Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 22. Juli 2015 - 35 K 4346/15.O
Tenor
Das gegen den Antragsteller gerichtete Disziplinarverfahren wird eingestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Gründe:
2Das gegen den Antragsteller gerichtete Disziplinarverfahren war gemäß § 62 Abs. 3 Landesdisziplinargesetz (LDG NRW) einzustellen, da es nicht innerhalb der vom Disziplinargericht bestimmten Frist abgeschlossen worden ist.
3§ 62 Abs. 3 LDG NRW bestimmt, dass das behördliche Disziplinarverfahren durch Beschluss des Gerichts einzustellen ist, wenn es nicht innerhalb der nach Abs. 2 bestimmten Frist abgeschlossen wird. Der rechtskräftige Beschluss nach Abs. 3 steht einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 62 Abs. 4 LDG NRW).
4Die Disziplinarkammer hat dem Antragsgegner durch Beschluss vom 2. März 2015 – 35 K 8625/14.O – gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW zum Abschluss des gegen den Antragsteller gerichteten Disziplinarverfahrens durch Einstellung, durch Erlass einer Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses beim Antragsgegner gesetzt. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner ausweislich des hierzu gefertigten Empfangsbekenntnisses am 4. März 2015 zugestellt.
5Drei Monate später ist die Frist abgelaufen. Da der 4. Juni 2015 auf einen Feiertag (Fronleichnam) fiel, lief die vom Disziplinargericht gesetzte Frist ab am Freitag, den 5. Juni 2015 (vgl. § 3 LDG NRW, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO).
6Bis dahin hatte der Antragsgegner das gegen den Antragsteller gerichtete Disziplinarverfahren nicht wie angeordnet abgeschlossen. Hierzu reichte es nicht aus, dass der Antragsgegner unter dem Datum des 5. Juni 2015 eine Mitteilung an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers versandt hat, dass die Erhebung der Disziplinarklage beabsichtigt sei. Für den Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens hätte der Antragsgegner vielmehr eine der im Tenor des Beschlusses vom 2. März 2015, der auf den Vorgaben des § 62 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW beruht, ausdrücklich genannten Alternativen – u.a. Erhebung der Disziplinarklage – wählen müssen. Dies ist aber innerhalb der gesetzten Frist nicht geschehen. Der Antragsgegner hat erst am 19. Juni 2015 eine Disziplinarklageschrift bei der Disziplinarkammer eingereicht. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 35 K 4411/15.O geführt.
7Vor diesem Hintergrund kann auf sich beruhen, ob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers die Mitteilung vom 5. Juni 2015 überhaupt innerhalb der vom Disziplinargericht gesetzten Frist erhalten hat oder – wie er geltend macht - erst später, nämlich per Fax am 8. Juni 2015 und damit außerhalb der Frist.
8Gemäß § 62 Abs. 3 LDG NRW ist das behördliche Disziplinarverfahren durch Beschluss des Gerichts einzustellen, wenn es – wie hier – nicht innerhalb der nach Abs. 2 bestimmten Frist abgeschlossen wird. Die Vorschrift räumt dem Gericht kein Ermessen ein. Das Gericht hat daher nur die Einstellungsvoraussetzung, d.h. den Fristablauf, zu prüfen.
9Vgl. Weiß, in: GKÖD Bd. II, DisR, § 62 BDG, Rdn. 50.
10Insofern ist der Einwand des Antragsgegners unerheblich, seit der Fristsetzung durch das Disziplinargericht habe keine unangemessene Verzögerung des Verfahrens vorgelegen, die er zu vertreten habe. Soweit der Antragsgegner in seiner Stellungnahme vom 6. Juli 2015 darauf hinweist, allein schon wegen gesetzlich vorgeschriebener Fristen hinsichtlich der abschließenden Anhörung gem. § 31 LDG NRW, Anhörung des Antragstellers in Bezug auf die beabsichtigte Erhebung der Disziplinarklage sowie der Personalratsbeteiligung, sei die Einhaltung der Frist von drei Monaten nicht möglich gewesen, muss er sich vielmehr entgegen halten lassen, dass er für den Fall, dass die Frist aus nicht zu vertretenden Gründen voraussichtlich nicht eingehalten werden konnte, gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 3 LDG NRW die Möglichkeit hatte, vor Ablauf der ihm gesetzten Frist einen Antrag auf Fristverlängerung zu stellen. Aus diesem Grunde ist die durch die Disziplinarkammer gesetzte Frist im Übrigen auch verbindlich und nicht lediglich als unverbindlicher Ausdruck des für das Disziplinarverfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes zu verstehen. Einen solchen Fristverlängerungsantrag hat der Antragsgegner aber nicht gestellt.
11Der Einstellung des Disziplinarverfahrens nach § 62 Abs. 3 LDG NRW steht auch nicht entgegen, dass im Fristsetzungsbeschluss vom 2. März 2015 auf die Rechtsfolge der Einstellung nach Fristablauf nicht hingewiesen worden ist. Auf gesetzlich vorgesehene Folgen, die sich aus der Nichteinhaltung einer vom Gericht gesetzten Frist ergeben, muss grundsätzlich nicht hingewiesen werden. Soweit für bestimmte Prozesssituationen eine Belehrungs- und Hinweispflicht im Zusammenhang mit einer gerichtlichen Fristsetzung als notwendig angesehen worden ist, hat der Gesetzgeber dies ausdrücklich geregelt, so z.B. in § 87 b Abs. 3 Nr. 3 VwGO, § 92 Abs. 1 Satz 3 letzter HS VwGO, § 92 Abs. 2 Satz 3 VwGO.
12Vgl. Verwaltungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 5. Mai 2014 – 8 A 9/14 -, juris, Rdn. 2.
13Das Disziplinargesetz des Landes Nordrhein-Westfalen sieht z.B. in § 54 Abs. 1 Satz 2 eine Belehrung des Beamten oder in § 60 Abs. 1 Satz 3 eine Belehrung der Beteiligten über die Folgen einer Fristversäumung vor. § 62 LDG NRW enthält keine entsprechende Regelung. Durch diesen Verzicht kommt zum Ausdruck, dass der ein Disziplinarverfahren betreibende Dienstherr eines Beamten insoweit nicht durch das Gericht auf den Inhalt der Verfahrensvorschrift des § 62 LDG NRW hingewiesen werden muss. Von einer Behörde kann die Kenntnis der einschlägigen Vorschriften über das von ihr eingeleitete Disziplinarverfahren erwartet werden, zumal im Verfahren nach § 62 LDG NRW dessen eindeutig formulierter Abs. 3 ins Auge springen muss.
14Vgl. Weiß, in: GKÖD Bd. II, DisR, § 62 BDG, Rdn. 44.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW, § 154 Abs. 1 VwGO.
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(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.
(1) Ist ein behördliches Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten seit der Einleitung durch Einstellung, durch Erlass einer Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden, kann der Beamte bei dem Gericht die gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens beantragen. Die Frist des Satzes 1 ist gehemmt, solange das Disziplinarverfahren nach § 22 ausgesetzt ist.
(2) Liegt ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens innerhalb von sechs Monaten nicht vor, bestimmt das Gericht eine Frist, in der es abzuschließen ist. Anderenfalls lehnt es den Antrag ab. § 53 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(3) Wird das behördliche Disziplinarverfahren innerhalb der nach Absatz 2 bestimmten Frist nicht abgeschlossen, ist es durch Beschluss des Gerichts einzustellen.
(4) Der rechtskräftige Beschluss nach Absatz 3 steht einem rechtskräftigen Urteil gleich.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
Gründe
- 1
Nach § 60 Abs. 3 i. V. m. § 60 Abs. 4 DG LSA (identisch mit § 62 Abs. 3 und 4 BDG)ist ein innerhalb der nach § 60 Abs. 2 Satz 1 DG LSA gerichtlich gesetzten Frist nicht abgeschlossenes behördliches Disziplinarverfahren einzustellen. Wird es nicht zuvor durch den Dienstherrn eingestellt erlässt das Disziplinargericht den Einstellungsbeschluss. Dem Disziplinargericht steht dazu kein Ermessen bereit. Die betroffenen Vorwürfe sind damit verbraucht und können nicht Gegenstand eines erneuten Disziplinarverfahrens sein. Der gerichtliche Einstellungsbeschluss steht einem Urteil gleich (vgl. zum Ganzen nur: Hummel/Köhler/Mayer; BDG, 5. Auflage 2012, § 62 Rz. 19).
- 2
Die von dem Beklagten im Schriftsatz vom 30.04.2014 vertretene Rechtsansicht, dass Disziplinargericht hätte in seinem Fristsetzungsbeschluss vom 30.01.2014 auf diese gesetzliche Rechtsfolge hinweisen müssen, geht fehl. Denn generell gilt, dass auf spätere gesetzliche Folgen, die sich aus der Nichteinhaltung der vom Gericht gesetzten Frist ergeben, nicht hingewiesen werden muss. Soweit für bestimmte Prozesssituationen eine Belehrungs- und Hinweispflicht auf die Folgen einer gerichtlichen Handlung als notwendig angesehen wird, hat der Gesetzgeber dies ausdrücklich geregelt, wie z. B. in der Verwaltungsgerichtsordnung in § 87 b Abs. 3 Nr. 3; § 92 Abs. 1 Satz 3 letzter HS; § 92 Abs. 2 Satz 3. Im Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt ist dies z. B. in § 51 oder § 52 Abs. 2 geregelt. Dies berücksichtigt Gansen (Disziplinarrecht in Bund und Ländern; Kommentar; § 62 Rz. 10), auf dessen Kommentierung sich der Beklagte stützt, nicht und verfolgt erkennbar eine im sonstigen Schrifttum und in der Rechtsprechung nicht vertretene Mindermeinung.
- 3
Das Disziplinargericht hat in dem Fristenbeschluss vom 30.01.2014 wie auch in dem Beschluss vom 14.04.2014 über die Ablehnung der Fristverlängerung klar und unmissverständlich auf die Notwendigkeit der beschleunigten Bearbeitung des behördlichen Disziplinarverfahrens hingewiesen. Die nunmehr von dem Beklagten vertretene Rechtsansicht, dass der gerichtliche Fristenbeschluss mangels gerichtlicher Belehrung über die gesetzlichen Folgen der Fristversäumnis an einem Fehler leide und die Einstellung des Disziplinarverfahrens nicht auf die Nichteinhaltung gestützt werden dürfe, lässt – erneut - erkennen, dass der Beklagte mit den verfahrensrechtlichen Anforderungen des beschleunigt durchzuführenden - behördlichen - Disziplinarverfahrens überfordert scheint.
- 4
Die weiteren Ausführungen des Beklagten in dem Schriftsatz vom 30.04.2014 zur Vertretungsvollmacht der Bearbeiterin Frau …, berücksichtigen nicht die vom Disziplinargericht herausgearbeiteten disziplinarrechtlichen Besonderheiten bei der Stellung des Fristverlängerungsantrages. Das Disziplinargericht hat dem Beklagten entgegen seinen Ausführungen nicht das Nichtstun am Wochenende vorgehalten, sondern darauf hingewiesen, dass die Chronologie der Ereignisse zeige, dass die Zeitverzögerungen zwar nur weniger Tage im Zusammenspiel gerade den vorzuhaltenden, nicht gewissenhaften Umgang mit dem Verfahren bescheinige und die zügige Bearbeitung bereits durch die E-Mail-Versendung hätte erfolgen können. Auf die Notwendigkeit der hinreichenden früheren wie jetzigen Freistellung der Ermittlungsführerin von sonstigen dienstlichen Verpflichtungen hat das Disziplinargericht in den Beschlüssen deutlich hingewiesen.
- 5
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 72 Abs. 3 DG LSA.
(1) Ist ein behördliches Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten seit der Einleitung durch Einstellung, durch Erlass einer Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden, kann der Beamte bei dem Gericht die gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens beantragen. Die Frist des Satzes 1 ist gehemmt, solange das Disziplinarverfahren nach § 22 ausgesetzt ist.
(2) Liegt ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens innerhalb von sechs Monaten nicht vor, bestimmt das Gericht eine Frist, in der es abzuschließen ist. Anderenfalls lehnt es den Antrag ab. § 53 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(3) Wird das behördliche Disziplinarverfahren innerhalb der nach Absatz 2 bestimmten Frist nicht abgeschlossen, ist es durch Beschluss des Gerichts einzustellen.
(4) Der rechtskräftige Beschluss nach Absatz 3 steht einem rechtskräftigen Urteil gleich.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.