Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 23. Apr. 2015 - AN 3 K 13.02087, AN 3 K 13.02088

bei uns veröffentlicht am23.04.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Das Urteil ist insoweit gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beigeladene ist Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. ... und ..., D-straße ... und ... in ...

Mit Vorauszahlungsbescheiden vom 18. Juli 2008 und 31. Juli 2009 hat die Klägerin für das Grundstück Fl.Nr. ... Vorauszahlungen auf den Beitrag für den Ausbau der D-straße i. H. v. 6.117,47 EUR und 2.725,13 EUR festgesetzt, mit Bescheiden vom selben Tag für das Grundstück Fl.Nr. ... Vorauszahlungen i. H. v. 2.571,53 EUR und von 1.145,53 EUR.

Nach einem Planentwurf für den Ausbau der D-straße endet der Ausbau auf der südlichen Seite der D-straße etwa an der östlichen Grenze des Grundstücks Fl.Nr. ... und auf der nördlichen Seite der D-straße in Höhe der Mitte des Grundstücks Fl.Nr. ...

Gegen die Vorauszahlungsbescheide vom 18. Juli 2008 haben die Bevollmächtigten des Beigeladenen Widerspruch eingelegt, auf Nachfrage des Landratsamtes ... vom 18. Mai 2010 wurde dem Bevollmächtigten mit Schreiben vom 20. Mai 2010 mitgeteilt, dass die Gemeinde ... in dieser Angelegenheit bislang keinen Widerspruch zur Entscheidung vorgelegt habe, da seitens der Gemeinde beabsichtigt sei, noch im Laufe des Monats die endgültigen Beitragsbescheide zu erlassen.

Mit Bescheiden vom 23. Dezember 2010 hat die Klägerin für den Ausbau der D-straße für das Grundstück Fl.Nr. ... einen (endgültigen) Beitrag i. H. v. 8.987,22 EUR und für das Grundstück Fl.Nr. ... einen solchen i. H. v. 3.777,86 EUR festgesetzt.

Gegen diese Bescheide erhoben die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung, dass das Abrechnungsgebiet falsch ermittelt bzw. die Abschnittsbildung fehlerhaft geändert worden sei. Mit weiterem Schreiben vom 15. Juni 2012 wurde ergänzend ausgeführt, dass die Beitragsberechnung teilweise nicht nachvollziehbar sei und der nach § 7 Abs. 2 ABS von der Klägerin zu tragende Anteil bei 2 Positionen nicht satzungskonform und zu niedrig angesetzt worden sei.

Mit Schriftsatz vom 24. April 2013 teilte das Landratsamt ... der Klägerin mit, dass die Auffassung der Klägerin, dass es sich bei der D-straße bis zum Grundstück des Beigeladenen um eine historische Straße gehandelt habe, wohl nicht richtig sei. Nach den vorliegenden Unterlagen sei bis in die 70er Jahre eine gehäufte Bebauung nur entlang der Teilstrecke von der Einmündung der D-straße in die R.-Straße bis hin zur Kirche im Norden (Fl.Nr. ...) und allenfalls der Scheune „...“ (Fl.Nr. ...) im Süden der D-straße vorhanden gewesen, so dass die D-straße nur in diesem Bereich Erschließungsfunktion gehabt habe. Östlich dieses „historischen Ortsrandes“ habe sich danach zum damaligen Zeitpunkt nur eine sehr vereinzelte Bebauung befunden, der weitaus größte Teil der Grundstücke in diesem Bereich sei dagegen unbebaut gewesen. Damit könnte derzeit auch nur das Teilstück der D-straße von ihrem Beginn im Westen bis zur Kirche bzw. der „Scheune ...“ nach Straßenausbaubeitragsrecht abgerechnet werden. Bei der nach Osten weiterführenden Teilstrecke handele es sich nach Auffassung des Landratsamtes um eine eigene Erschließungsanlage, die zumindest bis zu ihrem teilweisen Ausbau im Jahre 1973 und 1980 noch nicht endgültig hergestellt gewesen sei. Ob die fraglos rechtswidrige Abrechnung dieser Maßnahmen nach Ausbaubeitragsrecht im Jahr 1983 dazu führen könne, dass eine Einbeziehung der „ausgebauten“ östlichen Teilstrecke in die jetzige Abrechnung rechtlich überhaupt möglich sei und ob die Maßnahmen nach Art und Umfang zumindest zur erstmaligen endgültigen Herstellung dieses Straßenabschnitts geeignet und ausreichend seien, könne jedoch dahin stehen, da sich dieses strittige Teilstück und die historische Straße auch nach dem verfahrensgegenständlichen Ausbau nicht als einheitliche Anlage darstellen würden.

Was als Erschließungsanlage anzusehen sei, bestimme sich nach dem durch tatsächliche Gegebenheiten geprägten Erscheinungsbild. Entscheidend sei der durch die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermittelte Gesamteindruck, der nicht durch Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder Einmündungen anderer Straßen, sondern vielmehr durch die Straßenführung, Länge, Breite und Ausstattung bestimmt werde. Unter Beachtung dieser Grundsätze ergäben sich nach einer bereits im August 2011 durchgeführten Ortseinsicht für eine Abgrenzung der Anlage auf Höhe der D-straße ... bei natürlicher Betrachtungsweise keine Anhaltspunkte. Dass die Entwässerungsrinne am südlichen Straßenrand auf Höhe dieses Anwesens ende, sei für die vorgenommene Anlagenbildung nicht ausreichend. Im Hinblick auf den Ausbauzustand und die einheitliche Ausgestaltung scheine die Anlage eher in der A-straße ihre Fortsetzung zu finden, als in dem 1973/80 ausgebauten Teilstück der D-straße. Die Abgrenzung der Anlage müsse deshalb nach Auffassung des Landratsamtes entsprechend dem Ausbauzustand erfolgen, so dass nur die Grundstücke zum Ausbaubeitrag heranzuziehen wären, die auch an der tatsächlich ausgebauten D-straße anliegen würden. Eine anderweitige Beurteilung sei mangels Ausbauprogramms nicht möglich.

Mit Schriftsatz vom 23. August 2013 führte die Klägerin hierzu aus, auch nach nochmaliger Inaugenscheinnahme vor Ort, insbesondere auch durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, komme man nach natürlicher Betrachtungsweise zu dem Ergebnis, dass die D-straße nach Osten weiter verlaufe, dafür würden insbesondere die Straßenführung (sichtbare Fortführung) sowie die identische Ausstattung mit Teilanlagen sprechen. Möglicherweise vertretbar wäre allenfalls eine Variante, wonach wegen der gestalterischen Unterbrechung der Fahrbahndecke durch den Pflasterbelag im Kreuzungsbereich davon auszugehen wäre, dass drei Anlagen vorlägen, nämlich D-straße Westteil, D-straße Ostteil und A-straße.

Da die Erschließungsanlage D-straße über die Einmündung der A-straße hinaus reiche, sei das östliche Ende des bereits erstmalig hergestellten Bereichs festzustellen. Es sei dabei davon auszugehen, dass die Einrichtung ab Einmündung „W.-Straße“ bis ca. zur Mitte des Grundstücks Fl.Nr. ... (Ende der südlichen Entwässerung) als bereits erstmalig hergestellt zu werten sei. Auch der Verlauf der Straße zeige, dass die Einrichtung nicht vor dem Anwesen Haus-Nr. ... auf Fl.Nr. ... ende. Die Tatsache, dass im Jahr 1983 durch die Gemeinde ... möglicherweise damals geltendes Beitragsrecht verletzt worden sein könnte, begründe keinerlei Vertrauensschutz in die Beibehaltung dieser möglicherweise fehlerhaften Abrechnung. Im Gegenteil, die Gemeinde ... sei zu rechtmäßigem Handeln verpflichtet, auch wenn dies - wie in diesem Fall - zu Unverständnis seitens des Beitragsschuldners führen könne.

Des Weiteren wurde ausgeführt, Fl.Nr. ... sei zum größten Teil Bestandteil der öffentlichen Einrichtung „Friedhof ...“. Längs der nördlichen Grundstücksgrenze verlaufe außerdem ein öffentlicher Fußweg am ... entlang. Das Grundstück Fl.Nr. ... sei schon bei der Erweiterung des Friedhofs 1992 vom Grundstück ... weggemessen und mit Friedhofsmauer, Anbau an Aussegnungshalle etc. überbaut worden. Vom Grundstück Fl.Nr. ... aus sei Fl.Nr. ...aufgrund der ca. 3 m hohen Betonwand und Auffüllung nicht mehr betretbar. Fl.Nr. ... läge im Außenbereich.

Eine Überprüfung der in Ansatz gebrachten Positionen zur Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands habe ergeben, dass in einem Fall die Wiederherstellung eines Zauns ohne rechtliche Verpflichtung der Gemeinde erfolgt sei und die daraus resultierenden Kosten zu Unrecht in den beitragsfähigen Aufwand eingerechnet worden seien. Aus diesem Grund sei der Aufwand für die Gehbahn um 3.898,64 EUR zu mindern. Da die Gehbahnen mit einem Eigenanteil der Gemeinde von 35% abgerechnet würden, ermäßige sich der Anteil der Beitragsschuldner hieraus um 2.534,12 EUR. Die Grünanlagen mit einem beitragsfähigen Aufwand von 3.024,35 EUR seien mit einem Eigenanteil von 20% abgerechnet worden, der Eigenanteil nach Satzung betrage aber 35%. Damit vermindere sich der Anteil der Beitragspflichtigen um weitere 453,65 EUR. Insgesamt vermindere sich der Anteil der Beitragspflichtigen also um 2.987,77 EUR, der Beitragsmaßstab vermindere sich auf 4,0614 EUR/m². In diesem Umfang sei den Widersprüchen stattzugeben, ansonsten sei er zurückzuweisen.

Jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2013 hob das Landratsamt ... die Bescheide der Klägerin vom 23. Dezember 2010 auf.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Straßenausbauplan des VNI Ingenieurbüros vom 8. März 2007 sei der Ausbau der D-straße - im Westen unmittelbar anschließend an die Rückbaumaßnahme der B2 beginnend - lediglich bis zur nordöstlichen Ecke des Grundstücks Fl.Nr. ... bzw. bis zum östlichen Ende der befestigten Zufahrt auf Fl.Nr. ... vorgesehen gewesen, das tatsächliche Ausbauende liege aber ca. 13 m weiter östlich. In ihrem weiteren Verlauf nach Osten weise die D-straße deutliche Abnutzungserscheinungen auf und befinde sich insgesamt in einem erneuerungs- bzw. verbesserungsbedürftigen Zustand. Nach der gemeindlichen Ausbauplanung habe die D-straße einen durchgehenden (bis zum Ausbauende einheitlichen) Fahrbahnbelag erhalten sollen. Abweichend von dieser Planung sei die Fahrbahndecke im Kreuzungsbereich jedoch mit einem Pflasterbelag versehen worden, der zu den angrenzenden asphaltierten Straßen zudem noch mit Graniteinzeilern eingefasst und abgegrenzt worden sei. Ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise werde die D-straße in ihrem Verlauf durch diese platzartige Ausgestaltung des Kreuzungsbereichs unterbrochen, so dass nach dem tatsächlichen, von der Planung abweichenden Ausbau der Eindruck von 3 eigenständigen Einrichtungen (D-straße West, D-straße Ost, A-straße) entstehe, die in diesem Bereich aufeinander treffen und sich als augenfällig abgegrenzte Elemente des örtlichen Straßennetzes und damit als selbstständige Einrichtungen darstellen würden. Der auf dem kurzen Teilstück weitergeführte Ausbau der D-straße östlich des Kreuzungsbereichs vermöge an dieser Beurteilung nichts zu ändern, da dieser Abschnitt als Anschlussbereich an die Einrichtung „D-straße Ost“ zu sehen sei. Auch von Osten kommend vermittle die Gestaltung dieses Bereichs nicht zwingend den Eindruck, dass die Anlage ihre Fortsetzung in der D-straße (westlicher Teil) finde. Auch hier sei die optische Trennung durch den Wechsel des Straßenbelags und die Granitsteinreihen augenfällig. Da somit die herangezogenen Grundstücke nicht an der ausgebauten Straße, sondern an der eigenständigen Einrichtung „D-straße Ost“ angrenzen würden, fehle es an dem die Beitragspflicht auslösenden Sondervorteil, die Grundstücke hätten demnach nicht herangezogen werden dürfen.

Jeweils mit am 9. Dezember 2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen vom 7. Dezember 2013 erhob die Klägerin Klage mit den Anträgen,

den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 6. November 2013 betreffend die Bescheide der Klägerin vom 23. Dezember 2010, Flurstück Nrn. ... und ... aufzuheben.

Mit Schriftsatz vom 7. März 2014 wurde zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der gerichtliche Augenschein am 15. April 2014 werde zeigen, dass die platzartige Ausgestaltung des Kreuzungsbereichs die D-straße nicht unterbreche. Dass die D-straße im westlichen Bereich an der Einmündung der R.-Straße beginne, bedürfe keiner weiteren Begründung. Auch der weitere Verlauf in östlicher Richtung sei auf einer Länge von ca. 180 m nicht durch einmündende Straßen unterbrochen. Die erste Einmündung komme nach ca. 185 m durch die A-straße, die in einem nahezu rechten Winkel aus Norden auf die D-straße treffe. Schon durch das Ende des asphaltierten Bereichs, aber auch durch die gegenüberliegende Bebauung, habe der unbefangene Betrachter den Eindruck, dass die A-straße hier ende und in eine andere Straße einmünde.

Wenn man dagegen von Osten bzw. Westen die D-straße entlang fahre, lasse der Straßenverlauf, insbesondere die Führung des einzeiligen Pflasterstreifens, einen unbefangenen Betrachter jeweils geradeaus weiterfahren. Das Pflaster führe zu keiner auffälligen Trennung, weder am Beginn des Pflasters noch in der Weiterführung habe man den Eindruck, die Straße ende. Das Landratsamt müsste auch erklären, wo genau die Anlage dort enden sollte. Am Beginn der Pflasterung hätte der unbefangene Betrachter nicht schon den Eindruck, dass die Anlage dort ende und wo dann bei dieser Auffassung der Platz beginne und wieder ende wäre ebenfalls unklar, was auch die vorgelegten Lichtbilder belegen würden. Die D-straße gehe daher nach natürlicher Betrachtung über die Einmündung der A-straße hinaus weiter in östlicher Richtung als einzelne Ortsstraße.

Am 15. April 2014 nahm die Kammer die Örtlichkeiten der D-straße in Augenschein. Aufgrund dieses Augenscheins hatte das Gericht mit Beschluss vom 28. April 2014 zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, der jedoch von der Klägerin nicht angenommen worden ist.

Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2015 legte die Klägerin einen Plan vor, aus dem sich ergibt, dass sich auf dem Grundstück D-straße ... seit 1820 ein Nebengebäude und auf dem Grundstück D-straße ... seit 1820 ein Stallgebäude befunden hätten. Auf Grundstück Fl.Nr. ... befand sich wohl eine Gerätehalle. Die Grundstücke D-straße ... und ... wurden seit 1983, 1975 und 1976 mit Wohnhäusern bebaut. Die Grundstücke A-weg ... und D-straße ... wurden seit ca. 1948 bzw. 1940 zu Wohnzwecken genutzt.

Hinsichtlich des Ausbauzustandes 1961 wurde ausgeführt, die D-straße sei bis 1958 wassergebunden gewesen. In diesem Jahr sei anlässlich des Bischofsbesuchs in Hand- und Spanndiensten als Fahrbahn eine Teerschwarte aufgebracht worden. Der Untergrund sei abgezogen worden. Es sei kein Frostschutz eingebaut worden. Auf Teilstrecken seien Granitsteine am Rand gesetzt worden. Die Entwässerung sei durch Ablauf im Gefälle erfolgt. Dieser Ausbau habe bei Fl.Nr. ... geendet. Weiter sei eine schmalere einspurige Schwarte ohne Randbefestigung bis D-straße ... gezogen worden. Weiter ostwärts sei die wassergebundene Decke geblieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere der Niederschriften über die Augenscheinseinnahme und die mündliche Verhandlung und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet, da das Landratsamt ... mit den Widerspruchsbescheiden vom 6. November 2013 im Ergebnis zu Recht die Straßenausbaubeitragsbescheide betreffend den Beigeladenen vom 23. Dezember 2010 aufgehoben hat und die Klägerin damit nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Entgegen der Auffassung des Landratsamtes ... handelt es sich bei der D-straße beginnend bei der Einmündung im Westen in die W.-Straße nach Osten folgend um einen durchgehenden Straßenzug und sie wird nicht etwa im Kreuzungsbereich mit der „A-straße“ aufgrund einer besonderen Gestaltung des Kreuzungsbereichs deshalb in zwei Anlagen geteilt. Wie weit eine Ortsstraße reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich nicht nach den Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie Straßenausstattung vermitteln. Aufgrund dieser natürlichen Betrachtungsweise hat der Augenschein am 15. April 2014 nach Auffassung der Kammer eindeutig ergeben, dass es sich bei dem Straßenzug der D-straße beginnend im Westen von der Einmündung in die W.-Straße folgend nach Osten um einen Straßenzug handelt, der nicht aufgrund der besonderen Gestaltung des Kreuzungsbereichs „A-straße“ schon dadurch in zwei Anlagen aufgeteilt wird. Wenn man im westlichen bzw. östlichen Teil der D-straße steht und in die jeweilig entgegengesetzte Richtung blickt, so entsteht nicht der Eindruck, dass trotz der Gestaltung des Kreuzungsbereichs durch Pflasterung dadurch jeweils eine Straße endet. Es handelt sich bei der Gestaltung des Kreuzungsbereichs nicht etwa um eine platzartige Aufweitung, die zu einer deutlichen Zäsur führen würde und praktisch eine eigene Anlage darstellen würde, sondern es wird lediglich der Kreuzungsbereich optisch anders gestaltet, ohne dass dieser wirklich an der Straßenführung etwas ändern würde. Diesen Eindruck verstärken auch die angebrachten Granitsteinreihen zu beiden Seiten der D-straße, denn sie führen auf der südlichen Seite im Bereich des Anwesens D-straße ... durchgehend nach Osten weiter, während sie auf der nördlichen Seite im Kreuzungsbereich zum einen der Straßenführung der „A-straße“ folgen bzw. sich nach Westen und Osten dem Verlauf der D-straße folgend fortsetzen. An keiner Stelle der D-straße entsteht somit der Eindruck, auch wenn es im Bereich des Anwesens Hausnummer ... einen leichten Verschwenk gibt, dass es sich nicht um einen einheitlichen Straßenzug handeln würde.

Nach Auffassung der Kammer kann die D-straße abweichend von dieser natürlichen Betrachtungsweise aus Rechtsgründen nicht in zwei Anlagen aufgeteilt werden.

Dies wäre dann der Fall, wenn ein Teil der D-straße als historische Straße angesehen werden müsste. Aus beitragsrechtlichem Blickwinkel liegt eine - nicht nach § 127 ff. BauGB abrechenbare - historische Straße vor, wenn diese zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck endgültig hergestellt war. Wie sich aus einem mit Schreiben vom 13. Januar 2015 vorgelegten Lageplan von 1820 ergibt, dürfte die heutige D-straße bis zum Grundstück des Beigeladenen Fl.Nr. ..., D-straße ..., Erschließungsfunktion gehabt haben. Dies führt jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht zwingend zum Vorliegen einer historischen Straße, hinzukommen muss ein Ausbauzustand der Straße, der zu ihrer endgültigen Herstellung geführt hat. Da sich die Klägerin auf das Vorliegen einer historischen Straße beruft, trägt sie hierfür auch die Beweislast (vgl. BayVGH v. 19.12.2008 - 6 ZB 06.2753; juris). Diesen Nachweis ist die Klägerin nach Auffassung des Gerichts schuldig geblieben. Die Klägerin legte lediglich mit Schriftsatz vom 13. Januar 2015 in einer angefügten Anlage vor, dass die D-straße bis 1958 wassergebunden gewesen, kein Frostschutz vorhanden gewesen sei und eine Straßenentwässerung vollends gefehlt habe. Welche Merkmale eine Straße aufweisen musste, um nach dem bis zum 29. Juni 1961 geltenden Recht als endgültig hergestellt gelten zu können, bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung nach den landesrechtlichen und örtlichen straßenbaurechtlichen Vorschriften sowie städtebaulichen Regelungen, nach etwaigen Richtlinien für den Abschluss von Straßenkosten und Sicherungsverträgen, nach der erkennbar gewordenen Straßenplanung der Gemeinde und falls es an dahingehenden Unterlagen fehlt, nach den örtlichen Verkehrsbedürfnissen (BayVGH v. 29.5.2008 - 6 CS 08.461; juris). Mangels anderer erkennbarer Umstände hat in Bayern für solche Anlagen, deren Fertigstellung vor dem Inkrafttreten des BBauG am 30. Juni 1961 zu prüfen ist, die Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern (IME) vom 6. August 1936 (MABl. 1998, S. 627 - Matloch/Wiens „Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, 46. Ergänzung, RdNr. 181) gegolten.

Danach waren etwa ab dem Jahre 1940 sowohl ein frostsicherer Unterbau als auch eine Straßenentwässerung erforderlich. Diesen Ausbauzustand hat die D-straße bis 1958 offensichtlich nie gehabt. Ob diese Merkmale auch für solche Straßen gelten, die schon vor Geltung der Bayerischen Bauordnung von 1901, die Straßensicherungskosten vorgesehen hat, gegolten haben, kann dahingestellt bleiben, da die Klägerin zum Zustand der heutigen D-straße im Bereich zwischen Einmündung in die W.-Straße und Grundstück Fl.Nr. ... für diesen Zeitraum keine Angaben gemacht hat, also nicht ersichtlich ist, welchen Ausbauzustand diese Straße auch in früheren Zeiten gehabt hat. Legt man die Angaben in der Anlage zum Schriftsatz vom 13. Januar 2015 zugrunde, erscheint jedoch zweifelhaft, ob die D-straße im genannten Bereich jemals einem notwendigen Ausbauzustand, so wegen des Fehlens jeglicher Entwässerungsanlagen, entsprochen hat mit der Folge, dass dann die heutige D-straße im gesamten Bereich von der Einmündung in die W.-Straße im Westen nach Osten folgend niemals erstmalig hergestellt gewesen ist, also auch keine Aufspaltung der D-straße in eine historische Straße und eine weitere Anlage möglich ist. Dies hat des Weiteren zur Folge, dass dann die D-straße bis heute noch nicht erstmals endgültig hergestellt worden ist, da der Ausbau im östlichen Bereich, so wie er sich derzeit darstellt - fehlende Gehsteige, teilweise fehlende Entwässerung - keine endgültige Herstellung darstellt, mithin die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden ist, also Beiträge auch nicht erhoben werden konnten.

Selbst für den Fall, dass ein Teil der heutigen D-straße als historische Straße anzusehen wäre, hat das Landratsamt ... die Bescheide vom 23. Dezember 2010 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Mit Sicherheit erfasst der Bereich einer historischen Straße, der den Bescheiden vom 23. Dezember 2010 zugrunde liegt, nicht den Straßenteil, der vor den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ...liegt. Diese Grundstücke waren unbebaut, ebenso das Grundstück Fl.Nr. ..., und die Grundstücke Fl.Nrn. ... (A-straße ...) und ... (D-straße ...) wurden ursprünglich ca. 1948 bzw. 1940 zu Wohnzwecken genutzt und bebaut. Dies bedeutet, dass die D-straße im Bereich der genannten Grundstücke keine zum Anbau bestimmte Erschließungsstraße gewesen ist, da dieser Bereich insoweit nach heutigen Maßstäben als Außenbereich zu qualifizieren gewesen wäre und die Straße im Bereich der Grundstücke Fl.Nrn. ... und ...den damaligen Ausbaukriterien nicht annähernd entsprochen hätte, da auch heute noch eine Straßenentwässerung insoweit fehlt. Hinzu kommt, dass das Bauprogramm der Klägerin für den Ausbau der D-straße nach den vorliegenden Plänen vom 8. März 2007 an der östlichen Grundstücksgrenze von Fl.Nr. ... und auf der nördlichen Seite der D-straße in Höhe der Mitte des Grundstücks Fl.Nr. ... endet. Gleichwohl hat die Klägerin den Ausbau der D-straße um 13 m nach Osten verlängert, etwa bis zum Grundstück D-straße .... Möglicherweise geht die Klägerin im Grunde selbst davon aus, dass dann, wenn überhaupt von einem historischen Teil der D-straße ausgegangen werden könnte, dieser bei Grundstück Fl.Nr. ..., D-straße ..., enden würde, da dieses Gebäude im Gegensatz zu den Gebäuden auf Grundstück Fl.Nr. ..., schon zu früheren Zeiten Wohnzwecken gedient hat und mit diesem Grundstück der „Historische Kern“ der Gemeinde und damit auch die historische Straße geendet hat.

Nach obigen Ausführungen sind die Bescheide der Klägerin vom 23. Dezember 2010 insgesamt rechtswidrig. Geht man davon aus, dass die D-straße in keinem Bereich als jemals erstmalig hergestellt gelten kann, können derzeit Erschließungsbeiträge ohne Abschnittsbildung nicht erhoben werden, da die D-straße auch nach den satzungsmäßigen Merkmalen der Gemeinde noch nicht insgesamt endgültig hergestellt ist, also eine sachliche Beitragspflicht noch nicht eingetreten ist.

Geht man davon aus, dass ein Teil der D-straße als historische Straße, und damit als eigene Anlage, anzusehen wäre, sind die Bescheide vom 23. Dezember 2010 ebenfalls rechtswidrig, da jedenfalls das Ende der historischen Straße nicht bei Grundstück Fl.Nr. ... liegen kann, wie sich aus den vorgelegten Unterlagen der Klägerin selbst ergibt, sondern längstens an der östlichen Grenze von Grundstück Fl.Nr. ... bzw. von Fl.Nr. ..., wenn man dort die historische Grenze des Ortes sieht.

Selbst bei Annahme des Endes der historischen Anlage an der östlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks Fl.Nr. ... waren beide Bescheide aufzuheben, da die Klägerin dann insoweit für dieses Grundstück auch nach straßenausbaubeitragsrechtlichen Gründen eine Neuberechnung vornehmen müsste. Bei dieser Neuberechnung müsste dann neben anderem auch berücksichtigt werden, inwieweit möglicherweise vom Beigeladenen 1983 gezahlte „Straßenausbaubeiträge“ in Höhe von 8.007,55 DM und Kanalbeiträge in Höhe von 2.361,65 DM anzurechnen wären bzw. müssten wohl Kosten herausgerechnet werden, die möglicherweise über das vorliegende Bauprogramm hinausgehen, so die Verlängerung des Ausbaus und möglicherweise Kosten für die Pflasterung des Kreuzungsbereichs, die so im Bauprogramm nicht enthalten ist. Eine solche Neuberechnung ist nach Auffassung des Gerichts nicht Aufgabe der Kammer, sondern der Klägerin, da eine gerichtliche Festsetzung des Ausbaubeitrags für Grundstück Fl.Nr. ... auf ernsthafte Schwierigkeiten stößt und bei Abwägung der Belange der Beteiligten unzumutbar ist (BVerwG v. 18.1.1991 - 8 C 14/89; juris).

Nach alledem war daher die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.