Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 09. Juli 2015 - B 3 K 15.50094
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom
2. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger, nach eigenen Angaben staatenloser Palästinenser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Syrien, wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und (ursprünglich) seine Abschiebung nach Italien angeordnet wurde.
Der Kläger reiste am ... 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... 2014 einen Asylantrag. Aufgrund eines sogenannten EURODAC-Treffers wurde am ... 2014 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an Italien gerichtet, auf das innerhalb der festgesetzten Frist von zwei Wochen keine Antwort beim Bundesamt einging.
Mit Bescheid vom
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.04.2015 wandte sich der Kläger an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte,
den Bescheid der Beklagten vom
Auf die Begründung der Klage wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom ... 2015 bestätigte die Beklagte, die Überstellungsfrist sei am ... 2015 abgelaufen und eine Abschiebung der Klägerseite sei bis dahin nicht erfolgt. Ziffer 2 des Bescheides vom
Mit Beschluss vom 08.07.2015
Bezüglich Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides (Abschiebungsanordnung nach Italien) gaben die Beteiligten übereinstimmende Erledigungserklärungen ab. Das Verfahren wurde insoweit abgetrennt und unter dem Az. B 3 K 15.50175 eingestellt.
Mit Schriftsätzen vom ... 2015 und ... 2015 erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
Ergänzend wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte im abgetrennten Verfahren B 3 K 15.50175 und die Gerichtsakte in diesem Verfahren verwiesen.
Gründe
Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat in der Sache Erfolg.
1. Die Klage ist hinsichtlich des in Ziffer 1 gestellten Aufhebungsantrags als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO gegen den auf §§ 34 a, 27 a AsylVfG gestützten Bescheid zulässig. Der Anfechtungsantrag gegen die Feststellung der Unzulässigkeit der Asylanträge ist statthaft und ausreichend zur Erlangung des vom Kläger erstrebten Rechtsschutzziels, der erneuten Aufnahme des Verwaltungsverfahrens durch die Beklagte (vgl. BayVGH, U. v. 28.02.2014 - 13a B 13.30295 -;
2. Die Klage hat in der Sache Erfolg. Der Bescheid des Bundesamtes vom
a. Der streitgegenständliche Bescheid ist mit dem - zwischen den Beteiligten unstreitigen - Ablauf der Überstellungsfrist rechtswidrig geworden und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Bescheid ist im maßgeblichen Zeitpunkt der hiesigen Entscheidung rechtswidrig, weil inzwischen nicht mehr Italien, sondern die Beklagte für die Prüfung der Asylanträge der Kläger zuständig ist. Die nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO maßgebliche Überstellungsfrist ist unstreitig abgelaufen. Hiervon geht auch das Bundesamt in seinem Schreiben vom ... 2015 aus. Der Kläger ist innerhalb dieser Frist nicht nach Italien überstellt worden. Dies hat zur Folge, dass die Zuständigkeit auf die Beklagte übergegangen ist (§ 29 Abs. 2 Dublin-III-VO). Damit ist der Ausspruch in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides rechtswidrig geworden.
Der rechtswidrig (gewordene) Bescheid verletzt den Kläger auch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar handelt es sich bei den Dublin-Regularien um objektive Zuständigkeitsvorschriften, die grundsätzlich keine subjektiven Rechte der Asylantragsteller begründen. Diese haben grundsätzlich kein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in einem bestimmten oder in dem für sie zuständigen Staat (vgl. VGH BW, B. v. 06.08.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Der Kläger ist jedoch durch die Aufrechterhaltung der rechtswidrig gewordenen Regelung unter Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides in seinem subjektiven Recht auf ordnungsgemäße Prüfung seines Asylbegehrens in der zuständig gewordenen Bundesrepublik Deutschland verletzt (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO, Art. 16 a Abs. 1 GG). Dieses Recht ist verletzt, wenn sich die Beklagte auch nach Ablauf der Überstellungsfrist weiter auf die zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses bestehende Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedsstaats beruft. Für die Rechtsverletzung kommt es nicht darauf an, ob der Fristablauf für die Kläger nunmehr ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland begründet. Durch den Fristablauf wird das Verfahren gleichsam in den Zustand zurückversetzt, in dem es sich bei Antragstellung in Deutschland befunden hat. Damit lebt die Pflicht der Beklagten zur Behandlung des Asylantrags wieder auf. Im Anschluss daran muss die Beklagte prüfen, ob es sich um einen Erst- oder um einen Zweitantrag handelt (vgl. VG Regensburg, U. v. 14.11.2014 - RN 5 K 14.30340 -; VG Würzburg, U. v. 27.11.2014 - W 3 K 13.30553 - beide juris). Es geht im Ergebnis nicht um eine unionsrechtlich determinierte Zuständigkeitsbestimmung, der die subjektive Komponente fehlt, sondern um die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens im innerstaatlichen Bereich (vgl. VG Hannover, U. v. 22.04.2014 - 1 A 9674/14 - juris).
b. Soweit sich die Beklagte im Schreiben vom ... 2015 auf das (nunmehrige) Vorliegen eines Zweitantrags und auch die Möglichkeit einer Umdeutung gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG beruft, wird darauf hingewiesen, dass eine Umdeutung des „Dublin-Bescheides“ vom 09.04.2015 in eine ablehnende Sachentscheidung über einen Zweitantrag nach § 71 a AsylVfG nicht in Betracht kommt. Dies ist zwischenzeitlich obergerichtlich geklärt (BayVGH, B. v. 23.01.2015 - 13a ZB 14.50071 -; BayVGH, B. v. 02.02.2015 - 13a ZB 14.50068 -; VGH Baden-Württemberg, B. v. 19.01.2015 - A 11 S 2508/14 - alle juris).
Ergänzend ist hinzuzufügen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 30.03.2015
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 09. Juli 2015 - B 3 K 15.50094
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 09. Juli 2015 - B 3 K 15.50094
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 09. Juli 2015 - B 3 K 15.50094 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
I.
Der am ... 1988 geborene ledige Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger. Er wurde bei einer Polizeikontrolle eines aus Italien kommenden Reisebusses am Grenzübergang K. am 13. September 2013 angetroffen. Er führte eine Aufenthaltsgestattung der Republik Italien, ausgestellt am 7. August 2013 mit Gültigkeit für die Zeit vom 23. Juni 2013 bis 22. Januar 2014 zur Durchführung des Asylverfahrens sowie eine Fahrkarte von Bari nach F. ... mit sich. Eine Überprüfung ergab zwei Eurodac-Treffer für Italien.
Der Kläger wurde am
Der Kläger wurde zunächst in Abschiebehaft genommen, die am
Mit Bescheid vom
Der Bescheid wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am
II.
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger am
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, Italien verstoße im Umgang mit Asylsuchenden gegen europäisches und internationales Recht. Der Kläger habe dies bereits am eigenen Leib erfahren; seit Juli 2013 sei er obdachlos und ohne jegliche staatliche Unterstützung gewesen. Nachdem er seine negative Asylentscheidung (Bescheid des „Ministero dell‘ Interno“ vom 27. Juni 2013) erhalten habe, habe der Kläger die Aufnahmeeinrichtung verlassen müssen und sei sich selbst überlassen geblieben. Wenn der Kläger gegen den Bescheid hätte vorgehen wollen, hätte er einem Rechtsanwalt eine Vorauszahlung in Höhe von 500,00 Euro leisten müssen. Diese Summe habe der Kläger nicht aufbringen können. Bis zu seiner Flucht nach Deutschland sei der Kläger obdachlos gewesen und habe nur durch Teilnahme an kirchlichen Armenspeisungen sowie durch Betteln überleben können.
Der gleichzeitig gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss vom 14. Januar 2014
Eine Abschiebung des Klägers nach Italien ist nicht erfolgt.
Für die Beklagte beantragte das Bundesamt,
die Klage abzuweisen.
Zwar sei die Überstellungsfrist abgelaufen und eine Abschiebung des Klägers nach Italien nicht erfolgt. Eine Aufhebung des Bescheides komme dennoch nicht in Betracht. Der in der Bundesrepublik gestellte Asylantrag stelle sich als Zweitantrag im Sinne von § 71 a AsylVfG dar. Die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens komme nur in Betracht, wenn die Bundesrepublik für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorlägen. Beides sei nicht der Fall. Allein der Ablauf der Überstellungsfrist rechtfertige die Aufhebung des Bescheides nicht.
Wenn ein früheres Asylverfahren in einem anderen Mitgliedsstaat bereits zur Zuerkennung subsidiären europarechtlichen Schutzes geführt habe, ergebe sich die Unzulässigkeit des Antrags schon aus § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Falls ein früheres Asylverfahren erfolglos abgeschlossen worden sei und Wiederaufgreifensgründe nicht vorlägen, könne die Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides nicht verlangt werden, weil dies der Klägerseite gegenüber einer Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens keinen rechtlichen Vorteil bringe und es insofern am Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung fehle.
Jedenfalls lägen auch die Voraussetzungen der § 47 Abs. 1 VwVfG für eine entsprechende Umdeutung des Bescheides vor. Die Aus- bzw. Weiterreise des Klägers nach Deutschland sei zudem als ausdrückliche oder konkludente Beendigung des Asylverfahrens im anderen Mitgliedsstaat zu verstehen. Auch wenn man dies ausnahmsweise anders sehen sollte, wäre der vorliegende Asylantrag unzulässig. Parallele Prüfungsverfahren in verschiedenen Mitgliedsstaaten seien rechtlich nicht möglich. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO könne ein Antrag auf internationalen Schutz zulässigerweise immer nur jeweils in einem einzigen Mitgliedsstaat geprüft werden.
Die Parteien erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt und auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Mit Einverständnis der Parteien konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das Gericht legt gemäß § 88 VwGO das Klagebegehren als Anfechtungsklage aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Asylrechtsklagen in aller Regel davon auszugehen, dass der jeweilige Kläger das für ihn typischerweise weitestgehende Rechtsschutzziel mit den für ihn jeweils günstigsten Rechtsschutzformen anstrebt (BayVGH, U. v.28.2.2014 -13a B 13.30295 - Rn.22, juris). Vorliegend ist die Anfechtungsklage geeignet und ausreichend, das Rechtsschutzziel des Klägers zu erreichen. Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 5. November 2014 beim Bundesamt unter Verweis auf den Ablauf der Überstellungsfrist am 4. November 2014 die Aufhebung des Bescheides vom 9. Dezember 2013 beantragt, weil die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen sei. Eines Ausspruchs des Gerichts, dass die Beklagte für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig ist, bedarf es nicht. Denn mit einer Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides ist das Bundesamt bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (BayVGH, U. v. 28.2.2014, a. a. O.).
Die statthafte Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Der Kläger ist auch klagebefugt, weil er geltend machen kann, in seinem Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens gemäß Art. 16a Abs. 1 GG bzw. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-VO) verletzt zu sein.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Der Bescheid vom
Die objektive Rechtswidrigkeit des Bescheides verletzt den Kläger auch in seinen Rechten. Der Kläger hat gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO bzw. Art. 16a Abs. 1 GG ein subjektiv-öffentliches Recht auf die Durchführung eines Asylverfahrens. Dieses Recht ist verletzt, wenn sich die Beklagte auch nach Ablauf der Überstellungsfrist weiter auf die zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bestehende Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedsstaats beruft.
Für die Rechtsverletzung kommt es nicht darauf an, ob der Fristablauf für den Kläger nunmehr ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland begründet. Denn durch den Fristablauf wird das Verfahren gleichsam in den Zustand zurückversetzt, in dem es sich bei Antragstellung in Deutschland befunden hat. Damit lebt die Pflicht der Beklagten zur Behandlung des Asylantrages wieder auf. Im Anschluss daran muss die Beklagte prüfen, ob es sich um einen Erst- oder um einen Zweitantrag handelt.
Vorliegend dürfte es sich um einen Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylVfG handeln. Zwar haben die italienischen Behörden mitgeteilt, sie seien gemäß „Art. 16 Abs. 1 Buchst. c)“ Dublin II-VO für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig. Der Kläger hat während des Klageverfahrens eine negative Asylentscheidung des Ministero dell‘ Interno vom 27. Juni 2013 vorgelegt, wonach ihm kein internationaler Schutz zuerkannt wird. Somit dürfte ein Fall des Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) Dublin II-VO vorgelegen haben.
Eine Umdeutung des Bescheides vom
Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und -form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen zwischen der umzudeutenden und der durch die Umdeutung erzeugten Regelung keine wesentlichen rechtlichen Unterschiede bestehen, d. h. der neue Verwaltungsakt muss die gleiche materiell-rechtliche Tragweite besitzen (BVerwG, U. v. 28.2.1975 - IV C 30.73
Hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheides vom
Sobald jedoch die Überstellungsfrist abgelaufen ist, kommt die von der Beklagten beabsichtigte Umdeutung nicht in Betracht, denn der Ablauf der Frist verändert in maßgeblicher Hinsicht die materiell-rechtliche Tragweite einer Entscheidung nach § 71a AsylVfG. Ab diesem Zeitpunkt verneint der Bescheid nach § 71a AsylVfG nämlich Wiederaufgreifensgründe und zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse. Die Beklagte müsste nämlich im Rahmen des Zweitantrages, für den sie im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylVfG zuständig ist, nicht nur die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, sondern gemäß § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 24 Abs. 2 AsylVfG auch die zielstaatbezogenen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG prüfen. Damit würde aber der Bescheid ganz andere Rechtswirkungen erhalten, die in dem ursprünglichen Ausgangsbescheid keine Rolle gespielt haben und somit auch darin nicht enthalten waren. Deshalb scheitert die von der Beklagten vorgenommene Umdeutung der Ziffer 1 des Bescheides bereits an der Zielgleichheit des Umdeutungsergebnisses.
Aus dem gleichen Grund kann auch die Abschiebungsanordnung nach Italien nach § 34a AsylVfG nicht in eine Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland des Klägers umgedeutet werden. Auch hier fehlt es offensichtlich an der Zielgleichheit des Umdeutungsergebnisses. Zudem wäre die Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat gegenüber der Abschiebung in den Mitgliedsstaat eine vergleichsweise ungünstigere Rechtsfolge. Somit steht § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG der Umdeutung entgegen.
Schließlich scheitert eine Umdeutung des Bescheides vom
Nachdem die Umdeutung des streitgegenständlichen Bescheides ausscheidet, erlangt der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten durch die Aufhebung des Bescheides auch einen rechtlichen Vorteil. Denn nach Aufhebung des Bescheides ist die Beklagte verpflichtet, das Verwaltungsverfahren wiederaufzunehmen.
Das Gericht kann die Voraussetzungen für eine Umdeutung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren auch nicht herbeiführen. Zwar hat das Gericht grundsätzlich die Sache spruchreif zu machen. Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz findet allerdings auf behördliche Entscheidungen, die auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, nach Ansicht der Kammer keine Anwendung (vgl. auch BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 -; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - beide: juris). Denn wenn das Asylbegehren in der Sache noch gar nicht geprüft worden ist und das Gericht verpflichtet wäre, die Sache spruchreif zu machen, ginge der Klagepartei eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Außerdem würde ein Durchentscheiden des Gerichts dazu führen, dass es nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern sich anstelle der Exekutive erstmalig selbst mit dem Antrag sachlich auseinandersetzen und entscheiden würde. Dies wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 GG zumindest bedenklich.
Somit war der streitgegenständliche Bescheid mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG aufzuheben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. November 2014 - A 6 K 202/14 - wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.