Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 28. Apr. 2014 - 14 L 663/14
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage - 14 K 1975/14 -des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 14. April 2014 wird mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass Auflagen des Antragsgegners, die der geordneten Durchführung der Versammlung dienen, zu befolgen sind.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der am 25. April 2014 gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sinngemäß gestellte und kurzfristig zu bescheidende Antrag ,
3die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers - 14 K 1975/14 - gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 14. April 2014 betreffend die Versammlung am Abend des 30. April 2014 in der Form eines Fackelmarsches mit Fahnen und Transparenten und dem Thema „Am 25. Mai in X. zur Kommunalwahl ‚ S. ‘ wählen!“ wiederherzustellen,
4hat mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe Erfolg.
5Die nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus.
6Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe des Beschlusses gleichen Rubrums vom 24. April 2014 - 14 L 641/14 - sowie die Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein - Westfalen vom heutigen Tage -5 B 474/14 - Bezug genommen.
7Ergänzend ist folgendes auszuführen:
8Der Prüfungsmaßstab für die Interessenabwägung ist vorliegend der gleiche wie bei einer auf einen einmaligen Anlass bezogenen Veranstaltung.
9Anders als bei der vom Antragsteller für den 1. Mai angemeldeten Versammlung begegnet es vorliegend keinen durchgreifenden Zweifeln, dass es sich bei der Versammlung um eine Wahlkampfveranstaltung handeln soll. Das Motto der Versammlung lautet: „Am 25. Mai in X. zur Kommunalwahl S. wählen!“ Da die Versammlung in der sogenannten „heißen Phase des Wahlkampfs“ innerhalb von sechs Wochen vor der Kommunalwahl stattfindet und der Antragsteller als Partei bei der Kommunalwahl in E. nach unwidersprochenen eigenen Angaben flächendeckend antritt und offenbar auch zur Wahl zugelassen ist, ist ein Bezug der Versammlung zum Kommunalwahlkampf naheliegend.
10Diese Annahme ist auch nicht tatsachengestützt widerlegt. Der Einwand des Antragsgegners in der Begründung der Verbotsverfügung, „die beabsichtigte Versammlung entspreche nicht den Aktivitäten einer Partei im Kommunalwahlkampf“, vermag diesen Eindruck nicht zu erschüttern. Es obliegt allein den Parteien, im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung ihren Wahlkampf zu gestalten. Für die Frage, ob es sich um eine Wahlkampfveranstaltung handelt, kann deshalb nicht ausschließlich darauf abgestellt werden, welche Aktivitäten andere Parteien im Wahlkampf entfalten oder welche als allgemeinüblich angesehen werden. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Wille des Antragstellers, eine Wahlkampfveranstaltung durchzuführen, objektiv nach außen zum Ausdruck kommt, wie hier z.B. durch das Motto der Versammlung.
11Insofern ist auch in diesem Verfahren wegen der Bedeutung der Art. 8 Abs. 1 und Art. 21 GG und aufgrund des Zusammenhangs der Versammlung mit dem Wahlkampf des Antragstellers als nicht verbotener Partei schon im Eilverfahren dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Denn es ist offensichtlich, dass eine rechtskräftige Entscheidung über die konkret angemeldete Versammlung im Hauptsacheverfahren nicht mehr vor dem Termin der angemeldeten Versammlung und auch nicht vor dem in der Versammlung thematisierten Wahltermin am 25. Mai 2014 erfolgen wird.
12Nach diesem Abwägungsmaßstab überwiegt das Interesse der Öffentlichkeit am sofortigen Vollzug der Verbotsverfügung das Interesse des Antragstellers am Suspensiveffekt der von ihm erhobenen Klage nicht, weil sich die im wesentlichen auf § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG) gestützte Verbotsverfügung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als voraussichtlich rechtswidrig darstellt und am Vollzug rechtswidriger Verwaltungsakte kein öffentliches Interesse bestehen kann.
13Soweit der Antragsgegner in der Verbotsverfügung und auch in der Antragserwiderung ausführt, die angemeldete Versammlung setze als „Vorabendveranstaltung“ zur Versammlung am 1. Mai eine Tradition der verbotenen Vereinigung „Nationaler Widerstand E. “ fort und diene deshalb allein dazu, den Zusammenhalt innerhalb dieser verbotenen Gruppe zu fördern, vermag die Kammer sich dem nicht anzuschließen.
14Der Antragsgegner stellt tragend darauf ab, dass vor jeder in E. von der verbotenen Vereinigung „Nationaler Widerstand E. “ durchgeführten Großveranstaltung zum 1. Mai und dem sogenannten „Antikriegstag“ eine Vorabendveranstaltung durchgeführt wurde. Diese Feststellung mag für die Anfang September veranstalteten Demonstrationen zum „Antikriegstag“ zutreffen, ist aber für den 1. Mai in E. nicht belegt. So führt auch der Antragsgegner in seiner Verbotsverfügung im zeitlichen Zusammenhang mit dem 1. Mai lediglich eine Demonstration in S1. am 28. April 2007 an. Da die verbotene Vereinigung „Nationaler Widerstand E. “ zwischen 2007 und 2012, dem Jahr in dem sie verboten wurde, in E. keine Versammlungen für den 1. Mai anmeldete, ist davon auszugehen, dass es in dieser Zeit im Vorfeld des 1. Mai auch keine „Vorabendveranstaltungen“ gegeben hat. Weder wurden vom Antragsgegner solche Veranstaltungen genannt, noch sind dem Gericht solche für diesen Zeitraum im Umfeld des 1. Mai anderweitig bekannt geworden.
15Ein Anknüpfen an Versammlungen und Traditionen der verbotenen Vereinigung durch die hier im Streit stehende Versammlung ist daher nicht zu erkennen.
16Es ist auch nicht hinreichend tatsachengestützt belegt, dass die E1. Bürgerschaft diese Versammlung der verbotenen Vereinigung „Nationaler Widerstand E. “ zuordnet. Wie der Antragsgegner selbst ausführt, werden diese Veranstaltungen in E. auch von interessierten Bürgern in erster Linie nicht der verbotenen Vereinigung zugeordnet, sondern allgemein der „Rechten Szene“. Dies reicht aber - wie in dem oben genannten Beschluss bereits ausgeführt - nicht aus, um einen identitätsstiftenden Zusammenhang der Versammlung mit der verbotenen Vereinigung zu begründen.
17Auch aus dem vom Antragsgegner angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts,
18BVerfG, Beschluss vom 31. August 2012 - 1 BvR 1840/12 -, vorgehend OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2012- 5 B 1025/12, Juris und Beschluss der erkennenden Kammer vom 29. August 2012 - 14 L 1048/12 -, sämtlich Juris,
19lässt sich nichts anderes ableiten. Zum Einen ergaben sich die vom Bundesverfassungsgericht angesprochenen schwierigen Abgrenzungsfragen auch aus der unmittelbaren zeitlichen Nähe des Vereinsverbots zu der beabsichtigten Versammlung. Zum Anderen handelte es sich bei dem dort in Rede stehenden „Antikriegstag“ am 1. September 2012 nebst der ebenfalls verbotenen „Vorabendveranstaltung“ am 31. August 2012 um für die verbotene Vereinigung identitätsstiftende Veranstaltungen, weil sie nach der Wertung der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen durch ein Vorstandsmitglied des jetzigen Antragstellers in seiner Eigenschaft als Vertreter der verbotenen Vereinigung und nicht als Privatperson angemeldet wurden. Außerdem handelte es sich um Versammlungen, für die - anders als bei der hier in Rede stehenden Demonstration - festzustellen war, dass sie auch vor deren Verbot eine, wenn nicht gar die sinnstiftende Veranstaltung der verbotenen Vereinigung war. Mit dieser Bedeutung speziell des „Antikriegstages“ für die verbotene Vereinigung hat sich auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Folgenabwägung befasst.
20Ähnlich verhält es sich mit der vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen getroffenen Entscheidung über das Verbot von durch die Kreisverbände B. und I. der Partei DIE S. für den 5. und 6. April 2013 in T. angemeldeten Versammlungen.
21OVG NRW, Beschluss vom 4. April 2013 - 5 B 332/13 -, Juris.
22Auch hier ging es um Versammlungen, bei denen neben der Personenidentität der handelnden Akteure der Veranstalter zahlreiche andere Tatsachen dafür sprachen, dass es sich um die Fortsetzung zuvor begründeter Traditionen handelte, die alleine dem Zweck dienten, den Zusammenhalt der Mitglieder der verbotenen Vereinigung „Kameradschaft B1. Land“ zu fördern.
23Damit ist die vorliegende Konstellation jedoch nicht zu vergleichen. Anmelder der hier in Rede stehenden Demonstration ist der Landesverband einer nicht verbotenen Partei. Zwar ist es gerichtsbekannt, dass die Vorstandsmitglieder des Antragstellers weitestgehend personenidentisch mit den Führungspersönlichkeiten der verbotenen Vereinigung „Nationaler Widerstand E. “ sind.
24Allein diese Personenidentität führt jedoch nicht zwingend dazu, dass in der hier streitigen Versammlung die vom Antragsgegner angeführte Unterstützung der verbotenen Vereinigung im Sinne eines identitätsstiftenden und den Zusammenhalt fördernden Ereignisses zu sehen ist.
25Das Bundesverfassungsgericht hat in der oben zitierten Entscheidung dazu ausgeführt, dass
26„die schwierige materiellrechtliche Frage, ob beziehungsweise unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang die organisationsbezogene Entscheidung eines Vereinsverbots über Zurechnungen die vormaligen verantwortlichen Personen des verbotenen Vereins im Ergebnis auch darin einschränken kann, Versammlungen zu veranstalten, die an sich gesetzlich nicht zu beanstanden sind […] nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung entschieden werden kann, sondern gegebenenfalls in einem Hauptsacheverfahren zu beantworten ist.“
27Aus den vorstehenden Erwägungen lässt sich jedenfalls schließen, dass im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung nicht davon ausgegangen werden kann, dass allein die Personenidentität der handelnden Akteure die Annahme einer unzulässigen Fortführung oder Förderung einer verbotenen Vereinigung i.S.d. § 20 VereinsG rechtfertigt, die das Verbot einer Versammlung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit trägt.
28Über diese Personenidentität hinausgehende Tatsachen, die für eine solche unzulässige Fortführung oder Förderung der verbotenen Vereinigung sprechen, hat der Antragsgegner nicht vorgetragen und belegt.
29Das hier streitgegenständliche Verbot kann auch nicht rechtmäßig auf einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung gestützt werden, weil der Antragsteller dem Aufzug nach Meinung des Antragsgegners durch die Verwendung von Fackeln ein einschüchterndes oder bedrohendes Gepräge gibt.
30In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass die öffentliche Ordnung auch durch die Art und Weise der Kundgebung einer Meinung verletzt werden kann, etwa durch aggressives, die Grundlagen des verträglichen Zusammenlebens der Bürger beeinträchtigendes, insbesondere andere Bürger einschüchterndes Auftreten der Versammlungsteilnehmer, und es den insoweit beachtlichen sozialen und ethischen Anschauungen über die Grundvoraussetzungen eines geordneten menschlichen Zusammenlebens zuwiderläuft, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert oder provoziert.
31vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.September 2003- 1 BvQ 32/03 , Juris, Rdnr. 24.
32Eine solche erhebliche Provokationswirkung ist vorstehend aber nicht zu bestätigen. Fackelzüge finden aus den unterschiedlichsten Anlässen statt, ohne dass in der Bevölkerung, insbesondere an herausragenden historischen Daten, allein aufgrund der Verwendung von Fackeln Bezüge zu den nationalsozialistischen Aufzügen hergestellt würden.
33Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16. November 2007 – 3 B 447/07 -, juris (zur Verwendung von Fackeln am Volkstrauertag); vgl. auch Sächsisches Oberverwal-tungsgericht, Urteil vom 4. Juni 2009 - 3 B 59/06 -, Juris, Rdnr. 31 f; vgl. auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Februar 2012- 1 S 358/12 -.
34Fackeln werden nicht nur an Gedenk- und Feiertagen wie dem Volkstrauertag, sondern auch zu sonstigen feierlichen Anlässen, wie dem „großen Zapfenstreich“ oder feierlichen Gelöbnissen, auch von einer unzweifelhaft demokratisch legitimierten Organisation wie der Bundeswehr verwendet.
35Vgl. bspw. zur Verwendung von Fackeln am Volkstrauertag 2009 durch das Wachbataillon der Bundeswehr: http://www.google.de/imgres?imgurl=http://www.thw-friedrichshain-kreuzberg.de/
36und zum Abschied des Wachbataillons aus Siegburg,:
37Bonner Generalanzeiger vom 28. April 2014, „Mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedete sich das Wachbataillon“,
38Sonstige Besonderheiten der gemeinschaftlichen Meinungskundgabe, etwa „aggressiver Begleitumstände“, die ein „Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft“ erzeugen und die verfügte Auflage tragen könnten,
39vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Februar 2012 - 1 S 358/12 -,
40hat der Antragsgegner für die in Rede stehende Versammlung nicht substantiiert.
41Wie bereits im Beschluss der Kammer vom 24. April 2014 - 14 L 641/14 ausgeführt, auf den die Kammer zur Begründung auch insoweit Bezug nimmt, ist es dem Antragsgegner im Übrigen unbenommen, solchen Gefahren für die öffentliche Ordnung durch entsprechende geeignete Auflagen, etwa zur Begrenzung der Zahl der Fackeln oder zum sonstigen Ablauf des Aufzuges entgegenzutreten.
42Das Mitführen von Fackeln begründet vorliegend auch keine das Verbot der Versammlung rechtfertigende Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Davon geht offenbar auch der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung aus, indem er dort ausführt, dass derartigen Gefahren auch durch Auflagen begegnet werden könne.
43Aufgrund der Kürze der Zeit zwischen dieser Entscheidung der Kammer und dem Versammlungstermin erscheint es geboten, zur Sicherheit der Teilnehmer an dem Fackelzug sowie zum Schutz Dritter die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage von der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe im Sinne des § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO abhängig zu machen. Der Antragsgegner kann daher versammlungsrechtliche Auflagen ( z.B. zur Anzahl der mitgeführten Fackeln sowie zur Wegstrecke des Aufzugs, Versammlungsleitung, Anzahl der Ordner, Art und Anzahl von mitgeführten Transparenten / Fahnen, Lautsprechereinsatz, Vermummungs- und Uniformverbot etc.) erlassen.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
45Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und geht wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache vom vollen Auffangstreitwert aus.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage - 14 K 1903/14 -des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 14. April 2014 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der kurzfristig zu bescheidende Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage VG Gelsenkirchen -14 K 1903/14 - des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 14. April 2014 wiederherzustellen,
4hat Erfolg.
5Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus.
6Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht in den Fällen, in denen eine Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltet, weil dessen sofortige Vollziehbarkeit durch die erlassende Behörde angeordnet wurde, auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherstellen.Dies kommt nur in Betracht, wenn das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Antragstellers, von Vollziehungsmaßnahmen vorläufig verschont zu bleiben, nicht überwiegt. Bei der insoweit gebotenen Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren mit zu berücksichtigen.Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, müssen die Verwaltungsgerichte wegen der Bedeutung des Art. 8 Abs. 1 GG schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlungen in der beabsichtigten Form führt.
7Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 und vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069.
8Vorliegend überwiegt das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des verfügten Versammlungsverbots vorläufig verschont zu bleiben, das vom Antragsgegner herangezogene öffentliche Vollziehungsinteresse, weil sich die im wesentlichen auf § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG) gestützte Verbotsverfügung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als voraussichtlich rechtswidrig darstellt und am Vollzug rechtswidriger Verwaltungsakte kein öffentliches Interesse bestehen kann.
9Nach § 15 VersG kann die zuständige Behörde - hier der Antragsgegner - eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung zu erkennenden Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
10Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
11Der Antragsgegner hat seine Verfügung vorrangig auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 15 VersG gestützt, weil die vom Antragsteller in Dortmund angemeldete Versammlung in Form eines Aufzuges mit dem Thema „Heraus zum 1. Mai“ primär dem Zweck diene, den organisatorischen Zusammenhalt der verbotenen Vereinigung „Nationaler Widerstand Dortmund“ zu unterstützen und damit den Straftatbestand des § 20 Vereinsgesetz (VereinsG) erfülle.
12Diese in der angefochtenen Verfügung getroffene und durch die vom Antragsgegner in der Verfügung - auf die insoweit wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird - bezeichneten Erkenntnisse, auch zur Wahrnehmung der „Rechten Szene“ durch die Dortmunder Bevölkerung, gestützte Prognose trägt das verfügte Verbot nicht.
13Die vom Antragsgegner in der Verfügung angeführten Argumente für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sind im Kern identisch mit den Erwägungen, die der Verbotsverfügung für eine vom Antragsteller unter dem gleichen Motto angemeldeten Versammlung am 1. Mai 2013 zu Grunde gelegen haben. Die, wenn auch umfangreiche, und teilweise auf neu zusammengetragene Tatsachen gestützte Begründung der streitgegenständlichen Verbotsverfügung lässt nicht erkennen, dass die vom Antragsteller angemeldete Versammlung für einen unbefangenen Betrachter als Aktion unmittelbar zu Gunsten der verbotenen Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" erscheint, die nach § 20 Abs. 1 VereinsG strafbar ist. Hierfür ist vorausgesetzt, dass dem beabsichtigten Verhalten eine hinreichende Außenwirkung zukommt, aus der ein objektiver Bezug zur Tätigkeit des Vereins erkennbar wird. Aus Inhalt und äußerer Form des Auftretens muss eindeutig ersichtlich sein, dass für die verbotene Organisation gehandelt wird. Hierfür genügt es nicht, dass sich jemand für Ziele einsetzt, die ebenfalls von der verbotenen Organisation verfolgt werden bzw. wurden. Danach kann eine unzulässige Fortführung oder Förderung einer verbotenen Vereinigung nicht schon deshalb angenommen werden, weil sich - wie hier - eine neu gegründete nicht verbotene Vereinigung / Partei im eigenen Namen ebenso wie eine verbotene Vereinigung mit vergleichbaren Zielsetzungen überhaupt der Ausdrucksform einer Versammlung bedient.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. April 2013 - 5 B 467/13 -, vorgehend Beschluss der Kammer vom 25. April 2013 - 14 L 474/13 -, beide veröffentlicht unter www.nrwe.de
15Der Antragsgegner hat keine hinreichenden Tatsachen für die Annahme benannt, dass sich für einen unbefangenen Betrachter der Eindruck ergibt, bei der angemeldeten Versammlung zum 1. Mai 2014 handele es sich um eine Aktion unmittelbar zugunsten der verbotenen Vereinigung und nicht um eine solche des Antragstellers als einer nicht verbotenen politischen Partei. Ein hinreichender objektiver Bezug zur Tätigkeit der verbotenen Vereinigung ist nicht belegt. Tatsachen, aus denen mit der erforderlichen Eindeutigkeit eine konkrete Eignung für eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte, vereinsfördernde oder -unterstützende Zielrichtung erkennbar würde, sind nicht angeführt worden. Vornehmlich belegen auch die im Vergleich zum Vorjahr ergänzend angeführten Erkenntnisse nicht hinreichend, dass mit der in Rede stehenden Versammlung zum 1. Mai eine spezifische, besondere identitätsstiftende Tätigkeit der verbotenen Vereinigung lediglich unter einem anderen Namen fortgeführt werden soll. Dies insbesondere deshalb nicht, weil der „Nationale Widerstand Dortmund“ schon in den Jahren vor 2013 in Dortmund zum 1. Mai gerade nicht präsent war und an diesem Tag keine besondere Veranstaltungsform traditionsbildend etabliert hat, deren Fortführung für einen unbefangen Betrachter mit der erforder-lichen Eindeutigkeit an die frühere Vereinstätigkeit anknüpfen würde. Für die diesjährige Versammlung gilt nichts anderes.
16Aufgrund der inhaltlichen Vergleichbarkeit der Argumentation des Antragsgegners, kann zur Vermeidung von Wiederholungen zur weiteren Begründung auf die oben zitierten Beschlüsse der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein - Westfalen Bezug genommen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich hervorgehoben, dass die Teilnahme an verschiedenen rechtsextremistischen Demonstrationen in anderen Städten zwar den Zusammenhalt innerhalb der Kameradschaft gestärkt haben mag, jedoch nach Gründung der Partei "Die Rechte" deren - auch szenetypische - Versammlungen nicht schon deshalb als verbotene Fortführung oder Förderung der Tätigkeit der Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" angesehen werden können, weil bereits die Kameradschaft die Teilnahme an ähnlichen Demonstrationen - auch am 1. Mai - zur Stärkung ihres Zusammenhalts eingesetzt hat und zahlreiche frühere Mitglieder der neuen Partei beigetreten sind. Das Vereinsverbot beziehe sich nicht auf die rechtsextreme Szene insgesamt, sondern auf die Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund".
17Diesen Ausführungen folgt die Kammer in Ansehung der ergänzenden Ausführungen des Antragsgegners auch für die vorstehende Versammlung des Antragstellers zum 1. Mai 2014. Darauf, ob die Versammlung, wie in der Antragsbegründung geltend gemacht wird, als zentrale Wahlkampfveranstaltung zu beurteilen ist - woran gewichtige Zweifel bestehen -, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
18Auch soweit der Antragsgegner das Versammlungsverbot in der streitgegenständlichen Verfügung auf eine Gefahr für die öffentliche Ordnung stützt, sind die Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot nicht erfüllt.
19Unter öffentlicher Ordnung wird die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln verstanden, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. Mehrheitsanschauungen allein reichen zur Bestimmung des Gehalts der öffentlichen Ordnung nicht. Art. 8 GG ist für die Freiheitlichkeit der demokratischen Ordnung besonders wichtig als Minderheitenschutzrecht. Die Ausstrahlungswirkung des Art. 8 GG ist daher auch bei der Bestimmung der Reichweite des Begriffs der öffentlichen Ordnung zu berücksichtigen. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es hiernach, dass § 15 VersG gemäß § 20 VersG Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, darunter auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung, erlaubt, vorausgesetzt, dass diese nicht aus dem Inhalt der Äußerungen, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung folgen. So sind Beschränkungen der Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich unbedenklich, die ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindern sollen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird.
20Grundsätzlich kann die öffentliche Ordnung auch verletzt sein, wenn Rechtsextremisten, vornehmlich an Tagen mit gewichtiger Symbolkraft, einen Aufzug so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert.
21Vgl. BVerfG, einstweilige Anordnung vom 27. Januar 2012 - 1 BvQ 4/12 -, Juris.
22Es ist schon in hohem Maße zweifelhaft, ob ein Aufmarsch Rechtsextremer am 1. Mai dazu geeignet ist, eine solche Provokation zu begründen.
23Der Antragsgegner hat zudem nicht hinreichend dargelegt, dass aus der Art der Durchführung der Versammlung aufgrund ihrer Prägung Gefahren für die öffentliche Ordnung im oben dargestellten Sinn ausgehen.
24In solchen Fällen ist außerdem unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit jedenfalls zu klären, durch welche Maßnahmen die Gefahr abgewehrt werden kann. Dafür kommen in erster Linie Auflagen in Betracht. Erst wenn sie zur Gefahrenabwehr nicht ausreichen, kann die Versammlung verboten werden.
25Vorliegend hat der Antragsgegner seine Begründung, den von der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ausgehenden Gefahren könne nicht durch Auflagen begegnet werden, nicht substantiiert. Es ist nicht ersichtlich, warum nicht durch Auflagen zur Durchführung der Versammlung - etwa durch Regelungen zur Verhinderung eines „schwarzen Blocks“ oder zum Versammlungsweg - hinreichend sichergestellt werden kann, dass von der Prägung der Versammlungsdurchführung keine Gefahren für die öffentliche Ordnung ausgehen.
26Soweit die Prognose des Antragsgegners nicht nur auf das Gepräge der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung gestützt wird, sondern an die mit der Versammlung verbundenen vermuteten Meinungsäußerungen, insbesondere der zu erwartenden Redner anknüpft, trägt sie das Verbot ebenfalls nicht.
27Soweit Beschränkungen - wie hier - mit dem Inhalt der die Versammlung betreffenden Meinungsäußerungen begründet werden, ist die besondere Gewährleistung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG zu berücksichtigen.
28Der Inhalt von Meinungsäußerungen, der im Rahmen des Art. 5 GG nicht unterbunden werden darf, kann auch nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden, die das Grundrecht des Art. 8 GG beschränken. Unerheblich ist, ob die Meinungsäußerung „wertvoll“ oder „wertlos“, „richtig“ oder „falsch“, emotional oder rational begründet ist. Geschützt sind - in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG - auch rechtsextreme Aussagen Der Gesetzgeber hat in den allgemeinen Gesetzen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG, insbesondere den Strafgesetzen, Beschränkungen von Meinungsäußerungen an nähere tatbestandliche Voraussetzungen gebunden; eine Berufung auf das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Ordnung ist insofern nicht vorgesehen. Die Strafrechtsordnung ermöglicht die Bekämpfung solcher Rechtsgutverletzungen, die etwa durch antisemitische oder rassistische Äußerungen erfolgen. Werden die entsprechenden Strafgesetze durch Meinungsäußerungen missachtet, so liegt darin eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit; eine so begründete Gefahr kann deshalb durch die Ordnungsbehörden abgewehrt werden, und zwar auch mit Auswirkungen auf Versammlungen.
29Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233, 341/81 -, BVerfGE 69, 315 ff (Brokdorf), Beschluss vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 9/01 -, DVBl 2001, S. 558, Beschluss vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2071>; Beschluss vom 7. April 2001 - 1 BvQ 17/01 und 1 BvQ 18/01 -, NJW 2001, S. 2072 <2074>; Beschluss vom 5. September 2003 - 1 BvQ 32/03 -, NVwZ 2004, S. 90 <91>, Beschluss des 1. Senats vom 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 - NJW 2004, 2814 und Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, Juris, BVerfG, Beschluss vom 7. November 2008 - 1 BvQ 43/08 -, Juris.
30Die von der Behörde oder den befassten Gerichten anzustellende Gefahrenprognose erfordert zudem - angesichts der Schwere des Eingriffs durch ein Verbot - tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus.
31Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. September 2010, - 1 BvR 2298/10 -, Juris.
32Tatsachen, die mit der erforderlichen Sicherheit darauf schließen lassen, dass durch Meinungsäußerungen Straftaten von der für den 1. Mai angemeldeten Versammlung ausgehen, lassen sich weder der Verbotsverfügung noch der Antragserwiderung entnehmen.
33Auch die Übrigen angeführten Gründe (z.B. Straftaten Einzelner bei in der Vergangenheit durchgeführten Versammlungen des „rechten Spektrums“ sowie Straftaten von Führungsmitgliedern des Antragstellers außerhalb von Versammlungen) belegen nicht hinreichend tatsachengestützt eine von der hier in Rede stehenden Versammlung ausgehende und deren Verbot rechtfertigende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
35Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und geht wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache vom vollen Auffangstreitwert aus.
(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.
(3) Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.
(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von staatlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
(5) Das Nähere regeln Bundesgesetze.
(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit
- 1.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereins entgegen einem vollziehbaren Verbot oder entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß er Ersatzorganisation eines verbotenen Vereins ist, aufrechterhält oder sich in einem solchen Verein als Mitglied betätigt, - 2.
den organisatorischen Zusammenhalt einer Partei oder eines Vereins entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei sind (§ 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes), aufrechterhält oder sich in einer solchen Partei oder in einem solchen Verein als Mitglied betätigt, - 3.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereines oder einer Partei der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Art oder deren weitere Betätigung unterstützt, - 4.
einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder - 5.
Kennzeichen einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Vereine oder Parteien oder eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots oder der Feststellung verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet,
(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach Absatz 1 absehen, wenn
- 1.
bei Beteiligten die Schuld gering oder deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist oder - 2.
der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Partei oder des Vereins zu verhindern; erreicht er dieses Ziel oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird der Täter nicht bestraft.
(3) Kennzeichen, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 5 bezieht, können eingezogen werden.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15. November 2007 – 1 L 1963/07 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die vom Verwaltungsgericht verfügten Auflagen um folgende weitere Auflagen ergänzt werden:
a) Die Benutzung von Trommeln und Fahnen mit Ausnahme der Bundesflagge, der Fahnen der deutschen Bundesländer und der Europaflagge wird untersagt,
b) die Benutzung von Transparenten und Stellschildern mit strafbarem Inhalt wird untersagt,
c) das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder gleichartigen Kleidungsstücken als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung wird untersagt,
d) die Fortbewegung in Marschordnung wird untersagt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.9.2003 – 1 BvQ 32/03 – zitiert nach Juris, Rdnr. 24.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage - 14 K 1903/14 -des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 14. April 2014 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der kurzfristig zu bescheidende Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage VG Gelsenkirchen -14 K 1903/14 - des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 14. April 2014 wiederherzustellen,
4hat Erfolg.
5Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus.
6Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht in den Fällen, in denen eine Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltet, weil dessen sofortige Vollziehbarkeit durch die erlassende Behörde angeordnet wurde, auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherstellen.Dies kommt nur in Betracht, wenn das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegenüber dem Interesse des Antragstellers, von Vollziehungsmaßnahmen vorläufig verschont zu bleiben, nicht überwiegt. Bei der insoweit gebotenen Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren mit zu berücksichtigen.Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, müssen die Verwaltungsgerichte wegen der Bedeutung des Art. 8 Abs. 1 GG schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlungen in der beabsichtigten Form führt.
7Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 und vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069.
8Vorliegend überwiegt das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des verfügten Versammlungsverbots vorläufig verschont zu bleiben, das vom Antragsgegner herangezogene öffentliche Vollziehungsinteresse, weil sich die im wesentlichen auf § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG) gestützte Verbotsverfügung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als voraussichtlich rechtswidrig darstellt und am Vollzug rechtswidriger Verwaltungsakte kein öffentliches Interesse bestehen kann.
9Nach § 15 VersG kann die zuständige Behörde - hier der Antragsgegner - eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung zu erkennenden Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.
10Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
11Der Antragsgegner hat seine Verfügung vorrangig auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 15 VersG gestützt, weil die vom Antragsteller in Dortmund angemeldete Versammlung in Form eines Aufzuges mit dem Thema „Heraus zum 1. Mai“ primär dem Zweck diene, den organisatorischen Zusammenhalt der verbotenen Vereinigung „Nationaler Widerstand Dortmund“ zu unterstützen und damit den Straftatbestand des § 20 Vereinsgesetz (VereinsG) erfülle.
12Diese in der angefochtenen Verfügung getroffene und durch die vom Antragsgegner in der Verfügung - auf die insoweit wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird - bezeichneten Erkenntnisse, auch zur Wahrnehmung der „Rechten Szene“ durch die Dortmunder Bevölkerung, gestützte Prognose trägt das verfügte Verbot nicht.
13Die vom Antragsgegner in der Verfügung angeführten Argumente für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sind im Kern identisch mit den Erwägungen, die der Verbotsverfügung für eine vom Antragsteller unter dem gleichen Motto angemeldeten Versammlung am 1. Mai 2013 zu Grunde gelegen haben. Die, wenn auch umfangreiche, und teilweise auf neu zusammengetragene Tatsachen gestützte Begründung der streitgegenständlichen Verbotsverfügung lässt nicht erkennen, dass die vom Antragsteller angemeldete Versammlung für einen unbefangenen Betrachter als Aktion unmittelbar zu Gunsten der verbotenen Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" erscheint, die nach § 20 Abs. 1 VereinsG strafbar ist. Hierfür ist vorausgesetzt, dass dem beabsichtigten Verhalten eine hinreichende Außenwirkung zukommt, aus der ein objektiver Bezug zur Tätigkeit des Vereins erkennbar wird. Aus Inhalt und äußerer Form des Auftretens muss eindeutig ersichtlich sein, dass für die verbotene Organisation gehandelt wird. Hierfür genügt es nicht, dass sich jemand für Ziele einsetzt, die ebenfalls von der verbotenen Organisation verfolgt werden bzw. wurden. Danach kann eine unzulässige Fortführung oder Förderung einer verbotenen Vereinigung nicht schon deshalb angenommen werden, weil sich - wie hier - eine neu gegründete nicht verbotene Vereinigung / Partei im eigenen Namen ebenso wie eine verbotene Vereinigung mit vergleichbaren Zielsetzungen überhaupt der Ausdrucksform einer Versammlung bedient.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. April 2013 - 5 B 467/13 -, vorgehend Beschluss der Kammer vom 25. April 2013 - 14 L 474/13 -, beide veröffentlicht unter www.nrwe.de
15Der Antragsgegner hat keine hinreichenden Tatsachen für die Annahme benannt, dass sich für einen unbefangenen Betrachter der Eindruck ergibt, bei der angemeldeten Versammlung zum 1. Mai 2014 handele es sich um eine Aktion unmittelbar zugunsten der verbotenen Vereinigung und nicht um eine solche des Antragstellers als einer nicht verbotenen politischen Partei. Ein hinreichender objektiver Bezug zur Tätigkeit der verbotenen Vereinigung ist nicht belegt. Tatsachen, aus denen mit der erforderlichen Eindeutigkeit eine konkrete Eignung für eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte, vereinsfördernde oder -unterstützende Zielrichtung erkennbar würde, sind nicht angeführt worden. Vornehmlich belegen auch die im Vergleich zum Vorjahr ergänzend angeführten Erkenntnisse nicht hinreichend, dass mit der in Rede stehenden Versammlung zum 1. Mai eine spezifische, besondere identitätsstiftende Tätigkeit der verbotenen Vereinigung lediglich unter einem anderen Namen fortgeführt werden soll. Dies insbesondere deshalb nicht, weil der „Nationale Widerstand Dortmund“ schon in den Jahren vor 2013 in Dortmund zum 1. Mai gerade nicht präsent war und an diesem Tag keine besondere Veranstaltungsform traditionsbildend etabliert hat, deren Fortführung für einen unbefangen Betrachter mit der erforder-lichen Eindeutigkeit an die frühere Vereinstätigkeit anknüpfen würde. Für die diesjährige Versammlung gilt nichts anderes.
16Aufgrund der inhaltlichen Vergleichbarkeit der Argumentation des Antragsgegners, kann zur Vermeidung von Wiederholungen zur weiteren Begründung auf die oben zitierten Beschlüsse der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein - Westfalen Bezug genommen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich hervorgehoben, dass die Teilnahme an verschiedenen rechtsextremistischen Demonstrationen in anderen Städten zwar den Zusammenhalt innerhalb der Kameradschaft gestärkt haben mag, jedoch nach Gründung der Partei "Die Rechte" deren - auch szenetypische - Versammlungen nicht schon deshalb als verbotene Fortführung oder Förderung der Tätigkeit der Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" angesehen werden können, weil bereits die Kameradschaft die Teilnahme an ähnlichen Demonstrationen - auch am 1. Mai - zur Stärkung ihres Zusammenhalts eingesetzt hat und zahlreiche frühere Mitglieder der neuen Partei beigetreten sind. Das Vereinsverbot beziehe sich nicht auf die rechtsextreme Szene insgesamt, sondern auf die Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund".
17Diesen Ausführungen folgt die Kammer in Ansehung der ergänzenden Ausführungen des Antragsgegners auch für die vorstehende Versammlung des Antragstellers zum 1. Mai 2014. Darauf, ob die Versammlung, wie in der Antragsbegründung geltend gemacht wird, als zentrale Wahlkampfveranstaltung zu beurteilen ist - woran gewichtige Zweifel bestehen -, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
18Auch soweit der Antragsgegner das Versammlungsverbot in der streitgegenständlichen Verfügung auf eine Gefahr für die öffentliche Ordnung stützt, sind die Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot nicht erfüllt.
19Unter öffentlicher Ordnung wird die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln verstanden, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. Mehrheitsanschauungen allein reichen zur Bestimmung des Gehalts der öffentlichen Ordnung nicht. Art. 8 GG ist für die Freiheitlichkeit der demokratischen Ordnung besonders wichtig als Minderheitenschutzrecht. Die Ausstrahlungswirkung des Art. 8 GG ist daher auch bei der Bestimmung der Reichweite des Begriffs der öffentlichen Ordnung zu berücksichtigen. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es hiernach, dass § 15 VersG gemäß § 20 VersG Beschränkungen der Versammlungsfreiheit, darunter auch zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Ordnung, erlaubt, vorausgesetzt, dass diese nicht aus dem Inhalt der Äußerungen, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung folgen. So sind Beschränkungen der Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich unbedenklich, die ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer verhindern sollen, durch das ein Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erzeugt wird.
20Grundsätzlich kann die öffentliche Ordnung auch verletzt sein, wenn Rechtsextremisten, vornehmlich an Tagen mit gewichtiger Symbolkraft, einen Aufzug so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen. Gleiches gilt, wenn ein Aufzug sich durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert.
21Vgl. BVerfG, einstweilige Anordnung vom 27. Januar 2012 - 1 BvQ 4/12 -, Juris.
22Es ist schon in hohem Maße zweifelhaft, ob ein Aufmarsch Rechtsextremer am 1. Mai dazu geeignet ist, eine solche Provokation zu begründen.
23Der Antragsgegner hat zudem nicht hinreichend dargelegt, dass aus der Art der Durchführung der Versammlung aufgrund ihrer Prägung Gefahren für die öffentliche Ordnung im oben dargestellten Sinn ausgehen.
24In solchen Fällen ist außerdem unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit jedenfalls zu klären, durch welche Maßnahmen die Gefahr abgewehrt werden kann. Dafür kommen in erster Linie Auflagen in Betracht. Erst wenn sie zur Gefahrenabwehr nicht ausreichen, kann die Versammlung verboten werden.
25Vorliegend hat der Antragsgegner seine Begründung, den von der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ausgehenden Gefahren könne nicht durch Auflagen begegnet werden, nicht substantiiert. Es ist nicht ersichtlich, warum nicht durch Auflagen zur Durchführung der Versammlung - etwa durch Regelungen zur Verhinderung eines „schwarzen Blocks“ oder zum Versammlungsweg - hinreichend sichergestellt werden kann, dass von der Prägung der Versammlungsdurchführung keine Gefahren für die öffentliche Ordnung ausgehen.
26Soweit die Prognose des Antragsgegners nicht nur auf das Gepräge der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung gestützt wird, sondern an die mit der Versammlung verbundenen vermuteten Meinungsäußerungen, insbesondere der zu erwartenden Redner anknüpft, trägt sie das Verbot ebenfalls nicht.
27Soweit Beschränkungen - wie hier - mit dem Inhalt der die Versammlung betreffenden Meinungsäußerungen begründet werden, ist die besondere Gewährleistung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG zu berücksichtigen.
28Der Inhalt von Meinungsäußerungen, der im Rahmen des Art. 5 GG nicht unterbunden werden darf, kann auch nicht zur Rechtfertigung von Maßnahmen herangezogen werden, die das Grundrecht des Art. 8 GG beschränken. Unerheblich ist, ob die Meinungsäußerung „wertvoll“ oder „wertlos“, „richtig“ oder „falsch“, emotional oder rational begründet ist. Geschützt sind - in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG - auch rechtsextreme Aussagen Der Gesetzgeber hat in den allgemeinen Gesetzen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG, insbesondere den Strafgesetzen, Beschränkungen von Meinungsäußerungen an nähere tatbestandliche Voraussetzungen gebunden; eine Berufung auf das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Ordnung ist insofern nicht vorgesehen. Die Strafrechtsordnung ermöglicht die Bekämpfung solcher Rechtsgutverletzungen, die etwa durch antisemitische oder rassistische Äußerungen erfolgen. Werden die entsprechenden Strafgesetze durch Meinungsäußerungen missachtet, so liegt darin eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit; eine so begründete Gefahr kann deshalb durch die Ordnungsbehörden abgewehrt werden, und zwar auch mit Auswirkungen auf Versammlungen.
29Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233, 341/81 -, BVerfGE 69, 315 ff (Brokdorf), Beschluss vom 26. Januar 2001 - 1 BvQ 9/01 -, DVBl 2001, S. 558, Beschluss vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2071>; Beschluss vom 7. April 2001 - 1 BvQ 17/01 und 1 BvQ 18/01 -, NJW 2001, S. 2072 <2074>; Beschluss vom 5. September 2003 - 1 BvQ 32/03 -, NVwZ 2004, S. 90 <91>, Beschluss des 1. Senats vom 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 - NJW 2004, 2814 und Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2793/04 -, Juris, BVerfG, Beschluss vom 7. November 2008 - 1 BvQ 43/08 -, Juris.
30Die von der Behörde oder den befassten Gerichten anzustellende Gefahrenprognose erfordert zudem - angesichts der Schwere des Eingriffs durch ein Verbot - tatsächliche Anhaltspunkte, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben. Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus.
31Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. September 2010, - 1 BvR 2298/10 -, Juris.
32Tatsachen, die mit der erforderlichen Sicherheit darauf schließen lassen, dass durch Meinungsäußerungen Straftaten von der für den 1. Mai angemeldeten Versammlung ausgehen, lassen sich weder der Verbotsverfügung noch der Antragserwiderung entnehmen.
33Auch die Übrigen angeführten Gründe (z.B. Straftaten Einzelner bei in der Vergangenheit durchgeführten Versammlungen des „rechten Spektrums“ sowie Straftaten von Führungsmitgliedern des Antragstellers außerhalb von Versammlungen) belegen nicht hinreichend tatsachengestützt eine von der hier in Rede stehenden Versammlung ausgehende und deren Verbot rechtfertigende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
35Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und geht wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache vom vollen Auffangstreitwert aus.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.