Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 04. Nov. 2015 - 4 K 3886/14
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juni 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2014 verpflichtet, die Hausarbeit der Klägerin aus der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Sozialwissenschaften Teilleistung Fachdidaktisches Seminar unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut bewerten zu lassen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung entsprechend Sicherheit leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin studierte bei der Beklagten im Bachelorstudiengang im Modellversuch „Gestufte Studiengänge in der Lehrerausbildung, Lehramt Haupt-, Real- und Gesamtschulen“. Im Fach Sozialwissenschaften legte sie im März 2014 die Teilleistung Fachdidaktisches Seminar im Modul V-K im zweiten Wiederholungsversuch ab.
3Die Hausarbeit wurde von der Erstprüferin Dr. T. und dem Zweitprüfer Prof. Dr. H. mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet.
4Mit Bescheid vom 4. Juni 2014 teilte der Prüfungsausschuss der Klägerin mit, dass sie die Prüfung im Fach Sozialwissenschaften in der zweiten Wiederholung nicht bestanden habe und somit die Bachelor-Prüfung endgültig nicht bestanden worden sei.
5Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Zu dessen Begründung wendete sie ein, die Erstprüferin habe eine unzulässige Notenreduktion wegen Überlänge der Arbeit und eine unzulässige politische Bewertung der Leistung vorgenommen.
6Nach Einholung von Stellungnahmen beider Prüfer zu den gerügten Punkten wies der Prüfungsausschuss den Widerspruch in seiner Sitzung am 30. Juli 2014 zurück. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2014 wurde dies der Klägerin mitgeteilt.
7Am 29. August 2014 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihren Vortrag aus dem Widerspruch. Zudem habe eine Internetrecherche ergeben, dass Erst- und Zweitprüfer eine identische Wohnanschrift hätten.
8Nachdem die Beklagte auf Nachfrage mitgeteilt hat, dass Erstprüferin und Zweitprüfer seit Oktober 2014 verheiratet sind und zum Zeitpunkt der Korrektur der Hausarbeit im Frühjahr 2014 in einem Haushalt lebten, macht die Klägerin ergänzend eine Befangenheit der beiden Prüfer geltend. Sie rügt ferner, dass die Prüferbestellung nicht ordnungsgemäß gewesen sei.
9Die Klägerin beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juni 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2014 zu verpflichten, die Hausarbeit der Klägerin aus der zweiten Wiederholungsprüfung im Fach Sozialwissenschaften Teilleistung Fachdidaktisches Seminar unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut bewerten zu lassen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Prüferbestellung sei ordnungsgemäß erfolgt. Zudem habe die Länge der Hausarbeit keine Auswirkung auf die Benotung gehabt. Von einer Befangenheit der Prüfer könne nicht ausgegangen werden.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang (Beiakten Hefte ° bis °) Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die Verpflichtungsklage ist zulässig und begründet.
17Der Bescheid vom 4. Juni 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 5. August 2014 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass ihre Hausarbeit als Teilleistung im Fachdidaktischen Seminar erneut von zwei neuen Prüfern bewertet wird.
18Zu Recht macht die Klägerin geltend, dass hinsichtlich beider Prüfer die Besorgnis der Befangenheit besteht. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - VwVfG - ist die Besorgnis der Befangenheit berechtigt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit setzt nicht voraus, dass der Amtsträger tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, dass der Prüfling die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis hat, der Prüfer werde in dieser Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden.
19OVG Lüneburg, Urteil vom 9. September 2015, 2 LB 169/14, juris; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht,6. Aufl., Rn. 338.
20Hier folgt bereits aus der Tatsache, dass Frau Dr. T. (Erstprüferin) und Prof. Dr. H. (Zweitprüfer) im Zeitpunkt der Korrektur der Hausarbeit in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebten, die Besorgnis der Befangenheit. Die eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen zwei Prüfern ist geeignet, Zweifel daran zu wecken, ob die selbständige und eigenverantwortliche Beurteilung der Prüfungsleistung gewährleistet ist.
21Gemäß § 8 Abs. 6 Sätze 1 und 2 der Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang im Modellversuch „Gestufte Studiengänge in der Lehrerausbildung“ an der Universität E. (°°) werden Prüfungen in der Regel von zwei Prüferinnen oder Prüfern bewertet. Das Zweiprüferprinzip ist ein wesentlicher Bestandteil prüfungsrechtlicher Verfahrensregelungen. Es kompensiert typische Defizite an Prüfungsgerechtigkeit, die entstehen, weil auch einem sachlich-fairen, unabhängigen und qualifizierten Prüfer Fehler unterlaufen können. Die Beteiligung von zwei Prüfern sichert daher die Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).
22Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O., Rn. 547.
23Besondere Bedeutung kommt dem Zweiprüferprinzip bei Prüfungen zu, wenn der Misserfolg - wie im Fall der Klägerin - zum endgültigen Nichtbestehen der Bachelorprüfung führt. Dementsprechend regelt auch § 65 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (HG), dass Wiederholungsprüfungen, bei deren endgültigem Nichtbestehen keine Ausgleichsmöglichkeiten vorgesehen ist, von mindestens zwei Prüferinnen und/oder Prüfern zu bewerten sind.
24Jeder der beteiligten Prüfer muss die Leistung des Prüflings selbst, unmittelbar und vollständig zur Kenntnis nehmen und selbständig beurteilen. Das Zusammenwirken der Prüfer darf in keinem Fall dazu führen, dass die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Prüfer verlorengeht
25Niehues/Fischer/Jeremias, a. a. O., Rn. 558.
26Auch wenn von den zusammenlebenden Prüfern, die demselben Fachbereich der Universität angehören und schon von daher auch beruflich zahlreiche Berührungspunkte haben, erwartet werden kann, dass sie Privates und Berufliches trennen und professionell mit den an sie als Prüfer gestellten Anforderungen umgehen, bleibt die Tatsache bestehen, dass die Beurteilung letztlich innerhalb eines Haushaltes erfolgt.
27Auch aus der Sicht eines unvoreingenommenen Prüflings besteht bei dieser Verfahrensgestaltung die Gefahr, dass sich beide Prüfer vor der schriftlichen Fixierung ihrer Beurteilung untereinander austauschen und dieser Austausch in ihre noch nicht abgeschlossene Urteilsbildung einfließt. Zum anderen ist es bei lebensnaher Betrachtung nicht auszuschließen, dass die besondere Wertschätzung, die sich die Prüfer entgegenbringen - auch unbewusst - dazu führt, dass die Benotung des Lebenspartners einen größeren Einfluss auf die eigene Benotung nimmt als dies bei der Benotung eines anderen Mitkorrektors der Fall wäre. Hier ist insbesondere daran zu denken, dass es eine größere Hemmschwelle geben mag, dem Votum des Lebenspartners zu widersprechen. Zwar besteht dort, wo Menschen agieren, immer die Gefahr einer (unbewussten) Verquickung von privaten Befindlichkeiten mit der Prüfertätigkeit. Dieser Gefahr schon im Ansatz zu begegnen, ist im Prüfungsverfahren in Anbetracht der begrenzten intersubjektiven Nachvollziehbarkeit prüfungsspezifischer Wertungen aber ein besonders gewichtiges Anliegen.
28Soweit sich die Beklagte auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 20. Oktober 2003 - II ZB 31/02 - beruft, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Der dort entschiedene Fall, dass die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung keinen generellen Ablehnungsgrund im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren darstellt, ist mit der vorliegenden Situation nicht vergleichbar. So ist, worauf der Bundesgerichtshof selbst hinweist, die dort anwendbare Vorschrift des § 41 der Zivilprozessordnung - ZPO - schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im Voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes), eng auszulegen. Zudem ging es um die Ehe zweier Richter, die jeweils nicht alleine zur Entscheidung berufen waren, sondern einem Kollegialgericht angehörten. Vorliegend sind außerhalb der eheähnlichen Lebensgemeinschaft keine weiteren Prüfer beteiligt. Ferner sind gerichtliche Entscheidungen an gesetzliche Vorgaben gebunden, während es hier um eine Beurteilung geht, die den Prüfern einen gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum eröffnet. Letztlich überzeugt auch die Auffassung des Bundesgerichtshofes, dass eine generalisierende, allein auf die Tatsache des ehelichen Näheverhältnisses abstellende Betrachtung im Endergebnis einem Ausschluss kraft Gesetzes nach § 41 ZPO gleichkäme, das erkennende Gericht nicht. Im Unterschied zum gesetzlichen Ausschlussgrund - vorliegend § 20 VwVfG - ist im Rahmen des § 21 VwVfG die Bestellung der in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebenden Prüfer nicht von vornherein unzulässig. Stellt sich der Prüfling in Kenntnis dieses Umstandes der Prüfung, kann diese rechtsfehlerfrei durchgeführt werden.
29Ist aber allein die Tatsache einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft geeignet, bei einem Prüfling die berechtigte Besorgnis hervorzurufen, dass eine unbefangene und eigenständige Beurteilung der Hausarbeit nicht mehr uneingeschränkt gewährleistet erscheint, so kann diese Besorgnis auch nicht im Wege einer Beweisaufnahme ausgeräumt werden. Der Beweisantrag war daher abzulehnen, da es auf die unter Beweis gestellte Tatsache rechtlich nicht ankommt.
30Die Klägerin hat die Besorgnis der Befangenheit auch unverzüglich gerügt. Ihre Rüge erst im Rahmen des Klageverfahrens ist ohne schuldhaftes Zögern erfolgt, da der Umstand, dass beide Prüfer in eheähnlicher Lebensgemeinschaft leben, erst zu diesem Zeitpunkt offenbar geworden ist. Als die Klägerin durch eine Internetrecherche erfahren hatte, dass beide Prüfer unter derselben Anschrift wohnen, hat sie durch ihren Prozessbevollmächtigten umgehend um Aufklärung zu diesem Sachverhalt bei der Beklagten nachgesucht. Nach Mitteilung, dass die Prüfer zum Zeitpunkt der Korrektur ihrer Hausarbeit bereits zusammenlebten und einige Monate später geheiratet haben, hat sie unmittelbar deren Befangenheit geltend gemacht.
31Da die Besorgnis der Befangenheit beide Prüfer betrifft, scheiden sowohl die Erstprüferin Dr. T. als auch der Zweitprüfer Prof. Dr. H. für eine erneute Korrektur der Hausarbeit aus. Die Arbeit ist von zwei neuen Prüfern zu bewerten.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr.11, 711 der Zivilprozessordnung.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, so hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, so trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält.
(2) Für Mitglieder eines Ausschusses (§ 88) gilt § 20 Abs. 4 entsprechend.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gegenstandswert: 194.202,50
Gründe:
I. Die Kläger begehren mit der Klage von der Beklagten Zahlung einer Tätigkeitstantieme für das Jahr 1995, im Wege der Stufenklage Auskunft hinsichtlich einer für das Jahr 1996 beanspruchten Tantieme, Erklärung des Einverständnisses mit dem Übergang von Rechten und Pflichten aus Versicherungsverträgen , ferner Zahlung einer vorgezogenen Altersrente und schließlich Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz. Das Landgericht - Kammer für Handelssachen - hat unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin am Landgericht W.-G. durch Teilurteil vom 6. Juni 2001 die Beklagte dazu verurteilt, ihr Einverständnis mit dem Übergang von Rechten und Pflichten aus den Versicherungsverträgen zu erklären und an den Kläger zu 1 ab 1. Januar 2001 monatlich im voraus eine vorgezogene Altersrente zu zahlen; ferner hat
es eine Schadensersatzpflicht teilweise festgestellt, das weitergehende Feststellungsbegehren hingegen abgewiesen. Unter Mitwirkung derselben Vorsitzenden hat das Landgericht durch weiteres Teilurteil vom 1. August 2001 die Klage wegen der Tantieme für 1995 abgewiesen. Gegen das erste Teilurteil hat die Beklagte Berufung mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung eingelegt , während der Kläger zu 1 mit seiner Anschlußberufung die Verzinsung der zugesprochenen Altersrente begehrt. Das zweite Teilurteil haben die Kläger in einem parallelen Berufungsrechtsstreit angefochten.
Mit Schreiben vom 26. September 2002 hat der dem zuständigen 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts angehörende Richter am Kammergericht G. die Parteien darauf hingewiesen, daß er der Ehemann der Vorsitzenden Richterin ist, die an dem angefochtenen ersten Teilurteil mitgewirkt hat. Daraufhin haben die Kläger mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2002 diesen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der abgelehnte Richter hat sich dienstlich dahingehend geäußert, er kenne den dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Sachverhalt nicht und schließe aus, mit seiner Ehefrau über den Fall und damit zusammenhängende Rechtsfragen gesprochen zu haben, daher fühle er sich nicht befangen.
Das Kammergericht hat das Ablehnungsgesuch - im Tenor als solches "der Beklagten vom 19. September 2002" bezeichnet - zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der - vom Kammergericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde.
II. 1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zugelassene, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Kläger ist auch im übrigen zulässig. Die Kläger sind durch den angefochtenen Beschluß be-
schwert. Zwar ist nach dem Wortlaut des Beschlußtenors ein "Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 19. September 2002" für unbegründet erklärt worden, und auch in den Gründen ist davon die Rede, daß das Gesuch "der Beklagten" erfolglos bleibe; dabei handelt es sich jedoch, worauf die Kläger in der Beschwerdebegründung zutreffend hinweisen, um offensichtliche - und damit unschädliche - Bezeichnungsfehler, weil es ausweislich der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluß und nach Aktenlage im vorliegenden Verfahren kein Ablehnungsgesuch der Beklagten und darüber hinaus auch kein solches vom 19. September 2002 gibt, sondern allein das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 2. Oktober 2002. Nur dieses - auf Seite 3 des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich genannte - Gesuch ist daher vom Kammergericht - objektiv und subjektiv - zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht worden.
2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Kammergericht hat das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Richter am Kammergericht G. mit Recht für unbegründet erachtet.
a) Richter am Kammergericht G. ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramtes im Berufungsverfahren gegen das (erste) Teilurteil vom 6. Juni 2001 des Landgerichts kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil er bei dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung des ersten Rechtszuges nicht selbst mitgewirkt hat. Die Mitwirkung seiner Ehefrau, der Vorsitzenden Richterin am Landgericht W.-G., an diesem Teilurteil ist dem nicht gleichzusetzen, weil § 41 ZPO die Ausschließungsgründe abschließend aufführt; schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), ist die Vorschrift einer er-
weiternden Auslegung nicht zugänglich (vgl. BGH, Urt. v. 5. Dezember 1980 - V ZR 16/80, NJW 1981, 1723 f.; Urt. v. 4. Dezember 1989 - RiZ(R) 5/89, NJW 1991, 425 - jeweils m.w.N.).
b) Die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung stellt auch - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - keinen generellen Ablehnungsgrund gemäß § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar. Eine solche generalisierende, allein auf die Tatsache des ehelichen Näheverhältnisses abstellende Betrachtung würde im Endergebnis auf dem Umweg über § 42 ZPO zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 41 ZPO führen, da sie faktisch einem Ausschluß kraft Gesetzes gleichkäme.
Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit vielmehr nur dann statt, wenn ein konkreter Grund vorgetragen und glaubhaft gemacht wird, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Nach diesem Maßstab ist im Ablehnungsverfahren nach § 42 Abs. 2 ZPO nicht darüber zu entscheiden, ob der Richter sich befangen fühlt oder tatsächlich befangen ist, sondern ob aus der Sicht einer objektiv und vernünftig urteilenden Partei die Besorgnis besteht, der zur Entscheidung berufene Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber (st. Rspr., Nachweise bei Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Aufl. § 46 Rdn. 9). Zu dieser Vorstellung kann eine nach diesem objektivierten Maßstab urteilende Partei nicht allein deswegen gelangen, weil der abgelehnte Richter mit der Vorsitzenden Richterin, die an der im Berufungsverfahren angegriffenen Kollegialentscheidung erster Instanz mitgewirkt, verheiratet ist. Nichts deutet im vorliegenden Fall darauf hin, der abgelehnte Richter könnte
geneigt sein, die Entscheidung, die seine Ehefrau nicht allein getroffen, sondern an der sie als Vorsitzende eines Kollegialgerichts lediglich mitgewirkt hat, aus sachfremden Erwägungen zu bestätigen oder zu ändern bzw. in die kollegiale Senatsentscheidung derartige sachfremde Erwägungen einfließen zu lassen. Umstände, aus denen sich etwas anderes ergeben könnte, haben die Kläger nicht dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO).
Goette Kurzwelly Kraemer
Münke Gehrlein
Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:
- 1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht; - 2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war; - 4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist; - 5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist; - 6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt; - 7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird; - 8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.
(1) In einem Verwaltungsverfahren darf für eine Behörde nicht tätig werden,
- 1.
wer selbst Beteiligter ist; - 2.
wer Angehöriger eines Beteiligten ist; - 3.
wer einen Beteiligten kraft Gesetzes oder Vollmacht allgemein oder in diesem Verwaltungsverfahren vertritt; - 4.
wer Angehöriger einer Person ist, die einen Beteiligten in diesem Verfahren vertritt; - 5.
wer bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt ist oder bei ihm als Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs tätig ist; dies gilt nicht für den, dessen Anstellungskörperschaft Beteiligte ist; - 6.
wer außerhalb seiner amtlichen Eigenschaft in der Angelegenheit ein Gutachten abgegeben hat oder sonst tätig geworden ist.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Wahlen zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit und für die Abberufung von ehrenamtlich Tätigen.
(3) Wer nach Absatz 1 ausgeschlossen ist, darf bei Gefahr im Verzug unaufschiebbare Maßnahmen treffen.
(4) Hält sich ein Mitglied eines Ausschusses (§ 88) für ausgeschlossen oder bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 gegeben sind, ist dies dem Vorsitzenden des Ausschusses mitzuteilen. Der Ausschuss entscheidet über den Ausschluss. Der Betroffene darf an dieser Entscheidung nicht mitwirken. Das ausgeschlossene Mitglied darf bei der weiteren Beratung und Beschlussfassung nicht zugegen sein.
(5) Angehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 und 4 sind:
- 1.
der Verlobte, - 2.
der Ehegatte, - 2a.
der Lebenspartner, - 3.
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, - 4.
Geschwister, - 5.
Kinder der Geschwister, - 6.
Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, - 6a.
Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Lebenspartner, - 7.
Geschwister der Eltern, - 8.
Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).
- 1.
in den Fällen der Nummern 2, 3 und 6 die die Beziehung begründende Ehe nicht mehr besteht; - 1a.
in den Fällen der Nummern 2a, 3 und 6a die die Beziehung begründende Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 2.
in den Fällen der Nummern 3 bis 7 die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist; - 3.
im Falle der Nummer 8 die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht, sofern die Personen weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind.
(1) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, so hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, so trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält.
(2) Für Mitglieder eines Ausschusses (§ 88) gilt § 20 Abs. 4 entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.