Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 13. Aug. 2015 - 40 K 3717/14.PVL
Tenor
- 1.
Soweit die Verfahrensbeteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird es eingestellt.
- 2.
Auf den Hilfsantrag wird festgestellt, dass die Auswahl der „Wappenseminare“ im Angebot des Bildungszentrums für die W GmbH mit den Bildungsstätten E und F dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 16 – Erster Mitbestimmungstatbestand – LPVG NRW unterliegt, soweit die Beschäftigten der Landesverwaltung (M und C) betroffen sind.
- 3.
Im Übrigen, also bezüglich des Hauptantrags und soweit von den Festlegungen des Beteiligten insbesondere Kommunalbeschäftigte betroffen sind, wird der Antrag abgelehnt.
1
Gründe:
2I.
3Der Beteiligte, das heutige Ministerium für L des Landes Nordrhein-Westfalen (L), gründete im Jahr 1988 eine privatrechtliche Gesellschaft mit Sitz in F, die unter anderem für die Beschäftigten seines nachgeordneten Geschäftsbereichs Fortbildungen im – vorwiegend technischen – Umweltschutz anbieten sollte und die diese bis heute erfüllt. Die Gesellschaft firmiert lt. der Eintragung im Handelsregister B Nr. 0000 des Amtsgerichts F derzeit als „C1 GmbH“ (C1). Das C1 beschreibt sich selbst in seinem Firmenprofil als „Bildungszentrum des L in Nordrhein-Westfalen (L)“. Sein einziger Gesellschafter war und ist nach der beim Handelsregister befindlichen Liste der Gesellschafter das Land Nordrhein-Westfalen, das – vertreten durch das L – sämtliche Geschäftsanteile hält. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist der Leiter der Zentralabteilung des L.
4Das C1 veranstaltet seit Jahren sogenannte „Wappenseminare“. Die Bezeichnung „Wappenseminare“ ist darauf zurückzuführen, dass diese Fortbildungsveranstaltungen im Programm des C1 mit dem Wappenzeichen des Landes NRW gekennzeichnet sind. Rund ein Fünftel (20 Prozent) aller von der C1 angebotenen Seminare sind solche Wappenseminare (2014: 20,4 %, 2015: 18,0 %). Diese Wappenseminare unterscheiden sich nach Teilnehmerkreis, Kostentragung, Veranstaltungsleitern (Referenten) und Themenauswahl erheblich von den allgemeinen Seminaren, die das C1 ansonsten veranstaltet.
5Der Teilnehmerkreis der Wappenseminare besteht aus den Beschäftigten der fünf nordrhein-westfälischen Bezirksregierungen und des Landesamts M (M) sowie den Beschäftigten der nordrhein-westfälischen Städte und Kreise, soweit sie als untere Umweltschutzbehörden fungieren.
6Die Kosten der Wappenseminare werden ganz überwiegend vom L über sogenannte „Wappenkontingente“ (Gutscheine) getragen. Das L stellt dem M und den Bezirksregierungen jährlich zweckgebundene Haushaltsmittel zur Verfügung, aus denen diese die an C1 zu entrichtenden Entgelte für die Teilnahme der eigenen Beschäftigen begleichen. Die Höhe der zugewiesenen Haushaltsmittel richtet sich nach den Beschäftigtenzahlen der jeweiligen Behörde. Zu den Teilnahmeentgelten, die den Kommunen für ihre Beschäftigten entstehen, gewährt das L den kommunalen Umweltschutzbehörden zweckgebundene verlorene Zuschüsse. Das L finanziert dem C1 außerdem sämtliche Wappenseminare eines Jahres am Jahresanfang vor. Nach Durchführung werden die Wappenseminare „spitz“ abgerechnet.
7Die Veranstaltungsleiter (Referenten/Vortragende) der Wappenseminare stammen ganz überwiegend aus dem L, dem Ministerium X des Landes NRW (X), dem M, den Bezirksregierungen und den kommunalen Umweltverwaltungen bzw. den zugehörigen Interessenverbänden. In geringerem Umfang handelt es sich auch um Externe, z. B. aus Ingenieurbüros oder Rechtsanwaltskanzleien. Für die Veranstaltungsleiter der Wappenseminare des Jahres 2015 ergibt sich beispielhaft:
8Herkunft des Veranstaltungsleiters |
Anzahl |
Anteil |
L/X |
21 |
85 % |
M |
39 |
|
Bezirksregierung (NRW) |
15 |
|
Kommunen (NRW) |
12 |
|
Kommunalverband (NRW) |
4 |
15 % |
Sonstige (Ingenieurbüro, Rechtsanwalt usw.) |
11 |
|
102 |
Welche Seminare das L zu Wappenseminaren erklärt bzw. welche Seminarthemen das C1 mit Blick darauf anbietet, vom L zu einem Wappenseminar erklärt zu werden, wird einmal im Jahr, nämlich jeweils im Sommer für das Folgejahr, zwischen dem C1, dem L, den Bezirksregierungen sowie dem Städte- und Landkreistag NRW als Vertretern der Kommunen abgestimmt. Das C1 schlägt dazu eine Reihe von Seminaren vor, deren Themen in einem gemeinsamen Abstimmungstermin endgültig an die wechselseitigen aktuellen Bedürfnisse angepasst werden. Vor diesem Termin fordert das L die an den Seminaren teilnahmeberechtigten Behörden auf, Themenvorschläge zu unterbreiten. Auch unterjährig wird in diesem Kreise nach Angaben des Beteiligten detailliert über die Seminare gesprochen und korrespondiert.
10Der Antragsteller macht seit Anfang 2013, nachdrücklich seit Februar 2014, geltend, dass die Wappenseminare als allgemeine Frage der Fortbildung i.S.v. § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 16 LPVG NRW mitbestimmungspflichtig seien. Die daraufhin im Jahr 2014 ins Auge gefasste Dienstvereinbarung über die Beteiligung des Antragstellers an den Wappenseminaren ist über das Entwurfsstadium nicht hinausgelangt. Ausschlaggebend für das Scheitern war, dass die Beteiligten sich nicht über die Frage verständigen konnten, ob das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht besteht oder nicht.
11Der Antragsteller hat am 4. Juni 2014 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Stellung des Beteiligten als Vertreter des Alleingesellschafters der C1, auf den Abstimmungsprozess bei der Themenfindung der Seminare und deren Finanzierung durch den Beteiligten sowie dessen Hilfe durch eigene Beschäftigte bei der organisatorischen Abwicklung.
12Der Antragsteller beantragt zuletzt,
13dem Beteiligten aufzugeben, das Mitbestimmungsverfahren gem. § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 16 LPVG NRW betreffend die sogenannten „Wappenseminare“ im Bildungszentrum W mit den Bildungsstätten E und F einzuleiten,
14hilfsweise,
15festzustellen, dass die „Wappenseminare“ diesem Mitbestimmungsrecht unterliegen.
16Der Beteiligte beantragt,
17den Antrag abzulehnen.
18Er meint im Wesentlichen, weil es sich bei dem C1 um eine juristische Person des Privatrechts handele, die die Wappenseminare letztverantwortlich konzipiere, anbiete, durchführe und das wirtschaftliche Risiko trage, entscheide er in diesem Zusammenhang keine allgemeine Frage der Fortbildung i.S.d. geltend gemachten Mitbestimmungstatbestandes. Die Auswahl der Teilnehmer obläge den teilnahmeberechtigten Behörden, die dabei die örtlichen Personalvertretungen beteiligten. Der Beteiligte bezweifelt weiterhin, dass es rein tatsächlich möglich sei, das vom Antragsteller geltend gemachte Mitbestimmungsrecht umzusetzen; das Gesellschaftsrecht gebe das nicht her. Was die Kostentragung angehe, so stellten Kostenabwicklungsmodalitäten nach der Rechtsprechung keine allgemeine Fragen der Fortbildung dar.
19II.
20Soweit die Verfahrensbeteiligten das Verfahren hinsichtlich des ursprünglichen Antrags zu 2) übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird es nach § 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 83a Abs. 2 Satz 1 ArbGG eingestellt.
21Im Übrigen hat der Antragsteller mit seinem Hilfsantrag Erfolg. Der Hauptantrag bezog sich auf die Wappenseminare des Jahres 2014, die inzwischen durchgeführt worden sind, so dass das Mitbestimmungsverfahren nicht mehr wie beantragt „eingeleitet“ werden kann. Angesichts des insgesamt vollumfänglich durchgreifenden Hilfsantrags war es entbehrlich, auf einen abstrakten Antrag umzustellen, für den freilich ein Rechtsschutzinteresse bestanden hätte, weil der Beteiligte über die Wappenseminare alljährlich neu entscheidet.
22Die Bestimmung der Seminare der C1, die mit einem Wappenzeichen des Landes NRW versehen werden und die damit den Beschäftigten des M und der Bezirksregierungen weitgehend auf Kosten des Landeshaushalts zur Teilnahme angeboten werden, unterliegt einschließlich der Zuteilung der Haushaltsmittel an diese Behörden in Form von „Wappenkontingenten“ (Gutscheinen) der Mitbestimmung des Antragstellers nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 16 Erster Mitbestimmungstatbestand LPVG NRW. Nach dieser Norm hat der Personalrat mitzubestimmen bei allgemeinen Fragen der Fortbildung der Beschäftigten, wenn – wie hier – keine besondere gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht.
23§ 66 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW sieht vor, dass eine Maßnahme, die der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, nur mit seiner Zustimmung getroffen werden kann. Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW ist in Angelegenheiten, in denen die Dienststelle nicht zur Entscheidung befugt ist, an Stelle des Personalrats die bei der zuständigen übergeordneten Dienststelle gebildete Stufenvertretung zu beteiligen. Regelt ein Landesminister eine Angelegenheit mit Wirkung für seinen nachgeordneten oder auch seinen gesamten Geschäftsbereich, ist nach § 78 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 50 Abs. 1 LPVG NRW grundsätzlich der bei ihm als oberster Landesbehörde (§ 3 LOG NRW) gebildete Hauptpersonalrat zu beteiligen, vorliegend also der Antragsteller.
24Vgl. Cecior u.a., LPVG NRW, Loseblatt Stand September 2014, § 78 Rn. 37 ff.
25Als Maßnahme i.S.d. § 66 Abs. 1 LPVG NRW wird im Allgemeinen jede Handlung oder Entscheidung der Dienststelle angesehen, mit der diese in eigener Zuständigkeit eine eigene Angelegenheit regelt, sofern hierdurch der Rechtsstand der Beschäftigten oder eines einzelnen Beschäftigten berührt wird.
26Vgl. Cecior (a.a.O.), § 66 Rn. 30 m.w.N. der Rspr. des BVerwG und des OVG NRW.
27Diese allgemeine Definition des Maßnahmebegriffs erfährt im Zusammenspiel mit bestimmten Beteiligungstatbeständen eine tatbestandsspezifische Ausformung. Zu diesen gehört auch der hier inmitten stehende Beteiligungstatbestand. Eine in eigener Zuständigkeit getroffene und eigenverantwortete Entscheidung geht nur in aller Regel auch mit der Eigendurchführung durch den Dienststellenleiter einher. Für das Vorliegen einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme im Bereich des streitgegenständlichen Mitbestimmungstatbestands des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 16 Erster Mitbestimmungstatbestand LPVG NRW kann aber nicht zur Voraussetzung gemacht werden, dass die Dienststelle die jeweilige Fortbildungseinrichtung selbst betreibt.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. April 2004 – 1 A 832/02.PVL –, juris Rn. 31 zu § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 17 a.F., der der heutigen Nr. 16 – Erster Mitbestimmungstatbestand – entspricht; Cecior (a.a.O.), § 72 Rn. 1075.
29Fortbildung betrifft alle Maßnahmen, die an den vorhandenen Wissensgrundstock anknüpfen, fachliche und berufliche Kenntnisse vertiefen und aktualisieren und die ein Mehr an Kenntnissen vermitteln, als für den Eintritt in die Laufbahn bzw. für die Befähigung zur Ausübung der dem Beschäftigten übertragenen Arbeit erforderlich ist. Wesentlich ist, dass über die bloße Erhaltung und Vertiefung des bereits vorhandenen Wissens hinaus neue Kenntnisse erworben werden, die sich innerhalb des beruflichen Spektrums halten, aber über den Mindeststandard hinausgehen. Die Fortbildung soll also dem Teilnehmer ermöglichen, sich Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, die über die bloße fehlerfreie und ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner jetzigen Aufgaben hinausgehen und ihm eine zusätzliche Qualifikation vermitteln. Durch das Mitbestimmungsrecht soll die Personalvertretung beteiligt werden, da sich die bei Fortbildungsveranstaltungen erworbenen Kenntnisse günstig auf das berufliche Fortkommen der Beschäftigten auswirken können.
30Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Oktober 2002 – 6 P 3.02, NVwZ 2003, 476, und vom 27. November 1991 – 6 P 7.90, PersV 1992, 385; OVG NRW, Beschluss vom 7. April 2004 – 1 A 832/02.PVL, juris Rn. 41.
31Das Tatbestandsmerkmal "allgemeine Fragen" darf nicht zu eng ausgelegt werden, da andernfalls die Personalvertretungen ihre Aufgabe, für die Einräumung von Fortbildungschancen und eine gerechte Verteilung derselben Sorge zu tragen, nicht wirkungsvoll gerecht werden können. Allgemeine Fragen beschränken sich demgemäß nicht auf solche von grundsätzlicher Bedeutung. Sie grenzen sich von Einzelfragen vielmehr dadurch ab, dass sie im Rahmen des Bereichs Fortbildung übergreifend eine Rolle spielen, also nicht die Verwirklichung einer einzelnen Fortbildungsmaßnahme betreffen. Als allgemeine Fragen der Fortbildung der Beschäftigten in diesem Sinne kommen etwa in Betracht die Planung des Fortbildungsangebots, die Grundsätze der Programmgestaltung, die Art, Dauer und Anzahl der Veranstaltungen, die Bestimmung der Fortbildungseinrichtungen sowie die Festlegung der Themenkreise, des Teilnehmerkreises, der Teilnehmerzahl, der Teilnahmebedingungen und/oder der Auswahlmaßstäbe.
32Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Juni 2012 – 20 A 654/11.PVL, NWVBl. 2012, 479, und vom 7. April 2004 – 1 A 832/02.PVL, juris Rn. 31 ff. m. w. N.
33Diese Maßstäbe zugrunde gelegt handelt es sich beim der Bestimmung, welche Seminarangebote des C1 zu Wappenseminare erklärt werden, um eine Maßnahme, die allgemeine Fragen der Fortbildung der Beschäftigten betrifft und deswegen der Mitbestimmung des Hauptpersonalrats unterliegt.
34Der Beteiligte entscheidet innerhalb eines weiten Ermessensspielraums, der seine Grenzen allenfalls im Willkürverbot findet, umfassend über das Fortbildungswesen. Ob und welche Fortbildungen er für die Beschäftigten des nachgeordneten Geschäftsbereichs anbietet, wie diese organisiert werden und ob und in welchem Umfang er die Kosten dafür übernimmt, kann er weitgehend allein entscheiden.
35Der Beteiligte hat sich im Jahr 1988 dafür entschieden, die Fortbildungen durch die C1 GmbH als juristische Person des Privatrechts durchzuführen. Das führt jedoch nicht dazu, dass der in Streit stehende Mitbestimmungstatbestand auf die Wappenseminare unanwendbar wäre. Denn allgemeine Fragen der Fortbildung sind auch dann mitbestimmungspflichtig, wenn die Fortbildungen nicht von der Dienststelle selbst, sondern von Dritten – hier also vom unterstellt rechtlich eigenständigen C1 – durchgeführt werden. Deswegen kann die Fachkammer in diesem Zusammenhang die Frage offen lassen, welche personalvertretungsrechtlichen Auswirkungen es hat, dass das L Alleingesellschafter der GmbH ist und damit letztlich vollständig seiner Steuerung unterliegt. Dasselbe gilt für die weitergehende Frage, welche Folgen es zeitigt, dass der Leiter der Zentralabteilung des Beteiligten den Aufsichtsratsvorsitz des C1 inne hat.
36Die vom C1 durchgeführten Wappenseminare dienen der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten nach Abschluss der Grundausbildung und betreffen damit die Fortbildung der Beschäftigten. Das ist zwischen den Verfahrensbeteiligten richtigerweise unstreitig und entspricht auch der Auffassung der Fachkammer.
37Bei der Konzipierung bzw. Auswahl der Wappenseminare sind allgemeine Fragen der Fortbildung betroffen, weil der Beteiligte bestimmt, welche Seminare sich als Wappenseminare qualifizieren und damit den Beschäftigten auf seine Kosten zugänglich gemacht werden. Bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise steuert der Beteiligte bei den Wappenseminaren insgesamt die Planung des Fortbildungsangebots, die Grundsätze der Programmgestaltung, die Art, Dauer und Anzahl der Veranstaltungen, legt die Themenkreise fest und bestimmt das C1 – in jedem Jahr neu – zur durchführenden Fortbildungseinrichtung. Hieran vermag nichts zu ändern, dass die damit zusammenhängenden Fragen im Einzelnen in einem Abstimmungsprozess beantwortet werden, der durchaus konsensual und partnerschaftlich ablaufen mag. Der Beteiligte hält als Alleingesellschafter des C1 und als weisungsfreier Verwalter der erforderlichen Landeshaushaltsmittel, von deren Einsatz alle Fortbildungsmaßnahmen abhängen, das Seminargeschehen lenkend in den eigenen Händen. Hieran vermag nichts zu ändern, dass der Beteiligte seine Lenkungskompetenz offenbar überwiegend indirekt wahrnimmt, was allerdings bei unbeschränkter rechtlicher, tatsächlicher und finanzieller Weisungsmacht in der öffentlichen Verwaltung nicht ungewöhnlich ist.
38Diese Bewertung bestätigt der Umstand, dass die Referenten der Wappenseminare – vom C1 „Veranstaltungsleiter“ genannt – ganz überwiegend aus den Reihen der Beschäftigten des Beteiligten (zumeist Referatsleiter/Ministerialräte) sowie des leitenden technischen Personals der ihm weisungsunterworfenen nachgeordneten Verwaltung (M, Bezirksregierungen, Kommunen als untere staatliche Behörden) stammen. Die Fortbildungen finden also unter Aufsicht des Beteiligten durch eigene oder weisungsunterworfene Beschäftigte des eigenen Geschäftsbereichs für Beschäftigte des nachgeordneten Geschäftsbereichs unter weitgehender Kostenübernahme durch den Beteiligten statt. Die Themen, der Teilnehmerkreis, die Referenten und deren Bezahlung werden mithin durch den Beteiligten bzw. durch das von ihm kontrollierte C1 jährlich neu bestimmt. Letzte Gewissheit liefert der Umstand, dass der Beteiligte die Wappenseminare vollständig vorfinanziert, was haushalterisch kaum zu rechtfertigen wäre, wenn er diese nicht selbst als eigene Veranstaltungen ansehen würde.
39Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man betont, dass das Schwergewicht der Maßnahme des Beteiligten in der Zuteilung des Wappenzeichens zu den einzelnen Veranstaltungen und den damit verbundenen Folgen liegt. Der Auswahlvorgang der – unterstellt vom C1 eigeninitiativ angebotenen Seminare – stellt auch für sich genommen eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme i.S.v. § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 16 – Erster Mitbestimmungstatbestand – LPVG NRW dar.
40Die Auswahl der Wappenseminare ist überdies unter dem Blickwinkel der Verteilung des ministeriell verwalteten Fortbildungsbudgets für das M und die Bezirksregierungen mitbestimmungspflichtig. Hiermit regelt der Beteiligte die allgemeine Frage, welche Haushaltsmittel den ihm nachgeordneten Behörden für welche Fortbildungsveranstaltungen in welcher Höhe zur Verfügung stehen. Insofern reicht die Entscheidung sogar noch weiter als die Zuteilung abteilungsbezogener Fortbildungsbudgets, die ihrerseits als allgemeine Frage der Fortbildung mitbestimmungspflichtig ist.
41Vgl. zur Mitbestimmungsbedürftigkeit abteilungsbezogener Fortbildungsbudgets: OVG NRW, Beschluss vom 29. Juni 2012 – 20 A 654/11.PVG, NWVBL. 2012, 479.
42Der Antragsteller hat sein Mitbestimmungsrecht nicht verwirkt, obwohl der Beteiligte die Wappenseminare mit dem Wissen des Antragstellers, aber ohne dessen Mitwirkung seit Jahren in der geschilderten Weise auswählt. Ob personalvertretungsrechtliche Mitwirkungsbefugnisse überhaupt verwirkt werden können, kann offen bleiben. Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des Verbots des widersprüchlichen Verhaltens bedeutet nämlich, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit seiner Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen darf, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde, und er sich infolgedessen in seinen Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1992 – 6 P 16/91 –, BVerwGE 91, 276; OVG NRW Beschluss vom 12. Februar 2007 – 1 A 2358/05.PVL –, PersR 2007, 317.
44Diese Voraussetzungen sind offensichtlich nicht erfüllt. Es fehlt bereits an dem erforderlichen Zeitmoment, weil das Mitbestimmungsrecht in jedem Jahr, in dem die Wappenseminare des Folgejahres ausgewählt werden, neu entsteht. Überdies hat der Beteiligte keine Umstände vorgetragen, aus er schließen durfte, dass der Antragsteller dauerhaft auf sein Beteiligungsrecht verzichten würde; da die bloße Untätigkeit nicht ausreicht,
45vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 11. September 2014 – OVG 61 PV 9.13 –, ZfPR 2015, 48,
46sind solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Dasselbe gilt für die erforderlichen unzumutbaren Nachteile, die – ohne dass es weiterer Erläuterungen bedürfte – erkennbar nicht zu erwarten sind.
47Dem Antragsteller steht kein Mitbestimmungsrecht zu, soweit der Beteiligte mit den Wappenseminaren Festlegungen bzgl. der kommunalen Beschäftigten trifft, insbesondere verlorene Zuschüsse für deren Fortbildung gewährt. Die Kommunalbeschäftigten sind nicht Teil der Landesverwaltung. Als Stufenvertretung (Hauptpersonalrat) ist der Antragsteller aber nach § 50 Abs. 1 LPVG NRW nur für Maßnahmen zuständig, die Beschäftigte der Landesverwaltung berühren.
48Soweit der Beteiligte einwendet, er könne nicht erkennen, wie die Mitbestimmung des Antragstellers praktisch durchführbar sein sollte, kann die Fachkammer dem nicht folgen. Der Beteiligte entscheidet nämlich letztlich in eigener Zuständigkeit und alleine darüber, welche Seminare er zu „Wappenseminaren“ – mit allen daran geknüpften Folgen – erklärt. Diese Auswahlentscheidung kann er dem Antragsteller ohne Weiteres zur Zustimmung vorlegen. Ob es sich anbietet, den Antragsteller erst nach dem vom Beteiligten geschilderten jährlichen Festlegungsprozess mit der abgeschlossenen Auswahl zu befassen und eine evtl. Ablehnung in Kauf zu nehmen oder ob der Antragsteller mit einem Gewicht in den Auswahlprozess eingebunden wird, das seiner Befugnis zur Ablehnung der Auswahl (mit den Folgen der §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 79 Abs. 3 Satz 1 LPVG NRW) entspricht, ist eine vom Beteiligten allein zu beantwortende Zweckmäßigkeitsfrage. Das gilt auch für die Fortsetzung der 2014 abgebrochenen Verhandlungen über eine Dienstvereinbarung.
49Eine Kostenentscheidung unterbleibt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren, dessen Gegenstandswert voraussichtlich auf 5.000,- Euro festzusetzen wäre.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 13. Aug. 2015 - 40 K 3717/14.PVL
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 13. Aug. 2015 - 40 K 3717/14.PVL
Referenzen - Gesetze
(1) Die Beteiligten können, um das Verfahren ganz oder zum Teil zu erledigen, zu Protokoll des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des Güterichters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand des Vergleichs verfügen können, oder das Verfahren für erledigt erklären.
(2) Haben die Beteiligten das Verfahren für erledigt erklärt, so ist es vom Vorsitzenden des Arbeitsgerichts einzustellen. § 81 Abs. 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Hat der Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt, so sind die übrigen Beteiligten binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist von mindestens zwei Wochen aufzufordern, mitzuteilen, ob sie der Erledigung zustimmen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sich der Beteiligte innerhalb der vom Vorsitzenden bestimmten Frist nicht äußert.