Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 17. Juni 2014 - 26 K 4193/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Anwendbarkeit der Vorschriften des Wohn- und Teilhabegesetzes (WTG).
3Die Klägerin ist ein Pflegedienst in der Rechtsform einer GmbH. Geschäftsführerinnen der Klägerin sind Frau B. D. und Frau E. K. .
4Die Klägerin mietete im August 2011 zum Zwecke der Durchführung eines von ihr als „Senioren Wohngemeinschaft“ bezeichneten Projekts das Gebäude G. Str. 113 in 00000 W. an. Die Räumlichkeiten sind auf maximal acht Bewohner ausgerichtet und werden von der Klägerin an ältere, in der Regel pflegebedürftige Personen untervermietet.
5Derzeit wird das Gebäude von insgesamt fünf Mieterinnen bewohnt:
6- 7
N. T. , vertreten/betreut durch die Zeugin S. , gemäß Mietvertrag (MV) vom 01.11.11 (zugleich Mietbeginn), vermietet ist Wohnraum (Zimmer 7, OG) zur alleinigen privaten Nutzung - Individualwohnfläche (IF) - ca. 20 qm + Flächen zur gemeinschaftlichen Nutzung durch alle Mieter im EG und OG – Gemeinschaftsfläche im Umfang von 115,6 qm (GF) - ; vereinbarte Warmmiete 482,60 € zzgl. Renovierungszulage (RZ) + Investitionsrücklage (IR) = 534,69 €.
- 8
M. T1. , vertreten durch Frau O. , gemäß MV vom 25.01.12, Mietbeginn ab 01.03.12, vermietet ist Wohnraum (Zimmer 2, EG), IF ca. 10 qm, + GF; vereinbarte Warmmiete 400,52 € + RZ + IR = 452,61 €.
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D1. E1. vertreten durch B1. E1. , MV vom 25.01.12, Mietbeginn ab 01.03.12, vermietet ist Wohnraum (Zimmer 6, OG), IF ca. 24 qm + GF; vereinbarte Warmmiete 514,92 € + RZ + IR = 567,01 €.
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S1. H. , vertreten durch Frau N1. , MV vom 20.11.11, Mietbeginn am 01.11.11, vermietet ist Wohnraum (Zimmer 1, EG), IF ca.13 qm + GF; vereinbarte Warmmiete: 429,72 € + RZ + IR = 481,81 €.
- 11
B2. K1. , vertreten durch Frau X. , MV vom 07.05.12, Mietbeginn ab 15.05.12, vermietet ist Wohnraum (Zimmer 5, OG) IF, ca. 13 qm + GF; vereinbarte Warmmiete: 429,72 € + RZ + IR = 481,81 €.
Mit allen Mieterinnen ist eine jährliche Erhöhung der Warmmiete um 2% vereinbart. Ferner hat die Klägerin mit den jeweiligen Mietern ambulante Pflegeverträge abgeschlossen und zudem Mitarbeiter eingestellt, die die Mieter im Alltag unterstützen. Hierzu gehört auch die Anwesenheit einer Mitarbeiterin während der Nacht. Das in der „Senioren Wohngemeinschaft“ tätige Betreuungspersonal wird von der Klägerin wie folgt angegeben: Sechs Mitarbeiter, darunter 2 Auszubildende, in Vollzeit sowie zwei Mitarbeiter zu 50 % würden in der WG eingesetzt. In der dem Beklagten von der Klägerin zur Verfügung gestellten Präsentation heißt es u.a., dass in der umgebauten Jugendstilvilla acht Personen die Vorteile einer Wohngemeinschaft nutzen könnten. In der Wohngemeinschaft könnten auch Menschen im fortgeschrittenen Stadium der Demenz Aufnahme finden. Die Alltagsbegleiter würden im Dreischichtsystem arbeiten. Bei Vollbelegung seien ständig zwei Alltagsbegleiter tagsüber und eine Person nachts vor Ort. Bei einem geringeren Vermietungsgrad werde der Personaleinsatz dem Bedarf der Mieter angepasst. Es sei jedoch immer eine Person anwesend. Die Villa habe 277 qm und es gebe acht Einzelzimmer, die zwischen 10 und 24 qm groß seien, ferner ein Wohnzimmer, ein großes Esszimmer mit Küche, 2 Bäder und ein Gäste-WC. Renovierung und Einrichtung der einzelnen Mieterzimmer übernehme der Mieter, während die gemeinschaftlich benutzten Räume nach Möglichkeit auch gemeinschaftlich eingerichtet würden. Um sich besser zurechtzufinden, bräuchten die Mieter für das tägliche Leben eine Begleitung, die sie jederzeit ansprechen könnten. Als Alltagsbegleitung stehe eine erfahrene Altenpflegekraft bzw. hauswirtschaftliche Kraft zur Verfügung. Die Alltagsbegleiter seien die Manager des Alltags für die Pflegebedürftigen. Falls nötig würden sie beim Aufstehen, beim Zubettgehen und Einnehmen der Mahlzeiten, bei der Strukturierung des Tages und bei der Körperpflege helfen. Sie stünden den behandelnden Ärzten und den Angehörigen als Ansprechpartner zur Verfügung und kümmerten sich auch um die Organisation von allen erforderlichen zusätzlichen Dienstleistungen, wie Arztbesuche, Physiotherapie. Die Aufgaben zwischen den einzelnen Akteuren seien folgendermaßen verteilt: Der Vermieter stelle den Wohnraum zur Verfügung und halte ihn instand. Die Angehörigen würden bei der Gestaltung der Wohnung helfen und den Umzug organisieren. Ihre Mitwirkung bei der Gestaltung des Alltags sei willkommen, jedoch nicht verpflichtend. Über die Pflege würden Mieter und Pflegedienst einen Pflegevertrag abschließen, der sich nach dem Pflegebedarf des Mieters bestimme. Der Pflegedienst stelle die Pflege und die Betreuung der Mieter rund um die Uhr sicher. Neben der Miete und dem von den Mietern selbst bestimmten Haushaltsgeld fielen Kosten für die 24-Stunden-Betreuung und die Pflege an. Die Höhe der Miete sei je nach Größe des Zimmers unterschiedlich.
13Durch Beschluss des Mietergremiums vom 29.10.2011 stellten die Mieterinnen und Mieter der Wohngemeinschaft W. fest, dass die Klägerin, die einige Mieterinnen und Mieter seit langem betreue, bisher ohne gravierende Beanstandungen und zu wettbewerbsfähigen Preisen gearbeitet habe. Sie beschlossen zugleich, dass die Klägerin die Präsenzdienstleistungen auch in der neugebildeten Wohngemeinschaft W. erbringen solle. Die Mieterinnen verpflichteten sich gegenseitig, die Klägerin durch Einzelverträge mit den Präsenzdienstleistungen zu beauftragen und beschlossen ferner, Mitte 2014 erneut über den Dienstleister zu beraten und zu beschließen.
14In der Folgezeit kam es zu verschiedenen Gesprächen zwischen der Klägerin und der Beklagten über die Frage der Einordnung des Wohnkonzeptes in das WTG. Auch führte der Beklagte im Oktober 2011 eine angemeldete und im November 2011 eine unangemeldete Ortsbesichtigung durch. Bei der zweiten Besichtigung wurden drei Bewohner, nämlich Frau H. , Frau T2. und Herr B3. angetroffen. Mit einem an die Geschäftsführerin der Klägerin gerichteten Schreiben vom 02.12.2011 forderte der Beklagte die Klägerin auf, Name und Adresse der im Hause tätigen Ombudsperson zu benennen, um prüfen zu können, ob Ausnahmetatbestände eingreifen würden. Der von der Klägerin zunächst benannte Herr O1. habe in einem Telefonat Ende Oktober 2011 verbindlich erklärt, für diese Aufgabe nicht zur Verfügung zu stehen.
15Daraufhin bestimmten die seinerzeitigen Bewohnerinnen T2. und H. , unter dem 08.12.2011, dass die Zeugin I. diese Leistungen erbringen solle.
16Mit Schreiben vom 29.12.2011 wies das Bauordnungsamt der Stadt W. die Klägerin darauf hin, dass in dem zurzeit als Einfamilienhaus genehmigten Objekt wegen der geplanten Wohnform erhöhte Brandschutzvorschriften Beachtung finden müssten. Diesbezüglich sei die Vorlage eines Brandschutzkonzepts erforderlich. Die Klägerin wurde gebeten, ein solches Konzept in Auftrag zu geben und zugleich einen Antrag auf Nutzungsänderung zu stellen. In diesem Zusammenhang – heißt es in dem Schreiben – bleibe festzuhalten, dass ohne Genehmigung alle Zimmer im Obergeschoss nicht einer Aufenthaltsraumnutzung zugeführt werden dürften.
17Mit Bescheid vom 26.04.2012 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin, unter der Adresse G. Str. 113 in 00000 W. , ein Einrichtung i.S.d. § 2 Abs. 3 S. 1 und S. 2 WTG betreibe. Zur Begründung führte die Beklagte in diesem Bescheid aus: Neben der entgeltlichen Wohnraumüberlassung werde den Bewohnern auch Betreuung zur Verfügung gestellt, wie sich aus dem vorgelegten Muster-Betreuungsvertrag ergebe und sich beispielhaft belegen lasse mit der 24-stündigen Anwesenheit von gerontopsychiatrisch geschulten Beschäftigten, die auch umfassende psychosoziale Betreuung und Begleitung umfasse. Die Bewohner des Hauses würden allein durch Pflegekräfte der Klägerin betreut. Auch durch Berichte in der örtlichen Presse werde der Eindruck erweckt, dass die Klägerin eine Einrichtung im Sinne des WTG betreibe. Schon 6 Wochen vor dem Einzug der ersten Bewohner habe die Klägerin einen Artikel veröffentlichen lassen, um für die Senioren WG zu werben. Die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 3 S. 3 WTG greife nicht ein. Der Versuch, mit einem unabhängigen Dritten, einem sog. Ombudsmann, eine Ausnahmeregelung zu schaffen, könne nicht greifen. Entscheidend für die Anwendbarkeit der Ausnahme des § 2 Abs. 3 S. 3 WTG sei, dass insbesondere bei der Wahl des Betreuungsanbieters eine neutrale Beratung stattfinde. Eine solche habe jedoch bei der erstmaligen Wahl des Leistungsanbieters durch die Bewohner nicht stattgefunden. Die zur Ombudsfrau gewählte Frau I. sei erst gut 5 Wochen nach dem Einzug der Bewohner von der Klägerin ins Gespräch gebracht worden. Nach eigener Aussage komme sie spontan ins Haus, wenn sie beruflich in W. zu tun habe und nehme an den Mieterbesprechungen alle drei Monate teil.
18Gegen diese Feststellung der Beklagten richtet sich die am 29.05.2012 erhobene Klage.
19Die Klägerin trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Der Feststellungsbescheid sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Die Wohngemeinschaft stelle keine Betreuungseinrichtung im Sinne des WTG dar. Die Mieterinnen und Mieter seien vielmehr von sich auf sie zugekommen, weil sie eine Lebens- und Wohnform gesucht hätten, in der sie, ihre Angehörigen sowie die gesetzlichen Betreuer in der Lage seien, in familienähnlicher Form miteinander zu leben und zu wohnen und die von ihnen benötigten Dienstleistungen bei freier Wahlmöglichkeit von bestimmten Dienstleistern zu beziehen. Es handele sich um eine autonome Gemeinschaft von Menschen, die sich zum gemeinsamen Leben in dem Gebäude entschlossen hätten. Diese seien bis auf eine Person zuvor nicht Pflegeklienten der Klägerin gewesen. Sie seien weder vertraglich noch in sonstiger Weise gezwungen worden, Leistungen der Klägerin abzunehmen. Es liege daher schon keine Betreuungseinrichtung vor, die der Aufsicht der Beklagten unterfallen könnte. Der im Bescheid aufbereitete Sachverhalt sei – auch nach Vorlage neuerer Dokumente, wie z.B. der Verträge - überholt. Auf Wunsch der Mieter habe die Klägerin mit ihnen ambulante Pflegeverträge abgeschlossen. Ferner habe sie auf Wunsch der Mieter Mitarbeiter eingestellt, die die Mieter bei den alltäglichen Dingen unterstützen würden. Es seien aber keine Pensionsverträge geschlossen worden. Auch würden keine Lebenshaltungskosten an die Klägerin gezahlt. Vielmehr hätten die Mieter durch gemeinschaftlichen Beschluss der Mieterversammlung vereinbart, in eine von ihnen eigenständig geführte Haushaltkasse einen monatlichen Betrag einzuzahlen, der sich gegenwärtig auf 250,00 Euro belaufe. Hierzu habe die Mietergemeinschaft eigens ein Konto eingerichtet. Jede Ausgabe werde von den Mieterinnen und Mietern entschieden und sei von den mit dem Einkauf beauftragen Personen abzurechnen, wobei die Kassenprüfung von den Mietern wahrgenommen werde. Die Mitglieder der WG regelten alle ihre Belange selbst, wie sich aus den vorgelegten Beschlüssen ergebe. Selbst wenn man unterstelle, dass sie, die Klägerin, Wohnraum überlasse und zugleich Betreuungsleistungen zur Verfügung stelle oder vorhalte, wobei die tatsächliche Wählbarkeit eingeschränkt sei, so greife jedenfalls im vorliegenden Sachverhalt die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 3 S. 2 WTG ein, weil die Bewohner bei der Wahl des Anbieters von Dritten unterstützt würden. Hier sei neben Frau I. auch Herr E1. zu nennen, der durch gemeinschaftlichen Beschluss der Mieter zum Ombudsmann bestimmt worden sei. Der Beklagte gehe fehl, wenn er meine, dass Angehörige der Mieter keine unabhängigen Dritten im Sinne des WTG sein könnten. Dass diese unabhängigen Dritten nicht von Anfang an vorhanden gewesen seien, stehe dieser Bewertung nicht entgegen. Entscheidend für die Autonomie der Mieterinnen und Mieter sei, dass jeder für sich allein rechtlich wie tatsächlich in der Lage sei, den betreuenden Pflegedienst auszutauschen. Über die Aufhebung des angegriffenen Feststellungsbescheides hinaus habe sie zur Schaffung von Rechtssicherheit auch einen Anspruch auf die Feststellung, dass sie keine Einrichtung im Sinne des WTG betreibe. Zudem habe sie durch zwei vergebliche Anträge versucht, die Beklagte zum Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nach § 2 Abs. 5 WTG zu bewegen. Sie habe – wenn nicht sogar Anspruch auf Abschluss der angestrebten Vereinbarung - zumindest Anspruch darauf, dass der Beklagten nunmehr durch das Gericht auferlegt werde, mit ihr in Vertragsverhandlungen einzutreten.
20Die Klägerin beantragt,
211. den Feststellungsbescheid des Beklagten vom 26.04.2012 aufzuheben,
222. den Beklagten zu verpflichten, durch heimaufsichtsrechtliche Feststellungsverfügung festzustellen,
23a) dass es sich bei der Seniorenwohngemeinschaft in der G. Str. 113 in 00000 W. um eine Wohngemeinschaft handelt, für die das Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) nicht gilt,
24b) dass sie - die Klägerin - in der Liegenschaft G. Str. 113 in 00000 W. keine Einrichtung im Sinne des WTG betreibt,
25c) dass der Beklagte nicht berechtigt ist, bei dem zum Schluss der mündlichen Verhandlung gegebenen tatsächlichen Sachverhalt gegenüber ihr irgendwelche heimaufsichtsrechtlichen Befugnisse, insbesondere solche gemäß §§ 18 ff WTG auszuüben,
26d) dass sie nicht verpflichtet ist, bei dem zum Schluss der mündlichen Verhandlung gegebenen tatsächlichen Sachverhalt gegenüber dem Beklagten irgendwelche heimaufsichtsrechtlich aus dem WTG begründeten Überwachungstätigkeiten zu dulden und Auskunfts-, Mittelungs-, anzeige- oder sonstige Mitwirkungspflichten zu erfüllen,
273. den Beklagten zu verpflichten, mit ihr die der Klageschrift im Entwurf als Anlage K2 beigefügte öffentlich-rechtlich Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 5 WTG abzuschließen,
28hilfsweise
29festzustellen, dass der ihr – der Klägerin - Beklagte verpflichtet ist, nach erfolgten Antrag mit dieser in Verhandlungen über den Abschluss einer solchen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung einzutreten.
30Der Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Er verteidigt den angegriffenen Bescheid wie folgt: Der Feststellungsbescheid setze einen Schlusspunkt unter eine fast einjährige Diskussion zum Thema Anwendbarkeit des WTG auf Senioren-WG. Informationen über das geplante Projekt habe sie erstmals im Mai 2011 durch einen anderem, - mit der Klägerin konkurrierenden -, ambulanten Dienst erhalten. Bei einem Gespräch am 1. September 2011 seien verschiedene Dokumente an ihn - den Beklagten - übergeben worden, u.a. ein Konzept „Wohngemeinschaft W. “, Blanko-Formulare für Beschlüsse des Mietergremiums und die Kopie einer geänderten Bauzeichnung des Hauses G. Str. 113. Mieter habe es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben. Im Anschluss an das Gespräch habe die Klägerin einen an das WTG angepassten Mietvertragsentwurf übersandt. Aus der Tageszeitung habe er, der Beklagte, dann von dem geplanten Eröffnungstermin erfahren. Im Oktober 2011 habe sie vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zwei Listen in anonymisierter Form über den Personalaufbau für die WG und die Mieter erhalten, mit denen bereits ein Vertrag abgeschlossen worden sei. Hierbei sei es nicht zu einer neutralen Beratung durch Dritte gekommen. Erst fünf Wochen nach dem Einzug der ersten Mieter habe die Klägerin Namen und Kontaktdaten einer „Ombudsfrau“ mitgeteilt. Die Neutralität dieser Frau sei jedoch zu bezweifeln. Auch die Bestellung der Frau S. und die Mitteilung über die ergänzende Wahl des Herrn E1. als weiterer Ombudsmann könne den Anforderungen des § 2 Abs. 3 WTG nicht genügen. Frau S. und Herr E1. könnten im Interesse ihrer Angehörigen nicht neutral gegenüber der Klägerin auftreten. Bei einer Ortsbesichtigung sei der Beklagte zu dem Schluss gekommen, dass das Haus als Unterkunft für Senioren ungeeignet sei. Schon das Angebot von 2 Zimmern nur mit 10 qm großer Wohnfläche zeige den vordergründig monetären Aspekt und werde dem anerkannten Raumbedarf pflegebedürftiger Menschen nicht gerecht. Für einen notwendigen Rollator bzw. Zimmer-Rollstuhl gebe es keine Abstellmöglichkeit. Gegen eine Wohngemeinschaft spreche, dass alle Bewohner pflegebedürftig seien. Die Mieter hätten sich vor dem Einzug nicht gekannt. Sie kämen aus verschiedenen Städten und seien auf Initiative ihrer Angehörigen/Betreuer nach entsprechender Werbung durch die Klägerin eingezogen. Das Haus selbst sei vom Wechsel der Bewohner im Bestand unabhängig. Ein Bewohner sei wieder ausgezogen. Sein Zimmer werde nicht frei bleiben. Der Wechsel von Bewohnern spreche gegen die Bewertung, dass Personen ihren Lebensabend gemeinsam verbringen wollten. Auch der Handelsregisterauszug belege, dass die Klägerin ihre geschäftlichen Interessen zwischen Vermietung und Betreuung nicht trenne. Gegenstand des Unternehmens sei nämlich der Betrieb eines ambulanten Pflegedienstes, sowie der Erwerb und die Vermietung von Immobilien für die Bildung von Wohngemeinschaften für Senioren und Pflegebedürftige. Hinsichtlich des begehrten Abschlusses einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung sei darauf zu verweisen, dass ein entsprechender Anspruch nicht bestehe. Zudem sei das Begehren der Klägerin in sich widersprüchlich, da sie sich einerseits gegen die Anwendung des WTG wende, andererseits aber den Abschluss eines Vertrages begehre, der zunächst voraussetze, dass der Anbieter von Wohn- und Betreuungsleisten die Anwendung des Gesetzes gegenüber der zuständigen Behörde ausdrücklich beantrage.
33Das Gericht hat in der heutigen mündlichen Verhandlung durch Vernehmung der Zeuginnen I. und S. Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen. Zudem hat das Gericht eine schriftliche Aussage des Zeugen E1. eingeholt (Bl. 328-329 der Gerichtsakte), die in die mündliche Verhandlung eingeführt worden ist.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe:
36Die Klage bleibt insgesamt ohne Erfolg.
37Dies gilt zunächst für den Klageantrag zu 1). Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 26.04.2012, durch den der Beklagte verbindlich regelnd feststellt, dass die Klägerin unter der Adresse G. Str. 113, 46562 W. ein Einrichtung i.S.d. § 2 Abs. 3 S. 1 und S. 2 WTG betreibt, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
38Der streitgegenständliche Feststellungsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des Wohn- und Teilhabegesetzes.
39Eine Ermächtigungsgrundlage für die Feststellung muss nicht ausdrücklich vorliegen; es genügt, wenn sie dem Gesetz im Wege der Auslegung entnommen werden kann.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.2003 – 6 C 23/02 – BVerwGE 119, 123, Urteil vom 9.12.2001 ‑ 3 C 2.01 - BVerwGE 114, 226.
41Aufgrund der Zuständigkeit für die Durchführung des Gesetzes (§ 13 WTG) sind die Kreise und kreisfreien Städte nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers ermächtigt, im Rahmen der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des WTG auch feststellende Verwaltungsakte gegenüber den Betreibern auszusprechen. Dies zeigt sich insbesondere in der Bestimmung des § 18 Abs. 7 WTG, nach der bestimmte in § 18 Abs. 1 bis 6 WTG bezeichnete Maßnahmen zur Feststellung zulässig sind, ob eine Einrichtung eine Betreuungseinrichtung ist. § 2 Abs. 6 WTG, wonach die Feststellung, ob eine Einrichtung dem Geltungsbereich dieses Gesetz unterfällt, die leistungsrechtliche Einordnung der Einrichtung unberührt lässt, setzt voraus, dass eine solche Feststellung durch die zuständige Behörde zulässigerweise erfolgen kann.
42Vgl. Urteil der Kammer vom 17.01.2012 - 26 K 293/11 – juris.
43Gemäß zutreffender Feststellung des Beklagten unterfällt das Wohn- und Betreuungsangebot auf der G. Str. 113, in 46562 W. dem Geltungsbereich des § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 WTG.
44§ 2 WTG regelt den Geltungsbereich des WTG, wobei Abs. 1 der Vorschrift das „klassische Heim“ als Betreuungseinrichtung betrifft und eine Legaldefinition für Betreuungseinrichtungen enthält. Gemäß § 2 Abs. 1 WTG gilt dieses Gesetz für Einrichtungen, die den Zweck haben, u.a. Volljährige mit Behinderungen aufzunehmen, ihnen entgeltlich Wohnraum zu überlassen und damit verbunden verpflichtend Betreuung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten und die in ihrem Bestand vom Wechsel der Bewohner unabhängig sind (Betreuungseinrichtungen).
45Allerdings sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung nicht erfüllt. Wesentlich für das Vorliegen einer Betreuungseinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 WTG ist neben der Entgeltlichkeit der Leistungen und der Unabhängigkeit vom Wechsel der Bewohner zum einen das Vorliegen einer rechtlichen Verbundenheit zwischen den Anbietern und zum anderen das Vorliegen einer rechtlichen Verbindung zwischen den Leistungen.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 09.07.2013 - 12 A 2623/12 - Juris.
47An einer rechtlichen Verbundenheit der Leistungen „Wohnraumüberlassung“ und „Betreuung“ fehlt es nach der vertraglichen Ausgestaltung hier. Zwar sind die (Unter-)Vermieterin des Wohnraums und die Betreuungsdienstleisterin identisch, jedoch werden die Betreuungsdienstleistungen durch vom Mietvertrag unabhängige Verträge geregelt. In der den tatsächlich vereinbarten Mietverträgen vorangestellten Präambel heißt es nämlich - anders als noch in den ursprünglichen Musterverträgen – ausdrücklich jeweils:
48„Der Vermieter erbringt lediglich die in diesem Vertrag beschriebene Nutzungsüberlassung, jedoch im Rahmen des hier geregelten Vertragsverhältnisses keinerlei darüber hinausgehende Leistungen. Er hat auch keine Rahmenvereinbarungen oder irgendwelche Absprachen über die Erbringung derartiger Dienstleistungen mit ambulanten Pflegediensten oder Betreuungsorganisationen getroffen, die die Entscheidungs- und Wahlfreiheit der Mieterinnen / Mieter einschränken könnten.“
49Ziel des WTG ist es, die Einrichtungsbetreiber bei einer strukturellen Abhängigkeit der Bewohner zu deren Schutz in gleicher Weise unter gesetzliche Aufsicht zu stellen, wie die „klassischen“, früher „Heime“ genannten Betreuungseinrichtungen. Strukturell abhängig und damit als schutzbedürftig gelten Menschen immer dann, wenn ihnen aus einer Hand verpflichtend Wohnraum überlassen und Betreuung angeboten werden. Die geforderte freie Wählbarkeit des Anbieters von Betreuungsleistungen muss allerdings nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich gewährleistet sein. Die Praxis – so heißt es in der Gesetzesbegründung - zeigt, dass die rechtlich vorhandenen Möglichkeiten häufig tatsächlich nicht mehr genutzt werden könnten. Aus diesem Grund würden auch die Fälle, in denen ein Anbieter von Betreuungsleistungen faktisch eine umfassende Versorgung übernehme, grundsätzlich dem Regime des Gesetzes unterstellt.
50LT-Drucks. 14/6972, S. 39, 40.
51Bei Trennung der Vertragsverhältnisse besteht jedoch kein derartiges Schutzbedürfnis, da die Bewohner den Betreuungsanbieter jederzeit wechseln können, ohne zugleich ihre Wohnung verlassen zu müssen.
52Es kann an dieser Stelle offen bleiben, ob eine rechtliche Verbundenheit der Verträge ungeachtet der in den Mietverträgen verwendeten Formulierungen aus den tatsächlichen Umständen herzuleiten ist. Insoweit wäre u.a. der Frage nachzugehen, ob sich eine rechtliche Verbundenheit daraus herleiten lässt, dass die Mietverträge auch nach der Schließung/Sperrung des Obergeschosses offenbar unverändert weitergelten, obwohl wegen des Umzugs der Bewohnerinnen T. , E1. und K1. in das Erdgeschoss sich die den betroffenen Bewohnerinnen zur Verfügung stehende individuelle Wohnfläche, aber auch die zur Verfügung stehende Gemeinschaftswohnfläche (vgl. § 1 Abs. 1 b der jeweiligen Mietverträge) erheblich verringert hat. Dass der Mietzins nicht herabgesetzt worden ist, spricht dafür, dass mit der vereinbarten Mietzahlung nicht allein der Unterkunftsbedarf, sondern wohnraumfremder Bedarf, namentlich Betreuungsbedarf, abgegolten wird.
53Insoweit bedarf es aber keiner abschließenden Entscheidung, weil sich die Feststellung des Beklagten nicht auf den Einrichtungscharakter nach § 2 Abs. 1 WTG bezieht, sondern auf die Vorschrift des § 2 Abs. 3 S. 1 WTG. Nach dieser Bestimmung gilt das Gesetz auch dann, wenn ein Anbieter Wohnraum überlässt und derselbe Anbieter davon rechtlich unabhängig Betreuungsleistungen zur Verfügung stellt oder vorhält, die tatsächliche Wählbarkeit des Anbieters der Leistungen aber eingeschränkt ist. Eine solche Einschränkung wird nach Abs. 3 Satz 2 vermutet, wenn der Anbieter mindestens drei Viertel der Bewohner in einem Gebäude betreut.
54So liegt der Fall hier. Sämtliche Bewohnerinnen werden allein und ausschließlich durch die Klägerin betreut. Ein anderer Betreuungsdienstleister, der Dienstleistungen der in § 4 WTG genannten Art erbringt, ist im Haus nicht beauftragt bzw. tätig. Ist die Trennung der Anbieter – wie hier - zwar formal, nicht jedoch tatsächlich gegeben, lebt das Schutzbedürfnis der Bewohner wieder auf.
55Dagegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, es handele sich nicht um eine Einrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 WTG. Denn § 2 Abs. 3 WTG will gerade diejenigen Konstruktionen erfassen, in denen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 WTG nicht gegeben, die Bewohner aber trotzdem schutzbedürftig sind.
56Zwar gilt Satz 1 nach § 2 Abs. 3 Satz 3 nicht, wenn
571. die Betreuung – wie hier - auf nicht mehr als zwölf Bewohner in einem Gebäude ausgerichtet ist und
582. die Bewohner bei der Wahl des Anbieters von Dritten unterstützt werden; diese dürfen weder Anbieter einer Wohn- und Betreuungsleistung noch dessen Beschäftigte sein.
59Jedoch kann sich die Klägerin in der vorliegenden Konstellation auf diese Regelung nicht mit Erfolg berufen.
60Die Klägerin macht geltend, dass mit der Zeugin S. und dem Zeugen E1. zwei unabhängige „Ombudsleute“ in neutraler Weise zwischen den Interessen der Bewohnerinnen und der Vermieterin vermitteln bzw. die Interessen der Bewohnerinnen wahrnehmen würden. Zuvor hätte zudem die Zeugin I. diese Funktion innegehabt. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin Kopien verschiedener Beschlüsse des sog. Mietergremiums vorgelegt. Gemäß Beschluss vom 29. Oktober 2011 wurde zunächst Herr O1. aus W. zum neutralen Dritten („Ombudsmann“) bestellt, der jedoch nach eigenen und von der Klägerin unbestrittenen Angaben dieses Amt tatsächlich nie ausgeübt hat. Durch Beschluss „über die Bestellung eines neutralen Dritten („Ombudsmann“) für die Beratung und Unterstützung der Wohngemeinschaft W. “ vom 08.12.2011 stellten die Mieterinnen und Mieter der Wohngemeinschaft (Mietergremium) fest, dass es ihnen wichtig sei, von einem unabhängigen Dritten als Ombudsmann bei der Regelung ihrer Belange untereinander wie aber auch gegenüber dem Vermieter und dem Präsenzdienstleisters unterstützt zu werden. Dies betreffe insbesondere auch die Auswahl des Präsenzdienstleister, der sie vor allem in hauswirtschaftlichen Belangen unterstützen solle. Zugleich benannte das Mietergremium die Zeugin Frau I. als diejenige Person, die diese Leistungen erbringen solle. Dass dieser Beschluss nur 2 Unterschriften trägt, nämlich die von Frau N2. in ihrer Eigenschaft als Vertreterin der Bewohnerin H. und Frau S. als Vertreterin/Betreuerin der Bewohnerin T2. , findet seine Ursache darin, dass zu dem Beschlusstermin das Haus nur von zwei Bewohnerinnen bewohnt wurde. Als weiterer „Ombudsmann“ wurde durch Beschluss vom 25.06.2012 der Zeuge E1. gewählt. In dem von Frau S. , Vertreterin der Bewohnerin T2. , Frau E1. und Frau X. , Vertreterin der Bewohnerin K1. , unterschriebenen Beschluss heißt es, Herr E1. sei als zusätzliche Person gewählt worden, um einen weiteren Ansprechpartner zu haben, der mehrmals in der Woche in der Senioren-WG sei und bei Bedarf schneller handeln könne. Die Haushaltkasse und sämtliche Belange derselben blieben jedoch in den Händen der Frau S. .
61Aufgrund des Akteninhalts und der durchgeführten Beweisaufnahme hat das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Bewohnerinnen des streitgegenständlichen Hauses – wie § 2 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 WTG es erfordert - bei der Wahl des Betreuungsanbieters von Dritten unterstützt werden. Weder die Zeuginnen I. und S. , noch der Zeuge E1. sind solche unabhängige Dritte im Sinne des Gesetzes.
62Wie die Zeugin I. bei ihrer Vernehmung bekundet hat, sei sie über die Geschäftsführerin der Klägerin, Frau D. , in Kontakt zu dem streitgegenständlichen Haus gekommen. Diese sei an sie herangetreten. Sie sei im Dezember 2011 gebeten worden, das Amt einer Ombudsfrau zu übernehmen. Ihre Aufgabe und Funktion habe sich darin erschöpft, zu überlegen und abzuschätzen, was in der neu geschaffenen Wohngemeinschaft überhaupt zu tun und zu regeln sei. So habe man z.B. gemeinsam überlegt, welche Anschaffungen für die Bewohner und das Inventar getätigt werden müssten, wie die Haushaltskasse verwaltet werde, und ob Essenspläne erstellt würden. Insgesamt habe es zwei Besuche von ihr gegeben, einen im Dezember 2011 und einen im März 2012. Die Bewohnerinnen seien ihr vor den Besuchen nicht bekannt gewesen und Einzelgespräche habe sie mit ihnen nicht geführt. Die Zeugin konnte sich auch nicht an die Namen der Bewohnerinnen erinnern. Sie habe lediglich in Mieterversammlungen mit den Bewohnerinnen gesprochen. Die Frage, von wem die Mieterinnen betreut, versorgt und gepflegt würden, sei nicht Thema dieser Gespräche gewesen. Die Aussage der Zeugin zeigt deutlich auf, dass sie in keiner Weise – wie dies vom Gesetz im Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 WTG vorausgesetzt wird - die Bewohner bei der Wahl des Anbieters unterstützt hat.
63Gleiches gilt für die Zeugin S. , die durch einen undatierten und nicht unterschriebenen Beschluss (Beiakte Heft 1, Bl. 263) von den Mieterin ermächtigt worden ist, ein Haushaltskonto zu führen, auf das jeder Mieter pro Monat einen Betrag von 250,00 Euro einzahlt. Bei ihrer Vernehmung erläuterte die Zeugin, dass ihr neben der Führung der Haushaltkasse und dem Tätigen der Einkäufe auch die Funktion einer Ansprechperson für die Bewohnerinnen zukomme. Sie schlichte z.B. bei Streit zwischen den Bewohnerinnen, sei an der Organisation von Festen beteiligt, plane Ausflüge und begleite diese gegebenenfalls. Die anderen Bewohnerinnen seien ihr vor dem jeweiligen Einzug bzw. dem Einzug ihrer Mutter in das Haus nicht bekannt gewesen. Die Frage, ob sie die Bewohnerinnen auch im Zusammenhang mit der Auswahl des Pflegedienstes berate, verneinte sie ausdrücklich. Dass die Zeugin auch nicht ansatzweise die in § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 WTG vorgesehene Funktion ausfüllt, verdeutlicht ferner ihre Aussage, dass sie, wenn es zu Problemen mit Mitarbeiterin der Klägerin kommt, zur Geschäftsführerin gehe und mit dieser das Weitere bespreche. Es liege dann in den Händen der Geschäftsführung, das Nötige zu unternehmen, z.B. andere Mitarbeiter zu schicken. Damit leistet die Zeugin Unterstützung nicht bei der Auswahl des geeigneten Anbieters, sondern allenfalls Unterstützung bei auftretenden Konflikten zwischen den Bewohnern und den Mitarbeitern des beauftragten Anbieters. Auch die Antworten auf die Fragen, wie sich die Zeugin verhalten würde, wenn von der Bewohnergemeinschaft oder einer einzelnen Bewohnerin der Wunsch geäußert würde, den Pflegedienst zu wechseln, geben darüber Aufschluss, dass die Zeugin eine unterstützende Funktion im Sinne des Gesetzes bei Auswahl des Betreuungsanbieters nicht wahrnimmt. Insoweit fehlt es bereits an einer trennscharfen Unterscheidung, ob die Zeugin in ihrer Eigenschaft als Vertreterin /Betreuerin von Frau T2. oder in ihrer Eigenschaft als „Ansprechperson“ handeln würde. Zudem hat sich die Zeugin erkennbar nicht mit der Problematik auseinandergesetzt, was sie tun würde, falls die Betreuung und Pflege durch die Klägerin nicht mehr wunschgemäß funktionieren würde. An dieser Stelle räumte die Zeugin ein, dass sie sich dies nicht vorstellen könne und nicht genau wisse, was sie dann machen würde. Gerade um dem Schutzbedürfnis der Bewohner Rechnung zu tragen, müsste eine unabhängige dritte Person aber entsprechende Kenntnisse und Vorstellungen haben, an wen sie sich in einem solchen Fall wenden könnte.
64In Bezug auf das Vorhandensein eines unabhängigen Dritten, der die Bewohner bei der Wahl des Anbieters unterstützt, ist auch die schriftliche Aussage des Zeugen E1. nicht weiterführend. Dieser hat in seinem Schreiben vom 12.05.2014 seine Aufgaben dahingehend erläutert, dass er den Mieterinnen als neutrale Person zur Verfügung stehe und z.B. deren Interessen gegenüber den Behörden und dem Pflegedienst vertrete. Exemplarisch zu nennen sei die Diskussion bzgl. der Gartengestaltung, das Führen von Gesprächen mit der Pflegedienstleitung bei Beschwerden der Mieterinnen über das Pflegepersonal, Diskussionen mit dem Technischen Beigeordneten der Stadt W. wegen des Brandschutzes im Haus und Diskussionen mit der Vermieterin wegen der Installation einer rollstuhlgerechten Rampe an der Eingangstür. Aus seiner Aussage ist ersichtlich, dass ihm gerade keine Funktion im Zusammenhang mit der Beratung bei der Auswahl des Dienstleisters zukommt, sondern dass er sich vielmehr u.a. als Vermittler zwischen den Mieterinnen und dem beauftragten Betreuungsdienstleister sieht.
65Der von der Klägerin im Zusammenhang mit den Zeugen verwendete Begriff der Ombudsperson findet im WTG keine Verwendung, sondern lehnt sich an die mietvertragliche Regelung in § 22 Abs. 3 e) cc) an, wonach für die Mitwirkung des Mietergremiums an dem Ausschluss eines Mieters/einer Mieterin aus der Wohngemeinschaft ein Einigungsverfahren unter Hinzuziehung eines neutralen Ombudsmannes durchzuführen ist. Die Verwendung des Begriffs „Ombudsmann“ entspringt offenbar dem – in der mündlichen Verhandlung geäußerten - Gedanken, dass es zur Widerlegung der Vermutung des § 2 Abs. 3 Satz 2 WTG ausreicht, wenn die Mieterinnen bei der Regelung und Bewältigung ihrer Belange, insbesondere bei der Organisation der Wohngemeinschaft, von Dritten – nicht dem Vermieter oder Betreuungsdienstleister zuzurechnenden Personen – unterstützt werden. Dies entspricht jedoch gerade nicht dem mit der Vorschrift des § 2 Abs. 3 WTG verfolgten Zweck, der darin besteht, die Selbstbestimmungsmöglichkeit der Bewohner zu schützen und zu sichern, wenn ein Anbieter faktisch eine dominierende Stelle einnimmt. Dies gilt umso mehr, als die Bewohner, die vertraglich mit dem Anbieter des Wohnraums verbunden sind und der ihnen Betreuungsleistungen zusätzlich anbietet, nicht ohne weiteres einen anderen – externen – Anbieter wählen werden.
66Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung betreffend das Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform auf dem Gebiet des Heimrechts, LT-Drucks. 14/6972, S. 44,
67In der Gesetzesbegründung heißt es weiter, es sei Voraussetzung für den Ausschluss vom Geltungsbereich, dass die Bewohner von mindestens einer dritten Person oder Organisation unterstützt werden, ihre jeweiligen Anbieter frei zu wählen. Diese dritte Person müsse die Interessen aller betreuten Menschen in diesem Gebäude tatsächlich wahrnehmen. Die für die Überwachung zuständige Behörde, werde dann prüfen, ob durch die Beteiligung des Dritten tatsächlich sichergestellt ist, dass die Bewohner ihren Anbieter frei wählen bzw. bei Unzufriedenheit mit der Leistungserbringung auch zu einem anderen Anbieter wechseln können.
68LT-Drucks. 14/6972, S. 45,
69Dass tatsächlich eine unabhängige Beratung bei der Auswahl des Anbieters vor bzw. bei Einzug der Bewohnerinnen nicht stattgefunden hat, räumt die Klägerin selbst ein. Wie aus dem vorgelegten Beschluss des Mietergremiums vom 29.10.2011 und auch aus der Aussage der Zeugin S. hervorgeht, wurden einzelne Bewohnerinnen schon vor Einzug in das streitgegenständliche Gebäude durch die Klägerin pflegerisch betreut. Eine Beratung oder Unterstützung bei der Auswahl des Anbieters fand aber auch nach dem Einzug der Bewohnerinnen ersichtlich nicht statt. Dass aufgrund einer überzeugenden Leistungserbringung seitens der Klägerin möglicherweise kein Anlass bestanden hat, sich um die Leistungen anderer Anbieter zu bemühen, ist insoweit ohne Belang, weil es für das Schutzbedürfnis der Bewohner gleichgültig ist, ob die dominierende Stellung des Anbieters etwa auf einer günstigen Preiskalkulation oder einer überzeugenden Leistungserbringung beruht. Entscheidend ist vielmehr, dass die Einschränkung der tatsächlichen Wählbarkeit – hier gerade auch durch den Beschluss des Mietergremiums vom 29.10.2011, in dem sich die damaligen Mieterinnen wechselseitig zum Abschluss von Betreuungsverträgen mit der Klägerin verpflichtet haben – zu einer heimmäßigen Versorgung der Bewohner führt.
70Vorliegend kommt hinzu, dass aufgrund der konkreten Konzeption der Wohngemeinschaft unter Berücksichtigung der personellen Planung seitens der Klägerin und angesichts der geringen Anzahl der tatsächlichen Bewohnerinnen die Beauftragung bzw. Inanspruchnahme eines anderen Betreuungsdienstleisters durch einzelne Bewohnerinnen konzeptionell von der Klägerin nicht gewünscht sein dürfte.
71Aus dem Urteil des OVG NRW vom 09.07.2013 – 12 A 2623/12 – Juris folgt nichts Gegenteiliges. Soweit in dieser Entscheidung ausgeführt wird, es sei zu prüfen, ob die Anwendung des Gesetzes trotz Erfüllung der tatbestandlichen Vorgaben aus systematischen Gründen ausscheide, was dann der Fall sei, wenn die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Annahme, die tatsächliche Bindung aller Bewohner an einen mit dem Anbieter des Wohnraums rechtlich verbundenen Anbieter bedinge regelmäßig ein Schutzbedürfnis, ausnahmsweise deshalb nicht gelte, weil die Wohngemeinschaft ungeachtet dieser Sachlage als selbstorganisiert und selbstbestimmt (nach der geplanten Gesetzesnovellierung "selbstverantwortet") zu qualifizieren sei,
72OVG NRW vom 09.07.2013 – 12 A 2623/12 – a.a.O., Rn 67 ff,
73beziehen sich diese Ausführungen ersichtlich auf die – hier nicht einschlägige - Vorschrift des § 2 Abs. 2 WTG.
74Eine weitere Sachverhaltsaufklärung ist bei dieser Sachlage nicht erforderlich. Hinsichtlich des klägerseits gestellten Antrags, Frau E1. als Zeugin zu vernehmen und Herrn E1. gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 377 Abs. 3 Satz 3 ZPO zur Vernehmung zu laden, wird auf den in mündlicher Verhandlung verkündeten Beschluss verwiesen.
75Der Klageantrag zu 2) ist insgesamt mangels des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Die mit diesem Klageantrag beantragte Verpflichtung des Beklagten, verschiedene Feststellungen zu treffen, setzt jeweils das Nichtbestehen einer Einrichtung im Sinne des WTG bzw. die Unanwendbarkeit der Vorschriften des WTG auf das streitgegenständliche Projekt voraus. Damit zielt der Klageantrag auf Feststellungen, die in dem angefochtenen Bescheid gleichsam mit enthalten sind bzw. denklogisch aus dessen Aufhebung folgen würden und betrifft daher letztlich denselben Streitgegenstand wie der Klageantrag zu 1).
76Ungeachtet dessen ist die Klage auch unbegründet, weil der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf die einzelnen Feststellungen nicht zustehen. Denn wie aus den Ausführungen zur Unbegründetheit des Klageantrags zu 1) folgt, handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Wohnprojekt um eine Konstellation, in der das Wohn- und Teilhabegesetz Anwendung findet, woraus zugleich folgt, dass der Beklagte berechtigt ist, gegenüber der Klägerin heimaufsichtsrechtlichen Befugnisse, insbesondere solche gemäß §§ 18 ff WTG auszuüben, und die Klägerin verpflichtet ist, heimaufsichtsrechtlich aus dem WTG begründete Überwachungstätigkeiten zu dulden und Auskunfts-, Mitteilungs-, Anzeige- oder sonstige Mitwirkungspflichten zu erfüllen.
77Der Klageantrag zu 3) bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Dabei mag dahinstehen, ob die Vorschrift des § 2 Abs. 5 Satz 2 WTG, wonach - wenn ein Anbieter von Wohn- und Betreuungsleistungen dies gegenüber der zuständigen Behörde ausdrücklich beantragt hat - Art, Umfang und Dauer der Anwendung des Gesetzes in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt werden, dem Anbieter ein subjektives öffentliches Recht auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages und mithin auf das Eintreten in Verhandlungen hierüber einräumt. Denn jedenfalls setzt die Anwendung dieser Vorschrift voraus, dass sich ein nicht dem WTG unterworfener Anbieter freiwillig dem Geltungsbereich des Gesetzes unterstellen möchte,
78LT-Drucks. 14/6972 vom 11.6.2008, S. 45.
79Die Voraussetzung, dass das WTG auf das zu regelnde Wohn- und Pflegeangebot keine Anwendung findet, ist hier aber gerade nicht erfüllt.
80Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
81Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
82Beschluss:
83Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
84Gründe:
85Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 17. Juni 2014 - 26 K 4193/12
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Die Ladung der Zeugen ist von der Geschäftsstelle unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluss auszufertigen und von Amts wegen mitzuteilen. Sie wird, sofern nicht das Gericht die Zustellung anordnet, formlos übermittelt.
(2) Die Ladung muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien; - 2.
den Gegenstand der Vernehmung; - 3.
die Anweisung, zur Ablegung des Zeugnisses bei Vermeidung der durch das Gesetz angedrohten Ordnungsmittel in dem nach Zeit und Ort zu bezeichnenden Termin zu erscheinen.
(3) Das Gericht kann eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage anordnen, wenn es dies im Hinblick auf den Inhalt der Beweisfrage und die Person des Zeugen für ausreichend erachtet. Der Zeuge ist darauf hinzuweisen, dass er zur Vernehmung geladen werden kann. Das Gericht ordnet die Ladung des Zeugen an, wenn es dies zur weiteren Klärung der Beweisfrage für notwendig erachtet.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.