein Widerruf der Vollmacht wird der Behörde gegenüber erst wirksam, wenn er ihr zugeht.

(2) Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in seiner Handlungsfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben; der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er für den Rechtsnachfolger im Verwaltungsverfahren auftritt, dessen Vollmacht auf Verlangen schriftlich beizubringen.

(3) Ist für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt, so soll sich die Behörde an ihn wenden. Sie kann sich an den Beteiligten selbst wenden, soweit er zur Mitwirkung verpflichtet ist. Wendet sich die Behörde an den Beteiligten, so soll der Bevollmächtigte verständigt werden. Vorschriften über die Zustellung an Bevollmächtigte bleiben unberührt.

(4) Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht unverzüglich widerspricht.

(5) Bevollmächtigte und Beistände sind zurückzuweisen, wenn sie entgegen § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes Rechtsdienstleistungen erbringen.

(6) Bevollmächtigte und Beistände können vom Vortrag zurückgewiesen werden, wenn sie hierzu ungeeignet sind; vom mündlichen Vortrag können sie nur zurückgewiesen werden, wenn sie zum sachgemäßen Vortrag nicht fähig sind. Nicht zurückgewiesen werden können Personen, die nach § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung zur Vertretung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren befugt sind.

(7) Die Zurückweisung nach den Absätzen 5 und 6 ist auch dem Beteiligten, dessen Bevollmächtigter oder Beistand zurückgewiesen wird, mitzuteilen. Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten oder Beistands, die dieser nach der Zurückweisung vornimmt, sind unwirksam.

(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.

(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen

1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält,
2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder
3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde
a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder
b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder
c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.

(1) Vor Erhebung der öffentlichen Klage erläßt der Richter bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist oder der Beschuldigte sich aufhält, auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder, wenn ein Staatsanwalt nicht erreichbar und Gefahr im Verzug ist, von Amts wegen den Haftbefehl.

(2) Nach Erhebung der öffentlichen Klage erläßt den Haftbefehl das Gericht, das mit der Sache befaßt ist, und, wenn Revision eingelegt ist, das Gericht, dessen Urteil angefochten ist. In dringenden Fällen kann auch der Vorsitzende den Haftbefehl erlassen.

Tenor

§ 81 Absatz 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels vom 18. Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 2966) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Verzinsungsregelung für Kartellgeldbußen in § 81 Abs. 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

I.

2

1. Gemäß § 81 GWB handelt ordnungswidrig, wer gegen bestimmte kartellrechtliche Vorschriften des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (§ 81 Abs. 1 GWB) oder des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen verstößt (§ 81 Abs. 2 und 3 GWB).

3

Die vom vorlegenden Oberlandesgericht für verfassungswidrig gehaltene Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB regelt die Verzinsung der wegen einer solchen Ordnungswidrigkeit in einem Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße. Die Vorschrift ist durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1954) in das Gesetz eingefügt worden. Sie blieb bei der Neufassung des § 81 GWB durch das Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels vom 18. Dezember 2007 (BGBl I S. 2966 <2968>) unverändert und lautet:

4

§ 81

5

Bußgeldvorschriften

6

(1) bis (5) …

7

(6) Im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen sind zu verzinsen; die Verzinsung beginnt zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheides. § 288 Abs. 1 Satz 2 und § 289 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden.

8

(7) bis (10) …

9

Zur Begründung der Vorschrift wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 15/3640, S. 67) ausgeführt, in der Praxis habe sich gezeigt, dass für Unternehmen wegen des zum Teil erheblichen Zinsvorteils ein deutlicher Anreiz bestehen könne, die Zahlung der Geldbuße so lange wie möglich hinauszuzögern. Insbesondere im Falle hoher Geldbußen könnten Unternehmen allein dadurch einen erheblichen Zinsgewinn erzielen, dass sie gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegten und diesen kurz vor der gerichtlichen Entscheidung wieder zurücknähmen. Die Zinspflicht sei keine zusätzliche Sanktion, sondern diene allein der Aufrechterhaltung der Sanktionswirkung der eigentlichen Geldbuße (BTDrucks 15/3640, S. 42).

10

Der Bundesrat hatte sich im Gesetzgebungsverfahren gegen die Verzinsungsregelung ausgesprochen, weil sie dem deutschen Ordnungswidrigkeits- und Strafrecht fremd sei und auf Bedenken hinsichtlich Art. 19 Abs. 4 GG stoße (BTDrucks 15/3640, S. 82).

11

2. Die Absätze 4 und 5 des § 81 GWB enthalten Regelungen über die Höhe der Kartellgeldbuße. § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB sieht vor, dass die Ordnungswidrigkeit in bestimmten Fällen mit einer Geldbuße bis zu einer Million € geahndet werden kann. Gegen ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung kann darüber hinaus eine höhere Geldbuße verhängt werden, die 10 % des in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung nicht übersteigen darf (§ 81 Abs. 4 Satz 2 GWB). Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist nach § 81 Abs. 4 Satz 6 GWB sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen. Daneben ist nach überwiegender Auffassung die Bemessungsvorschrift des § 17 Abs. 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) anzuwenden (vgl. Cramer/Pananis, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl. 2009, § 81 Rn. 63 m.w.N.). Danach sind Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft; auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen als Anknüpfungspunkt in Betracht, bleiben jedoch bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten in der Regel unberücksichtigt (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG).

12

3. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG können Betroffene gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen nach dessen Zustellung Einspruch einlegen. Der Einspruch steht der Vollstreckung des Bußgeldbescheids entgegen, weil Bußgeldentscheidungen nach § 89 OWiG erst nach Eintritt ihrer Rechtskraft vollstreckbar sind. Nach Einlegung eines Einspruchs entscheidet das zuständige Gericht über die Tat, ohne an den Bußgeldbescheid gebunden zu sein. Der Bußgeldbescheid kann aber gleichwohl noch rechtskräftig werden, falls der Einspruch zurückgenommen oder vom Gericht als unzulässig verworfen wird.

II.

13

1. Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Antragstellerin) betreibt in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ein Versicherungsunternehmen.

14

Mit Bescheid vom 17. März 2005 setzte das Bundeskartellamt gegen sie wegen mehrerer vorsätzlicher Verstöße gegen das Kartellverbot (§ 1 GWB) eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 6,4 Mio. € fest. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein. Am 18. Mai 2009 verfügte das Kartellgericht gemäß § 47 Abs. 2 OWiG die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich einer der Taten, für die eine anteilige Geldbuße von 400.000 € festgesetzt worden war. Am 15. Juli 2009 nahm die Antragstellerin ihren Einspruch im Übrigen zurück, was sie mit wirtschaftlichen Erwägungen insbesondere vor dem Hintergrund des für sie völlig unkalkulierbaren Risikos einer Erhöhung der Bußgeldsumme erklärt.

15

Nachdem die Antragstellerin in der Folgezeit die verbliebene Geldbuße in Höhe von 6 Mio. € beglichen hatte, wurde sie vom Bundeskartellamt mit Beschluss vom 11. März 2011, berichtigt durch Beschluss vom 28. April 2011, unter Hinweis auf § 81 Abs. 6 GWB aufgefordert, weitere 1.768.560 € als Zinsen auf die Geldbuße zu zahlen.

16

Dagegen wandte sich die Antragstellerin gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG an das vorlegende Oberlandesgericht und machte insbesondere verfassungsrechtliche Einwendungen gegen die Zinsforderung geltend. Die zugrunde liegende Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB verstoße gegen die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung und gegen das Verbot der Doppelbestrafung. Außerdem werde in ihre Berufsfreiheit und in ihr Eigentumsrecht in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen. Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liege darin, dass nur bei einer Festsetzung durch Bußgeldbescheid, nach überwiegender Auffassung aber nicht bei einer Verurteilung durch das Oberlandesgericht im Einspruchsverfahren Zinsen zu zahlen seien. Ohnehin sei die gesetzliche Grundlage für die Geldbuße wegen Kartellverstößen in § 81 Abs. 4 GWB zu unbestimmt, weshalb auch die daran anknüpfende Verzinsungspflicht verfassungswidrig sei. Schließlich liege mit der Zinsbelastung auch ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG vor, weil sie zu einer unzumutbaren Erschwerung des Rechtswegs führe.

17

2. Das Oberlandesgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht unter mehreren Gesichtspunkten die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 81 Abs. 6 GWB mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

18

Die gesetzgeberische Entscheidung, denjenigen Bußgeldschuldner mit einer Zinspflicht zu belasten, der die gegen ihn behördlich verhängte Geldbuße nicht zeitnah begleiche, bewirke zwar keine sachwidrige Behinderung des effektiven Rechtsschutzes und sei deshalb mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. § 81 Abs. 6 GWB verstoße aber in dreifacher Hinsicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

19

Zunächst sei eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu Lasten von juristischen Personen und Personenvereinigungen darin zu sehen, dass nur sie der Verzinsungspflicht unterworfen seien, obwohl auch natürliche Personen etwa als einzelkaufmännische Unternehmensträger in gleicher Weise wie juristische Personen und Personenvereinigungen durch missbräuchliche Einlegung eines Einspruchs Zinsvorteile erlangen könnten. Dass natürliche Personen aufgrund der Höhe der gegen sie festgesetzten Geldbuße im Unterschied zu juristischen Personen und Personenvereinigungen im Allgemeinen kein Interesse hätten, nur zur Erzielung von Zinsvorteilen den Rechtsweg zu beschreiten, sei nicht festzustellen.

20

Ferner liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darin, dass § 81 Abs. 6 GWB nur Kartellbußgeldschuldner einer Pflicht zur Verzinsung der Geldbuße unterwerfe, nicht aber auch die Schuldner von Geldbußen aus anderen Rechtsgebieten wie etwa dem Umweltrecht, dem Straßenverkehrsrecht oder dem Datenschutzrecht. Da § 81 Abs. 6 GWB Kartellgeldbußen ohne Rücksicht auf ihre Höhe der Verzinsung unterwerfe, könne die Ungleichbehandlung nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass vor allem im Kartellbereich auch außerordentlich hohe Geldbußen festgesetzt würden. Ebenso wenig könne angenommen werden, dass Kartellgeldbußen an sich weitaus höher ausfallen müssten als Geldbußen wegen anderer Rechtsverstöße. Die unterschiedliche Behandlung der Kartellbußgeldschuldner könne insbesondere nicht mit der Erwägung begründet werden, dass im Kartellbußgeldbereich das Einspruchsrecht in besonderem Maße missbraucht würde, um Zinsvorteile zu erwirtschaften.

21

Schließlich verstoße es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass nur der Schuldner eines kartellbehördlich festgesetzten Bußgeldes die Geldbuße zu verzinsen habe, der Schuldner einer durch das Kartellgericht festgesetzten Geldbuße hingegen nicht. Die Ungleichbehandlung sei willkürlich. Sie sei nicht deshalb unerheblich, weil das Kartellgericht bei seiner Strafzumessung den erzielten Zinsvorteil bußgelderhöhend berücksichtigen dürfe. Selbst wenn man diesem Standpunkt folgen wollte, läge eine relevante Ungleichbehandlung vor, weil § 81 Abs. 6 GWB für kartellbehördlich festgesetzte Geldbußen zwingend eine Verzinsung in exakt bestimmter Höhe vorschreibe, während das Kartellgericht insoweit einen Spielraum habe. Damit werde der Zweck, Kartellbußgeldschuldner davon abzuhalten, eine Geldbuße allein zur Erzielung von Zinsvorteilen anzufechten, weitgehend verfehlt. Wenn nämlich die gerichtlich verhängte Geldbuße zinsfrei bleibe, während die in einem Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße zu verzinsen sei, fordere diese Rechtslage den Bußgeldschuldner geradezu auf, zur Erzielung von Zinsgewinnen Einspruch einzulegen.

22

Diese Ungleichbehandlungen könnten nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 81 Abs. 6 GWB vermieden werden. Der Inhalt der Vorschrift sei nach seinem Wortlaut und dem in den Gesetzesmaterialien verlautbarten Willen des Gesetzgebers eindeutig. Die Entscheidung des Verfahrens hänge mithin von der Gültigkeit des § 81 Abs. 6 GWB ab.

III.

23

Zu der Vorlage haben die Bundesregierung, das Bundeskartellamt und die Antragstellerin Stellung genommen; der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen haben über die von ihnen bislang verhängten Kartellgeldbußen berichtet.

24

1. Die Bundesregierung hält die vorgelegte Vorschrift für verfassungskonform. Die in § 81 Abs. 6 GWB normierte Verzinsungspflicht verstoße nicht gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber Rechtsschutz nicht schlechthin verweigern, sondern nur dessen Inanspruchnahme zugunsten eines systemwidrigen, finanziellen Vorteils verhindern wollen. Dies sei ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck.

25

§ 81 Abs. 6 GWB verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Argument, § 81 Abs. 6 GWB sei objektiv willkürlich, weil die Vorschrift nur für Kartellgeldbußen, nicht aber für andere Geldbußen eine Verzinsungspflicht vorsehe, sei unhaltbar. Der allgemeine Gleichheitssatz enthalte kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln. Nur vordergründig einleuchtend sei ferner die Auffassung, wonach es willkürlich sein solle, nur für behördliche, nicht aber für gerichtlich festgesetzte Kartellgeldbußen eine Verzinsungspflicht zu statuieren; denn das gerichtliche Bußgeldverfahren sei ein völlig eigenständiges Verfahren. Art. 3 Abs. 1 GG sei auch nicht deshalb verletzt, weil die Verzinsungspflicht lediglich juristische Personen und Personenvereinigungen treffe, nicht jedoch natürliche Personen. Entscheidend sei die verschiedene Höhe der Geldbußen. Die durchschnittliche Höhe der vom Bundeskartellamt gegen natürliche Personen mit oder ohne Unternehmenseigenschaft zwischen 1993 und 2010 festgesetzten Geldbußen betrage etwa 56.000 €. Eine natürliche Person ohne Unternehmenseigenschaft, die gemäß § 9 OWiG für ein Unternehmen handele, könne nach § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB lediglich mit einer Geldbuße in Höhe von maximal 1 Mio. € belegt werden, das betroffene Unternehmen dagegen nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB mit einer Geldbuße in Höhe von 10 % des Jahresumsatzes. Auch in Bezug auf natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft verstoße § 81 Abs. 6 GWB nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil in der Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts seit 1993 keine Fälle bekannt seien, in denen gegen solche Betroffene Bußgeldbescheide ergangen seien, die aufgrund der Höhe der Geldbuße einen zinsbedingten Anreiz zur Einlegung eines Einspruchs gesetzt hätten.

26

2. Das Bundeskartellamt hält die Vorschrift des § 81 Abs. 6 GWB für verfassungsgemäß. Dem Gesetzgeber sei im Bereich des Kartellrechts ein weitreichender Einschätzungsspielraum zuzubilligen. Aufgrund der hohen Komplexität der Kartellbußgeldverfahren und der dadurch gebundenen Arbeitsressourcen bei Oberlandesgerichten, Generalstaatsanwaltschaften und Kartellbehörden gerate durch deren sinnlose Beanspruchung zur Erzielung von Zinsvorteilen das Gemeinwohlinteresse an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in Gefahr. Die Zinshöhe enthalte keine zusätzliche Sanktionierung und bewege sich innerhalb der Bandbreite der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers. Die Nichteinbeziehung gerichtlicher Bußgeldentscheidungen in die Verzinsungspflicht sei rechtlich nicht zu beanstanden, weil die Inanspruchnahme der staatlichen Ressourcen in diesem Fall nicht fruchtlos allein zur Erlangung eines Zinsvorteils erfolgt sei. Art. 19 Abs. 4 GG enthalte nicht die Garantie, einen einmal eingelegten Rechtsbehelf jederzeit folgenlos zurücknehmen zu können. Selbst ein deutlicher Eingriff in die Rechtsweggarantie wäre mit dem Ziel der Verhinderung der unnötigen Inanspruchnahme der staatlichen Institutionen verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

27

Ein Verstoß der Verzinsungsregelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG könne ebenso wenig festgestellt werden. Die Verzinsungspflicht allein behördlich festgesetzter, nicht hingegen gerichtlich verhängter Geldbußen sei gerechtfertigt, weil dadurch für Personen, die ernsthaft gerichtlichen Rechtsschutz erstrebten, keine abschreckende Wirkung entfaltet werden solle.

28

Eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung bestehe auch nicht zwischen juristischen Personen und Personenvereinigungen auf der einen Seite und natürlichen Personen ohne Unternehmenseigenschaft auf der anderen Seite. Gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft würden deutlich niedrigere Geldbußen verhängt, so dass ein geringerer Anreiz zur Einspruchserhebung allein zur Zinsersparnis bestehe. Des Weiteren liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, soweit natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft von der Zinszahlungspflicht ausgenommen seien, weil bei ihnen zum einen wegen der persönlichen Belastungen im Einspruchsverfahren mit geringerer Wahrscheinlichkeit mit einer Einspruchserhebung allein zum Zwecke eines Zinsvorteils zu rechnen sei. Zum anderen komme es nur sehr selten zur Verhängung von Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft.

29

Schließlich liege eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung auch nicht deshalb vor, weil nur Kartellgeldbußen zu verzinsen seien, nicht jedoch Bußgelder aus anderen Rechtsbereichen. Die Differenzierung werde durch das spezifische Regelungsumfeld des Kartellrechts, die parallele Anwendung europäischen und nationalen Rechts sowie die Höhe der Kartellgeldbußen gerechtfertigt.

30

3. Nach Auffassung der Antragstellerin verletzt die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gefahr missbräuchlicher Einspruchseinlegung von natürlichen Personen sei nicht wesentlich geringer als die von juristischen Personen. Selbst wenn man annähme, dass die Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden könne, erfordere dies jedenfalls nicht die gesetzlich vorgeschriebene Zinshöhe.

31

Die Regelung verstoße außerdem gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Da die Zinspflicht mit Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist beginne, könne die Zinszahlung nur vermieden werden, wenn auf den Einspruch verzichtet werde. Entgegen der gesetzgeberischen Absicht, lediglich die Zinsvorteile des Betroffenen abzuschöpfen, sei durch die Verweisung auf § 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ein pauschaler Zinssatz angeordnet, der auf dem Kapitalmarkt dauerhaft kaum zu erreichen sei. Im Unterschied zu den Prozesskosten könne die Höhe der Zinslast nicht vorhergesehen werden. Die Zinsnachteile könnten auch nicht durch Zahlung der Geldbuße unter Vorbehalt vermieden werden; denn in diesem Fall würde der Bußgeldbescheid entgegen der Unschuldsvermutung bereits vor Bestandskraft Sanktionswirkungen entfalten.

32

§ 81 Abs. 6 GWB verletze darüber hinaus das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, weil kein Zinsrahmen mit einer klaren Obergrenze bestimmt sei und die verfassungswidrige Unbestimmtheit der Bußgeldregelung nach § 81 Abs. 4 GWB die Unbestimmtheit der Zinsregelung bewirke. Die Verzinsung der Geldbuße sei eine Strafe im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, weil sie der Aufrechterhaltung der Sanktionsintensität diene. § 81 Abs. 6 GWB verstoße außerdem gegen das Prinzip schuldangemessenen Strafens und das Übermaßverbot. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG vor.

B.

33

Die Vorlage ist zulässig.

34

Der Vorlagebeschluss legt ausreichend dar, dass das Ergebnis des Ausgangsrechtsstreits von der Gültigkeit der zur Entscheidung gestellten Regelung abhängt (I.). Darüber hinaus zeigt das vorlegende Gericht hinreichend auf, dass es jedenfalls in Bezug auf eine Ungleichbehandlung natürlicher und juristischer Personen im Bereich von § 81 Abs. 6 GWB von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm überzeugt ist (II.).

I.

35

Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt (vgl. BVerfGE 105, 48 <56>; 105, 61 <67>). Dazu muss der Vorlagebeschluss mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie das Gericht dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 105, 61 <67>). Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist dabei grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 2, 181 <190 f.>; 105, 61 <67>).

36

Diesen Voraussetzungen wird der Vorlagebeschluss gerecht. Für die Entscheidung des Rechtsstreits, dessen Gegenstand die Verpflichtung der Antragstellerin zur Zahlung von Zinsen auf die gegen sie verhängte Geldbuße ist, ist die Frage der Gültigkeit des § 81 Abs. 6 GWB als der für die Verzinsung maßgeblichen gesetzlichen Bestimmung unmittelbar entscheidungserheblich. Der Vorlagebeschluss enthält insoweit die erforderliche umfassende rechtliche Würdigung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 127, 224 <244>).

37

An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es auch nicht, weil der im Ausgangsverfahren nach § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG gestellte Antrag bereits unzulässig sein und sich daher die Frage der Gültigkeit der Vorschrift nicht stellen könnte. Allerdings ist eine Unstatthaftigkeit des gestellten Antrags nicht völlig fernliegend. Nach § 103 Abs. 1 Nr. 3 OWiG entscheidet das Gericht über die "sonst bei der Vollstreckung eines Bußgeldbescheids getroffenen Maßnahmen". In der Literatur wird jedoch auch die Auffassung vertreten, die Anforderung der Zinsen sei keine Maßnahme bei der Vollstreckung des Bußgeldbescheids, sondern als Nebenfolge der Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 OWiG zu behandeln (vgl. Burrichter, in: Festschrift für Rainer Bechtold zum 65. Geburtstag, 2006, S. 97 <117>). Dann wären die Zinsen nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 OWiG Bestandteil des Bußgeldbescheids, so dass der Einspruch nach § 67 OWiG als der statthafte Rechtsbehelf angesehen werden müsste.

38

Der Vorlagebeschluss geht auf die Statthaftigkeit des Antrags nach § 103 Abs. 1 OWiG nicht ein. Allerdings hat das vorlegende Gericht diese Frage in seiner unmittelbar vorangehenden Entscheidung, mit der es die Vollstreckung der Zinsforderung ausgesetzt hat, erörtert und mit nicht offensichtlich unhaltbaren Erwägungen den Antrag nach § 103 Abs. 1 OWiG als statthaften Rechtsbehelf angesehen. Angesichts des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs beider Entscheidungen bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass das vorlegende Gericht die Frage der Statthaftigkeit des Antrags nach § 103 Abs. 1 OWiG im Vorlagebeschluss nicht abweichend beurteilen und an seiner Rechtsauffassung festhalten wollte. Dies macht eine nochmalige ausdrückliche Erörterung der Zulässigkeit des gestellten Antrags im Vorlagebeschluss entbehrlich.

II.

39

Für die Zulässigkeit einer Vorlage muss das Fachgericht ferner deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt. Hierzu bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 89, 329 <337>).

40

Daran gemessen hat das vorlegende Gericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit jedenfalls insoweit ausreichend dargelegt, als es für die Belastung mit Zinsen von einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung juristischer Personen und Personenvereinigungen einerseits und natürlicher Personen als Unternehmensträger andererseits ausgeht. Das vorlegende Gericht hat hierzu seinen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nachvollziehbar geschildert.

41

Für seine Prüfung ist das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht auf die insoweit dargetanen verfassungsrechtlichen Bedenken beschränkt, sondern hat die in zulässiger Weise nach Art. 100 Abs. 1 GG vorgelegte Norm unter allen denkbaren verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen (vgl. BVerfGE 93, 121 <133> m.w.N.).

C.

42

Die Regelung zur Verzinsung einer Geldbuße nach § 81 Abs. 6 GWB ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie missachtet weder den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (I.), noch die Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG (II.), noch die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung (III.) oder den besonderen Gesetzesvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 GG (IV.).

I.

43

Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB verstößt - entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts und entgegen in der Literatur geäußerter Bedenken (vgl. etwa Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2 GWB, 4. Aufl. 2007, § 81 Rn. 465; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht , Bd. 2, 2008, § 81 Rn. 119) - unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

44

1. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 120, 1 <29>; 122, 210 <230>; 129, 49 <68>; stRspr). Hieraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 126, 400 <416>; 127, 263 <280>; stRspr). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht nur, dass die Ungleichbehandlung an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpft, sondern verlangt auch für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweist (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; 129, 49 <68 f.>). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 129, 49 <69> m.w.N.).

45

Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 129, 49 <68 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Januar 2012 - 1 BvL 21/11 -, NVwZ-RR 2012, S. 257 <258>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für Einzelne verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 129, 49 <69>) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 124, 199 <220>; 129, 49 <69>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 129, 49 <69>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Januar 2012 - 1 BvL 21/11 -, NVwZ-RR 2012, S. 257 <258>). Im Übrigen hängt das Maß der Bindung unter anderem davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (BVerfGE 129, 49 <69> m.w.N.).

46

Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht verletzt, wenn hinreichende Sachgründe vorhanden sind, die eine Differenzierung verfassungsrechtlich rechtfertigen können. Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob solche Gründe im Gesetzgebungsverfahren erwogen und etwa in den Materialien dokumentiert worden sind. Die Verfassungswidrigkeit lässt sich folglich nicht schon daraus herleiten, dass sich aus den Gesetzesmaterialien keine Gründe für die Verschiedenbehandlung ergeben (vgl. BVerfGE 21, 292 <299>; 85, 238 <245>).

47

2. Daran gemessen verstößt § 81 Abs. 6 GWB nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Eine den allgemeinen Gleichheitssatz missachtende Ungleichbehandlung liegt nicht deshalb vor, weil § 81 Abs. 6 GWB lediglich juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber natürliche Personen mit oder ohne Unternehmenseigenschaft durch Zinsen auf gegen sie verhängte Geldbußen belastet (a). Des Weiteren folgt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG weder daraus, dass das Gesetz die Verzinsung nur für Geldbußen aus dem Bereich des Kartellrechts, nicht aber auch für solche aus anderen Regelungsmaterien anordnet (b), noch daraus, dass § 81 Abs. 6 GWB nach überwiegender Ansicht lediglich die behördlich festgesetzte, nicht jedoch die durch eine gerichtliche Entscheidung verhängte kartellrechtliche Geldbuße einer Verzinsungspflicht unterwirft (c).

48

a) Entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts ist § 81 Abs. 6 GWB nicht deshalb im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG gleichheitswidrig, weil die Verzinsungspflicht ausschließlich juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber auch natürliche Personen trifft. Dies gilt im Vergleich zu beiden Gruppen natürlicher Personen, die von Kartellgeldbußen als natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft (aa) oder als natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft (bb) betroffen sein können.

49

aa) Nach einhelliger Auffassung werden natürliche Personen von der Regelung in § 81 Abs. 6 GWB selbst dann nicht erfasst, wenn diese ein Unternehmen im Sinne von § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB bilden (vgl. Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 465; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 Rn. 119). Da auch natürliche Personen nicht anders als juristische Personen oder Personenvereinigungen kartellrechtliche Ordnungswidrigkeiten begehen können (vgl. Emmerich, Kartellrecht, 11. Aufl. 2008, § 20 Rn. 5 ff.), liegt damit zwar eine Ungleichbehandlung vor, diese ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Insoweit sind strengere, über das Willkürverbot hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen.

50

Die Beschränkung auf Kartellgeldbußen gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen lässt sich auf einen hinreichenden Sachgrund stützen. Der Gesetzgeber umschreibt damit eine Fallgruppe, bei der er die tatsächliche Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Einlegung von Einsprüchen, der er zur Schonung staatlicher Ressourcen entgegenwirken will, für besonders groß halten darf. Diese Einschätzung ist nachvollziehbar und bewegt sich im Rahmen des Prognosespielraums des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 110, 141 <168 f.>). Er ist nicht gezwungen, das optimale Abgrenzungskriterium für die Erreichung seiner Ziele zu wählen, sondern kann sich darauf beschränken, ein Kriterium zu wählen, das zwar die wesentlichen, nicht aber alle denkbaren Fälle erfasst. Danach ist die Beschränkung auf Kartellgeldbußen gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen nicht zu beanstanden. Abgesehen davon, dass Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen als Unternehmensträger in der behördlichen Praxis faktisch kaum relevant sind (1), erreicht die durchschnittliche Höhe der gegen diese Personengruppe verhängten Kartellgeldbußen anders als bei juristischen Personen keinen Betrag, der finanzielle Vorteile erwarten lässt, um derentwillen eine Einspruchseinlegung nur aus Gründen der Verfahrensverzögerung erwartet werden müsste (2). Zudem können für natürliche Personen mit dem Einspruch individuelle Belastungen verbunden sein, die den Anreiz zur missbräuchlichen Einlegung des Rechtsbehelfs mindern (3).

51

(1) Ausweislich der Angaben in den vom Senat eingeholten Stellungnahmen lässt sich für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft eine beachtliche Gefahr rechtsmissbräuchlicher Einspruchserhebung zur Erlangung finanzieller Vorteile, die in Form gesparter Kreditzinsen oder durch die weitere Verfügbarkeit vorhandener Mittel für das operative oder investive Geschäft entstehen können, bereits deshalb nicht feststellen, weil in nur unerheblicher Zahl Kartellgeldbußen gegen diese Personengruppe verhängt werden.

52

So hat das Bundeskartellamt im Berichtszeitraum von 1993 bis 2010 überhaupt nur gegen neun natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft Kartellgeldbußen verhängt, während die Behörde im gleichen Zeitraum 563 Kartellbußgeldbescheide gegen juristische Personen erlassen hat. Die gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft ergangenen Bescheide machen demnach nur etwa 1,6 % der Kartellgeldbußen aus, die das Bundeskartellamt insgesamt gegen Unternehmen verhängt hat. Demgegenüber haben zwar die Landeskartellbehörden, deren Zuständigkeit in solchen Konstellationen häufiger gegeben ist (vgl. § 48 Abs. 2 GWB), öfter Geldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft verhängt. Es waren aber gleichwohl insgesamt lediglich 48 natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft betroffen, was für nur 8 % der insgesamt gegen Unternehmen gerichteten Kartellbußgeldbescheide von Landesbehörden steht.

53

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese geringe Zahl betroffener natürlicher Personen mit Unternehmenseigenschaft künftig spürbar erhöhen wird. Das Bundeskartellamt hat in seiner Stellungnahme nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass - nach der Insolvenz einer großen Drogeriekette Anfang 2012 - aktuell keine einzelkaufmännisch geführten Großunternehmen mehr bekannt sind, bei denen wegen des Geschäftsvolumens die Verhängung hoher Kartellgeldbußen unter Ausschöpfung des erweiterten Bußgeldrahmens des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB zu erwarten sei.

54

(2) Maßgeblich ist insoweit auch, dass die Höhe der Kartellgeldbußen, die sich an natürliche Personen als Unternehmensträger richten, typischerweise deutlich hinter den Beträgen zurückbleibt, die gegen juristische Personen als Geldbußen verhängt werden. Fehlt es an Geldbußen in beträchtlicher Höhe, so sind die zu erzielenden finanziellen Vorteile gering und werden oftmals noch nicht einmal die zusätzlichen Gerichts- und Verfahrenskosten ausgleichen können. Damit ist für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft der Anreiz vermindert, allein zur Verzögerung des Eintritts der Bestandskraft des Bußgeldbescheids einen offensichtlich aussichtslosen Einspruch zu erheben.

55

Es ist einfachrechtlich bereits umstritten, ob gegenüber natürlichen Personen mit Unternehmenseigenschaft überhaupt der erhöhte, über 1 Mio. € hinausreichende erweitere Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB angewendet werden kann (bejahend etwa Emmerich, a.a.O., § 43 Rn. 20; verneinend hingegen Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 335 f.). Dessen ungeachtet wird ausweislich der vorgelegten Stellungnahmen in der kartellbehördlichen Praxis selbst der reguläre Höchstbetrag des § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB im Regelfall nicht annähernd erreicht. So hat das Bundeskartellamt in der Vergangenheit gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft Geldbußen lediglich in einer Höhe zwischen 15.000 € und 30.000 € festgesetzt, im Freistaat Bayern bewegten sich die Geldbußen zwischen 600 € und 1.600 €, in Niedersachen zwischen 13.000 € und 16.000 €. In Nordrhein-Westfalen betrug die durchschnittliche Höhe der Kartellgeldbußen gegen natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft etwa 5.000 €. Die vergleichsweise geringe Höhe dieser Geldbußen verspricht offenkundig keine finanziellen Vorteile bei Einlegung eines Einspruchs, die an die Beträge heranreichen können, wie sie sich insbesondere bei den Geldbußen erzielen lassen, die das Bundeskartellamt gegen juristische Personen in Höhe von durchschnittlich 4,6 Mio. € festgesetzt hat.

56

(3) Die vom Bundeskartellamt geschilderten Erfahrungen, nach denen natürliche Personen die mit der Erhebung des Einspruchs verbundenen persönlichen Belastungen regelmäßig intensiver spüren als die Vertreter juristischer Personen, belegen für diese Personengruppe noch ein weiteres spezifisches Hindernis gegen eine rechtsmissbräuchliche Einspruchserhebung.

57

Nach § 73 Abs. 1 OWiG ist der Betroffene grundsätzlich zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. Die Durchführung eines Einspruchsverfahrens kann daher eine erhebliche persönliche Belastung bei einer natürlichen Person hervorrufen. Die Betroffenen sehen sich - einem Strafprozess vergleichbar - einer persönlichen Anschuldigung, unerwünschtem öffentlichen Interesse und unter Umständen auch einer Berichterstattung in den Medien ausgesetzt. Diese Umstände, die von der Erhebung offensichtlich aussichtsloser Einsprüche allein zur Erzielung eines finanziellen Vorteils abschrecken können, treten bei Kartellgeldbußen gegen juristische Personen nicht in vergleichbarem Maße auf, weil es regelmäßig an der unmittelbaren persönlichen Betroffenheit einzelner Verantwortlicher fehlt.

58

bb) Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB verstößt ferner nicht deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie nur juristische Personen und Personenvereinigungen, nicht aber nach § 9 OWiG haftende natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft betrifft. Auch diese Differenzierung dient in nachvollziehbarer Weise zur Präzisierung der Fallgruppe, für die der Gesetzgeber die rechtsmissbräuchliche Einlegung von Einsprüchen zur Erzielung finanzieller Vorteile befürchtet.

59

Allerdings erreicht die Zahl der Bußgeldbescheide, die wegen Kartellverstößen gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft ergangen sind, eine Größenordnung, die der Zahl der Bußgeldbescheide gegen juristische Personen nahekommt. Nach den vorliegenden Stellungnahmen des Bundeskartellamts und der Landeskartellbehörden stehen für den Berichtszeitraum insgesamt 547 Bußgeldbescheide gegen natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft den 658 Bußgeldbescheiden gegen juristische Personen gegenüber. Dass der Gesetzgeber gleichwohl keinen Anlass gesehen hat, die Verzinsungspflicht auf natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft zu erstrecken, begegnet indessen wegen der typischerweise geringeren Höhe dieser Geldbußen keinen Bedenken.

60

Auch soweit natürliche Personen nicht als Unternehmen tätig werden, erreicht die Höhe der gegen sie nach Maßgabe des § 9 OWiG verhängten Geldbußen regelmäßig kein Niveau, das den Gesetzgeber zu der Annahme veranlassen müsste, Einsprüche dieser Personengruppe könnten in beträchtlicher Zahl allein mit der sachfremden Absicht der Erzielung finanzieller Vorteile eingelegt werden. Ausweislich der Stellungnahmen der Kartellbehörden erreichte die durchschnittliche Höhe der Geldbußen in Baden-Württemberg lediglich 2.200 €, in Hessen etwa 3.800 € und in Nordrhein-Westfalen etwa 11.000 €. Darüber geht die Höhe der Geldbußen in den vom Bundeskartellamt erlassenen insgesamt 510 Bescheiden mit im Durchschnitt etwa 56.000 € zwar erheblich hinaus, erreicht aber trotzdem nicht annähernd die durchschnittliche Bußgeldhöhe von 4,6 Mio. € der im gleichen Zeitraum gegen juristische Personen verhängten 563 Kartellbußgeldbescheide.

61

Diese Unterschiede in der Höhe der Geldbußen sind auch für die Zukunft zu erwarten; denn sie beruhen nicht auf Zufälligkeiten, sondern haben ihre Ursache in den geltenden rechtlichen Bestimmungen. So findet der erweiterte, über 1 Mio. € hinausreichende Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB ausdrücklich nur auf Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Anwendung und damit nicht auf natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft, die neben einem Unternehmen aufgrund der Organ- oder Vertreterhaftung nach § 9 OWiG mit einer Geldbuße belegt werden. Überdies erklärt sich die besondere Höhe der Geldbußen wegen Kartellverstößen daraus, dass bei ihrer Bemessung auch das Ziel der Abschöpfung des erlangten wirtschaftlichen Vorteils einfließen kann (vgl. § 81 Abs. 5 GWB, § 17 Abs. 4 OWiG). Diese aus der Ordnungswidrigkeit herrührenden Vorteile werden sich aber regelmäßig nicht im Vermögen des handelnden Organs oder Vertreters ergeben, sondern bei dem von ihnen repräsentierten Unternehmen, und sind daher durch eine entsprechend hohe Geldbuße dort abzuschöpfen. Danach erreichen Geldbußen gegen natürliche Personen auch bei fehlender Unternehmenseigenschaft typischerweise keine Beträge, die im Falle eines Einspruchs beachtliche finanzielle Vorteile erwarten lassen.

62

Zudem mindern die geschilderten persönlichen Belastungen im Zusammenhang mit der Hauptverhandlung (vgl. oben C. I. 2. a aa <3>) für natürliche Personen ohne Unternehmenseigenschaft, die aufgrund ihres Organ- oder Vertreterhandelns in die Ahndung von Kartellordnungswidrigkeiten nach § 9 OWiG einbezogen werden, den Anreiz zur Einspruchseinlegung in gleicher Weise wie für natürliche Personen mit Unternehmenseigenschaft. Angesichts all dieser Umstände durfte der Gesetzgeber mithin diese Betroffenen ebenfalls bei der Bestimmung der Fallgruppe unberücksichtigt lassen, bei der er einem Missbrauch von Rechtsmitteln durch die Verzinsung der Geldbußen entgegenwirken will.

63

b) Dem vorlegenden Gericht ist auch insoweit nicht zu folgen, als es eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG daraus herleiten will, dass die Rechtsordnung - soweit für das vorlegende Gericht ersichtlich - neben § 81 Abs. 6 GWB keine weiteren Regelungen zur Verzinsung von Geldbußen kennt. Zwar ist hiernach eine Zinsverpflichtung allein für Kartellgeldbußen geschaffen worden, während Geldbußen, die wegen Ordnungswidrigkeiten in anderen Rechtsgebieten festgesetzt werden, weiterhin nicht zu verzinsen sind. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz lässt sich damit aber nicht begründen, weil es insoweit bereits an vergleichbaren Sachverhalten fehlt, deren unterschiedliche Behandlung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG geprüft werden könnte. Verlangt wird eine Gleichbehandlung nur für "wesentlich Gleiches". An dieser Voraussetzung fehlt es bei Bestimmungen, die verschiedenen rechtlichen Ordnungsbereichen zugehörig sind und in anderen systematischen Zusammenhängen stehen (vgl. BVerfGE 40, 121 <139 f.> m.w.N.).

64

Die Differenzierung hinsichtlich der Verzinsung zwischen Kartellgeldbußen einerseits und sonstigen Geldbußen andererseits betrifft hiernach keine vergleichbaren Sachverhalte. Die Unterscheidung orientiert sich vielmehr an den Tatbeständen für Ordnungswidrigkeiten in den verschiedenen Rechtsgebieten. Nach Mitteilung der Bundesregierung finden sich Normen über die Ahndung von Gesetzesverstößen als Ordnungswidrigkeiten in mehr als dreihundert Gesetzen. Dabei sind die Tatbestände der Ordnungswidrigkeiten in Form eines Annexes dem jeweiligen Fachrecht als "typisches Verwaltungsunrecht" (vgl. BVerfGE 90, 145 <184>) aus unterschiedlichen Rechtsgebieten zugeordnet. Insoweit fehlt es an einem zusammenhängenden rechtlichen Ordnungsbereich, was bezüglich der einzelnen Bußgeldtatbestände der Annahme vergleichbarer Sachverhalte entgegensteht.

65

c) § 81 Abs. 6 GWB ist schließlich nicht deshalb mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, weil die Norm eine Verzinsung lediglich für Geldbußen bestimmt, die in einem Bußgeldbescheid festgesetzt werden, nicht hingegen auch für solche Geldbußen, deren Festsetzung durch ein Kartellgericht erfolgt. Dieser eingeschränkte Anwendungsbereich der Vorschrift ist zwar einfachrechtlich nicht unumstritten, entspricht aber nicht nur dem Gesetzeswortlaut, sondern auch der nicht zu beanstandenden Auslegung durch das vorlegende Gericht, das damit der überwiegenden Meinung folgt (vgl. Raum, in: Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1, 11. Aufl. 2010, § 81 Rn. 179; Achenbach, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 2011, § 81 GWB, Rn. 325; so wohl auch Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 GWB, Rn. 121; a.A. Bechtold, Kartellgesetz, 6. Aufl. 2010, § 81 Rn. 43). Dieses nachvollziehbare, einfachrechtlich vertretbare Auslegungsergebnis ist der Prüfung der Vorlagefrage zugrunde zu legen (vgl. BVerfGE 117, 1 <27>).

66

Die Differenzierung zwischen behördlich und gerichtlich festgesetzten Geldbußen hinsichtlich der Verzinsung ist durch hinreichende Sachgründe gerechtfertigt. Maßgeblich ist insoweit ein großzügiger, auf das Willkürverbot beschränkter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab; denn für die Ungleichbehandlung knüpft das Gesetz weder an Persönlichkeitsmerkmale an, noch geben betroffene Freiheitsrechte Anlass zu einer strengeren Bindung. Die von der Ungleichbehandlung Betroffenen sind im Gegenteil dazu in der Lage, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Differenzierungskriterien zu beeinflussen. Ihnen bleibt es nämlich überlassen, ob sie mit dem Ziel einer gerichtlichen Überprüfung nicht nur Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen, sondern an diesem Rechtsbehelf auch bis zu einer Entscheidung des Kartellgerichts festhalten.

67

Angesichts des gesetzgeberischen Ziels, der rechtsmissbräuchlichen Einlegung von Einsprüchen zur Erlangung finanzieller Vorteile, entgegenzuwirken, ist es frei von Willkür, wenn nicht sogar naheliegend, dass § 81 Abs. 6 GWB bei einer Entscheidung des Kartellgerichts über die zu verhängende Geldbuße eine Verzinsung nicht zwingend vorschreibt. Denn dessen Regelungszweck verlangt bei einer gerichtlichen Sachentscheidung gerade keine Verzinsung. Führt das betroffene Unternehmen eine gerichtliche Sachentscheidung herbei, so hat es Kartellbehörde und Kartellgericht nicht zweckwidrig nur zur Verfahrensverzögerung belastet, um den Einspruch noch vor ihrer endgültigen Entscheidung zurückzunehmen, sondern es hat im Gegenteil die gerichtliche Sachentscheidung abgewartet, sich ihren rechtlichen Wirkungen einschließlich der Gefahr einer Verböserung der Rechtsfolge unterworfen und damit die staatlichen Institutionen entsprechend ihrer Funktion in Anspruch genommen. Das Gericht ist dann frei, die Höhe einer etwaigen Geldbuße unabhängig von deren bisheriger Höhe selbst festzusetzen und kann damit dem Einzelfall - auch im Blick auf die inzwischen verstrichene Zeit - sachgerecht Rechnung tragen.

II.

68

Die Pflicht zur Verzinsung von Kartellgeldbußen verstößt nicht gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG.

69

1. Der Rechtsweg, den Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsuchenden gewährleistet, bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. Rechtsschutz ist eine staatliche Leistung, deren Voraussetzungen erst geschaffen, deren Art näher bestimmt und deren Umfang im Einzelnen festgelegt werden müssen. Art. 19 Abs. 4 GG gibt dem Gesetzgeber dabei nur die Zielrichtung und die Grundzüge der Regelung vor, lässt ihm im Übrigen aber einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum. Doch darf er die Notwendigkeit einer umfassenden Nachprüfung des Verwaltungshandelns in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und eine dem Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung nicht verfehlen (BVerfGE 101, 106 <123 f.>; 118, 168 <207>). Damit sind Begrenzungen des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 100, 313 <364>; 109, 279 <364>). Die Ausgestaltung muss aber dem Schutzzweck des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG Genüge tun (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>). Dies verbietet Maßnahmen, die darauf abzielen oder geeignet sind, den Rechtsschutz der Betroffenen zu vereiteln (vgl. BVerfGE 69, 1 <49>), insbesondere dürfen zu Lasten der Rechtsuchenden nicht unangemessen hohe verfahrensrechtliche Hindernisse für den Zugang zum Gericht geschaffen werden (vgl. BVerfGE 60, 253 <269>).

70

2. Daran gemessen führt die in § 81 Abs. 6 GWB geregelte Verzinsung weder zu einer gezielten Beeinträchtigung der Rechtsschutzgarantie (a) noch zu einer andersartigen verfassungswidrigen Beeinträchtigung dieses Grundrechts (b).

71

a) Durch die Möglichkeit des Einspruchs gegen Bußgeldbescheide trägt das Gesetz dem durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Recht des Betroffenen Rechnung, gegen einen ihn belastenden Akt der öffentlichen Gewalt ein Gericht anzurufen (vgl. BVerfGE 40, 46 <49>). Demgegenüber verfolgt der Gesetzgeber mit der Einführung der Verzinsungspflicht für Kartellgeldbußen nach § 81 Abs. 6 GWB zwar das Ziel, Unternehmen von Einsprüchen gegen Kartellbußgeldbescheide abzuhalten; er zielt damit jedoch nur auf Einsprüche, die allein zur Erlangung finanzieller Vorteile eingelegt und noch vor dem Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung zurückgenommen werden sollen.

72

Mit der Abwehr eines solchermaßen zweckwidrigen Gebrauchs eines Rechtsmittels ist keine für Art. 19 Abs. 4 GG relevante Beeinträchtigung des Rechtswegs verbunden. Der Zugang zu den Gerichten wird vom Grundgesetz nicht lediglich als formelles Recht, die Gerichte anzurufen, garantiert, sondern zielt auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 93, 1 <13>; 112, 185 <207>). Der damit garantierte Rechtsschutz erfolgt durch eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche richterliche Entscheidung (vgl. BVerfGE 112, 185 <207>). Dies entspricht jedoch nicht der Absicht der betroffenen Unternehmen, die mit dem Einspruch lediglich den Eintritt der Bestandskraft des Bußgeldbescheids verzögern wollen, um auf diese Weise finanzielle Vorteile durch die verspätete Zahlung der gegen sie festgesetzten Geldbuße erzielen zu können. Sie erstreben keine gerichtliche Prüfung und Entscheidung über die ihnen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeiten, sondern wollen diese im Gegenteil vermeiden und nehmen daher ihre Rechtsmittel noch vor einer Sachentscheidung durch das Gericht zurück. Diese Betroffenen nutzen den Einspruch nicht um Rechtsschutz zu erlangen, sondern in zweckwidriger, rechtsmissbräuchlicher Weise nur als Mittel der Verzögerung, um finanzielle Vorteile zu erzielen. Eine Inanspruchnahme der Gerichte zu diesem Zweck steht außerhalb des Schutzes von Art. 19 Abs. 4 GG. In gleicher Weise gilt das für Fälle, in denen Betroffene wegen der drohenden Zinsbelastung von der Einlegung eines unzulässigen Einspruchs abgehalten werden; hier ist die Rechtsweggarantie nicht berührt.

73

b) Die Pflicht zur Verzinsung von Kartellgeldbußen kann aber auf andere Weise als Beeinträchtigung des Zugangs zu den Gerichten wirken und damit die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG berühren. § 81 Abs. 6 GWB kann nämlich dazu führen, dass betroffene Unternehmen, auch wenn sie ernsthaft eine gerichtliche Überprüfung anstreben, wegen der drohenden Zinsbelastung von der Einlegung des Einspruchs abgehalten werden.

74

aa) Die Befürchtung, aufgrund des § 81 Abs. 6 GWB über die festgesetzte Geldbuße hinaus zusätzlich noch mit Zinsen belastet zu werden, ist allerdings mit Blick auf die nach einem Einspruch ergehende Sachentscheidung des Kartellgerichts nicht gerechtfertigt und kann somit nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung von Art. 19 Abs. 4 GG führen. Insoweit ist die vertretbare Auslegung des § 81 Abs. 6 GWB durch das vorlegende Gericht zugrunde zu legen, wonach die Verzinsung ausschließlich für behördlich, nicht aber auch für gerichtlich verhängte Geldbußen gilt (vgl. oben C. I. 2. c). Mithin kann ein betroffenes Unternehmen durch Aufrechterhalten des eingelegten Einspruchs der Zinsbelastung entgehen, wird also durch § 81 Abs. 6 GWB von dem Weg zum Gericht nicht abgehalten, soweit dieser - gemäß der Funktion des Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG - ernsthaft und mit Ziel einer kartellgerichtlichen Sachentscheidung beschritten wird.

75

Nichts anderes folgt aus dem Hinweis in den Gesetzesmaterialien, angesichts des § 81 Abs. 6 GWB möge das Gericht "bei seiner Überprüfung auch den Zeitfaktor (…) berücksichtigen" (BTDrucks 15/3640, S. 67). Für diese Anregung, zwischenzeitlich entstandene finanzielle Vorteile aufgrund der allgemeinen Bemessungsvorschriften in die Bestimmung der Höhe der gerichtlich festgesetzten Geldbuße einfließen zu lassen, war die Einführung der Verzinsungspflicht allenfalls Anlass, nicht jedoch rechtliche Grundlage. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung über die Höhe der Geldbuße sind auch insoweit allein die Bestimmungen, die nach wie vor generell die Bußgeldbemessung im Ordnungswidrigkeitenrecht regeln und aus verfassungsrechtlicher Sicht auch schon vor Inkrafttreten des § 81 Abs. 6 GWB nicht der Berücksichtigung der finanziellen Vorteile entgegenstanden, die durch die verzögerte Zahlung der Geldbuße ermöglicht wurden.

76

bb) Hingegen berührt die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG auch insoweit, als sich bei zunächst ernsthaft mit dem Ziel einer gerichtlichen Sachentscheidung eingelegtem Einspruch für das betroffene Unternehmen nachträglich ein berechtigtes Interesse an der Rücknahme des Einspruchs ergeben kann. Der Betroffene kann den Einspruch gemäß § 71 Abs. 1 OWiG, § 411 Abs. 3 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) bis zum Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung zurücknehmen und bedarf hierfür erst nach Beginn der Hauptverhandlung der Zustimmung des Gegners (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 303 Satz 1 und § 411 Abs. 3 Satz 2 StPO).

77

(1) Ein berechtigtes Interesse an der Rücknahme des Einspruchs kann insbesondere dann bestehen, wenn sich im Lauf des gerichtlichen Verfahrens mit Blick auf die Ahndung der Tat als Ordnungswidrigkeit die Gefahr einer Verböserung manifestiert. Das Kartellgericht ist bei seiner Entscheidung nicht an den Bußgeldbescheid gebunden, sondern setzt die Höhe der Geldbuße selbständig fest (§ 71 Abs. 1 OWiG, § 411 Abs. 4 StPO). Damit muss der Einspruchsführer aber zu seinen Lasten auch mit einer Verböserung (reformatio in peius) im Sinne einer strengeren Ahndung der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit rechnen (vgl. Bechtold, a.a.O., vor § 81 Rn. 6). Lediglich im Falle des § 72 OWiG, wenn ohne Hauptverhandlung durch Beschluss entschieden wird und die Beteiligten dieser Vorgehensweise nicht widersprechen, kann gemäß § 72 Abs. 3 Satz 2 OWiG von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abgewichen werden. Das Kartellgericht kann demnach das betroffene Unternehmen zur Zahlung einer Geldbuße verurteilen, die die im behördlichen Verfahren festgesetzte Geldbuße um ein Vielfaches überschreitet. Erkennt der Betroffene diese Möglichkeit nach Einlegung des Einspruchs als ernsthafte Gefahr, ist ihm, um sich der Verböserung durch ein Urteil des Kartellgerichts zu entziehen, ein legitimes Interesse an der Rücknahme seines Einspruchs nicht abzusprechen.

78

Mit der Rücknahme des Einspruchs geht allerdings der Eintritt der Bestandskraft des angefochtenen Bußgeldbescheids einher, womit dann auch die dort festgesetzte Geldbuße nach Maßgabe des § 81 Abs. 6 GWB rückwirkend zu verzinsen ist. Das von einer Kartellgeldbuße betroffene Unternehmen muss daher in Erwägung ziehen, dass es nach Einlegung eines Einspruchs einer sich möglicherweise - etwa nach gerichtlichem Hinweis - abzeichnenden Verböserung nur um den Preis einer Verzinsung der angegriffenen Geldbuße zu entgehen vermag. Als Ergebnis dieser Überlegungen könnte einzelnen Betroffenen die Inanspruchnahme von Rechtsschutz wirtschaftlich derart risikobehaftet erscheinen, dass sie von der Einlegung des Einspruchs von Anfang an absehen.

79

(2) Der Umstand, dass die durch die Kartellbehörde festgesetzte Geldbuße im Falle einer Rücknahme des Einspruchs zu verzinsen wäre, kann demnach rechtsschutzhemmende Wirkung entfalten. Dies verstößt jedoch nicht gegen die Verfassung. Der Gesetzgeber hat mit § 81 Abs. 6 GWB bei der ihm übertragenen Ausgestaltung des Rechtsschutzes zwar von der grundsätzlich nicht ausgeschlossenen Möglichkeit einer Begrenzung (vgl. BVerfGE 100, 313 <364>; 109, 279 <364>) Gebrauch gemacht, dabei aber den Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer Weise erschwert.

80

(a) Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgt, dass die Inanspruchnahme von Rechtsschutz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>). Dies bedeutet allerdings nicht, dass den Rechtsuchenden der Zugang zu den Gerichten kostenlos oder auch nur ohne Kostenrisiko zur Verfügung stehen muss. Ferner ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt, mit einer Gebührenregelung neben der Deckung der dem Staat entstehenden Kosten auch das Ziel zu verfolgen, einer leichtfertigen oder gar missbräuchlichen Einlegung von Rechtsbehelfen entgegenzuwirken (vgl. BVerfGE 10, 264 <268>; 50, 217 <230 f.>; 85, 337 <346 f.>).

81

Allerdings darf die Bemessung der Verfahrenskosten nicht in einer Weise erfolgen, die es den Betroffenen praktisch unmöglich macht, das Gericht anzurufen (vgl. BVerfGE 11, 139 <143>; 54, 39 <41>). Hierzu muss die Höhe der Kosten gesetzlich so geregelt sein, dass sie vorher überschaubar ist und bei vernünftiger Abwägung mit den Erfolgsaussichten nicht von vornherein rechtsschutzhemmend wirkt (vgl. BVerfGE 11, 139 <143>; 54, 39 <41>). Außerdem dürfen die Kosten nicht außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert stehen, den das gerichtliche Verfahren für die einzelnen Beteiligten hat (vgl. BVerfGE 85, 337 <347>). Eine an sich gerechtfertigte Regelung darf schließlich nicht so gestaltet werden, dass sie in ihrer tatsächlichen Auswirkung tendenziell dazu führt, Rechtsschutz vornehmlich nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu eröffnen (vgl. BVerfGE 50, 217 <231>; 117, 163 <197>).

82

(b) Die geschilderten Maßstäbe wurden zwar nicht für den Fall einer Verzinsung von Geldschulden entwickelt, die als staatliche Sanktion entstanden sind. Mit der Zinspflicht für Kartellgeldbußen gemäß § 81 Abs. 6 GWB verfolgt das Gesetz aber ebenso, wie dies auch für die Kostenpflichtigkeit von Gerichtsverfahren zulässig ist, das Ziel, von einer missbräuchlichen Einlegung von Rechtsmitteln abzuhalten. Die geschilderten Grundsätze können daher auch für die Prüfung herangezogen werden, ob der in § 81 Abs. 6 GWB statuierten Pflicht zur Zinszahlung eine unzumutbare rechtsschutzhemmende Wirkung zukommt. Ein solcher prohibitiver Effekt lässt sich jedoch nicht feststellen.

83

(aa) So können die Betroffenen die Größenordnung der möglicherweise anfallenden Zinsen hinreichend im Voraus überschauen. Da eine präzise Prognose aufgrund der Unwägbarkeiten gerichtlicher Verfahren unmöglich ist, kann auch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleisten, dass den Rechtsuchenden bereits vor Erhebung des Rechtsmittels der genaue Betrag aller im Verfahren anfallenden Kosten vor Augen steht. Ausreichend ist vielmehr, dass für sie absehbar ist, welche Kosten dem Grunde nach überhaupt anfallen und welche Höhe diese Kosten erreichen können.

84

Für ein betroffenes Unternehmen ist aufgrund der Regelung in § 81 Abs. 6 GWB bereits vor Erhebung des Einspruchs ausreichend deutlich zu erkennen, dass und in welchen Fällen Zinsen zu tragen sind. Zwar entscheiden letztlich die künftige Entwicklung des Basiszinssatzes, auf den § 81 Abs. 6 GWB in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB verweist, und die Dauer des gerichtlichen Einspruchsverfahrens über die genaue Höhe einer etwaigen Zinslast. Diese Faktoren lassen sich jedoch zumindest insoweit abschätzen und in ihrer Entwicklung kontrollieren, als die anfallenden Kosten der Größenordnung nach überschaubar und damit nicht weniger ungewiss als die üblichen Kosten gerichtlicher Verfahren sind.

85

(bb) Zudem erreichen die nach § 81 Abs. 6 GWB auf die Geldbuße zu zahlenden Zinsen im Regelfall keine Größenordnung, die bei vernünftiger Betrachtung den Rechtsweg für die betroffenen Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen verstellen oder auch nur spürbar erschweren könnte. Der Annahme einer rechtsschutzhemmenden Wirkung steht entgegen, dass die Betroffenen bis zur Rücknahme des Einspruchs oder dessen gerichtlicher Verwerfung als unzulässig die Möglichkeit hatten, während der gesamten Dauer des gerichtlichen Verfahrens entweder Zinsen für Kredite zu sparen oder durch Einsatz der Gelder im operativen oder investiven Geschäftsbereich Einnahmen zu erzielen.

86

(α) Ob es dem betroffenen Unternehmen im Einzelfall möglich war, tatsächlich die gesamte später nach § 81 Abs. 6 GWB zu entrichtende Zinssumme auf dem Kapitalmarkt zu erwirtschaften (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11 -, NJW 2012, S. 2266 ff.), ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn Art. 19 Abs. 4 GG bietet keinen Schutz vor finanziellen Belastungen als Konsequenz der Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels. Lediglich die Höhe der anfallenden finanziellen Nachteile darf keine abschreckende und rechtsschutzhemmende Wirkung entfalten, die einen wirtschaftlich vernünftig Denkenden von Anfang an von der Anrufung der staatlichen Gerichte abhalten könnte. Im Regelfall ist das aber nicht zu erwarten. Gerade die von der Verzinsung der Geldbuße allein betroffenen Unternehmen werden sich als gewinnorientierte Wirtschaftsbetriebe typischerweise nicht durch eine etwaige Differenz zwischen dem nach § 81 Abs. 6 GWB zu zahlenden Zins und den auf dem Kapitalmarkt zu erwirtschaftenden Erträgen von der Erhebung eines ernsthaft verfolgten Einspruchs abschrecken lassen.

87

(β) Im Übrigen verbleibt einem betroffenen Unternehmen, das befürchtet, auf dem Kapitalmarkt den von § 81 Abs. 6 GWB geforderten Zins nicht erwirtschaften zu können und deshalb im Falle einer Rücknahme oder einer Verwerfung des Einspruchs erheblichen finanziellen Nachteilen ausgesetzt zu sein, die Möglichkeit, die geforderte Bußgeldsumme ungeachtet der noch ausstehenden Vollstreckbarkeit innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids zunächst unter Vorbehalt zu zahlen und diese nach Erfolg seines Einspruchs zurückzufordern. Der Einwand, der Bußgeldbescheid würde in diesem Fall seine ahndende Wirkung bereits vor Bestandskraft entfalten und somit gegen die Unschuldsvermutung verstoßen, verkennt, dass der Betroffene nicht zur Zahlung der Geldbuße unter Vorbehalt verpflichtet ist, sondern ihm dieser Weg lediglich zur Reduzierung möglicher Zinsverluste offensteht.

88

(γ) Dem gesetzgeberischen Ziel, lediglich rechtsmissbräuchliche Einsprüche zu verhindern, trägt die Höhe des Zinssatzes nach § 81 Abs. 6 GWB in Verbindung mit § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB Rechnung, entfaltet mithin ebenfalls keine rechtsschutzhemmende Wirkung. Die in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelte Zinshöhe orientiert sich am Marktzins und soll mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz lediglich den Schaden ausgleichen, den der Gläubiger typischerweise durch den Zahlungsverzug erleidet und der umgekehrt den dem Schuldner typischerweise entstehenden Vorteilen entspricht (vgl. Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013, § 288 Rn. 2). Anhaltspunkte, die einen Verweis auf die Höhe der Verzugszinsen des Bürgerlichen Gesetzbuchs willkürlich oder mit Blick auf die Rechtsschutzgewährung auch nur sachwidrig erscheinen ließen, sind nicht erkennbar. Das Ziel der Orientierung am Marktzins wird auch dadurch belegt, dass das Gesetz nicht auf die - an sich naheliegende - qualifizierte Zinshöhe des § 288 Abs. 2 BGB verweist, die im Falle eines Zahlungsverzugs ohne Verbraucherbeteiligung gilt, sich aber aus Gründen der Abschreckung säumiger Schuldner (vgl. Grüneberg, in: Palandt, a.a.O., § 288 Rn. 3) mit acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom Marktzins deutlich entfernt.

III.

89

Entgegen einer bisweilen in der Literatur zum Kartellrecht vertretenen Auffassung (vgl. etwa Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 81 Rn. 463; Achenbach, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, a.a.O., § 81 GWB, Rn. 327; Vollmer, in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht, a.a.O., § 81 Rn. 119) missachtet die in § 81 Abs. 6 GWB geregelte Verzinsung der Geldbuße nicht die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung.

90

1. Die Unschuldsvermutung ist nicht nur kraft Art. 6 Abs. 2 EMRK Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland, vielmehr kommt ihr als einer besonderen Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) Verfassungsrang zu (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 110, 1 <22>). Sie gilt auch, wenn eine Tat nicht strafrechtlich als Delikt, sondern als Ordnungswidrigkeit geahndet werden soll (vgl. BVerfGE 9, 167 <170>). Aus dem Grundsatz der Unschuldsvermutung ergibt sich hier, dass den Betroffenen Tat und Schuld nachgewiesen werden müssen (vgl. BVerfGE 9, 167 <169>; 74, 358 <371>). Solange der gesetzliche Nachweis der Schuld nicht geführt ist, sind die Betroffenen auch vor Nachteilen geschützt, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (vgl. BVerfGE 74, 358 <371>; 110, 1 <23> m.w.N.).

91

2. Zweifelhaft ist bereits, ob die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB überhaupt zu Nachteilen führt, die im Sinne der Unschuldsvermutung einem Schuldspruch oder einer Ahndung gleichkommen. Selbst wenn dies unterstellt wird, ist sie jedenfalls mit der Unschuldsvermutung vereinbar. Zwar beginnt die Verzinsungspflicht bereits zwei Wochen nach der Zustellung des Bußgeldbescheids und erfasst somit auch noch nicht bestandskräftig geahndete Ordnungswidrigkeiten. Entscheidend ist jedoch, dass diese Verpflichtung bei Erfolg des Einspruchs wieder rückwirkend entfällt, der Betroffene also von Anfang an keine Zinsen schuldet und zwischenzeitlich auch nicht auf Zahlung in Anspruch genommen werden kann. Die Regelung des § 81 Abs. 6 GWB ändert nämlich nichts an dem Zeitpunkt der Fälligkeit, die nicht nur für die Geldbuße, sondern auch für die aus ihr zu zahlenden Zinsen gemäß § 89 OWiG - wie alle festgesetzten Tatfolgen (vgl. Mitsch, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 89 Rn. 1) - erst mit der Bestandskraft des Bußgeldbescheids eintritt. Die Verzinsungspflicht des § 81 Abs. 6 GWB hat demnach nur Auswirkungen auf die Höhe der insgesamt zu entrichtenden Geldsumme, sie verlagert aber die Zahlungspflicht als solche nicht auf einen Zeitpunkt vor bestandskräftiger Festsetzung der Geldbuße und damit nicht auf einen Zeitpunkt vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Täterschaft und die Schuld der Betroffenen.

IV.

92

Schließlich widerspricht die Regelung zur Verzinsung der Geldbuße gemäß § 81 Abs. 6 GWB nicht dem strengen Gesetzesvorbehalt aus Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 126, 170 <194>).

93

1. An Art. 103 Abs. 2 GG sind zwar auch Sanktionen zu messen, die keine Strafe sind, aber wie eine Strafe wirken (vgl. BVerfGE 35, 311 <320>; 74, 358 <375 f.>; 110, 1 <13 f.>). Diese Voraussetzung ist allerdings nicht schon dann erfüllt, wenn eine Maßnahme mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere wertende Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck (vgl. BVerfGE 110, 1 <14>).

94

Hiernach stellt die Verzinsungspflicht keine strafähnliche Maßnahme dar; denn ihr soll nach dem Willen des Gesetzgebers keine zusätzliche Ahndungswirkung zukommen. Ihr Ziel ist vielmehr, die Angemessenheit der Sanktion, deren Vollstreckbarkeit durch den Einspruch hinausgeschoben wird, trotz der eingetretenen Verzögerung aufrecht zu erhalten, um auf diese Weise von der rechtsmissbräuchlichen Einlegung des Rechtsmittels abzuhalten. Dem trägt die gesetzliche Regelung Rechnung (vgl. oben C. II. 2. b bb <2. b bb>).

95

2. Dessen ungeachtet lässt sich die Bestimmtheit des § 81 Abs. 6 GWB nicht mit dem Argument in Frage stellen, die gesetzlichen Regelungen zur Bemessung der Kartellgeldbuße, an die die Verzinsung anknüpft, seien ihrerseits wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig (so aber Hassemer/Dallmeyer, Gesetzliche Orientierung im deutschen Recht der Kartellgeldbußen und das Grundgesetz, 2010, S. 76 f.). Dabei kann dahinstehen, ob die einschlägigen Bußgeldvorschriften im Bereich des Kartellrechts hinreichend bestimmt sind. Sollten sie sich als verfassungswidrig erweisen, so beträfe dieser Mangel lediglich die Normen zur Bußgeldbemessung. Bei deren Nichtigkeit wäre zwar auch der Verzinsungspflicht die Grundlage entzogen, dies beruhte indessen nicht auf einer Verfassungswidrigkeit der Verzinsungsvorschrift des § 81 Abs. 6 GWB, sondern auf dem Umstand, dass dann eine wirksam festgesetzte Geldbuße fehlte, an der die Verzinsung anknüpfen könnte. Eine etwaige Unbestimmtheit der Regelung zur Bemessung der Hauptschuld ist als solche für die Bestimmtheit der daran anschließenden Zinsregelung ohne Belang.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Hilft die Behörde dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid. Diesen erläßt

1.
die nächsthöhere Behörde, soweit nicht durch Gesetz eine andere höhere Behörde bestimmt wird,
2.
wenn die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist, die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat,
3.
in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird.
Abweichend von Satz 2 Nr. 1 kann durch Gesetz bestimmt werden, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, auch für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig ist.

(2) Vorschriften, nach denen im Vorverfahren des Absatzes 1 Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten, bleiben unberührt. Die Ausschüsse oder Beiräte können abweichend von Absatz 1 Nr. 1 auch bei der Behörde gebildet werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

(3) Der Widerspruchsbescheid ist zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und zuzustellen. Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Der Widerspruchsbescheid bestimmt auch, wer die Kosten trägt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.