Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 22. Mai 2014 - 11 K 14.30305

bei uns veröffentlicht am22.05.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung von Ziffern 3 und 5 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 11. Februar 2014 verpflichtet, dem Kläger subsidiären Schutz (nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG) hinsichtlich Afghanistan zuzuerkennen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der nach eigenen Angaben am ... in ... geborene Kläger, ein afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit sunnitischen Glaubens begehrt die Flüchtlingszuerkennung, hilfsweise Abschiebungsschutz.

Er reiste am ...2012 unerlaubt in das Bundesgebiet ein und stellte am ... 2012 Asylantrag. Zur Person war er nicht ausgewiesen. Bei einer Befragung zur Identitätsklärung am 2. Oktober 2012bei der ZRS ... - Außenstelle Z. gab der Kläger an (Bl. 30 ff. der Bundesamtsakte = BA), er sei Paschtune. Personalpapiere könne er nicht vorlegen. Seine Geburtsurkunde habe er bei seiner Familie abgegeben. Er habe Deutschland illegal betreten. Zuletzt habe er sich in N., Gemeinde ..., Dorf ...aufgehalten. In Griechenland habe er sich 16 Monate aufgehalten. Er wisse nicht genau, wann er sein Heimatland verlassen habe. Am ... 2012 sei er aus Griechenland mit einem Lkw in Deutschland angekommen. Für seine Reise habe sein Onkel 1 Million Afghani bezahlt.

Bei seiner Anhörung am 30. April 2013 (Bl. 43 ff.BA) beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab er an, Paschtune zu sein. Er habe überhaupt keine Personalpapiere gehabt, auch keine Tazkira. Bis vor etwa zwei Jahren und zwei Monaten habe er in der Provinz N., Distrikt ..., Dorf ... gelebt. Er habe sein ganzes Leben dort verbracht. Zuletzt habe er dort mit seiner Mutter, drei Schwestern und einem Bruder gewohnt. Sein Vater sei fünf Tage vor seiner Ausreise getötet worden. Seine Mutter lebe nach wie vor in seinem Heimatdorf. Zu dieser habe er telefonischen Kontakt. Auch drei Schwestern und ein Bruder lebten noch dort. Er habe noch einen Onkel väterlicherseits, drei Tanten väterlicherseits, zwei Onkel mütterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits, die zum Teil in seinem Heimatdorf und auch in anderen Distrikten der Provinz N. lebten. Die Schule habe er bis zur siebten Klasse besucht und dann abgebrochen. Nebenher habe er auch etwas in ihrer Landwirtschaft gearbeitet. Er habe noch nie eine Tazkira besessen. Für die Reise habe sein Onkel insgesamt eine Million Afghani bezahlen müssen. Woher dieser so viel Geld gehabt habe, wisse er nicht genau. Es könne aber sein, dass es von seiner Familie gestammt habe, da es ihnen wirtschaftlich nicht schlecht gegangen sei. Zu seinem Verfolgungsschicksal befragt, gab der Kläger an, sein Vater sei ein Verbrecher gewesen. Dieser habe mit Drogen gehandelt und auch Leute getötet. Dieser habe Menschen gegen Geld getötet und auch Häuser überfallen. Vor ca. zwei Jahren und zwei Monaten sei dieser von unbekannten Personen erschossen worden. Dies sei in einem anderen Distrikt passiert. Man habe dann dessen Leiche zu ihnen nach Hause gebracht. Fünf Tage später habe man dann in ihrem Dorf seinen Bruder ... erschossen. Er wisse nicht, wer diesen erschossen habe. Dieser sei 17 Jahre alt gewesen. An dem Tag, als dieser getötet worden sei, habe ihn sein Onkel geholt und nach ... gebracht. Dieser habe gesagt, sein Leben sei in Gefahr und er müsste ausreisen. Ihr Distrikt sei von ... nicht so weit entfernt. Noch am gleichen Tag sei er dann mit dem Schleuser weitergefahren. Auf Frage, wovor er selbst Angst habe, gab er an, sein Vater sei ein Verbrecher gewesen. Dieser habe im Auftrag gemordet. Er gehe davon aus, dass sich die Verwandten an diesem und an seinem Bruder gerächt hätten. Diese würden sich dann auch an ihm rächen wollen. Er habe immer gewusst, was sein Vater getan habe. Dieser habe für keine bestimmte Gruppe oder Organisation gearbeitet. Dieser habe von irgendjemand einen Auftrag erhalten, diesen ausgeführt und dann Geld dafür erhalten. Nur sein Vater, nicht seine Verwandten hätten so etwas getan. Alle Verwandten hätten davon gewusst. Sein Vater habe noch einen Bruder gehabt, der vor ca. vier, fünf oder sechs Jahren mit dessen Familie schon vorsichtshalber weggegangen sei. Er wisse nicht, wo sich dieser aufhalte. Ein anderer Bruder des Vaters sei bereits zu Zeiten der Taliban getötet worden. Seine anderen Verwandten, die noch in Afghanistan lebten, hätten keine Probleme gehabt. Er verneinte die Fragen, persönlich jemals irgendwelche Probleme in Afghanistan, insbesondere mit den dortigen Behörden gehabt zu haben. Aber sein Vater habe öfters Probleme wegen dessen Taten gehabt und sei schon mehrmals in Haft gewesen. Auf Frage seines Vormunds, ob er missbraucht worden sei, gab er an, in ... in einem Gasthof habe ein Mann zweimal versucht, ihn zu missbrauchen. Er habe sich aber beide Male gewehrt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst davor, dass ihn die Feinde seines Vaters umbringen würden wie seinen Bruder und seinen Vater. Abschließend legte er ein Dokument vor, das vom Distriktvorsitzenden stammen soll und worin bestätigt werde, dass sein Vater ein Verbrecher gewesen sei und deshalb dieser und dessen Sohn getötet worden seien.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2014 (Bl. 58 ff.BA) erkannte das BAMF die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (Ziffer 2),

erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4) und forderte den Kläger mit Abschiebungsandrohung zuvorderst nach Afghanistan zur Ausreise auf (Ziffer 5). Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter seien nicht erfüllt, da dem Vorbringen des Kläger seine Anknüpfung an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal nicht zu entnehmen sei. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor (wurde weiter ausgeführt). Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (wurde ebenfalls weiter ausgeführt). Die verfügten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beruhten auf §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylVfG, 59 AufenthG.

Dieser Bescheid wurde am 13. Februar 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Telefax seiner Bevollmächtigten vom 26. Februar 2014 ließ der Kläger hiergegen Klage erheben und beantragen,

1. den Bescheid der Beklagten vom 11.2.2014hinsichtlich der Ziffern 1,3,4 und 5 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, der subsidiäre Schutz nach § 4 AsylVfG und die nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Die Klage wurde mit Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 10. April 2014 begründet. Zunächst wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger aus einer Gegend stamme, die von Taliban bedroht werde und wo es immer Konflikte zwischen der Dorfbevölkerung und den Taliban gebe. Dem Kläger sei ein entsprechender Film über ... zugeleitet worden, der noch vorgelegt werde. In der angefochtenen Entscheidung sei auch in keiner Weise auf die Erkrankungen des Klägers eingegangen worden, obwohl dieser bereits am 14. Dezember 2012 psychologisch untersucht und dabei festgestellt worden sei, dass bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege. Hierzu wurden ein psychologischer Bericht der Psychologin ... vom 14.12.2012 und ein Arztbericht des Klinikums ... vom 13.9.2013 vorgelegt, wonach der Kläger bereits zweimal in der jugendpsychiatrischen Ambulanz vorgestellt und dabei festgestellt worden sei, dass eine mittelgradig bis schwere depressive Episode sowie der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung vorlägen. Zu Letzterer werde ausdrücklich noch darauf hingewiesen, dass die zugrunde liegende Symptomatik hoch ausgeprägt sei, aber noch genauer untersucht werden müsse. Aufgrund seiner Erkrankung sei der Kläger nicht in der Lage, das tägliche Leben problemlos zu meistern. Beim Kläger liege augenscheinlich eine psychische Erkrankung vor, deren Auslöser höchstwahrscheinlich vor der Flucht in Afghanistan liege. Aufgrund seiner psychischen Probleme sei der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt einmal wöchentlich in psychotherapeutischer Behandlung in der Praxis Dres. ..., Ein entsprechendes Attest sei angefordert und werde vorgelegt.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 7. Mai 2014 ließ der Kläger mitteilen, dass er sich seit dem 27. März 2104 in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung befinde und einmal pro Woche eine Verhaltenstherapie absolviere. Hierzu wurde eine Stellungnahme der psychotherapeutischen Praxis für Kinder und Jugendliche ..., vom 1. Mai 2014 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 10. März 2014beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 17. April 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen und mit Schreiben vom 24. April 2014 den Beteiligten mitgeteilt, welche Auskünfte sachkundiger Stellen in das Verfahren eingeführt wurden.

Mit dem Klageschriftsatz ließ der Kläger auch einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen. Diesem wurde mit Beschluss vom 24. April 2014 teilweise entsprochen.

Wegen der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2014 wird auf die Sitzungsniederschrift und wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogene Bundesamtsakte verwiesen.

Gründe

Die zulässig erhobene und sachdienlich nach dem Begehren auszulegende Klage auf Verpflichtung zur Flüchtlingszuerkennung, hilfsweise zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach

§ 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 AsylVfG, § 60 Abs. 3 AufenthG und weiter hilfsweise zur Feststellung der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, unter entsprechender Aufhebung der entgegenstehenden Ziffern des angefochtenen Bescheids des BAMF, auf dessen Ausführungen im Übrigen nach §§ 77 Abs. 2 AsylVfG, 117 Abs. 5 VwGO verwiesen wird, ist insoweit begründet, als dem Kläger ein Anspruch auf subsidiären Schutz (nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG) zusteht, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und aufzuheben. Im Übrigen ist der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Nichtzuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aber rechtmäßig und die Klage insoweit abzuweisen.

Das BAMF hat zutreffend die vom Kläger beantragte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt, da der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, den Bedrohungen nach §§ 3 Abs. 1 AsylVfG, 60 Abs. 1 AufenthG durch relevante Akteure ausgesetzt zu sein, solche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch nicht drohten und auch bei einer Rückkehr nicht zu befürchten sind (1). Dagegen hat der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (zwar nicht nach § 60 Abs. 2 AufenthG, aber nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG), weshalb über die weiter hilfsweise geltend gemachten Ansprüche insbesondere nach § 60 Abs. 7 AufenthG, wobei letzterer wegen der in Afghanistan nicht im erforderlichen Umfang behandlungsfähigen Krankheit des Klägers insoweit wohl auch gegeben wäre, nicht mehr entschieden werden muss (2). Deswegen ist neben Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids auch die in Ziffer 5 verfügte Abschiebungsandrohung aufzuheben (3).

1. Rechtsgrundlage für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylVfG in der nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Fassung von Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474; vgl. auch nunmehr § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Abs. 1 ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG; ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Damit soll der Flüchtlingsbegriff nach § 60 Abs. 1 Sätze 1, 3, 4 und 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in der durch Art. 1 Nr. 48 a) des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 geänderten Fassung, der die frühere Regelung in § 51 Abs. 1 AuslG ersetzt hatte (BT-Drks. 15/420 S. 91) und die Vorgaben zum Flüchtlingsschutz entsprechend der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Abl L 304/12). sog. Qualifikationsrichtlinie (QRL) aufgenommen hatte (BT-Drks. 16/5065 S. 184 bis 186), im Wortlaut der in Art. 1 A GK und der in der Richtlinie 2011/95/EU enthaltenen Definition angepasst und Kohärenz mit der Entscheidungspraxis anderer Mitgliedsstaaten gewährleistet werden (BT-Drks. 17/13063 S. 19). Die grundlegende Definition des Begriffs der bestimmten sozialen Gruppe hatte bereits Art. 10 Abs. 1 d) QRL enthalten (BT-Drks. 16/5065 S. 186). Danach gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Damit wurden erkennbar die völkerrechtlich hierzu vertretenen Hauptmeinungen, nämlich der Ansatz nach den geschützten Merkmalen und der Ansatz der sozialen Wahrnehmung (UNHCR-Kommentar zu Art. 10 d) QRL; Hruschka/Löhr NVwZ 2009,205 ff.) im Sinne einer Kumulierung und nicht Alternativität verknüpft (BT-Drks. a. a. O., OVG SH, U. v. 27.1.2006 - 1 LB 22/05, EuGH, U. v. 7.11.2013 - C-199 bis 201/12 - zu Homosexuellen, OVG NRW, B. v. 18.1.2012 - 13 A 39/12.A - jeweils juris, nunmehr § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG a. A. UNHCR und Hruschka/Löhr a. a. O.). Zutreffend ist danach zwar, dass die Familie grundsätzlich eine bestimmte soziale Gruppe im vorgenannten Sinn bilden kann, jedoch jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob sämtliche Tatbestandsmerkmale hierfür vorliegen (OVG Hamburg, B. v. 5.12.2008 - 5 Bf 45/07.AZ - juris). In den §§ 3 a bis e in der ebenfalls ab dem 1. Dezember 2013 anwendbaren Fassung von Art. 1 Nr. 7 des vorgenannten Gesetzes sind nunmehr in Umsetzung von Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU (BT-Drks. a. a. O.) die Voraussetzungen für Verfolgungshandlungen, Verfolgungsgründe, für Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann und für Akteure, die Schutz bieten können, sowie für den internen Schutz geregelt. Nichtstaatliche Akteure in diesem Sinn können dabei wie bisher auch Einzelpersonen sein (BVerwG, U. v. 18.7.2006 - 1 C 15/05 - juris). Wie bisher darf die Auslegung dieses umgesetzten nationalen Rechts aber nicht hinter den Maßstäben der genannten Vorschriften der QRL zurückbleiben, da ansonsten das nationale Recht richtlinienkonform anzuwenden wäre (Marx § 1 AsylVfG Rn. 79). Der Vorverfolgungsmaßstab des Art. 4 Abs. 4 QRL ist nunmehr unmittelbar anwendbar. In diesem Zusammenhang ist es für das Eingreifen der genannten Beweiserleichterung erforderlich, das ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht (BVerwG, U. v. 27.4.2010 - 10 C 4/09 - juris). Wie sich aus Art. 4 Abs. 2, 5 a), c) und e) QRL ergibt, ist in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung der Verfolgungsgründe (vgl. bereits BVerwG, B. v. 20.8.1974 - I B 15.74 - juris und U. v. 24.11.1981 - 9 C 251/81 - juris) weiterhin relevant; der Asylbewerber muss also die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible Angaben machen. Fehlt es hieran, kann sein Vorbringen insoweit als nicht glaubhaft zurückgewiesen werden (BVerwG, U. v. 23.2.1988 - 9 C 32/87 - juris und B. v. 26.2.2003 - 1 B 218/02 - juris). Schließlich darf kein Ausschlusstatbestand nach Abs. 2 und 3 des § 3 AsylVfG, die Fälle der „Asyl“unwürdigkeit beinhalten (BT-Drks. a. a. O.), gegeben sein.

Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger eine dementsprechende Bedrohung oder Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure schon nicht glaubhaft gemacht. Eine solche Glaubhaftmachung setzt regelmäßig voraus, dass eine nach Auskunftslage relevante Gefährdung vorgetragen wird, insbesondere eine Gefährdungssituation einer als (besonders) gefährdet angesehenen Personengruppe (Risikoprofile) vorliegt (UNHCR vom 6.8.2013 sowie SFH vom 30.9.2013) und der Kläger unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere auch seines angegebenen Herkommens, Bildungsstands und Alters im Kern dieses in den Anhörungen manifestierten Vorbringens wesentlich gleichbleibende und nicht deutlich davon abweichende möglichst detaillierte und konkrete Angaben macht. Dies ist hier nach Überzeugung des Gerichts aber nicht gegeben. Der Kläger hat zwar vorgetragen, es habe die Gefahr einer Blutrache durch Angehörige der Familie oder Sippe der Menschen unmittelbar gedroht oder wäre beachtlich wahrscheinlich gewesen, die sein Vater angeblich im Auftrag getötet habe bzw. durch Angehörige der eigenen Verwandtschaft gedroht, deren Angehörige im Zusammenhang mit Landstreitigkeiten von der Familie des Klägers getötet worden seien. Zwar werden nach Auskunftslage (ACCORD vom 11.6.2013, UNHCR vom 6.8.2013 und SFH vom 30.9.2013) Blutrache und Sippenhaft durch nichtstaatliche Akteure in Afghanistan praktiziert, ohne dass der afghanische Staat dagegen einschreiten würde oder auch nur wollte. Der Kläger hat aber im Laufe seiner Anhörungen und Befragungen hierzu einerseits unglaubwürdige und widersprüchliche und andererseits nur vage und detailarme Angaben gemacht, was nur den Schluss zulässt, dass er nicht über tatsächlich Erlebtes berichtet. So waren die Angaben des Klägers bei der Bundesamtsanhörung zum angeblich kriminellen Verhalten seines Vaters in keiner Weise konkret und detailliert. Auch in der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2014 hat dieser auf Nachfragen des Gerichts insoweit keine Einzelheiten, konkreten Vorfälle und konkreten Hintergründe - auch unter Berücksichtigung seiner vorgetragenen Krankheit - geschildert, die erkennen ließen, dass sein Vater fremde Menschen ermordet habe oder habe ermorden lassen. Obwohl er nach eigenen Angaben solches auch selbst gesehen haben will und er auch gewusst haben will, dass sein Vater so was mache, hat er auch ansatzweise keine Details genannt oder konkrete Angaben gemacht. Das im Verwaltungsverfahren vorgelegte Schreiben von Einwohnern seines Heimatdistrikts (Bl. 57 BA mit Übersetzung auf Bl. 56 BA), mit dem der Kläger sein Vorbringen belegen will, hat abgesehen davon, dass in Afghanistan echte Urkunden unwahren Inhalts in erheblichem Umfang ausgestellt werden (ständige Lageberichterstattung des AA, zuletzt vom 31.3.2014), allenfalls den Beweiswert, dass die dort gemachten Erklärungen von den dort genannten Personen stammen (vgl. § 416 ZPO). Es ist dagegen nicht geeignet, die Richtigkeit der dortigen Angaben zu bestätigen. Entsprechendes gilt für das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2014 vorgelegte Schriftstück, das nach Einsichtnahme durch den Dolmetscher eine Gefängnisbescheinigung darstellt, dass der Vater des Klägers im Gefängnis als Tischler gearbeitet habe, wobei das Ausstellungsdatum dieser Bescheinigung wohl der 28.5.1987 ist. Selbst bei Annahme der Echtheit dieses Schriftstücks lässt sich daraus als Beweiswert nur entnehmen, dass der Vater des Klägers im Gefängnis gewesen sei. Weiter hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2014 einen ganz anderen Grund für die von ihm befürchtete Blutrache angegeben. Dort gab er an, es könne auch sein, dass sein Vater und Bruder von Angehörigen der eigenen Verwandtschaft getötet worden seien. Es habe vier Jahre vor dem Tod seines Vaters Probleme zwischen Verwandten seines Vaters und seiner Familie wegen Land gegeben. Es habe Landstreitigkeiten gegeben und auch eine bewaffnete Auseinandersetzung, bei der ein paar Verwandte auch ums Leben gekommen seien. Deren Angehörige hätten dann Rache geschworen. Derartige Probleme mit der Verwandtschaft hatte der Kläger im Verwaltungsverfahren und insbesondere bei seiner Bundesamtsanhörung aber nicht vorgetragen. Vielmehr hatte er dort nur angegeben, ein Bruder seines Vaters sei wegen dessen Kriminalität vor ca. drei, fünf oder sechs Jahren mit dessen Familie schon vorsichtshalber weggegangen. Es liegt daher ein gesteigertes Vorbringen vor, das vom Kläger nicht plausibel gerechtfertigt wurde.

Nach alledem kann nicht die Überzeugung gewonnen werden, dass der Kläger tatsächlich Erlebtes geschildert hat. Somit ist der vom Kläger als allein maßgeblich vorgetragene Grund einer Verfolgung und einer Rückkehrgefährdung als nicht glaubhaft gemacht anzusehen.

Im Übrigen würde eine solche Gefährdung auch nicht an eines der in §§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG genannten Rechtsgüter anknüpfen, auch nicht an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Denn die Voraussetzungen hierfür sind nach den obigen Ausführungen hier nicht erfüllt. Zwar stellt die Familien- oder Sippenzugehörigkeit ein unveränderliches Merkmal in diesem Sinne dar. Es fehlt aber am zusätzlichen Merkmal, dass die gefährdeten Personen aufgrund einer deutlich abgegrenzten Identität von der umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werden. Der Kläger würde von den Angehörigen der von seinem Vater angeblich getöteten Menschen bzw. angeblich getöteten Verwandten allein als Angehöriger von dessen Familie bedroht. Nur von diesen, nicht auch von anderen Menschen würde er unterscheidend in diesem Sinne wahrgenommen. Eine Unterscheidung würde von diesen erst mit der Verfolgungshandlung als solcher wahrgenommen, was aber unbeachtlich sei (SH OVG und OVG Hamburg a. a. O. a. A.VG Würzburg, U. v. 20.12.2013 - W 1 K 13.30008 - juris).

2. Dem Kläger steht aber ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (zwar nicht nach § 60 Abs. 2 AufenthG, aber nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG) zu, wobei nach §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3d AsylVfG die Voraussetzungen für internen Schutz nicht mit hinreichender Sicherheit anzunehmen sind.

Nach § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in der durch Art. 2 Nr. 7 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3473 07 geänderten und maßgeblichen Fassung, der wie bisher die Vorgaben von Art. 15 b der QRL aufnimmt (BT-Drks. 16/5065 S. 186; BVerwG a. a. O.), darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylVfG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht, wobei nach Satz 2 als solcher gilt 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG fasst damit die bisher in Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 enthaltenen Abschiebungsverbote zusammen, mit denen bereits Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt worden war (BT-Drks. 17/13063 S. 25).

Da der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG dem Art. 3 EMRK vollständig und dem früheren § 53 Abs. 1 AuslG teilweise entspricht, kann zur Auslegung grundsätzlich auf die diesbezügliche Rechtsprechung, insbesondere auch des EGMR (Hailbronner § 60 AufenthGRn. 107, BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris) und auf die Literatur verwiesen werden. Für die Feststellung dieses Abschiebungsverbots gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG die §§ 3c bis e AsylVfG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über Verfolgungs- und Schutzakteure und über internen Schutz auch auf dieses Abschiebungsverbot wie bisher schon (BT-Drks. a. a. O.) für anwendbar erklärt. Bezüglich § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre (Hailbronner § 60 AufenthGRn. 108). Auch sind unzureichende Lebensbedingungen, eine mangelhafte medizinische Versorgung oder eine allgemeine Gewaltsituation wie Bürgerkriegssituationen, innere Unruhen und bewaffnete Konflikte im Heimatland des Ausländers nur bei exzeptionellen Umständen relevant (Hailbronner § 60 AufenthGRn. 119 ff., BVerwG a. a. O.).

Nach diesen Grundsätzen wurden hier stichhaltige Gründe für eine Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe nicht vorgebracht und sind nach den vorstehenden Ausführungen auch nicht ersichtlich. Ebenfalls droht bei einer Rückkehr keine Folter mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Nach der ständigen Lageberichterstattung des AA, zuletzt vom 31. März 2014, verbietet Art. 29 der afghanischen Verfassung die Folter. Es ist aber unbestritten, dass es Fälle von Folter durch Angehörige der regulären Polizei, des Gefängnispersonals, der militärischen Kräfte und des Geheimdienstes NDS gebe. Weiter ist davon auszugehen, dass Folter auch von den Warlords und Milizenführern sowie wohl auch von den Aufständischen angewandt wird. In besonderem Maß sind Frauen und Kinder im Polizeigewahrsam und in Gefängnissen betroffen.

Vorliegend sind Anhaltspunkte für eine solche Foltergefahr weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen. Es droht auch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Eine solche ist weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen.

Vorliegend ist aber subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG zu gewähren.

Nach §§ 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG in der zum 1. Dezember 2013 in Kraft getretenen Fassung, der im früheren § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bereits die Vorgaben von Art. 15 c QRL aufgenommen hatte (BT-Drks. a. a. O. und BVerwG, U. v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - juris), gilt als ernsthafter Schaden auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Damit sollen wie bisher die Tatbestandsmerkmale des Art. 15 c QRL, der die subsidiäre Schutzgewährung in Fällen willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten regelt, umfasst sein (BT/Drks. a. a. O. S. 187). Diese Bestimmung ist daher in diesem Sinne auszulegen (BVerwG a. a. O. U. v. 14.7.2009 - 10 C 9/08 - juris und U. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 - juris). Nicht in den Regelungsbereich von Art 15 QRL sollen dagegen Schutzgewährungen aus anderen als den dort genannten Gründen fallen wie beispielsweise krankheitsbedingte Abschiebungshindernisse oder allgemeine wirtschaftliche Notlagen im Herkunftsland (BT-Drks. a. a. O. S. 186). Hat jedoch der bewaffnete Konflikt in einem Land oder Landesteil nicht nur Auswirkungen auf die dortige Sicherheitslage, sondern mittelbar auch auf die dortige Versorgungslage, ist nach Auffassung des Gerichts auch die letztere insoweit in den Blick zu nehmen, als sich aus ihr eine individuelle erhebliche Gefahr für Leib oder Leben ergeben kann. Nach den bisherigen Gesetzesmaterialien (BT/Drks. a. a. O.) soll diese Schutzgewährung kriegerische Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehr Staaten oder innerhalb eines Staates voraussetzen, wobei der völkerrechtliche Begriff des bewaffneten Konflikts gewählt wurde, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen ab einer bestimmten Größenordnung und für die innerstaatliche Variante mit einem bestimmten Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit in den Regelungsbereich fallen sollen (so Hess VGH, U. v. 9.11.2006 - 3 UE 3238/03.A - juris und B. v. 26.6.2007 - 8 ZU 452/06.A - juris a. A. VG Stuttgart, U. v. 21.5.2007 - 4 K 2563/07 - juris zum Irak). Bei der Auslegung, wann ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, seien nämlich die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht von 1949 und das Zusatzprotokoll II von 1977 zu berücksichtigen (BVerwG a. a. O.). Demgegenüber interpretiert der EuGH den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts eigenständig als eine Situation, in der die regulären Streitkräfte eines Staats auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder in der zwei der mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser von einem bestimmten Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder von einer bestimmten Dauer des Konflikts abhängig gemacht werden darf (U. v. 30.1.2014 - C-285/12 - juris). Dabei ist auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen. Dort hat er nämlich zuletzt gelebt, so dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass er dorthin auch zurückkehren wird (BVerwG a. a. O.). Allerdings muss der Ausländer von dem bewaffneten Konflikt individuell bedroht sein (BVerwG a. a. O.). Allgemeine mit dem bewaffneten Konflikt im Zusammenhang stehende Gefahren sollen dabei entsprechend dem Erwägungsgrund 26 der QRL und nach dem früheren § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG allein aber nicht genügen (BT-Drks. a. a. O.). Nach der unter dem Gesichtspunkt der richtlinienkonformen Auslegung (BVerwG a. a. O.) beachtlichen Rechtsprechung des EuGH (U. v. 17.2.2009 - C-465/07 - juris) kann das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung von Leib und Leben oder der Unversehrtheit des Ausländers (selbst bei entsprechenden allgemeinen Gefahren) ausnahmsweise aber dann als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Es muss also - auch unionsrechtlich - eine insoweit auch individuell besonders exponierte Gefahrensituation vorliegen (Hailbronner § 60 AufenthGRn. 183). Es muss sich diese Gefahr in der Person des Ausländers daher verdichtet haben, was sich aus gefahrerhöhenden persönlichen Umständen selbst oder ausnahmsweise auch bei Eintritt der bezeichneten außergewöhnlichen Situation ergeben kann (BVerwG a. a. O.). Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist (BVerwG a. a. O.). Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann aber auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in den betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, da mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss (BVerwG a. a. O.). Hierzu soll entsprechend der Feststellung einer Gruppenverfolgung eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung erforderlich sein, wobei neben völkerrechtswidrigen auch andere nicht zielgerichtete Gewaltakte zu berücksichtigen sind (BVerwG a. a. O.). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage im jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (BVerwG, U. v. 17.11.2011a. a. O.). Auch bei dieser Betrachtung ist auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen (BVerwG a. a. O.).

Kommt die Herkunftsregion als Zielort einer Abschiebung wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 QRL auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris). Allerdings ist dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion nämlich ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose aus (BVerwG a. a. O.). Dabei kann nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich von der dort bestehenden Verwaltungsgliederung (34 Provinzen und 329 Distrikte) ausgegangen werden. Auch hinsichtlich der nunmehrigen Neufassung ist die bisherige Rechtsprechung insbesondere des EuGH weiterhin beachtlich. Für die Feststellung auch dieses Abschiebungsverbots gelten nunmehr aufgrund der Verweisung in § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG die §§ 3c bis e entsprechend und damit wie bisher (BT/Drks. a. a. O.) die dortigen Bestimmungen über die Verfolgungs- und Schutzakteure und für den internen Schutz. Von Bedeutung ist weiter vor allem der unmittelbar dem Art. 4 Abs. 4 QRL zu entnehmende, von der bisherigen Rechtslage abweichende herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Für das Eingreifen der Beweiserleichterung ist es auch in diesem Zusammenhang erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht (BVerwG, U. v. 27.4.2010 a. a. O.). Dagegen kann eine evtl. Sperrwirkung ausländerbehördlicher Erlasse den internen Schutz gemeinschaftsrechtlicher Art nicht einschränken (BVerwG, U. v. 24.6.2008 a. a. O.).

Über die vorgenannten Voraussetzungen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in den einzelnen Regionen Afghanistans und das dortige Ausgesetztsein einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt berichten die Auskunftsstellen weitgehend übereinstimmend, wenn auch mit unterschiedlicher Tiefe und Detailangaben.

Nach dem Auswärtigen Amt (Lageberichte vom 3.11.2004, vom 21.6.2005 vom 29.11.2005, vom 13.7.2006, vom 17.3.2007, vom 7.3.2008, vom 3.2.2009, vom 28.10.2009, vom 27.7.2010, vom 9.2.2011, vom 10.1.2012, vom 4.6.2013und zuletzt vom 31.3.2014), ist die Sicherheitslage in Afghanistan regional sehr unterschiedlich (wurde weiter ausgeführt). Die größte Bedrohung für die Bevölkerung geht weiterhin von der bewaffneten Aufstandsbewegung, deren Intensität und regionale Ausbreitung bereits seit 2006 zugenommen habe, aus. Während vor allem im Süden (Provinzen H., K., U.) insbesondere aufgrund militärischer Operationen dort und teilweise auch im Osten (Provinzen K., Kh., P., Pa.) stärker gekämpft wird, bleibt die Lage in K. insoweit weitgehend stabil. Seit Anfang 2009 hat sich die Sicherheitslage zunehmend auch in Teilen des Nordens (Ku., T., Ba., B. und F.) verschlechtert. Der landesweite Trend zeige für 2010 eine weitere Zunahme sicherheitsrelevanter Ereignisse um 30 bis 50% gegenüber dem Vorjahr. In weiten Teilen des Landes finden zunehmend gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen regierungsfeindlichen Kräften einerseits sowie afghanischen Sicherheitskräften und ISAF-Truppen andererseits statt, die seit 2008 auch auf Gebiete übergegriffen haben, die bislang nicht oder kaum betroffen waren wie die zentralen Provinzen um K. (W., L., Ka.). Die größten Gruppierungen regierungsfeindlicher Kräfte sind die vor allem im Süden des Landes aktiven Taliban, das auf den Südosten konzentrierte Haqqani-Netzwerk und die Hezb-e Islami Gulbuddin, die ihren Schwerpunkt in Teilen des Ostens und Nordostens hat. Nach vollständiger Übernahme der Sicherheitsverantwortung der ANSF von der ISAF im Sommer 2013 werde es darauf ankommen dies auszugleichen, um dem nach wie vor bestehenden starken Druck der Aufständischen dauerhaft standzuhalten. Nach dem UNHCR (Stellungnahmen von Januar 2008, vom 25.2. und vom 6.10.2008, vom 10.11.2009, vom 30.1.2009 an BayVGH, vom 17.12.2010, vom 11.11.2011 an OVG RhPf, vom 1.10.2012 an VG Wiesbaden und vom 6.8.2013) sind erhebliche Teile von Afghanistan nach wie vor aktive Kampfgebiete und befinden sich nicht unter der Kontrolle der Regierung. Gefahren für die Zivilbevölkerung gehen dabei von intensivierten Aktivitäten gegen Aufständische aus, einschließlich Bombenangriffe aus der Luft, deren Eskalation zu einem offenen Krieg in den südlichen, südöstlichen und östlichen Provinzen geführt hat, von wahllosen Anschlägen regierungsfeindlicher Elemente, insbesondere Selbstmordanschläge einschließlich weicher Ziele, und von Akten der Einschüchterung einschließlich willkürlicher Tötungen, Entführungen und anderer Bedrohungen des Lebens, der Sicherheit und der Freiheit durch regierungsfeindliche Elemente. Die in diesem Sinne unsicheren Provinzen und Distrikte wurden im Einzelnen aufgeführt. Eine Situation allgemeiner Gewalt und damit ein Anspruch auf internationalen Schutz sei für die Provinzen H., Ka., Ku., in Teilen von G. und Kh. festzustellen. Indikator für Umfang und Schwere eines bewaffneten Konflikts ist dabei auch die Anzahl der dadurch verursachten internen Flüchtlingsbewegungen. Diese lassen sich einem Bericht der Vertretung des UNHCR in Afghanistan von Juli 2012 entnehmen. Dort sind zum Stichtag (31. Mai 2012) insgesamt 396.808 Personen als Binnenvertriebene aufgeführt, die überwiegend aus Konfliktgründen und Sicherheitsgründen ihre Heimat verlassen haben. Lokal gesehen wurden diese vor allem aus der Südprovinz, aber auch aus der West- und Ostprovinz vertrieben. Eine Zusammenstellung (dort S. 13) schlüsselt die Zahl der Binnenvertriebenen nach ihrer Ursprungsprovinz auf. Mit der Übergabe der Sicherheitsverantwortung habe sich die Art des Konflikts geändert, da die regierungsfeindlichen Kräfte den Schwerpunkt ihrer Angriffe von der ISAF auf die ANSF verlagert hätten. Vor allem in ländlichen Gebieten würden diese die tatsächliche Kontrolle ausüben. Nach Ansicht von Amnesty International im Schreiben vom 28. Juli 2003 sei eine Rückkehr von Flüchtlingen nach Afghanistan bei der derzeitigen Sicherheits- und Menschenrechtslage dort nicht zumutbar. Nach einer weiteren Einschätzung der Situation im Schreiben vom 17. Januar 2007 an HessVGH sei dort die Sicherheitslage als prekär und desolat und die Versorgungslage als hochproblematisch zu bezeichnen. Nach der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (Updates vom 21.8.2008, vom 26.2.2009, vom 11.8.2009, vom 6.10.2009, vom 11.8.2010, vom 23.8.2011, vom 3.9.2012und vom 30.9.2013) gehen Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung von regierungsfeindlich eingestellten, bewaffneten Gruppierungen wie Taliban, Hezb-e Islami von Gulbuddin Hekmatyar, Haqqani-Netzwerk und anderen sowie von Reaktionen der afghanischen und ausländischen Sicherheitstruppen im Kampf gegen die aufständischen Gruppierungen aus. Zivilisten gehören zu den immer stärker auch von Selbstmordanschlägen betroffenen Opfern. Im Jahr 2011 habe die Zahl der Opfer in der Zivilbevölkerung mit 3021 getöteten Zivilisten einen neuen Höchststand erreicht. Insbesondere in der zweiten Hälfte 2011 seien aufgrund der Ausweitung der Kämpfe signifikant mehr Opfer in den südöstlichen, östlichen und nördlichen Provinzen des Landes zu verzeichnen gewesen. Im ersten Halbjahr 2012 seien die Opferzahlen zwar seit fünf Jahren erstmals rückläufig, aber mit 1145 Todesopfern nach wie vor enorm hoch. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen sei es im Jahr 2011 in über 80% des Landes gekommen. Inzwischen finden im Osten des Landes praktisch gleich viele Anschläge statt wie im Süden. Die höchste Zahl ziviler Opfer sei weiterhin in den Provinzen Ka. und H. zu verzeichnen gewesen. In den südöstlichen Provinzen Kh., Pa. und G. sowie den östlichen Provinzen Ku. und N. sei die Zahl der zivilen Opfer deutlich angestiegen. Als Folge der gewaltsamen Auseinandersetzungen, lokaler Konflikte, Armut und Naturkatastrophen seien im Jahr 2011 185.632 Personen intern vertreiben worden, was zu einem Bestand von über 500.000 Binnenflüchtlingen geführt habe. Die Lage in der Provinz G., insbesondere in den dortigen Distrikten J. und Ma. werden in der Auskunft vom 6. Oktober 2009 beschrieben. Zuletzt habe sich die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert. Die Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung seien im Jahr 2012 erstmals wieder zurückgegangen, jedoch im ersten Halbjahr 2013 wieder stark gestiegen. Regierungsfeindliche Gruppen gingen nunmehr gegen afghanische Ziele vor. Nach Meinung der Gesellschaft für bedrohte Völker-Schweiz (Reisebericht von Juli 2003) sei aufgrund der prekären Sicherheitssituation in weiten Teilen des Landes eine zwangsweise Rückführung afghanischer Flüchtlinge in absehbarer Zeit nicht zumutbar. Der Bericht von D-A-CH Kooperation Asylwesen gibt Auskunft über die Sicherheitslage allgemein und speziell in den Provinzen Ba., H. und K. Auf Abbildungen dort sind die regierungsfeindlichen Angriffe je Provinz von Januar bis März 2010 sowie die Einfluss- und Operationszonen der militanten Gruppierungen zu ersehen. Nach dem Jahresbericht 2009 der UNAMA über den Schutz der Zivilbevölkerung im bewaffneten Konflikt von Januar 2010 wurden hierbei mindestens 5978 Zivilisten getötet (2412) oder verletzt (3566). In einer Anlage ist die Zahl der im Jahr 2009 insgesamt getöteten Zivilisten nach Regionen verzeichnet. Nach dem ebenfalls im Internet verfügbaren entsprechenden Halbjahresbericht von August 2010 nahmen die zivilen Zwischenfälle in diesem Sinn im ersten Halbjahr 2010 gegenüber dem Vorjahr um 31% zu. Insgesamt wurden 3268 Zivilisten getötet (1271) oder verletzt (1997). Aus einem Anhang kann der prozentuale Anteil für die jeweiligen Regionen entnommen werden. Nach dem Jahresbericht 2011 von Februar 2012 hat sich die Zahl der durch den bewaffneten Konflikt getöteten Zivilisten im Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr erneut um 8% auf 3021 und die Zahl der verletzten Zivilisten erneut um 3% auf 4507 erhöht. Dort ist auch beschrieben, wie sich diese Zahlen auf die Regionen geografisch verteilen und entwickelt haben, wobei die allerdings weiter erforderliche Differenzierung dieser Zahlen nach Provinzen oder gar nach Distrikten nicht erfolgt. Nach dem Jahresbericht 2012 von Februar 2013 hat sich die Zahl der durch den bewaffneten Konflikt getöteten Zivilisten im Jahr 2012 auf 2754 und damit um 12% verringert. Die Zahl der dabei verletzten Zivilisten hat sich demgegenüber nur gering auf 4805 Zivilisten reduziert. In den vergangenen sechs Jahren haben 14.728 Zivilisten ihr Leben im bewaffneten Konflikt verloren. Gestiegen ist die Zahl gezielter Tötungen und von Sprengstoffanschlägen durch die Aufständischen. Insgesamt sei anhand der geographischen Verteilung der Opferzahlen festzustellen, dass sich das Ausmaß des bewaffneten Konflikts im Süden abschwäche und sich gleichzeitig in den Provinzen im Südosten, Osten und Norden intensiviere, wodurch die Anzahl von getöteten und verletzten Zivilisten dort gestiegen sei. Nach dem Jahresbericht 2013 wurden bei 8.615 entsprechenden Anschlägen 2.959 Zivilisten getötet und 5.656 verletzt, wodurch in etwa wieder der hohe Stand des Jahres 2011 erreicht wurde. Nach Auswertung durch den CRS (Stand 12.7.2012) wurden bezogen auf Gesamtafghanistan von Januar bis Mai 2012 775 afghanische Zivilisten getötet und 1818 verwundet. Im Zeitraum von 2007 bis Ende 2011 wurden 11 864 afghanische Zivilisten getötet. Der Stand des Konflikts kann vor allem aus den ebenfalls im Internet verfügbaren vierteljährlichen Berichten des ANSO, zuletzt für das erste Quartal 2013, ersehen werden. Die Bevölkerungszahl in den jeweiligen Provinzen und Distrikten kann der im Internet verfügbaren zentralen afghanischen Statistik entnommen werden.

Bei Fehlen von gefahrerhöhenden persönlichen Umständen kann eine derartige rein quantitative Betrachtung ausreichend sein. Da jedoch - soweit ersichtlich und nicht weiter aufklärbar - keine belastbaren und repräsentativen - nicht nur Momentaufnahmen darstellende - Zahlen zu den vom Konflikt betroffenen Toten und Verletzten in den jeweiligen Provinzen oder gar in den einzelnen Distrikten vorliegen, wobei die Dunkelziffer nach allgemeiner Einschätzung hoch ist und auch der zeitliche Bezug derartiger Extremgefahren auch rechtlich als durchaus offen erscheint, und sich auch wegen der von den Auskunftsstellen übereinstimmend angenommenen Differenziertheit der Sicherheitslage dort ein Herunterrechnen von Zahlen auf der Ebene von Regionen für Provinzen oder gar Distrikte als zu allgemein und damit letztlich als nicht tauglich erweisen dürfte, ist nach den vorstehenden Grundsätzen eine wertende qualitative Gesamtbetrachtung erforderlich (Hess VGH, U. v. 25.8.2011 - 8 A 1657 und 1659/10.A - juris, vgl. auch UNHCR Studie „Endlich in Sicherheit?“ von Juli 2011 und Richtlinie zur Feststellung internationalen Schutzbedarfs vom 6.8.2013 sowie MarkardNVwZ 2014,565), weil auch langfristige und indirekte Folgen konfliktbedingter Gewalt als Gefahren für Leben und Leib zu berücksichtigen sein dürften. Dabei kann nach Ansicht des Gerichts die Lageeinschätzung von zuverlässigen Nichtregierungsorganisationen zugrunde gelegt werden, weil diese auch in der Fläche präsent sind und daher die Situation vor Ort beobachten und bewerten können. So beurteilt beispielsweise die ANSO in vierteljährlichen Berichten die Angriffsintensität in den Provinzen mit Stufen, die nach Ansicht des Gerichts der Realität nahe kommen dürfte. Der vorgenannt anzulegende strenge Maßstab dürfte bei der dortigen höchsten Einstufung erfüllt sein, wenn diese über einen längeren Zeitraum erfolgt und insbesondere Provinzen an der Grenze zu Pakistan betrifft, da in diesen Fällen eine derartige Anschlagsdichte und damit Gefährdungssituation bei Beachtung aller maßgeblichen Umstände besteht, die eine Rückkehr dorthin auch für die Zivilbevölkerung als unzumutbar erscheinen lässt.

Hinzu kommt, dass bei Rückkehrern in ihre Heimat im Übrigen auch gefahrerhöhende persönliche Umstände in diesem Sinn vorliegen, wenn sie als Angehörige der Zivilbevölkerung nach ihrer Wiedereinreise in Afghanistan, die regelmäßig über den Flughafen K. erfolgt (ständige Lageberichterstattung des AA) solche gefährlichen Provinzen oder Distrikte in aller Regel nur über die Hauptverkehrsstraßen erreichen können und zu Versorgungszwecken auch weiterhin benutzen müssen. Denn diese Hauptverkehrsstraßen sind nach übereinstimmender Auskunftslage vorrangig Ziele von Anschlägen der Aufständischen, da sie gerade als militärische Versorgungsstraßen dienen und durch die Anschläge die Versorgung unterbrochen und die Zivilbevölkerung eingeschüchtert werden sollen. Die Gefährlichkeit der Benutzung von Hauptverkehrsstraßen ergibt sich anschaulich aus den Anschlagsorten, wie sie in den Berichten der ANSO aufgeführt sind. Sie wird für die Rückkehr in die Provinzen zu gelten haben, die nach der vorgenannten Gefährdungseinschätzung der ANSO die höchste Stufe erreicht. Wegen der Gefährlichkeit der Benutzung dieser Hauptverkehrsstraßen dürfte der Zivilbevölkerung eine Rückkehr auf diesem Weg nicht zumutbar sein (vgl. auch Finnland, Supreme Administrative Court vom 18.3.2011 und schweizerisches Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 16.6.2011, Seiten 24/25, vgl. auch UNHCR a. a. O.). Da belastbare und repräsentative Angaben zur Gesamtzahl der Benutzer dieser Straßen im Verhältnis zu den Opfern von Anschlägen dort nicht vorliegen und wohl auch gar nicht zu erhalten sind, dürfte auch insoweit eine Gesamtwürdigung vorzunehmen sein, die im Ergebnis dazu führen dürfte, eine Rückkehr der Zivilbevölkerung auf den Straßen für unzumutbar zu halten, die in Provinzen liegen, die nach Einschätzung der ANSO die höchste Gefährdungsstufe aufweist.

Die vorliegende Rechtsprechung ist uneinheitlich. Ein bewaffneter Konflikt wird für Afghanistan gänzlich (VG Meiningen, U. v.16.9.2010) bzw. nach Differenzierung in den Regionen (BayVGH, U. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris und U. v. 20.1.2012 - 13a B 11.30425 - juris) ausgeschlossen bzw. als wahr unterstellt, nicht für das gesamte Land, sondern nur für den Süden und Südosten Afghanistans angenommen (VG Kassel, U. v. 1.7.2009 - 3 K 206/09.KS.A - juris, HessVGH, U. v. 12.6.2008 bestätigt durch BVerwG, VG Trier, U. v. 4.6.2012 - 5 K 1244/11.TR -juris, VG Göttingen, U. v. 4.12.2012 - 4 A 49/10 - juris), was insbesondere für die Provinz Ka. (VG Schleswig, U. v. 22.4.2010 - 12 A 137/09 - juris, VG Köln, U. v. 13.12.2011 - 14 K 4389/10.A - juris) gelte, ebenso für die Provinzen Paktiaund L. (HessVGH, U. v. 11.12.2008 - 8 A 611/08.A - juris, aufgehoben durch BVerwG, nunmehr U. v. 25.8.2011 - 8 A 1657 und 1659/10.A - juris, bestätigt durch BVerwG, B. v. 8.3.2012 - 10 B 2.12 - juris), verneinend für den Großraum K. (VG Kassel, U. v. 1.7.2009 a. a. O., VG Saarland, U. v. 26.11.2009 - 5 K 623/08 - juris, OVG RhPf, U. v. 21.3.2012 - 8 A 11048/10.OVG - juris, OVG NRW, B. v. 29.8.2012 - 13 A 1101/11.A - juris, VGH BW, U. v. 6.3.2012 - A 1 S 3177/11 - juris) und verneinend für die Stadt H. (VG Osnabrück, U. v. 16.6.2009 - 5 A 48/09 - juris) oder werden ohne regionale Differenzierung bejaht (VG Gießen, U. v. 20.6.2011 - 2 K 499/11.GI.A - juris sowie VG Wiesbaden, U. v. 23.2.2012 - 7 K 293/11.WI.A - juris). Eine daraus resultierende extreme individuelle Gefahrensituation dort wird dann überwiegend verneint.

Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend unter Beachtung der oben genannten Voraussetzungen bei entsprechend wertender Betrachtung der Auskunftslage und der vorliegenden Rechtsprechung ein bewaffneter Konflikt im vorgenannten Sinn in der Herkunftsregion/Heimat des Klägers und weiter auch eine individuelle Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit durch die bloße Anwesenheit dort angenommen werden. Nach eigenen Angaben war der Kläger vor der Ausreise aus Afghanistan zuletzt im Dorf .../Distrikt (woluswali) .../Provinz (velayat) N. wohnhaft bzw. wohnten bei seiner Ausreise seine Mutter, drei Schwestern und ein Bruder dort. Hierauf ist in diesem Zusammenhang abzustellen, weil dem Kläger in erster Linie eine Rückkehr dorthin zuzumuten ist.

Nach den genannten Berichten des UNHCR, des AA und der SFH und nach der detaillierten Lageanalyse von D-A-C-H Kooperation Asylwesen liegt der Schwerpunkt der Kampfhandlungen im Süden und Osten und vermehrt auch im Norden des Landes. Im Osten des Landes hält die Infiltration islamischer Kräfte insbesondere Taliban aus dem pakistanischen Siedlungsgebiet der Paschtunen ungebrochen an. Neben den Taliban sind dort andere Regierungsgegner wie die Hezb-e Islami von Gulbuddin Hekmatyar und das Haqqani-Netzwerk aktiv. Eine ganze Anzahl von Distrikten dort (Khogyani, Pacheerwa. A.gam, DehBala, Naziyan, Shirzad und Chaparhar) dürfte als unsicher einzustufen sein. Anderes gilt aber für J. Stadt, das von der Hezb-e Islami von Younis Khalil beherrscht wird und insoweit als relativ sicher gilt. Insgesamt werde die Anzahl der zivilen Opfer durch einen bewaffneten Konflikt provinzweit zwar als durchschnittlich eingeschätzt. Nach den Berichten der UNAMA gab es 2009 in der Ostregion diesbezüglich 252, das erste Halbjahr 2010 119 und das gesamte Jahr 2010 243 zivile Tote. Nach dem Bericht der AIHRC über die ersten sieben Monate des Jahres 2010 wurden insgesamt 1325 solcher ziviler Zwischenfälle gemeldet, davon 238 aus der Ostprovinz. Nach dem dritten bzw. vierten Quartalsbericht 2010 des ANSO hat die Zahl der Angriffe Aufständischer in der Provinz N. in diesem Zeitraum in Bezug zum Vergleichszeitraum von 243 auf 389 (Steigerung um 60%) bzw. von 295 auf 504 (Steigerung um 71%) zugenommen. Nach dem ersten bis vierten Quartalsbericht des ANSO hat die Zahl der Anschläge Aufständischer dort wieder zugenommen, und zwar von 392 auf 427 (+9%) bzw. von 505 auf 551 (+9%). Für das erste Quartal 2013 berichtet ANSO bereits wieder von 244 solcher Vorfälle. Schwerpunkt der Vorfälle sind neben ländlichen Distrikten auch J. Stadt, auch wenn es dort überwiegend zu Anschlägen und Attentaten und keiner langfristigen Einflussnahme der Aufständischen kommt. Der Aufstand in der Provinz N., wo Talibankämpfer allgegenwärtig seien, dauerten an und beträfen insbesondere auch den Distrikt Hesarak, der immer wieder zurückerkämpft werden müsse (ACCORD vom 23.9.2013). Die Provinz N. wird daher als extrem unsicher oder als „highlyinsecure“ (höchst unsicher) eingestuft. Nach einer Zusammenstellung der Anzahl der Binnenvertriebenen nach ihrer Ursprungsprovinz in einem Bericht der Vertretung des UNHCR in Afghanistan von Juli 2012 (dort S. 13) wurden zum Stichtag (31. Mai 2012) in der Provinz N. insgesamt 23.136 Binnenvertriebene gezählt. Die Provinz liegt damit insoweit an sechster Stelle der „top ten“ (dort S. 12). Auch in Anbetracht einer amtlich geschätzten Gesamtbevölkerung in der Provinz von über 1.350.000 Millionen Menschen, davon über 28.000 im Distrikt Hisarak kann eine konkrete individuelle Gefahr im vorgenannten Sinn durch die bloße Anwesenheit dort daher mit Ausnahme der städtischen Gebiete von J., die nicht umkämpft sind, angenommen werden. Sie ist vielmehr nach Überzeugung des Gerichts dort anzunehmen (VG Trier, U. v. 11.4.2012 - 5 K 1244/11.TR und VG Ansbach, U. v. 11.10.2013 - AN 11 K 13.30455 a. A. BayVGH, U. v. 1.2.2013 - 13a B 11.30515, U. v. 15.3.2013 - 13a B 12.30406 und U. v. 22.3.2013 - 13a B 12.30044- jeweils juris).

Unabhängig hiervon - und dies ist in diesem Zusammenhang entscheidungserheblich - hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung in nicht zu widerlegender Weise vorgetragen, vor seiner Ausreise bereits durch den dort bestehenden bewaffneten Konflikt unmittelbar bedroht gewesen zu sein. Daher kann sich der Kläger hier auf die vorgenannte Beweiserleichterung berufen.

Sicherheit vor diesen Kämpfen kann er nicht von Seiten der afghanischen Sicherheitskräfte oder der noch in Afghanistan verbliebenen Kräfte der SAF erwarten, die in den Kämpfen die Taliban allenfalls zurückdrängen und schwächen können.

Der Kläger kann, abgesehen davon, dass insoweit eine landesweite Gefährdung nicht vorausgesetzt wird, hier auch nicht auf internen Schutz, insbesondere auch nicht in der Hauptstadt K., verwiesen werden, da eine Existenzmöglichkeit außerhalb seiner Heimat nicht mit der erforderlichen hinreichenden Sicherheit angenommen werden kann. Nach dem gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG entsprechend geltenden § 3e Abs. 1 AsylVfG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) wird - ohne unmittelbare unionsrechtliche Vorgabe - dem Ausländer subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor der Gefahr eines ernsthaften Schadens, wobei die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL (hierzu BVerwG, U. v. 5.5.2009 - 10 C 21/08 - juris) entsprechend zu beachten sein dürfte, oder Zugang zu Schutz vor einem ernsthaften Schaden Verfolgung nach § 3d hat und 2. sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Damit wird auch in diesem Zusammenhang die Nachrangigkeit des Schutzes verdeutlicht. Der Drittausländer muss am Zufluchtsort aber eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinden d. h. es muss zumindest (in faktischer Hinsicht) das Existenzminimum gewährleistet sein, was er unter persönlich zumutbaren Bemühungen sichern können muss. Dies gilt auch, wenn im Herkunftsgebiet die Lebensverhältnisse gleichermaßen schlecht sind. Unerheblich ist, ob eine Gefährdung am Herkunftsort in gleicher Weise besteht. Darüber hinaus ist auch erforderlich, dass das Zufluchtsgebiet für den Drittausländer erreichbar ist (BT-Drks. 16/5065 S. 185; BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 10 C 11/07 - juris).

Nach Absatz 2 dieser Vorschrift sind bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der neugefassten QRL zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa des UNHCR oder des EASO einzuholen.

Diese Vorschrift setzt auch in Zusammenhang mit dem subsidiären Schutz Art. 8 der neugefassten QRL entsprechend um und enthält auch inhaltliche Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtslage. So muss das Zufluchtsgebiet für den Betroffenen auch erreichbar sein, wofür eine Reihe von Kriterien festgelegt wurde. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass praktische, in der Regel vorübergehende Rückkehrhindernisse wie etwa unterbrochene Verkehrsverbindungen in das Zufluchtsgebiet für die Annahme einer internen Schutzmöglichkeit unschädlich sind. Danach ist interner Schutz nur dann gegeben, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung eine tatsächliche Möglichkeit zur Einreise in das in Betracht kommende Zufluchtsgebiet besteht (BT-Drks. 17/13063 S. 20).

Über die Voraussetzungen eines solch internen Schutzes oder einer inländischen Fluchtalternative berichten die Auskunftsstellen wie folgt: Der UNHCR ist der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein könne, wenn außerhalb aktiv konfliktbetroffener Gebiete die Person von bedeutender Unterstützung durch ihre (erweiterte) Familie, durch die Gemeinschaft oder ihren Stamm im Gebiet der künftigen Neuansiedlung profitieren kann. Die einzige Ausnahme von dieser Anforderung der externen Unterstützung seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten (Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013). Nach dem Auswärtigen Amt hängt ein Ausweichen einer Person im Land vor einer möglichen Gefährdung maßgeblich von dem Grad ihrer sozialen Vernetzung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Für eine Unterstützung seitens der Familie komme es auch darauf an, welche politische und religiöse Überzeugung das jeweilige Heimatdorf dominiere (ständige Lageberichterstattung, zuletzt vom 31.3.2014). Nach der Schweizerischen Flüchtlingshilfe sind ein gutes Familiennetz sowie zuverlässige Stammes- oder Dorfstrukturen die wichtigste Voraussetzung, um bei einer Rückkehr sicher und auch wirtschaftlich überleben zu können. Sozialversicherungen existieren in Afghanistan nicht. Oftmals stießen Rückkehrer wegen nicht gelöster Landfragen auf erhebliche Probleme. Es sei zu beachten, dass regierungsfeindliche Gruppen oft ein weitreichendes Netzwerk hätten (Updates vom 21.8.2008, vom 11.8.2009, vom 11.8.2010und vom 30.9.2013). Nach der COI des Danish Immigration Service von Mai 2012 wird K. als relativ sicherer Aufenthalt angesehen. Eine persönliche Gefährdungsgefahr hängt vom Profil der Person und der Art des Konflikts ab, vor dem die Person geflohen ist. Schutz wird nicht beim afghanischen Staat, sondern in der eigenen Ethnie nach familiären Beziehungen und der Stammeszugehörigkeit gesucht. Die Lebensbedingungen in K. sind hart. Der Zugang zur Arbeit und damit zu einer Existenzmöglichkeit ist schwierig, aber nicht ausgeschlossen, insbesondere für junge unverheiratete Männer.

Bei Bewertung und Würdigung dieser Auskunftslage ist das Gericht der Auffassung, dass die Verweisung auf eine andere Gegend als die Herkunftsgegend oder die Heimat grundsätzlich mit Ausnahme alleinstehender junger arbeitsfähiger Männer und arbeitsfähiger Paare nur dann zumutbar, wenn dorthin familiäre oder stammesbezogene Verbindungen bestehen.

Bestand - wie hier - bereits in der Heimat (und im Fall der Rückkehr dort) ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mit erheblicher individueller Gefahr für Leib oder Leben, führt die auch hier anwendbare Beweiserleichterung zu dem Ergebnis, dass die Existenzmöglichkeit außerhalb der Heimat dem Maßstab der hinreichenden Sicherheit gerecht zu werden hat.

Nach diesen Grundsätzen ist es nicht hinreichend sicher, dass der Kläger Verwandte oder Stammeszugehörige in anderen als sicher geltenden Landesteilen hätte, die ihn aufnehmen würden, oder ohne eine solche Unterstützung eine reale Existenzgrundlage - etwa aufgrund seiner Arbeitskraft - dort hätte.

3. Nach § 34 Abs. 1 AsylVfG in der Fassung von Art. 4 Nr. 3 a) des Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der EU und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011, BGBl. I S. 2266 und Art. 1 Nr. 26 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.8.2013, BGBl. I S. 3479 i. V. m. §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG erlässt das Bundesamt die Abschiebungsandrohung (nur), wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt, ihm nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, ihm kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen und auch keine Ausnahme gegeben ist oder er keinen Aufenthaltstitel besitzt. Das bedeutet umgekehrt ausgedrückt, dass in allen diesen Fällen eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen darf. Wird dies im gerichtlichen Verfahren - wenn auch noch nicht rechtskräftig - festgestellt, ist neben der Aufhebung der entsprechenden Antragsablehnung im Bundesamtsbescheid auch die verfügte Abschiebungsandrohung mit Ausreisefristbestimmung rechtswidrig und daher aufzuheben.

Nach diesen Grundsätzen sind hier wegen der vorgenannten Verpflichtung zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes die Ziffern 3 und 5 des angefochtenen Bescheids aufzuheben.

Nach alledem ist der Klage teilweise stattzugeben und im Übrigen ist sie abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO (entsprechend der Gewichtung der Klagebestandteile) und 83 b AsylVfG.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

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(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorg

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Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

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Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren nur noch um die Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan nach § 60 Abs. 7 Satz 2 A

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Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren nur noch um die Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Afghanistan nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie).

2

Der 1972 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit. Er stammt aus der südöstlich von Kabul gelegenen Provinz Paktia. Im Februar 2001 reiste er nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, er habe Afghanistan verlassen, um sich einer erzwungenen Rekrutierung durch die Taliban zu entziehen.

3

Im Juli 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - im Folgenden: Bundesamt - den Antrag auf Asyl- und Flüchtlingsanerkennung ab und verneinte das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG, stellte aber fest, dass zu Gunsten des Klägers ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich Afghanistans besteht. Zur Begründung führte es aus, die vom Kläger geschilderte Rekrutierung durch die Taliban könne nicht zur Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung führen, da sie nicht an asylerhebliche Merkmale anknüpfe. Sie begründe jedoch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Zwangsrekrutierungen junger Männer durch die Taliban oder die Nordallianz seien im ganzen Land üblich und drohten auch dem Kläger bei einer Rückkehr. Wenn der Kläger in die Armee gepresst und praktisch unvorbereitet in den heftig geführten Kämpfen eingesetzt werde, bestehe akute Gefahr für Leib und Leben.

4

Im Februar 2006 leitete das Bundesamt hinsichtlich des zuerkannten Abschiebungshindernisses ein Widerrufsverfahren ein, weil durch den Sturz der Taliban die Gefahr der Zwangsrekrutierung für den Kläger entfallen sei. Im Rahmen der Anhörung machte dieser geltend, bei ihm lägen nach wie vor individuelle Gründe für die Gewährung von Abschiebungsschutz vor. Sein Heimatdorf in der Provinz Paktia liege nahe der pakistanischen Grenze. Dort sei auch gegenwärtig eines der Hauptoperationsgebiete der Taliban. Für ihn bestehe die Gefahr einer Bestrafung durch die Taliban, weil er sich seinerzeit der Zwangsrekrutierung entzogen habe. Auch die Gefahr der Zwangsrekrutierung bestehe weiterhin. Er wisse von keinen in Afghanistan lebenden Verwandten mehr, die ihm Schutz oder Hilfe geben könnten. Sein Heimatdorf sei bombardiert und das Familienhaus zerstört worden. Seine dort lebende Verwandtschaft solle dabei ums Leben gekommen sein. Seine Ehefrau sei mit den Kindern nach Pakistan geflohen und habe dort in einem Dorf gelebt, das im Oktober 2005 durch ein Erdbeben zerstört worden sei. Seitdem habe er von ihnen kein Lebenszeichen mehr erhalten. Zudem träten bei ihm seit seiner Kindheit drei- bis viermal monatlich epileptische Anfälle auf, die sowohl ärztliche Behandlung als auch teure Medikamente erforderten. Außerdem leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

5

Mit Bescheid vom 29. Mai 2006 widerrief das Bundesamt gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG den zuerkannten Abschiebungsschutz und stellte fest, dass sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 6 AufenthG ebenfalls nicht vorliegen. Zumindest im Raum Kabul sei die Sicherheits- und Versorgungslage nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde". Im Hinblick auf die persönliche Lebenssituation des Klägers als alleinstehender männlicher Erwachsener sei davon auszugehen, dass er im Kabuler Raum eine vergleichsweise stabile Existenzgrundlage finden werde. Er gehöre nicht zu den Personen, die aufgrund ihrer individuellen Situation besonders schutzbedürftig seien. Auch seine epileptischen Anfälle könnten in Kabul ebenso wie seine posttraumatische Belastungsstörung behandelt werden.

6

Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im September 2007 abgewiesen. Der Widerruf sei zu Recht erfolgt, weil im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Abschiebungsverbot nach der jetzt maßgeblichen Nachfolgevorschrift zu § 53 Abs. 6 AuslG, dem § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, nicht bestehe. Auch das in Umsetzung von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie nunmehr neu eingeführte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liege im Falle des Klägers nicht vor. Ebenso wenig bestünden sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes brauche der Kläger eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban nicht mehr zu befürchten. Dass in der Provinz Paktia die Taliban wieder erstarkt und aktiv seien, sei unerheblich, weil der Kläger sich im Raum Kabul niederlassen könne. Dort sei auch eine Behandlung seiner Erkrankungen möglich. Für den Großraum Kabul könne ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führe, nicht angenommen werden.

7

Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 11. Dezember 2008 das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2006 aufgehoben, soweit die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG widerrufen worden ist, und das Bundesamt verpflichtet, in Bezug auf Afghanistan das Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG festzustellen. Für den Kläger lägen in Bezug auf Afghanistan die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG vor. Dabei sei nach der zwischenzeitlichen Rechtsänderung durch Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes am 28. August 2007 aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes vorrangig auf das neu eingefügte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG abzustellen. Die Voraussetzungen für ein solches Abschiebungsverbot lägen vor. In der Heimatregion des Klägers, der Provinz Paktia, herrsche derzeit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Form von Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zwischen der afghanischen Regierungsarmee/ISAF/NATO einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt erfordere keine landesweite Konfliktsituation, sondern liege schon dann vor, wenn seine Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebietes erfüllt seien. Die Provinz Paktia liege im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel und werde von Hilfsorganisationen und ausländischen Militärs inzwischen als eine der gefährlichsten Gegenden der Welt beschrieben. Die Taliban gewönnen im gesamten Südosten Afghanistans wieder an Stärke und betrachteten Paktia als Rückzugs- und Transitraum. Der Gouverneur der Provinz sei am 10. September 2006 von den Taliban ermordet worden, die während der Beerdigung noch ein Selbstmordattentat verübt hätten. Die Infiltration der Guerilla über die nahe pakistanische Grenze habe rapide zugenommen. In diesem paschtunisch geprägten Gebiet fänden vermehrt Überfälle und Selbstmordattentate der "Fundis der Neo-Taliban" statt. Der Verwaltungsgerichtshof stützt sich dabei auf ein Gutachten von Dr. D. vom Dezember 2006, einen Bericht von Amnesty International vom Januar 2007 sowie den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom März 2008 über den Anstieg gewaltsamer Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte im Süden und Südosten Afghanistans.

8

Von diesem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt gingen für eine Vielzahl von Zivilpersonen Gefahren aus, die sich in der Person des Klägers im Falle seiner Rückkehr so verdichten würden, dass sie für ihn als Angehörigen der Zivilbevölkerung eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Form von Bestrafung und/oder Zwangsrekrutierung durch die Taliban begründen würden, zumal zu seinen Gunsten im Sinne einer Beweislastumkehr der herabgemilderte Prognosemaßstab gemäß Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie heranzuziehen sei: Es sei nämlich davon auszugehen, dass der Kläger im Februar 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung und/oder Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf geflüchtet sei. Die Schilderung des Klägers decke sich mit der Beschreibung der Zwangsrekrutierungspraktiken der Taliban in den Erkenntnismitteln des Bundesamts. Deshalb könne seinen Angaben auch nach Auffassung des Senats geglaubt werden. Es sprächen keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass er bei einer Rückkehr wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder einer Zwangsrekrutierung durch die mit großem Rückhalt der dortigen Bevölkerung agierenden Taliban bedroht würde. Da die dem Kläger infolge des bewaffneten Konflikts drohende Gefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den für seine Ausreise maßgeblichen Gründen stehe, sei die Anwendung der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt.

9

Der Kläger könne schließlich nicht auf einen internen Schutz in einem anderen Teil Afghanistans verwiesen werden. Denn in anderen Landesteilen, insbesondere in dem wohl allein hier infrage kommenden Bereich der Hauptstadt Kabul, könne der aus der ländlichen Provinz stammende, ungelernte, kranke und seit knapp acht Jahren in Deutschland lebende Kläger angesichts der angespannten Arbeitsmarktsituation und der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage sein Existenzminimum nicht sichern. Er verfüge in Kabul über keinerlei familiäres oder soziales Netzwerk oder über Ortskenntnisse. Zu den allgemeinen schwierigen Lebensbedingungen komme hinzu, dass er wegen seiner nachgewiesenen Epilepsie-Erkrankung zusätzlich gesundheitlich gefährdet und deshalb auch nur als sehr eingeschränkt arbeitsfähig anzusehen sei. In diesem Fall seien daher auch nach den vom Senat bisher zu Grunde gelegten strengen Maßstäben sogar die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach nationalem Recht in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch deshalb sei der angefochtene Widerrufsbescheid aufzuheben.

10

Die Beklagte wendet sich mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision nicht gegen die Aufhebung des Widerrufs des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur noch gegen die Verpflichtung zur zusätzlichen Feststellung eines gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Sie macht geltend, es sei bereits fraglich, ob der Verwaltungsgerichtshof ordnungsgemäß nach den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts festgestellt habe. Jedenfalls habe er keine hinreichend nachvollziehbaren Feststellungen dazu getroffen, warum gerade der Kläger aufgrund dieses Konflikts in eine Gefahr für Leib oder Leben geraten solle. Es sei weder festgestellt noch ersichtlich, dass der Kläger etwa einer Personengruppe angehöre, die aufgrund ihrer Stellung und Funktion besonderen Verfolgungsrisiken seitens fanatischer Islamisten ausgesetzt sein könnte. Er gehöre auch keiner religiösen oder ethnischen Minderheit an. Er sei vielmehr ein einfacher Bauer, der Afghanistan wegen seiner damaligen Befürchtung, zwangsrekrutiert zu werden, schon vor über acht Jahren verlassen habe. Dass genau diese Gefahr heute noch bestehen solle, nachdem der Kläger mit 36 Jahren zwar noch im wehrfähigen Alter, aber nach allen Feststellungen ein kranker Mann sei, sei nicht nachvollziehbar. Die Anwendung von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie sei rechtsfehlerhaft, weil die frühere und die etwaige künftige Gefahr nicht gleichartig seien. Von einer derartig hohen Gefahr, dass jedenfalls in der Provinz Paktia praktisch jeder überall und jederzeit einer Gefahr für Leib oder gar Leben ausgesetzt wäre, könne nach den Darstellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht gesprochen werden. Außerdem rügt die Beklagte in der Revisionsverhandlung zusätzlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieser habe über das erst in der Berufungsverhandlung vom Hilfsantrag zum Hauptantrag aufgewertete Begehren auf Feststellung des neuen gemeinschaftsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden, ohne der in der Berufungsverhandlung nicht anwesenden Beklagten Gelegenheit zum Tatsachen- und Rechtsvortrag hierzu zu geben.

11

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

12

Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren und ist der Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof habe zwar zutreffend einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Süden und Osten Afghanistans angenommen, er habe aber keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, dass dem Kläger eine individuelle erhebliche Gefahr infolge willkürlicher Gewalt drohe. Er habe insoweit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie rechtsfehlerhaft angewandt. Insbesondere habe er nicht geprüft, ob stichhaltige Gründe dagegen sprächen, dass der Kläger heute noch eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban zu befürchten hätte. Hierzu hätte aber unter anderem angesichts des Alters und des Gesundheitszustandes des Klägers sowie der veränderten politischen Verhältnisse in Afghanistan Anlass bestanden. Das Berufungsgericht habe auch keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu den allgemeinen Konfliktgefahren wie etwa den Auswirkungen von Kampfhandlungen, Minen oder Bombardierungen für die Zivilbevölkerung im Herkunftsgebiet des Klägers getroffen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten, die sich nicht gegen die Aufhebung des Widerrufsbescheides durch das Berufungsgericht, sondern nur gegen die zusätzliche Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG richtet, ist begründet. Zwar ist die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge unzulässig (1.), die Rüge der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) hat indes Erfolg (2.). Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung bejaht, die mit Bundesrecht nicht in vollem Umfang vereinbar ist. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

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1. Die von der Beklagten erhobene Verfahrensrüge ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht, wie nach § 139 Abs. 3 VwGO erforderlich, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist geltend gemacht worden ist. Die Einhaltung dieser Frist war entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Im Übrigen fehlt es an der schlüssigen Darlegung der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn die Beklagte zeigt nicht auf, welches entscheidungserhebliche Vorbringen ihr durch die Heraufstufung des bisherigen Hilfsantrags des Klägers zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zum (weiteren) Hauptantrag in der Berufungsverhandlung abgeschnitten worden ist. Ihre Einwände gegenüber dem Begehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hätte sie schon angesichts des entsprechenden Hilfsantrags vorbringen können und müssen.

15

2. Die Revision rügt dagegen zu Recht, dass die Berufungsentscheidung, soweit sie sich auf das Verpflichtungsbegehren auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bezieht, mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.

16

a) Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof allerdings davon ausgegangen, dass der (weitere) Hauptantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zulässig ist. Zwar hat die Beklagte in der angefochtenen Widerrufsentscheidung vom 29. Mai 2006 nur das Vorliegen der seinerzeit geltenden ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 3 bis 6 AufenthG a.F. verneint. Dies hindert aber nicht, die mit Wirkung vom 28. August 2007 in das Aufenthaltsgesetz aufgenommenen neuen unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG, auf die sich der Kläger von Anfang an auch berufen hat, in das vorliegende gerichtliche Verfahren einzubeziehen. Diese Abschiebungsverbote beruhen auf Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - und sind durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden. Sie bilden nach der Rechtsprechung des Senats einen eigenständigen, vorrangig vor den verbleibenden nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. Urteile vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 9 und vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen dieser neue Streitgegenstand - ebenso wie in asylrechtlichen Antragsverfahren - auch in Widerrufsfällen hinsichtlich des subsidiären Schutzes nach § 73 Abs. 3 AsylVfG mit Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes am 28. August 2007 im gerichtlichen Verfahren kraft Gesetzes angewachsen ist, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls dann, wenn das Bundesamt in dem Widerrufsbescheid - wie hier - über sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote sachlich entschieden hat, kann der Kläger die neuen, auf der Richtlinie beruhende subsidiären Abschiebungsverbote in das anhängige gerichtliche Verfahren einbeziehen. Insoweit bedarf es nicht eines erneuten Antrags beim Bundesamt und der Durchführung eines vorherigen Verwaltungsverfahrens. Damit wird auch der den Asylprozess beherrschenden Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime Rechnung getragen, nach der am Ende eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich geklärt sein soll, ob und welchen (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsschutz der Kläger zu diesem Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) genießt.

17

Der Zulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots steht entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht entgegen, dass das Berufungsgericht dem ersten Hauptantrag des Klägers (auf Aufhebung des Widerrufs der Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots) entsprochen hat und damit zu Gunsten des Klägers weiterhin ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht (jetzt nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) besteht. Denn ebenso wie der Ausländer im Antragsverfahren verlangen kann, dass vorrangig über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG entschieden wird, und die Feststellung eines nachrangigen Abschiebungsverbots nach nationalem Recht einer solchen Entscheidung nicht entgegensteht, kann er auch im Widerrufsverfahren eine Klärung seiner vorrangigen Ansprüche in Bezug auf die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote erstreiten. Er muss sich nicht darauf verweisen lassen, dass ihm bereits ein nachrangiges Abschiebungsverbot nach nationalem Recht zusteht. Der Kläger konnte daher sein Begehren auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots neben seinem Antrag auf Aufhebung des Widerrufsbescheides in zulässiger Weise zum Gegenstand eines (weiteren) Hauptantrags machen.

18

Das danach zulässige Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist auch nicht deshalb unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer solchen Feststellung im Lauf des Revisionsverfahrens entfallen wäre. Zwar ist dem Kläger - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - nach rechtskräftig gewordener Aufhebung des Widerrufs des Abschiebungsverbots nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990/§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch das Berufungsurteil inzwischen von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt worden. Dies führt indes nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses an der Zuerkennung eines unionsrechtlich begründeten subsidiären Abschiebungsverbots. Denn die mit dem subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie verbundenen Rechte erschöpfen sich nicht in der Erteilung einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis, sondern können sich auch sonst in vielfältiger Weise zu Gunsten des Klägers auswirken (vgl. Art. 20 ff. der Richtlinie). Zudem würde es dem Sinn und Zweck der Richtlinie, die von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Art. 18 der Richtlinie) ausgeht, widersprechen, wenn dem Kläger mit Rücksicht auf einen nach nationalem Recht erteilten befristeten Aufenthaltstitel eine Entscheidung über das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots versagt würde.

19

b) Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Bezug auf Afghanistan vorliegen, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.

20

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17, 36 und vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 11) und ist in diesem Sinne auszulegen.

21

Das Berufungsgericht hat zwar das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers zutreffend bejaht (aa). Seine Auffassung, dass der Kläger im Rahmen dieses Konflikts einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, ist aber mit den rechtlichen Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht in vollem Umfang vereinbar. Insbesondere reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht für die Annahme aus, dass dem Kläger wegen eines vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zugute kommt (bb). Außerdem fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass die Situation in der Herkunftsregion des Klägers durch einen so hohen Grad willkürlicher Gewalt gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre oder zumindest der Kläger als Zivilperson aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände in dieser Weise individuell bedroht wäre (cc).

22

aa) Bei der Prüfung des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist der Verwaltungsgerichtshof von den im Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) entwickelten Grundsätzen ausgegangen und hat den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht ausgelegt, insbesondere in den vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949 einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - Zusatzprotokoll II - ZP II - (BGBl 1990 II S. 1550 <1637>). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. An diesem Ansatz hält der Senat auch angesichts des inzwischen ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji, ABl EU 2009, Nr. C 90, 4) fest, das sich mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht näher befasst hat. Auch soweit die Gerichte des Vereinigten Königreichs in ihrer neueren Rechtsprechung eine eigenständige Auslegung der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein nach dessen Sinn und Zweck befürworten (Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620), gibt dies aus Sicht des Senats keinen Anlass, bei der Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts von dem bisherigen Ansatz abzurücken.

23

Der Ansatz des Senats sieht, wie sich aus den Ausführungen im Urteil vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) im Einzelnen ergibt, keineswegs eine bedingungslose Übernahme der Anforderungen des Art. 1 ZP II vor, sondern zielt auf eine Orientierung an diesen Kriterien, wobei daneben oder ergänzend auch die Auslegung dieses Begriffs im Völkerstrafrecht berücksichtigt werden kann (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 23). Die Orientierung am humanitären Völkerrecht bedeutet danach, dass einerseits - am unteren Rand der Skala - Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gelten (Art. 1 Abs. 2 ZP II) und andererseits - am oberen Rand der Skala - jedenfalls dann ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die Kriterien des Art. 1 Abs. 1 ZP II erfüllt sind, d.h. wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll (ZP II) anzuwenden vermögen. Für zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegende Konflikte ist die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht von vornherein ausgeschlossen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Wie der Senat ausdrücklich hervorgehoben hat, findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht sind, entgegensteht. Mit Blick auf diesen Zweck setzt nach Auffassung des Senats das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZP II; im Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 22 noch offengelassen). Vielmehr kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein kann.

24

Zusammenfassend betrachtet ist damit dem von der neueren britischen Rechtsprechung betonten Anliegen, die unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes nach der Qualifikationsrichtlinie andererseits zu beachten, hinreichend Rechnung getragen, ohne dass das Merkmal des bewaffneten Konflikts völlig losgelöst vom bisherigen Verständnis desselben Begriffs im humanitären Völkerrecht interpretiert und damit konturenlos und - entgegen dem Wortlaut der Vorschrift - praktisch entbehrlich würde.

25

Gemessen an diesen Kriterien reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers, der Provinz Paktia, aus. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil finden im Osten und Süden Afghanistans zwischen den Truppen der ISAF/NATO und der afghanischen Armee einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits bürgerkriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen statt. Dies betreffe auch die im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel gelegene Provinz Paktia. Auch diese Region werde von den zunehmenden Kämpfen gegen die Taliban erfasst, deren Angriffe kriegsähnliche Dimensionen annähmen. Dies entspreche auch dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, wonach seit Frühjahr 2007 vor allem im Süden und Osten des Landes ein Anstieg der gewaltsamen Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte zu verzeichnen sei (UA S. 19 ff.). Diese Feststellungen sind jedenfalls mit Blick auf den Bericht des Auswärtigen Amtes noch ausreichend aktuell, um den Schluss auf einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Herkunftsregion des Klägers zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung zu rechtfertigen. Dass der Verwaltungsgerichtshof zum Organisationsgrad der Taliban keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat, ist nach den oben dargestellten Auslegungsmaßstäben unschädlich, da angesichts der festgestellten militärischen Stärke und "Erfolge" der Taliban in Teilen Afghanistans keine Zweifel am Vorliegen eines ausreichend intensiven und dauerhaften bewaffneten Konflikts bestehen. Vom Vorliegen eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts im Sinne des Völkerstrafrechts geht im Übrigen auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof für die Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Taliban und der afghanischen Regierung sowie der ISAF in Afghanistan aus (Presseerklärung vom 19. April 2010 Nr. 8/2010; vgl. hierzu auch Ambos, NJW 2010, 1725).

26

bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger bei einer Rückkehr als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben (einschließlich körperlicher Unversehrtheit) infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat dies unter Anwendung der Beweiserleichterung nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie bejaht. Es ist davon ausgegangen, dass der Kläger 2001 vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung oder/und Bestrafung durch die Taliban aus seinem Heimatdorf in der Provinz Paktia geflüchtet ist und keine stichhaltigen Gründe dagegensprechen, dass er bei einer Rückkehr dorthin wegen seiner Vorgeschichte von einer Bestrafung oder jedenfalls wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der paschtunischen Männer im wehrfähigen Alter von einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban bedroht würde. Da die den Kläger infolge des bewaffneten Konflikts bedrohende Leib- und Lebensgefahr danach nicht auf neuen, andersartigen verfolgungsbegründenden Umständen beruhe, sondern in einem inneren Zusammenhang mit den zu seiner Ausreise führenden Gründen stehe, sei die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie gerechtfertigt (UA S. 23 f.). Die so begründete Anwendung der Beweiserleichterung im Rahmen des subsidiären Schutzes ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.

27

(1) Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen gesetzlichen Vermutung gilt sowohl für den Flüchtlingsschutz als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie (vgl. auch § 60 Abs. 11 AufenthG). Sie setzt für den subsidiären Schutz voraus, dass der Antragsteller im Herkunftsstaat bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war (Vorschädigung). Was unter einem ernsthaften Schaden im Sinne der Richtlinie zu verstehen ist, ist in Art. 15 Buchst. a bis c der Richtlinie definiert.

28

Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigen schon nicht den Schluss, dass der Kläger vor seiner Ausreise unmittelbar von einem ernsthaften Schaden in diesem Sinne bedroht war und damit die Voraussetzungen für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie überhaupt vorliegen. Dass der Kläger als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Art. 15 Buchst. c der Richtlinie) ausgesetzt war, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Insofern fehlt es für den Zeitraum vor der Ausreise des Klägers sowohl an Feststellungen zum Vorliegen eines bewaffneten Konflikts in der Heimatprovinz des Klägers als auch an jeglichen Feststellungen zum Niveau willkürlicher Gewalt und ihren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Ferner fehlt es an Feststellungen zum Bestehen einer Gefahr für Leib oder Leben des Klägers als Zivilperson.

29

Auch wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass der vor der Ausreise erlittene oder unmittelbar drohende Schaden nicht notwendig ein solcher im Sinne des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie sein muss, sondern auch ein Schaden nach den anderen Alternativen dieser Vorschrift sein kann - jedenfalls sofern ein innerer Zusammenhang mit dem aktuell drohenden Schaden besteht - , reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines dem Kläger vor der Ausreise unmittelbar drohenden ernsthaften Schadens nach den anderen Alternativen des Art. 15 der Richtlinie nicht aus. Der Sache nach käme vorliegend nur ein Schaden im Sinne von Art. 15 Buchst. b der Richtlinie, also eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, wegen der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen, im Jahr 2001 drohenden Zwangsrekrutierung des Klägers seitens der Taliban oder einer damit zusammenhängenden Bestrafung in Betracht. Die Feststellungen im Berufungsurteil über die Umstände der Zwangsrekrutierung reichen indes für die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK nicht aus. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar die Überzeugung gewonnen, dass dem Kläger damals eine Zwangsrekrutierung durch die Taliban drohte, und hat auch die näheren Umstände einer derartigen Rekrutierung (willkürlich, nach Gutdünken, ohne Rechtsgrundlage, Abtransport ohne Umstände in Militärfahrzeugen) festgestellt (UA S. 23), er hat aber keine Ausführungen dazu gemacht, dass und inwiefern darin oder in einer eventuellen Bestrafung im Falle der Verweigerung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu sehen ist. Die Zwangsrekrutierung zum Kriegsdienst stellt als solche ebenso wie die Tötung oder Verletzung im Krieg nicht ohne Weiteres eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in diesem Sinne dar. Zur Art und Weise einer Bestrafung enthält das Urteil ebenfalls keinerlei Feststellungen. Auch die Bezugnahme des Verwaltungsgerichtshofs auf die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG 1990 durch den bestandskräftig gewordenen Bescheid des Bundesamts vom 18. Juli 2001 genügt insoweit nicht. Dieser betraf nicht die Zuerkennung von Abschiebungsschutz wegen Verletzung von Art. 3 EMRK (damals nach § 53 Abs. 4 AuslG 1990), sondern von nationalem subsidiären Abschiebungsschutz wegen sonstiger Gefahren. Dabei wurde auf die akute Gefahr für Leib und Leben durch den unvorbereiteten Einsatz in der Armee bei heftig geführten Kämpfen abgestellt und damit auf eine Gefahr, die als solche keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellt.

30

Da es an ausreichenden Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger vor der Ausreise von einem ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie unmittelbar bedroht war, besteht schon keine ausreichende Tatsachengrundlage für die Anwendung der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie. Auf die Frage des Zusammenhangs zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem aktuell drohenden Schaden sowie auf die Frage, ob stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Kläger erneut von einem solchen Schaden bedroht wird, kommt es daher nicht mehr an.

31

Der Senat bemerkt allerdings, dass für das Eingreifen der Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie nicht nur im Rahmen des Flüchtlingsschutzes sondern auch im Rahmen des subsidiären Schutzes erforderlich ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auch auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (vgl. auch Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - Rn. 21 zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie erstreckt. Dabei erscheint es nicht ausgeschlossen, dass etwa ein erlittener Eingriff in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie durch eine der Konfliktparteien eines später entstandenen bewaffneten Konflikts, sofern nicht ohnehin eine Schutzgewährung nach dieser Alternative des Art. 15 der Richtlinie geboten ist, auch als ernsthafter Hinweis auf einen persönlichen gefahrerhöhenden Umstand im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie angesehen werden kann, der geeignet ist, schon bei einem nicht extrem hohen Niveau willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts eine erhebliche individuelle Bedrohung der betroffenen Zivilperson an Leib oder Leben anzunehmen. Dagegen dürfte sich die Vermutungswirkung insoweit nicht etwa auf das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts oder auf ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt gegen die Zivilbevölkerung erstrecken (vgl. hierzu unten (2)).

32

(2) Für die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre. Das in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie genannte Merkmal der Bedrohung "infolge willkürlicher Gewalt" ist auch in der nationalen Umsetzungsvorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sinngemäß enthalten (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 36). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji a.a.O.) das Erfordernis einer ernsthaften individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie dahingehend ausgelegt, dass es sich auf schädigende Eingriffe beziehe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richteten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein (Rn. 35). Mit Blick auf den 26. Erwägungsgrund und die Systematik des Art. 15 der Richtlinie bleibe dies allerdings einer außergewöhnlichen Situation vorbehalten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sei, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre (Rn. 36, 37). Dies sei dahin zu präzisieren, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei (Rn. 39).

33

Aus diesem Verständnis der Vorschrift, das nach Auffassung des Senats der Sache nach den Ausführungen in seinem Urteil vom 24. Juni 2008 entspricht (vgl. Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 15), folgt, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Senats auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Insoweit können auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. Beschluss vom 7. August 2008 - BVerwG 10 B 39.08 - juris Rn. 4 unter Hinweis auf das Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 35; ebenso das britische AIT, Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22./23. Juli 2009, Afghanistan CG <2009> UKAIT 00044, Rn. 124 ff.).

34

Hierbei ist nach den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 (Elgafaji) davon auszugehen, dass nicht nur solche Gewaltakte zu berücksichtigen sind, die die Regeln des humanitären Völkerrechts verletzen (vgl. zu dieser Auffassung auch Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 37), sondern auch andere Gewaltakte, die nicht zielgerichtet gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, sondern wahllos ausgeübt werden und sich auf Zivilpersonen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 34). Angesichts der Auslegung des Begriffs der willkürlichen Gewalt durch den Gerichtshof, aber auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Schutzgewährung nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie kann dieser Vorschrift eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßenden Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht entnommen werden (so auch die neuere britische Rechtsprechung, Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620).

35

Den vorgenannten Anforderungen an die Feststellung des Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. der Gefahrendichte genügt das Berufungsurteil nicht. So fehlt es schon an der zumindest annähernd ermittelten Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt lebenden Zivilpersonen. Auch die Feststellungen zur Größenordnung der zivilen Opfer sind nur kursorisch und beziehen sich auf einen länger zurückliegenden Zeitpunkt (UA S. 20). Auch deshalb kann die Berufungsentscheidung insoweit keinen Bestand haben.

36

3. Eine abschließende Entscheidung des Senats auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist weder zu Gunsten noch zu Lasten des Klägers möglich. Insbesondere reichen, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, die Feststellungen des Berufungsgerichts über das Niveau willkürlicher Gewalt in der Herkunftsregion des Klägers in keinem Fall aus, um unabhängig von einer etwaigen zusätzlichen Bedrohung aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände eine individuelle Betroffenheit des Klägers im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein aufgrund seiner Anwesenheit in diesem Gebiet zu bejahen.

37

Das Verfahren ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der erneuten Prüfung wird es gegebenenfalls auch die Gelegenheit haben, auf die von der Revision und dem Vertreter des Bundesinteresses in den Vordergrund gestellte Frage einzugehen, ob die inzwischen bekannt gewordene Erkrankung des Klägers an Epilepsie und sein aktueller Gesundheitszustand der Gefahr einer Zwangsrekrutierung entgegensteht.

Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm im Irak drohender Gefahren.

2

Der 1976 in Mosul geborene Kläger ist kurdischer Volkszugehöriger sunnitischen Glaubens. Zur Begründung des im Juli 2001 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) gestellten Asylantrags gab er an, dass er in Mosul ein Lebensmittelgeschäft betrieben habe. Eine von einem Kunden in seinem Laden abgestellte Tasche, die Flugblätter von Schiiten enthalten habe, sei von einem Unbekannten inspiziert worden. Sein Vater habe ihm daraufhin zur Flucht geraten und sei seinetwegen später verhaftet worden. Er befürchte, wegen des Vorfalls getötet oder lebenslang inhaftiert zu werden. Mit Bescheid vom 14. September 2001 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, stellte jedoch fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (inzwischen § 60 Abs. 1 AufenthG) hinsichtlich des Irak vorliegen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung verfolgt werde.

3

Wegen der veränderten politischen Verhältnisse im Irak widerrief das Bundesamt am 16. März 2006 die Flüchtlingsanerkennung und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

4

Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 1. Februar 2007 im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf sei rechtmäßig, weil der Kläger im Irak nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein keine Verfolgung mehr zu befürchten habe. Er könne auch keine Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bzw. subsidiären Schutz gemäß Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG beanspruchen. Im Irak liege kein landesweiter innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Zudem habe der Kläger die Möglichkeit, in Teilen des Irak internen Schutz zu finden. Im Übrigen stehe die Erlasslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, die bei allgemeinen Gefahren vergleichbaren Abschiebungsschutz biete, der Gewährung richtliniengemäßen subsidiären Schutzes entgegen.

5

Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger seine Revision hinsichtlich des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung zurückgenommen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 44.07 - das Revisionsverfahren insoweit eingestellt. Im Übrigen hat er, soweit die Verpflichtung zur Feststellung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise nationalen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird, das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat er darauf abgestellt, dass § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keinen landesweiten bewaffneten Konflikt voraussetze. Die zusätzliche Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne innerhalb des Irak internen Schutz finden, beruhe auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage. Schließlich verletze der Verweis auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ministerielle Erlasse revisibles Recht. Denn § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Sperrwirkung nicht greife, wenn die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt seien.

6

Während des neuen Berufungsverfahrens hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei. Damit sei sein Aufenthalt gesichert und es komme auf subsidiären Schutz nicht mehr an.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 21. Januar 2010 zurückgewiesen, soweit sie sich auf das noch anhängige Begehren zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezieht. Die Berufung sei zulässig, denn für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der Kläger mittlerweile im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG sei. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG könne dem Kläger eine zusätzliche Rechtsposition vermitteln. Die Berufung sei aber unbegründet. Mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führt das Berufungsgericht aus, es könne dahinstehen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren seien. Jedenfalls sei der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt. An seinem Herkunftsort in Mosul bestehe keine so hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Dies ergebe sich aus der Zahl der Anschläge und der Anzahl der Opfer im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, habe 2009 ca. 0,12 % oder ca. 1:800 pro Jahr betragen. Für eine Verschärfung der Sicherheitslage gebe es keine Anhaltspunkte. Gefahrerhöhende individuelle Umstände seien bei dem Kläger nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des hilfsweise begehrten nationalen Abschiebungsschutzes (§ 60 Abs. 7 Satz 1 und § 60 Abs. 5 AufenthG) lägen ebenfalls nicht vor.

8

Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision wendet sich der Kläger allein gegen die Ablehnung der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Er rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe bei der Ermittlung der Gefahrendichte auf die im Rahmen der Gruppenverfolgung entwickelten Kriterien der Verfolgungsdichte abgestellt, ohne zwischen den Schutzsystemen zu differenzieren und die Besonderheiten des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen. Auch seien die in das Verfahren eingeführten Quellen zur Häufigkeit von Anschlägen im Irak und zur Zahl der Toten und Verletzten nicht interpretiert und bewertet worden.

9

Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die begehrte Verpflichtung zur Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abgelehnt.

11

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Verpflichtungsbegehren auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes. Die darüber hinausgehende Beschränkung des Revisionsantrags auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 16). Eine Revision kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13).

12

Für diesen Verpflichtungsantrag ist, obwohl der Kläger mittlerweile eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG besitzt, entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen. Dieses Interesse fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>). Der Beklagten ist einzuräumen, dass sich nach nationalem Aufenthaltsrecht die Rechtsstellung eines Ausländers in der Situation des Klägers, der im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG ist, durch die Zuerkennung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes derzeit nicht verbessern kann. Diese Betrachtung greift aber zu kurz. Denn aus dem Umsetzungsdefizit des deutschen Gesetzgebers, der - entgegen den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG im 5. Erwägungsgrund, in Art. 2 Buchst. f und in Art. 18 - den Status des subsidiär Schutzberechtigten im nationalen Recht nicht explizit ausgeformt hat, darf für den Kläger kein Nachteil entstehen (vgl. auch Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13). Er hat daher ein legitimes Interesse, dass trotz seiner gesicherten aufenthaltsrechtlichen Stellung mit Blick auf diesen Schutzstatus und die damit einhergehenden Vergünstigungen über das Bestehen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots entschieden wird.

13

Die zulässige Klage ist aber unbegründet. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und das Revisionsgericht daher bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) greift keines der auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG).

14

1. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG und ist in diesem Sinne auszulegen (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17 und Rn. 36).

15

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt anzusprechen sind, weil der Kläger auch bei Annahme eines derartigen Konflikts keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wären. Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

16

a) Für seine Prognose, ob der Kläger bei Rückkehr in den Irak einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht auf die tatsächlichen Verhältnisse in seiner Herkunftsregion Mosul abgestellt. Dort hat der Kläger zuletzt gelebt, so dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass er dorthin zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17).

17

b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren zutreffend geprüft, ob von dem - zugunsten des Klägers unterstellten - bewaffneten Konflikt in der Region von Mosul für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllen (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 34).

18

Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 33). Gefahrerhöhende individuelle Umstände hat das Berufungsgericht bei dem Kläger nicht festgestellt (UA S. 12); dem ist der Kläger mit der Revision auch nicht entgegengetreten.

19

Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann aber auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (Urteil vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 15 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33).

20

In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG. Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR (GK), Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG).

21

Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrunde liegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 31).

22

Eine für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichende Gefahrendichte hat das Berufungsgericht für den Bereich der Stadt Mosul verneint. Es hat - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts (vgl. dazu Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 20 ff.) - aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Provinz Ninive und deren Hauptstadt Mosul lebenden Zivilpersonen annäherungsweise ermittelt und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung gesetzt. Dabei hat es festgestellt, dass das Risiko, in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, für das gesamte Jahr 2009 ungefähr 1:800 betrug. Einen Trend zur Verschlechterung der Sicherheitslage vermochte es nicht festzustellen (UA S. 12). Seine auf der Grundlage dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, ist revisionsgerichtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.

23

Zwar bedarf es - wie die Revision im Ansatz zu Recht rügt - neben dieser quantitativen Ermittlung auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Der Mangel in der Vorgehensweise des Berufungsgerichts bleibt aber im vorliegenden Fall ohne Folgen. Denn die Höhe des vom Berufungsgericht festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens ist so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass sich der Mangel im Ergebnis nicht auszuwirken vermag.

24

Auch der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG eingegangen ist, verhilft der Revision nicht zum Erfolg, denn das Vorfluchtschicksal des Klägers gab dazu keinen Anlass. Dieses lässt keine Beeinträchtigung erkennen, die auch unter dem Blickwinkel des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG die Qualität einer Vorschädigung erreichen könnte. Zudem bestünde kein sachlicher Zusammenhang mit den nunmehr im Irak drohenden Gefahren.

25

2. Das Berufungsgericht hat auch die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG in den Blick genommen, sie aber nicht als durchgreifend angesehen. Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.

Tenor

Der Bescheid des Landratsamts ... vom 18.10.2006 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 15.02.2007 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Kläger - ein Ehepaar und deren minderjährige Kinder - sind irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit.
Die Kläger Ziffer 1 bis 5 reisten im Mai 2001 in das Bundesgebiet ein und suchten um Asyl nach. Die Klägerin Ziffer 6 wurde erst nach der Einreise im Bundesgebiet geboren.
Mit unanfechtbarem Bescheid vom 06.08.2001 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zugunsten der Kläger Ziffer 1 bis 5 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Ein von der Klägerin Ziffer 6 nachträglich eingeleitetes Asylverfahren blieb hingegen erfolglos (Bescheid des Bundesamts vom 26.2.2003).
Mit Bescheid vom 25.02.2005 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Feststellung vom 06.08.2001. Die hiergegen zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage blieb ohne Erfolg (vgl. U. v. 27.07.2005 - A 6 K 10480/05).
Am 16.10.2001 wurden den Klägern Aufenthaltsbefugnisse erteilt, zuletzt als bis 15.10.2006 gültige Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Bei der Klägerin Ziffer 6 beruhte die Aufenthaltserlaubnis auf § 33 AufenthG.
Am 18.07.2006 beantragten sie die Verlängerung Aufenthaltserlaubnisse.
Nach Anhörung lehnte das Landratsamt Heilbronn mit Verfügung vom 18.10.2006 die Anträge ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.02.2007 zurückgewiesen.
Am 07.03.2007 haben die Kläger Klage erhoben.
10 
Zur Begründung verweisen sie auf die aktuelle Lage im Irak, die eine Abschiebung nicht zulasse, weshalb die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AufenthG vorlägen.
11 
Sie beantragen,
12 
den Bescheid des Landratsamts ... vom 18.10.2006 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 15.02.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.
13 
Der Beklagte ist der Klage aus den Gründen der angegriffenen Bescheid entgegn getreten.
14 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
15 
Dem Gericht lagen die Ausländerakten der Kläger sowie die Widerspruchsakten vor.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässigen Klagen haben Erfolg.
17 
1. Die Kläger Ziffer 1 bis 5 haben jeweils einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 S. 1 AufenthG (in entsprechender Anwendung). Denn ihrer Abschiebung steht gegenwärtig in Bezug auf den Irak ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach Art. 15 lit. c) RL 2004/83/EG v. 29.04.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie – QRL). Insoweit kann offen bleiben, ob auch eine „extreme Gefahrenlage“ im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BVerwG zu § 60 Abs. 7 AufenthG (vgl. zuletzt U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – AuAS 2007, 30 m.w.N.) vorliegt.
18 
Dies ergibt sich aus Folgendem: Nach Art. 15 lit. c QRL, der in Ermangelung einer fristgemäßen Umsetzung durch die Bundesrepublik Deutschland (vgl. Art. 38 QRL) seit 11.10.2006 unmittelbar anzuwenden ist, liegt ein ernsthafter, eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährung subsidiären Schutzes auslösender ernsthafter Schaden u.a. dann vor, wenn nach Maßgabe des Kriterienkatalogs des Art. 4 Abs. 3 QRL eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gegeben ist. Diesen Vorgaben ist die grundsätzliche Differenzierung zwischen allgemeinen Gefahren, die dann im Falle des Fehlens einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 AufenthG zu einem erheblich unterschiedlichem Prognosemaßstab und damit Schutzniveau führen, fremd. Eine Übertragung dieser Grundsätze und somit eine Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG wäre mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar (vgl. nunmehr aber auch eine dahingehende Änderung in Art. 1 Nr. 48 des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union. BT-Drucks. 16/5056). Aus den vorgenannten Vorschriften der Qualifikationsrichtlinie ergeben sich keine zureichenden Anhaltspunkte, wonach nur extreme Gefahrenlagen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Gewährung subsidiären Schutzes führen können, was aber die Folge der nationalen Regelung wäre, da nach der Rechtsprechung des BVerwG hier in dieser zugespitzten Konstellation zumindest aus verfassungsrechtlichen Gründen Abschiebungsschutz zu garantieren und zu gewähren ist. Denn dann würden im Verhältnis zu allen anderen Fallkonstellationen des subsidiären Schutzes sowohl ein abweichender Gefahrprognosemaßstab wie auch eine qualifizierte Rechtsgutsbeeinträchtigung Gültigkeit beanspruchen. Noch viel weniger lässt sich der QRL entnehmen, dass die Gewährung unterhalb dieser Schwelle von einer sog. „politischen Leitentscheidung“ abhängig gemacht werden darf mit der Konsequenz, dass gegen das Unterlassen, eine solche zu treffen, keine Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet ist (vgl. GK-AufenthG § 23 Rdn. 17 ff.; § 60a Rdn. 13). In der Begründung des Gesetzesentwurfs (vgl. BT-Drucks. 16/5056) wird allerdings auf die 26. Begründungserwägung der QRL verwiesen, wonach „Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre.“ Dieser Erwägungssatz trägt jedoch eine Übertragung der zu § 60 Abs. 7 AufenthG entwickelten Grundsätze des nationalen Rechts nicht. Zwar sind derartige Begründungserwägungen durchaus integraler Bestandteil des jeweiligen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakts, sie sind aber nicht unmittelbar Inhalt und Gegenstand der einzelnen Rechtsnorm, da sie sonst genau an dieser Stelle platziert worden wären. Sie haben vielmehr die Funktion einer (gewissermaßen amtlichen) Auslegungshilfe, aber nur sofern überhaupt Auslegungsbedarf besteht (vgl. Borchardt, in: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl., Art. 220 Rdn. 23). Insbesondere stellen sie kein Mittel dar, um eindeutige Bestimmungen, die unmittelbar normative Wirkung haben, zu entwerten oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren. Die hier in den Blick zu nehmenden Normen sind aber keineswegs unklar; sie sind auch durchaus ausdifferenziert. Die Probleme stellen sich erst bei der praktischen Anwendung und hier v.a. bei der Tatsachenfeststellung und Tatsachenbewertung. Hinzu kommt, dass es hier allein um Gefahren geht, die aus kriegerischen internationalen oder binnennationalen Konflikten resultieren. Das hier zugrunde liegende und regelmäßig anzutreffende Gefahrenszenario ist aber typischer Weise dann so beschaffen, dass die gesamte Bevölkerung oder jedenfalls ganze Gruppen der Bevölkerung betroffen sein können. Dies wird auch durch die zusätzliche Aufnahme des Kriteriums der „willkürlichen Gewalt“, das bemerkenswerterweise gemeinschaftsrechtwidrig nicht in das nationale Recht übernommen werden soll, deutlich gemacht, das den Inhalt der konkret-individuellen Gefahrenprognose sogar tendenziell modifiziert, weil ihm die Vorstellung immanent ist, dass die Gewalt „jeden zu jeder Zeit und an jedem Ort“ trifft bzw. treffen kann und bei wertender Betrachtungsweise unkalkulier- und unberechenbar ist und sich daher einer quantitativen Bewertung entziehen muss (etwa im Sinne von mehr als 50 v.H. oder eines bestimmten Prozentsatzes von Toten an der Gesamtbevölkerung, so aber im Ansatz verfehlt SaarlOVG, B.v. 09.03.2007 – 3 Q 113/06 – juris, abgesehen davon, dass die zahllosen Schwerverletzen überhaupt nicht erwähnt werden). Bemerkenswerterweise wird in anderen sprachlichen Fassungen auch nicht der Begriff der Willkür verwendet, vielmehr ist - nicht völlig identisch und das hier inmitten stehende Problem u.U. angemessener beschreibend – die Rede von „violence aveugle“, „violenzia indiscriminata“, „violencia indiscriminada“ bzw. „indiscriminate violence“. Mit diesem Inhalt ist eine Parallele zu den jeweiligen Art. 3 der vier Genfer Konventionen vom 12.8.1949 (BGBl. 1954 II, 783 ff., 813 ff., 838 ff. 917 ff.) unübersehbar, die alle jeweils möglichst umfassend den Schutz der nicht beteiligten Zivilbevölkerung im Auge haben. Diese Überlegungen zeigen deutlich, dass mittels einer Überhöhung eines bloßen Erwägungssatzes der unmittelbar normative Sinngehalt des Art. 15 lit. c) QRL ausgehöhlt und der Regelfall tendenziell zum Nichtanwendungsfall würde. Der 26. Erwägungssatz geht vielmehr in eine vollständig andere Richtung. Um dessen Bedeutung zutreffend zu erfassen, muss daran erinnert werden, dass der subsidiäre Schutz nach Art. 15 QRL in lit. c) nur einen engen und kleinen Ausschnitt möglicher Gefahren erfasst, denen die Bevölkerung eines Staates ausgesetzt sein kann, insbesondere keine Gefahren, die ihren Grund in Hunger, schlechter medizinischer Versorgung etc. haben. Mit dem Erwägungssatz wird der vornehmlichen Funktion von Erwägungssätzen entsprechend lediglich dieser Umstand und das in diesem Zusammenhang zugrunde liegende legislatorische Konzept hervorgehoben, ohne dass irgendein unmittelbarer normativer Bezug zu Art. 15 lit. c) QRL hergestellt wird. Allenfalls kann man ihn gewissermaßen als Appell an den Normanwender verstehen in dem Sinne, dass nicht etwa vorschnell eine individuelle Gefahr bejaht werden soll und darf mit dem pauschalen und undifferenzierten (auch Emotionen weckenden) Argument, es herrsche Krieg oder Bürgerkrieg (wie hier wohl auch HessVGH, U.v. 09.11.2006 – 3 UE 3238/03.A – juris; wenig überzeugend aber OVGNW, B.v. 21.03.2007 – 20 A 5164/04.A – juris, ohne dass es aber entscheidungserheblich darauf ankam). Um Missverständnissen vorzubeugen, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass selbstverständlich die Feststellung, dass ein innerstaatlicher Konflikt bestehe, im Rahmen dessen es zu willkürlicher Gewalt kommt, allein unzureichend ist. Vielmehr ist immer zusätzlich erforderlich, dass nach den Kriterien des Art. 4 Abs. 3 QRL zusätzlich ein dem Betroffenen drohender ernsthafter Schaden festgestellt werden kann (vgl. insgesamt auch UNHCR, Kommentar zur Richtlinie 2004/83/EG v. 30.9.2004 zur 26. Begründungserwägung, http:/www.unhcr.de).
19 
Einer Berücksichtigung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass die Kläger Ziffer 1 bis 5 ein Asylverfahren durchgeführt hatten, in dem zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfen waren (vgl. § 24 Abs. 2 AsylVfG) und auch mit negativem Ergebnis geprüft worden waren (vgl. § 42 AsylVfG). Denn das Verwaltungsgericht hatte in seinem Urteil vom 27.07.2005 (A 6 K 10480/05) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vgl. zuletzt U.v. 04.05.2006 - A 2 S 1122/05) mit Rücksicht auf einen bestehenden Abschiebestopperlass in Bezug auf den Irak keine Prüfung der Frage vorgenommen, ob in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG die Voraussetzungen einer sog. extremen Gefahrenlage vorliegen. In einer derartigen Fallkonstellation ist es aber geboten, im ausländerrechtlichen Streit um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG eine Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG durch die Ausländerbehörde und später durch das Verwaltungsgericht zuzulassen. Andernfalls würde die Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass diesem Personenkreis im Falle des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG im Regelfall ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, unterlaufen (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, U.v. 27.06.2006 - 1 C 14.05 - NVwZ 2006, 1418 die Frage aber noch offen lassend).
20 
Im vorliegenden Fall ist allerdings § 25 Abs. 3 AufenthG nicht unmittelbar anwendbar, wenn eine Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht erfolgt, sondern lediglich ein solches nach Art. 15 lit. c) QRL. Hier ist infolge der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie eine Lücke entstanden. Denn § 25 Abs. 5 AufenthG ist nach der gesetzlichen Systematik des § 25 AufenthG nicht einschlägig, da diese Vorschrift im Gegensatz zu der des § 25 Abs. 3 (und auch der Absätze 1 und 2) ausschließlich nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote erfassen soll. Da aber der in § 25 Abs. 3 AufenthG getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers die Wertung zugrunde liegt, dass alle sonstigen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote zu einem privilegierten Regelanspruch führen sollen, ist es gerechtfertigt die Lücke durch eine entsprechende Anwendung des Absatzes 3 und nicht der des Absatzes 5 zu schließen. Im Übrigen und unbeschadet dessen folgt ein Anspruch auf Legalisierung auch aus Art. 24 Abs. 1 QRL.
21 
Aufgrund der vom Gericht verwerteten Erkenntnismittel ist davon auszugehen, dass gegenwärtig im Irak (mit Ausnahme der drei unter kurdischer Verwaltung stehenden nördlichen Provinzen) ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, der zu einer individuellen Bedrohung jedes einzelnen Mitglieds der Zivilgesellschaft infolge von willkürlicher Gewalt führt. Dies wird im Einzelnen anschaulich, nachvollziehbar und überzeugend von UNHCR („UNHCR-Hinweise zu den Schutzbedürfnissen und Möglichkeiten der Rückkehr von Irakern, die sich außerhalb des Iraks aufhalten“ v. 18.12.2006; vgl. auch Auskunft an VG Köln v. 05.04.2007), dem Auswärtigen Amt (vgl. Lagebericht vom 11.01.2007, S. 5 und 15 ff.; vgl. auch dessen Reisewarnung und Aufforderung zum Verlassen des Iraks vom 24.11.2006), von ai (v. 07.12.2006 an VG Leipzig) und Chatham House („Accepting Realities in Iraq“ v. Mai 2007) beschrieben. Zwar besteht keine vollständige Klarheit über die genaue Zahl von getöteten Zivilpersonen, die unmittelbar Opfer von Bombenanschlägen wurden. Eher konservative Schätzungen gehen dahin, dass im Jahre 2006 mindestens 34.000 Iraker auf diese Weise zu Tode kamen und weitere 36.000 erheblich verletzt wurden. Die von der Zeitschrift Lancet hochgerechnete Zahl von Todesopfern von 650.000 für die Zeit des gesamten Konflikts wird zwar in Zweifel gezogen. Immerhin ist aber zu bemerken, dass die irakische Regierung selbst in offiziellen Stellungnahmen für diesen Zeitraum von 150.000 Toten gesprochen hat (vgl. zu alledem taz v. 27.04.2007 und Deutsche Welle vom 25.04.2007), wobei bei den Zahlen über Todesopfer immer mitzudenken ist, dass es in diesem Kontext darüber hinaus in sicherlich erheblichem Umfang auch zu (nur) Verletzten gekommen sein wird, die aber im Rahmen des subsidiären Schutzes bei der Risikobewertung gleichfalls in den Blick zu nehmen sind. Jedenfalls ist insgesamt zu konstatieren, dass gegenwärtig eine Lagebeschreibung derart realistisch ist, dass es - wie nach Art. 15 lit. c) QRL vorausgesetzt - „jeden, jederzeit und an jedem Ort“ treffen kann. Im Gefolge dieser Geschehnisse kommt es unübersehbar zu einer fortschreitenden Auflösung des gesamten Staatswesen, was eine überbordende Kriminalität ausgelöst hat (vgl. AA Lagebericht S. 15 f.; ai S. 2), wodurch das Risiko für die Zivilbevölkerung einen ernsthaften Schaden erleiden zu müssen, zusätzlich erhöht wird, weil staatliche Organe keinen Schutz mehr bieten können (vgl. Art. 6 f. QRL), z.T. auch nicht mehr leisten wollen, weil die zuständigen Amtsträger mit kriminellen Banden zusammenarbeiten (vgl. ai S. 3; vgl. zur besonders prekären Situation von Frauen Deutsches Orient-Institut v. 22.12.2006 an VG Ansbach). Das Gleiche gilt für das Gesundheitswesen und die allgemeine Versorgung generell, die als vor dem Zusammenbruch stehend geschildert werden (vgl. ICRC, „Civilians without Protection“ v. Mai 2007). Faktum ist, dass es mittlerweile im Irak bereits mehr als 1,6 Millionen sog. Binnenvertriebener gibt und etwa die gleiche Zahl von Irakern nach Syrien, Jordanien, den Libanon, die Türkei und andere Staaten in der Region geflohen sind (vgl. UNHCR v. 18.12.2006, S. 2). Zwar würden derart begründete Gefahren für sich betrachtet noch nicht auf den subsidiären Schutz nach Art. 15 lit. c) QRL hinführen. Sind diese jedoch eine unmittelbare Folge eines bestehenden innerstaatlichen gewaltsamen Konflikts, so müssen diese bei der Gesamtbeurteilung mit einbezogen werden. Eine isolierte Betrachtung wäre nicht nur realitätsfern, wenn nicht gar unmöglich, sie würde auch mit dem humanitären Anliegen des subsidiären Schutzes in unauflösbaren Widerspruch geraten. Zwar war die Sicherheitslage im Südirak zunächst weniger brisant, mittlerweile ist aber auch dort eine erhebliche Verschlechterung eingetreten (vgl. AA Lagebericht S. 16), sodass nicht mehr davon gesprochen werden kann, dass dort jedenfalls ein zumutbarer interner Schutz offen stünde.
22 
Grundsätzlich anders ist allerdings die Lage in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak (vgl. UNHCR v. 18.12.2006, 4; AA Lagebericht S. 15 f.), auch wenn die jüngsten Anschläge (vgl. FR v. 11.05.2007) erste Zweifel an einem Fortbestand der dortigen Situation aufkommen lassen. Ein zumutbarer interner Schutz (vgl. Art. 8 QRL) steht jedoch in diesem Gebiet nur solchen Irakern offen, die von dort stammen oder aber zumindest auf ein soziales und familiäres Netzwerk zurückgreifen können, das in der Funktion einer Art von Bürgen auftreten kann (vgl. AA Lagebericht, S. 28. UNHCR v. 18.12.2006, S. 4; Deutsches Orient-Institut v. 13.11.2006 an VGH Baden-Württemberg). Hierauf können die Kläger jedoch, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, nicht zurück greifen. Sie sind zwar kurdische Volkszugehörige. Sie sind aber, wie auch die Eltern bzw. Großeltern der Kläger in der Nähe von Mosul geboren und haben dort immer gelebt. Über Angehörige in den kurdischen Provinzen verfügen sie nicht.
23 
Da keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Ausnahmefalls oder der Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 S. 2 AufenthG gegeben sind, war der Beklagte einschränkungslos zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse zu verpflichten (vgl. auch § 5 Abs. 3 1. Hs. AufenthG).
24 
2. Der Anspruch der Klägerin Ziffer 6, bei der wegen der negativen unanfechtbaren Entscheidung des Bundesamts § 42 AsylVfG eine Berücksichtigung des § 60 Abs. 7 AufenthG nicht möglich ist, ergibt sich aus § 32 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Zwar erfüllt sie nicht alle Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG, allerdings ist mit Rücksicht auf den aufenthaltsrechtlichen Status der Eltern und übrigen Angehörigen von deren Erfüllung abzusehen. Nichts anderes gilt in Bezug auf § 5 Abs. 2 (vgl. dessen Satz 2) AufenthG.
25 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
16 
Die zulässigen Klagen haben Erfolg.
17 
1. Die Kläger Ziffer 1 bis 5 haben jeweils einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 S. 1 AufenthG (in entsprechender Anwendung). Denn ihrer Abschiebung steht gegenwärtig in Bezug auf den Irak ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach Art. 15 lit. c) RL 2004/83/EG v. 29.04.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie – QRL). Insoweit kann offen bleiben, ob auch eine „extreme Gefahrenlage“ im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BVerwG zu § 60 Abs. 7 AufenthG (vgl. zuletzt U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – AuAS 2007, 30 m.w.N.) vorliegt.
18 
Dies ergibt sich aus Folgendem: Nach Art. 15 lit. c QRL, der in Ermangelung einer fristgemäßen Umsetzung durch die Bundesrepublik Deutschland (vgl. Art. 38 QRL) seit 11.10.2006 unmittelbar anzuwenden ist, liegt ein ernsthafter, eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährung subsidiären Schutzes auslösender ernsthafter Schaden u.a. dann vor, wenn nach Maßgabe des Kriterienkatalogs des Art. 4 Abs. 3 QRL eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gegeben ist. Diesen Vorgaben ist die grundsätzliche Differenzierung zwischen allgemeinen Gefahren, die dann im Falle des Fehlens einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 AufenthG zu einem erheblich unterschiedlichem Prognosemaßstab und damit Schutzniveau führen, fremd. Eine Übertragung dieser Grundsätze und somit eine Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG wäre mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar (vgl. nunmehr aber auch eine dahingehende Änderung in Art. 1 Nr. 48 des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union. BT-Drucks. 16/5056). Aus den vorgenannten Vorschriften der Qualifikationsrichtlinie ergeben sich keine zureichenden Anhaltspunkte, wonach nur extreme Gefahrenlagen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Gewährung subsidiären Schutzes führen können, was aber die Folge der nationalen Regelung wäre, da nach der Rechtsprechung des BVerwG hier in dieser zugespitzten Konstellation zumindest aus verfassungsrechtlichen Gründen Abschiebungsschutz zu garantieren und zu gewähren ist. Denn dann würden im Verhältnis zu allen anderen Fallkonstellationen des subsidiären Schutzes sowohl ein abweichender Gefahrprognosemaßstab wie auch eine qualifizierte Rechtsgutsbeeinträchtigung Gültigkeit beanspruchen. Noch viel weniger lässt sich der QRL entnehmen, dass die Gewährung unterhalb dieser Schwelle von einer sog. „politischen Leitentscheidung“ abhängig gemacht werden darf mit der Konsequenz, dass gegen das Unterlassen, eine solche zu treffen, keine Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet ist (vgl. GK-AufenthG § 23 Rdn. 17 ff.; § 60a Rdn. 13). In der Begründung des Gesetzesentwurfs (vgl. BT-Drucks. 16/5056) wird allerdings auf die 26. Begründungserwägung der QRL verwiesen, wonach „Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre.“ Dieser Erwägungssatz trägt jedoch eine Übertragung der zu § 60 Abs. 7 AufenthG entwickelten Grundsätze des nationalen Rechts nicht. Zwar sind derartige Begründungserwägungen durchaus integraler Bestandteil des jeweiligen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakts, sie sind aber nicht unmittelbar Inhalt und Gegenstand der einzelnen Rechtsnorm, da sie sonst genau an dieser Stelle platziert worden wären. Sie haben vielmehr die Funktion einer (gewissermaßen amtlichen) Auslegungshilfe, aber nur sofern überhaupt Auslegungsbedarf besteht (vgl. Borchardt, in: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl., Art. 220 Rdn. 23). Insbesondere stellen sie kein Mittel dar, um eindeutige Bestimmungen, die unmittelbar normative Wirkung haben, zu entwerten oder gar in ihr Gegenteil zu verkehren. Die hier in den Blick zu nehmenden Normen sind aber keineswegs unklar; sie sind auch durchaus ausdifferenziert. Die Probleme stellen sich erst bei der praktischen Anwendung und hier v.a. bei der Tatsachenfeststellung und Tatsachenbewertung. Hinzu kommt, dass es hier allein um Gefahren geht, die aus kriegerischen internationalen oder binnennationalen Konflikten resultieren. Das hier zugrunde liegende und regelmäßig anzutreffende Gefahrenszenario ist aber typischer Weise dann so beschaffen, dass die gesamte Bevölkerung oder jedenfalls ganze Gruppen der Bevölkerung betroffen sein können. Dies wird auch durch die zusätzliche Aufnahme des Kriteriums der „willkürlichen Gewalt“, das bemerkenswerterweise gemeinschaftsrechtwidrig nicht in das nationale Recht übernommen werden soll, deutlich gemacht, das den Inhalt der konkret-individuellen Gefahrenprognose sogar tendenziell modifiziert, weil ihm die Vorstellung immanent ist, dass die Gewalt „jeden zu jeder Zeit und an jedem Ort“ trifft bzw. treffen kann und bei wertender Betrachtungsweise unkalkulier- und unberechenbar ist und sich daher einer quantitativen Bewertung entziehen muss (etwa im Sinne von mehr als 50 v.H. oder eines bestimmten Prozentsatzes von Toten an der Gesamtbevölkerung, so aber im Ansatz verfehlt SaarlOVG, B.v. 09.03.2007 – 3 Q 113/06 – juris, abgesehen davon, dass die zahllosen Schwerverletzen überhaupt nicht erwähnt werden). Bemerkenswerterweise wird in anderen sprachlichen Fassungen auch nicht der Begriff der Willkür verwendet, vielmehr ist - nicht völlig identisch und das hier inmitten stehende Problem u.U. angemessener beschreibend – die Rede von „violence aveugle“, „violenzia indiscriminata“, „violencia indiscriminada“ bzw. „indiscriminate violence“. Mit diesem Inhalt ist eine Parallele zu den jeweiligen Art. 3 der vier Genfer Konventionen vom 12.8.1949 (BGBl. 1954 II, 783 ff., 813 ff., 838 ff. 917 ff.) unübersehbar, die alle jeweils möglichst umfassend den Schutz der nicht beteiligten Zivilbevölkerung im Auge haben. Diese Überlegungen zeigen deutlich, dass mittels einer Überhöhung eines bloßen Erwägungssatzes der unmittelbar normative Sinngehalt des Art. 15 lit. c) QRL ausgehöhlt und der Regelfall tendenziell zum Nichtanwendungsfall würde. Der 26. Erwägungssatz geht vielmehr in eine vollständig andere Richtung. Um dessen Bedeutung zutreffend zu erfassen, muss daran erinnert werden, dass der subsidiäre Schutz nach Art. 15 QRL in lit. c) nur einen engen und kleinen Ausschnitt möglicher Gefahren erfasst, denen die Bevölkerung eines Staates ausgesetzt sein kann, insbesondere keine Gefahren, die ihren Grund in Hunger, schlechter medizinischer Versorgung etc. haben. Mit dem Erwägungssatz wird der vornehmlichen Funktion von Erwägungssätzen entsprechend lediglich dieser Umstand und das in diesem Zusammenhang zugrunde liegende legislatorische Konzept hervorgehoben, ohne dass irgendein unmittelbarer normativer Bezug zu Art. 15 lit. c) QRL hergestellt wird. Allenfalls kann man ihn gewissermaßen als Appell an den Normanwender verstehen in dem Sinne, dass nicht etwa vorschnell eine individuelle Gefahr bejaht werden soll und darf mit dem pauschalen und undifferenzierten (auch Emotionen weckenden) Argument, es herrsche Krieg oder Bürgerkrieg (wie hier wohl auch HessVGH, U.v. 09.11.2006 – 3 UE 3238/03.A – juris; wenig überzeugend aber OVGNW, B.v. 21.03.2007 – 20 A 5164/04.A – juris, ohne dass es aber entscheidungserheblich darauf ankam). Um Missverständnissen vorzubeugen, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass selbstverständlich die Feststellung, dass ein innerstaatlicher Konflikt bestehe, im Rahmen dessen es zu willkürlicher Gewalt kommt, allein unzureichend ist. Vielmehr ist immer zusätzlich erforderlich, dass nach den Kriterien des Art. 4 Abs. 3 QRL zusätzlich ein dem Betroffenen drohender ernsthafter Schaden festgestellt werden kann (vgl. insgesamt auch UNHCR, Kommentar zur Richtlinie 2004/83/EG v. 30.9.2004 zur 26. Begründungserwägung, http:/www.unhcr.de).
19 
Einer Berücksichtigung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass die Kläger Ziffer 1 bis 5 ein Asylverfahren durchgeführt hatten, in dem zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfen waren (vgl. § 24 Abs. 2 AsylVfG) und auch mit negativem Ergebnis geprüft worden waren (vgl. § 42 AsylVfG). Denn das Verwaltungsgericht hatte in seinem Urteil vom 27.07.2005 (A 6 K 10480/05) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vgl. zuletzt U.v. 04.05.2006 - A 2 S 1122/05) mit Rücksicht auf einen bestehenden Abschiebestopperlass in Bezug auf den Irak keine Prüfung der Frage vorgenommen, ob in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG die Voraussetzungen einer sog. extremen Gefahrenlage vorliegen. In einer derartigen Fallkonstellation ist es aber geboten, im ausländerrechtlichen Streit um eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG eine Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG durch die Ausländerbehörde und später durch das Verwaltungsgericht zuzulassen. Andernfalls würde die Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass diesem Personenkreis im Falle des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG im Regelfall ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, unterlaufen (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, U.v. 27.06.2006 - 1 C 14.05 - NVwZ 2006, 1418 die Frage aber noch offen lassend).
20 
Im vorliegenden Fall ist allerdings § 25 Abs. 3 AufenthG nicht unmittelbar anwendbar, wenn eine Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht erfolgt, sondern lediglich ein solches nach Art. 15 lit. c) QRL. Hier ist infolge der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie eine Lücke entstanden. Denn § 25 Abs. 5 AufenthG ist nach der gesetzlichen Systematik des § 25 AufenthG nicht einschlägig, da diese Vorschrift im Gegensatz zu der des § 25 Abs. 3 (und auch der Absätze 1 und 2) ausschließlich nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote erfassen soll. Da aber der in § 25 Abs. 3 AufenthG getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers die Wertung zugrunde liegt, dass alle sonstigen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote zu einem privilegierten Regelanspruch führen sollen, ist es gerechtfertigt die Lücke durch eine entsprechende Anwendung des Absatzes 3 und nicht der des Absatzes 5 zu schließen. Im Übrigen und unbeschadet dessen folgt ein Anspruch auf Legalisierung auch aus Art. 24 Abs. 1 QRL.
21 
Aufgrund der vom Gericht verwerteten Erkenntnismittel ist davon auszugehen, dass gegenwärtig im Irak (mit Ausnahme der drei unter kurdischer Verwaltung stehenden nördlichen Provinzen) ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, der zu einer individuellen Bedrohung jedes einzelnen Mitglieds der Zivilgesellschaft infolge von willkürlicher Gewalt führt. Dies wird im Einzelnen anschaulich, nachvollziehbar und überzeugend von UNHCR („UNHCR-Hinweise zu den Schutzbedürfnissen und Möglichkeiten der Rückkehr von Irakern, die sich außerhalb des Iraks aufhalten“ v. 18.12.2006; vgl. auch Auskunft an VG Köln v. 05.04.2007), dem Auswärtigen Amt (vgl. Lagebericht vom 11.01.2007, S. 5 und 15 ff.; vgl. auch dessen Reisewarnung und Aufforderung zum Verlassen des Iraks vom 24.11.2006), von ai (v. 07.12.2006 an VG Leipzig) und Chatham House („Accepting Realities in Iraq“ v. Mai 2007) beschrieben. Zwar besteht keine vollständige Klarheit über die genaue Zahl von getöteten Zivilpersonen, die unmittelbar Opfer von Bombenanschlägen wurden. Eher konservative Schätzungen gehen dahin, dass im Jahre 2006 mindestens 34.000 Iraker auf diese Weise zu Tode kamen und weitere 36.000 erheblich verletzt wurden. Die von der Zeitschrift Lancet hochgerechnete Zahl von Todesopfern von 650.000 für die Zeit des gesamten Konflikts wird zwar in Zweifel gezogen. Immerhin ist aber zu bemerken, dass die irakische Regierung selbst in offiziellen Stellungnahmen für diesen Zeitraum von 150.000 Toten gesprochen hat (vgl. zu alledem taz v. 27.04.2007 und Deutsche Welle vom 25.04.2007), wobei bei den Zahlen über Todesopfer immer mitzudenken ist, dass es in diesem Kontext darüber hinaus in sicherlich erheblichem Umfang auch zu (nur) Verletzten gekommen sein wird, die aber im Rahmen des subsidiären Schutzes bei der Risikobewertung gleichfalls in den Blick zu nehmen sind. Jedenfalls ist insgesamt zu konstatieren, dass gegenwärtig eine Lagebeschreibung derart realistisch ist, dass es - wie nach Art. 15 lit. c) QRL vorausgesetzt - „jeden, jederzeit und an jedem Ort“ treffen kann. Im Gefolge dieser Geschehnisse kommt es unübersehbar zu einer fortschreitenden Auflösung des gesamten Staatswesen, was eine überbordende Kriminalität ausgelöst hat (vgl. AA Lagebericht S. 15 f.; ai S. 2), wodurch das Risiko für die Zivilbevölkerung einen ernsthaften Schaden erleiden zu müssen, zusätzlich erhöht wird, weil staatliche Organe keinen Schutz mehr bieten können (vgl. Art. 6 f. QRL), z.T. auch nicht mehr leisten wollen, weil die zuständigen Amtsträger mit kriminellen Banden zusammenarbeiten (vgl. ai S. 3; vgl. zur besonders prekären Situation von Frauen Deutsches Orient-Institut v. 22.12.2006 an VG Ansbach). Das Gleiche gilt für das Gesundheitswesen und die allgemeine Versorgung generell, die als vor dem Zusammenbruch stehend geschildert werden (vgl. ICRC, „Civilians without Protection“ v. Mai 2007). Faktum ist, dass es mittlerweile im Irak bereits mehr als 1,6 Millionen sog. Binnenvertriebener gibt und etwa die gleiche Zahl von Irakern nach Syrien, Jordanien, den Libanon, die Türkei und andere Staaten in der Region geflohen sind (vgl. UNHCR v. 18.12.2006, S. 2). Zwar würden derart begründete Gefahren für sich betrachtet noch nicht auf den subsidiären Schutz nach Art. 15 lit. c) QRL hinführen. Sind diese jedoch eine unmittelbare Folge eines bestehenden innerstaatlichen gewaltsamen Konflikts, so müssen diese bei der Gesamtbeurteilung mit einbezogen werden. Eine isolierte Betrachtung wäre nicht nur realitätsfern, wenn nicht gar unmöglich, sie würde auch mit dem humanitären Anliegen des subsidiären Schutzes in unauflösbaren Widerspruch geraten. Zwar war die Sicherheitslage im Südirak zunächst weniger brisant, mittlerweile ist aber auch dort eine erhebliche Verschlechterung eingetreten (vgl. AA Lagebericht S. 16), sodass nicht mehr davon gesprochen werden kann, dass dort jedenfalls ein zumutbarer interner Schutz offen stünde.
22 
Grundsätzlich anders ist allerdings die Lage in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak (vgl. UNHCR v. 18.12.2006, 4; AA Lagebericht S. 15 f.), auch wenn die jüngsten Anschläge (vgl. FR v. 11.05.2007) erste Zweifel an einem Fortbestand der dortigen Situation aufkommen lassen. Ein zumutbarer interner Schutz (vgl. Art. 8 QRL) steht jedoch in diesem Gebiet nur solchen Irakern offen, die von dort stammen oder aber zumindest auf ein soziales und familiäres Netzwerk zurückgreifen können, das in der Funktion einer Art von Bürgen auftreten kann (vgl. AA Lagebericht, S. 28. UNHCR v. 18.12.2006, S. 4; Deutsches Orient-Institut v. 13.11.2006 an VGH Baden-Württemberg). Hierauf können die Kläger jedoch, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, nicht zurück greifen. Sie sind zwar kurdische Volkszugehörige. Sie sind aber, wie auch die Eltern bzw. Großeltern der Kläger in der Nähe von Mosul geboren und haben dort immer gelebt. Über Angehörige in den kurdischen Provinzen verfügen sie nicht.
23 
Da keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Ausnahmefalls oder der Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 S. 2 AufenthG gegeben sind, war der Beklagte einschränkungslos zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse zu verpflichten (vgl. auch § 5 Abs. 3 1. Hs. AufenthG).
24 
2. Der Anspruch der Klägerin Ziffer 6, bei der wegen der negativen unanfechtbaren Entscheidung des Bundesamts § 42 AsylVfG eine Berücksichtigung des § 60 Abs. 7 AufenthG nicht möglich ist, ergibt sich aus § 32 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Zwar erfüllt sie nicht alle Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG, allerdings ist mit Rücksicht auf den aufenthaltsrechtlichen Status der Eltern und übrigen Angehörigen von deren Erfüllung abzusehen. Nichts anderes gilt in Bezug auf § 5 Abs. 2 (vgl. dessen Satz 2) AufenthG.
25 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm in Afghanistan drohender Gefahren.

2

Der 1986 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stammt aus der Provinz Helmand (Afghanistan), ist schiitischen Glaubens und gehört dem Volk der Hazara an. Im Februar 2009 reiste er nach Deutschland ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte seinen Asylantrag mit Bescheid vom 17. März 2010 ab. Zugleich stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan an.

3

Nach Rücknahme der Klage auf Asylanerkennung hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 27. April 2012 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dem Kläger stehe weder unionsrechtlicher noch nationaler Abschiebungsschutz zu. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG sei nicht erkennbar. Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Da in Afghanistan kein landesweiter bewaffneter Konflikt herrsche, komme eine individuelle Bedrohung nur in Betracht, wenn sich der Konflikt auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat erstrecke. Dies sei die Herkunftsregion des Ausländers, in der er zuletzt gelebt habe bzw. in die er typischerweise zurückkehren könne und voraussichtlich auch werde. Der Kläger habe glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keine aufnahmebereiten Bekannten oder Verwandten und keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor einer dort lebenden Privatperson, außerdem befürchte er Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe in Helmand in besonderem Maße ausgesetzt sei. Wolle bzw. werde der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren, sei auf das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul abzustellen. Dort herrsche kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt mehr. Die Sicherheitslage werde in Kabul, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet.

4

Dem Kläger stehe hinsichtlich Afghanistans auch nicht der hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz zur Seite. Es sei nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte. Einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan stehe § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegen. Eine extreme Gefahrenlage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ausnahmsweise nicht greife, liege für Kabul nicht (mehr) vor. Vielmehr sei eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul zu erkennen, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder Anbindung an lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehe. Der Senat sehe keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Im Falle des Klägers seien auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 60 Abs. 2, 5 sowie 7 Satz 1 und 2 AufenthG. Außerdem macht er Verfahrensfehler geltend und regt zur weiteren Klärung des Gehalts der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 7 Satz 2 AufenthG eine Vorlage an den EuGH an.

6

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Das Berufungsurteil verletzt hinsichtlich des vom Kläger mit seinem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes Bundesrecht. Das Berufungsgericht hat bei der im Rahmen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gebotenen Prüfung, ob am tatsächlichen Zielort des Klägers bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein bewaffneter Konflikt besteht, nicht auf die Herkunftsregion des Klägers, sondern auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil nicht selbst abschließend über die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden kann, ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem unionsrechtlichen Abschiebungsschutz weiterhin auch der vom Kläger hilfsweise begehrte nationale Abschiebungsschutz. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht die Zulassung der Revision allein mit der grundsätzlichen Bedeutung einer auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz zugeschnittenen Frage begründet hat. Die Urteilsformel enthält keine Beschränkung der Zulassung auf den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz. Der Umfang der Zulassung ist daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Rechtsmittelklarheit durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist hier von einer uneingeschränkten Zulassung auszugehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten (Haupt- und Hilfs-)Anträge betreffen zwar unterschiedliche Streitgegenstände. Diese sind aber eng miteinander verflochten, insbesondere stellt sich die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage des maßgeblichen Anknüpfungsortes nicht nur beim unionsrechtlichen, sondern auch beim nationalen Abschiebungsschutz. Für eine uneingeschränkte Zulassung der Revision spricht im Übrigen auch die dem Berufungsurteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung, die sich lediglich auf das Rechtsmittel der Revision bezieht.

10

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens auf Gewährung von Abschiebungsschutz ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 10). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte. Maßgeblich ist daher für das Revisionsverfahren das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Unionsrechtlich finden sowohl die Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikations-Richtlinie - vom 29. April 2004 (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) Anwendung als auch die - während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene - Neufassung durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 vom 20. Dezember 2011 S. 9). Für die in der Neufassung inhaltlich geänderten Bestimmungen wurde den Mitgliedstaaten eine Umsetzungsfrist bis zum 21. Dezember 2013 eingeräumt (Art. 39 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU) und es bleibt bis zum Ablauf dieser Frist bei der Anwendung der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. Art. 41 Abs. 2 i.V.m. Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU). Hinsichtlich der unverändert übernommenen Bestimmungen gilt die Neufassung hingegen schon jetzt (vgl. Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU).

11

3. Das Berufungsurteil verletzt in Bezug auf den vom Kläger primär begehrten unionsrechtlichen Abschiebungsschutz Bundesrecht. Die diesbezüglichen Vorgaben des Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG) sind in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG - in überschießender Umsetzung - als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet und bilden einen eigenständigen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 11 und vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13 und 16).

12

3.1 Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit einer Begründung abgelehnt, die revisionsrechtlicher Prüfung nicht standhält. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

13

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieses - die Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU) umsetzenden - Abschiebungsverbots können auch dann erfüllt sein, wenn sich der bewaffnete Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 25). In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - NVwZ 2009, 705 Rn. 40).

14

Das Berufungsgericht hat dies zutreffend zu Grunde gelegt. Es hat aber nicht geprüft, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht, sondern stattdessen auf die Verhältnisse in Kabul als dem derzeit einzig möglichen Abschiebungsziel abgestellt, weil der Kläger keinesfalls nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 14. November 2012 (BVerwG 10 B 22.12 - juris Rn. 7) als geklärt gesehen hat, kommt es für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, aber weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Ein Abweichen von der Regel kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen ihm § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewähren soll. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang der unionsrechtlichen Abschiebungsverbote mit den Bestimmungen über den internen Schutz (Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG; künftig: Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU). Kommt die Herkunftsregion als Zielort wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Der Begriff des "tatsächlichen Zielortes der Rückkehr" ist daher kein rein empirischer Begriff, bei dem auf die tatsächlich wahrscheinlichste oder subjektiv gewollte Rückkehrregion abzustellen ist. Da es bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG um den Schutz vor den Gefahren eines - nicht notwendig landesweiten - bewaffneten Konflikts im Heimatstaat geht, kommt bei der Bestimmung des Ortes der (voraussichtlichen) tatsächlichen Rückkehr der Herkunft als Ordnungs- und Zuschreibungsmerkmal eine besondere Bedeutung zu. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann daher auch nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z.B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose bei § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aus.

15

Diese Ausdeutung des vom Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40) verwandten Begriffs des tatsächlichen Zielorts der Rückkehr kann vorgenommen werden, ohne diesem die Rechtssache zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der EuGH hat den Begriff in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 zwar nicht abschließend definiert. Die hier entfaltete Auslegung trägt aber dem Zweck der Vorschriften über den internen Schutz Rechnung und folgt damit der Vorgabe des EuGH, die Auslegung nationalen Rechts so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 249 Abs. 3 EG (inzwischen: Art. 288 AEUV) nachzukommen (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 42).

16

Das Berufungsurteil verstößt nach den vorstehenden Grundsätzen gegen Bundesrecht, weil es für das Bestehen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht die Verhältnisse in der Herkunftsregion des Klägers in den Blick genommen, sondern auf die Lage in Kabul als dem voraussichtlichen Zielort einer Abschiebung abgestellt hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger sich vor seiner Ausreise dauerhaft in einer anderen Region als Helmand niedergelassen hat. Er ist zwar zunächst mit seiner Lebensgefährtin nach Kabul (und später in den Iran zu seiner Schwester) gegangen. Dies geschah nach seinen Angaben aber allein aus Angst vor dem Vater seiner Lebensgefährtin; zur Dauer und den näheren Umständen des Aufenthalts in Kabul enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen. Die vom Berufungsgericht angeführten Erwägungen, warum der Kläger nicht nach Helmand zurückkehren wolle bzw. werde, lassen die Relevanz der Heimatregion für die Gefahrenprognose bei einem bewaffneten Konflikt nicht entfallen.

17

3.2 Das Berufungsurteil beruht auf diesem Fehler. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatsächlichen Feststellungen zur Lage in der Provinz Helmand getroffen. Ob in dieser Region ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht und dem Kläger dort die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG definierte Gefahr droht, kann daher revisionsgerichtlich weder festgestellt noch ausgeschlossen werden.

18

3.3 Die Entscheidung erweist sich hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) oder unrichtig, so dass der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden kann.

19

a) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Kläger - einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner Herkunftsregion unterstellt - in Kabul internen Schutz finden könnte. Dies würde nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzen, dass für den Kläger in Kabul nicht nur keine Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, sondern von ihm auch vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält.

20

Auch hierzu fehlen hinreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf Kabul zwar festgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG nicht vorliegen, weil dort keine extreme Gefahrenlage herrsche und zu erwarten sei, dass Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage aber so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus; weiterhin offenbleiben kann, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 Rn. 35).

21

b) Umgekehrt kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsurteil hinsichtlich des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus anderen Gründen unrichtig ist. Das Berufungsgericht hat vor allem im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verneint. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revision - insbesondere nicht aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan.

22

Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem Abschiebungsverbot wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG (inzwischen: Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU) umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) - EMRK - orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM <2001> 510 endgültig S. 6, 30). Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG auch über Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83, 389) - GR-Charta - zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn das ernsthafte Risiko der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Dies gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta auch für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch die Regelung in Art. 19 Abs. 2 GR-Charta die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 15 und 17).

23

Entgegen der Auffassung der Revision ist der neueren Rechtsprechung des EGMR nicht zu entnehmen, dass sich der Maßstab für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bei Abschiebungen in Staaten mit schwierigen Lebensbedingungen nach den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung" bestimmt. Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/06 - NVwZ 2011, 413). Bereits in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (BVerwG 10 B 16.12 - juris Rn. 8 f.) hat der Senat dargelegt, dass der EGMR davon ausgeht, dass die Staaten - unbeschadet ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich derer aus der Konvention selbst - das Recht haben, die Einreise fremder Staatsbürger in ihr Hoheitsgebiet zu regeln (EGMR, Urteile vom 28. Mai 1985 - Nr. 15/1983/71/107-109, Abdulaziz u. a./Vereinigtes Königreich - NJW 1986, 3007 Rn. 67; vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 54 und vom 28. Juni 2012 - Nr. 14499/09, A.A. u.a. - Rn. 71). Die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann aber dessen Verantwortlichkeit nach der Konvention begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (stRspr, EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Allerdings können Ausländer kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42). So hat der EGMR ein Abschiebungsverbot aus Art. 3 EMRK zugunsten eines im fortgeschrittenen, tödlichen und unheilbaren Stadiums an Aids Erkrankten angenommen, weil die Abschiebung seinen Tod beschleunigen würde, er keine angemessene Behandlung erreichen könne und kein Beweis für irgendeine mögliche moralische oder soziale Unterstützung im Zielstaat zu erbringen sei (EGMR, Urteil vom 2. Mai 1997 - Nr. 146/1996/767/964, D./Vereinigtes Königreich - NVwZ 1998, 161 Rn. 52 f.). Zusammenfassend führt der Gerichtshof zur Herleitung eines Abschiebungsverbots aus Art. 3 EMRK aufgrund von Krankheiten aus, dass angesichts der grundlegenden Bedeutung von Art. 3 EMRK im System der Konvention zwar eine gewisse Flexibilität notwendig sei, um eine Ausweisung (expulsion) in besonderen Ausnahmefällen zu verhindern. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 a.a.O. Rn. 44).

24

Wie der Senat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2012 (a.a.O. Rn. 9) ausgeführt hat, ist diese gefestigte Rechtsprechung durch das Urteil der Großen Kammer vom 21. Januar 2011 (a.a.O.) im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland nicht grundsätzlich revidiert worden. Dieses Urteil verhält sich - entgegen der Auffassung der Revision - erkennbar nicht zu den "für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung". Zwar hat der EGMR eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch das Königreich Belgien als abschiebenden Staat angenommen, weil der betroffene Asylantragsteller mit seiner Überstellung an Griechenland als Signaturstaat der EMRK einer Situation äußerster materieller Armut ausgeliefert worden sei, was den belgischen Behörden bewusst gewesen sei (Rn. 263 f., 366 f.). Jedoch erstreckt diese Entscheidung den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ausdrücklich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte; der EGMR betont vielmehr die Fortgeltung seiner insoweit sehr zurückhaltenden Rechtsprechung (Rn. 249 m.w.N.) und begründet seine Entscheidung mit dem Schutz der Menschenwürde von Personen, die - in einem ihnen völlig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (Rn. 253). Als eine hiernach in Betracht zu ziehende Personengruppe führt der EGMR die Gruppe der Asylsuchenden an, die er als besonders verletzlich und schutzbedürftig qualifiziert (Rn. 251, 259).

25

Dass damit keine generelle Erstreckung des Schutzes nach Art. 3 EMRK auf zu gewährleistende Standards im Heimatstaat des Betroffenen einhergeht, ergibt sich auch aus nachfolgenden Urteilen des EGMR (vgl. Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). In seinem Urteil vom 28. Juni 2011 im Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich (Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681) stellt der EGMR nochmals klar, dass in Abschiebungsfällen nur zu prüfen ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ernstliche Gründe für die Annahme nachgewiesen worden sind, dass der Betroffene im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr liefe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen ist, verletzt die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergibt, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (Rn. 218). Zugleich weist der EGMR darauf hin, dass die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Bestimmungsland hingegen nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend sind, ob der Betroffene in diesem Gebiet wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK macht nach Auffassung des EGMR aber eine gewisse Flexibilität erforderlich, um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern. In ganz außergewöhnlichen Fällen können daher auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind (Rn. 278). Nur soweit die schlechten humanitären Bedingungen - wie in Somalia - nicht nur oder überwiegend auf Armut oder fehlende staatliche Mittel beim Umgang mit Naturereignissen zurückzuführen sind, sondern überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen, hält der EGMR das im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland (a.a.O.) entwickelte Kriterium für besser geeignet, nach dem die Fähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt werden muss, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, weiter seine Verletzlichkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (Rn. 282 f.).

26

Welche Anforderungen sich aus dieser Rechtsprechung des EGMR im Einzelnen für Abschiebungen in den Herkunftsstaat bei schlechten humanitären Bedingungen ergeben, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst der EGMR geht in Bezug auf Afghanistan davon aus, dass die allgemeine Lage dort nicht so ernst ist, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK wäre (EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden - NJOZ 2012, 952 Rn. 84). Auch auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine allein auf die allgemeinen Lebensbedingungen im Herkunftsland gestützte Verletzung des Art. 3 EMRK ersichtlich nicht vor. Maßgeblich ist dabei die Perspektive des abschiebenden Staates, aus dessen Sicht zu prüfen ist, ob der Betroffene durch die Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Bei dieser Prüfung stellt der EGMR grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat ab und prüft zunächst, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 a.a.O. Rn. 265, 301, 309). Das gilt auch bei der Beurteilung von Umständen, die nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen, dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK aber dennoch eine Abschiebung des Ausländers verbieten.

27

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass derzeit nur eine Abschiebung nach Kabul möglich ist (UA S. 14). Zugleich hat es sich bezüglich der allgemeinen Lebensbedingungen in Kabul - im Rahmen seiner Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG - in tatsächlicher Hinsicht der Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeschlossen, dass zu erwarten sei, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten (UA S. 23). Die daran anschließende Bemerkung des Berufungsgerichts, aufgrund der schlechten Gesamtsituation dürfte ohne schützende Familien- und Stammesstrukturen eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten "kaum zumutbar" sein, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Sie umfasst nicht die tatsächliche Feststellung, die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse im Abschiebezielstaat seien so schlecht, dass nach Art. 3 EMRK von einer Abschiebung zwingend abgesehen werden müsse. Mit dieser Formulierung bringt das Berufungsgericht lediglich seine Haltung zum Ausdruck, dass die rechtlichen "Hürden" des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme eines Abschiebungsverbots in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG seiner Auffassung nach zu hoch sind, und lässt in der Sache sein Bedauern erkennen, dass die oberste Landesbehörde für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp aus humanitären Gründen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG angeordnet hat und das Gericht diese politische Entscheidung - unterhalb der hier nicht erreichten Grenze verfassungsrechtlich gebotenen Abschiebungsschutzes - nicht zu ersetzen vermag (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 5).

28

Damit liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG - ungeachtet des Umstandes, dass bei § 60 Abs. 2 AufenthG und bei § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Maßstäbe gelten - ersichtlich nicht vor. Selbst bei Zugrundelegung der - vom EGMR im Verfahren M.S.S. gegen Belgien und Griechenland für einen gänzlich anderen Anwendungsfall entwickelten und in den Verfahren Sufi und Elmi gegen Vereinigtes Königreich auf eine ebenfalls andere Ausgangssituation im Herkunftsstaat übertragenen - abgesenkten und auf die Situation besonderer Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit bezogenen Maßstäbe ergäbe sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Verhältnissen in Kabul für den Kläger kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (Beschluss vom 25. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 10).

29

Auch insoweit bedarf es keiner Vorlage an den EuGH. Die Voraussetzungen, unter denen einen abschiebenden Staat aus Art. 3 EMRK ausnahmsweise eine Verantwortung für nicht dem Abschiebezielstaat oder anderen Akteuren zuzurechnende Umstände trifft, ergeben sich aus der Rechtsprechung des EGMR und werfen im vorliegenden Verfahren keine entscheidungserheblichen unionsrechtlichen Zweifelsfragen auf. Die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK ist bei der Auslegung des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU zu beachten. Dass die Richtlinie in Bezug auf Art. 3 EMRK bei Umständen, die weder in die Verantwortung des Abschiebezielstaats noch eines sonstigen Akteurs fallen, keinen über die Rechtsprechung des EGMR hinausgehenden Schutz gewährt, ergibt sich schon aus Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (früher: Art. 6 der Richtlinie 2004/83/EG). Denn dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass es nach den Vorstellungen des Richtliniengebers auch beim subsidiären Schutz grundsätzlich eines Akteurs bedarf, von dem ein ernsthafter Schaden ausgehen kann.

30

4. Kann der Senat mangels hinreichender tatrichterlicher Feststellungen weder positiv noch negativ abschließend über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes entscheiden, so ist das Berufungsurteil schon aus diesem Grund aufzuheben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es auf die von der Revision fristgerecht erhobenen Verfahrensrügen ankommt. Zur Klarstellung weist der Senat allerdings darauf hin, dass die gerügten Verfahrensfehler nicht vorliegen. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 16.12 und 10 B 20.12 - zu vergleichbaren Verfahrensrügen des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Das Berufungsgericht hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil es den Rechtsstreit nicht dem EuGH vorgelegt hat. Ein solcher Verstoß scheidet schon deswegen aus, weil es nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zwar zur Vorlage berechtigt, nicht aber verpflichtet ist. Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für eine Vorlage an den EuGH aber auch nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen des Unionsrechts sind in der Rechtsprechung des EuGH geklärt bzw. unterliegen keinen Zweifeln, die eine Vorlage rechtfertigen oder gar gebieten. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

31

5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

32

5.1 Das Berufungsgericht wird hinsichtlich des Begehrens auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes vor allem mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auf aktueller Tatsachengrundlage zu klären haben, ob in der Herkunftsregion des Klägers ein bewaffneter Konflikt herrscht und ihm dort die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Schutz gewährt. Ist dies der Fall, hat es weiter zu prüfen, ob der Kläger nach § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG auf die Möglichkeit internen Schutzes in einem anderen Landesteil - insbesondere Kabul - verwiesen werden kann.

33

5.2 Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes hat, wird es auf aktueller Erkenntnislage auch erneut über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 und 3 AufenthG zu entscheiden haben.

34

a) Dabei kann dahinstehen, wie die Aussage des Berufungsgerichts bei § 60 Abs. 5 AufenthG zu verstehen ist, dass bezüglich Art. 3 EMRK die weitergehende und unionsrechtlich aufgeladene Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG "vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen" sei. Sollte das Berufungsgericht damit zum Ausdruck bringen wollen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK durch § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt wird, wäre dies allerdings nicht mit Bundesrecht zu vereinbaren.

35

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG (Urteil vom 11. November 1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse).

36

Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Soweit § 60 Abs. 5 AufenthG die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wiederholt, bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung zu berücksichtigen (Art. 3 EMRK), ist der sachliche Regelungsbereich zwar weitgehend identisch mit dem unionsrechtlichen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG und geht über diesen, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht, jedenfalls nicht hinaus. Denn § 60 Abs. 2 AufenthG knüpft - wie dargelegt - an Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EG an, der seinerseits die Verantwortung des Abschiebestaats nach Art. 3 EMRK übernimmt. Auch wenn bei Anträgen auf internationalen Schutz der unionsrechtliche Abschiebungsschutz - und damit auch das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG - vor dem nationalen Abschiebungsschutz zu prüfen ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Verletzung des Art. 3 EMRK keine (verdrängende) Spezialität des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG, die eine Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG bereits dem Grunde nach ausschließt. Die Gewährleistung nach nationalem Recht tritt vielmehr selbstständig neben die aus Unionsrecht. Eine tatbestandsausschließende Spezialität des § 60 Abs. 2 AufenthG wäre mit dem hohen Rang, den die durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsgüter haben, unvereinbar. Damit ist hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in jedem Fall materiell zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt sind. In Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, so dass in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind.

37

b) Schließlich soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat auch dann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich nur nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Sperrwirkung).

38

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (stRspr, vgl. Urteil vom 8. September 2012 - BVerwG 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 - Rn. 22 f. m.w.N.). Auch insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen und - wie bei § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK - zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen.

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Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Maßstäbe ein Abschiebungsverbot verneint, weil in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sei, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten. Dabei hat es weder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge der problematischen Versorgungslage, die neben der Versorgung mit Lebensmitteln auch die medizinische Versorgung und die Versorgung mit Wohnraum umfasst, zur Beeinträchtigung fundamentaler Schutzgüter kommen werde, überspannt noch hat es seine tatrichterliche Überzeugung auf einer zu schmalen Tatsachenbasis gebildet. Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe im Rahmen der Beurteilung einer extremen Gefahrenlage die medizinische Versorgungslage nicht hinreichend berücksichtigt, verkennt sie, dass diese nur bei akut behandlungsbedürftigen Vorerkrankungen oder in Fällen von Bedeutung ist, in denen aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse mit einer entsprechend hohen Wahrscheinlichkeit eine lebensbedrohliche Erkrankung zu erwarten ist, für die dann faktisch kein Zugang zu medizinischer (Grund-)Versorgung besteht (s.a. Beschluss vom 25. Oktober 2012 - BVerwG 10 B 20.12 - Rn. 14).

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Soweit das Berufungsgericht im Übrigen der Auffassung ist, das Bundesverwaltungsgericht stelle an das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung überzogene rechtliche Anforderungen, geben die Ausführungen dem Senat keine Veranlassung zu einer Änderung seiner Rechtsprechung. Das Berufungsgericht begründet seine Kritik damit, dass die Zumutbarkeit einer Rückkehr unter humanitären Gesichtspunkten, die es aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen selbst für gesunde alleinstehende Männer "kaum" für gegeben hält, nach der Rechtsprechung "kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG" sei. Mit diesen Erwägungen stellt es dem aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit eine eigene - mit außerrechtlichen Erwägungen begründete und enger gefasste - Zumutbarkeit gegenüber und vermischt damit die Grenze zwischen einer dem Betroffenen rechtlich (noch) zumutbaren und einer nicht (mehr) zumutbaren Rückkehr. Dabei vernachlässigt es zudem, dass es bei der verfassungskonformen Auslegung nicht um die Bestimmung eines aus Sicht des jeweiligen Gerichts "sinnvollen" und/oder "menschenrechtsfreundlichen" Abschiebungsschutzregimes geht, sondern um die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen im gewaltenteilenden Rechtsstaat die Rechtsprechung befugt ist, über eine verfassungskonforme Auslegung ausnahmsweise die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, allgemeine Gefahren nur im Rahmen einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, unbeachtet zu lassen. Hierbei macht es in der Sache einen erheblichen Unterschied, ob ein Mensch ohne jeden Ausweg in eine Situation gebracht wird, in der er so gut wie keine Überlebensmöglichkeit hat, oder ob er bei allen - auch existenzbedrohenden - Schwierigkeiten nicht chancenlos ist, sondern die Möglichkeit hat, Einfluss auf sein Schicksal zu nehmen.

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Die weiteren Zweifel des Berufungsgerichts, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden könne, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen, betreffen nicht den materiell-rechtlichen Maßstab für die Beurteilung einer extremen Gefahrenlage selbst. Die damit ausgedrückte Kritik an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 Rn. 22) vernachlässigt, dass diese Auseinandersetzung nicht als Selbstzweck gefordert wird. Sie zielt auf eine Verbesserung der Entscheidungsqualität durch Verbreiterung der erkennbar in die tatrichterliche Bewertung eingestellten Tatsachen- und Argumentationsbasis. Dies gilt namentlich in Fällen, in denen es - wie hier - im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG um eine "Korrektur" des demokratisch legitimierten Gesetzgebers geht, für die im Rahmen der Tatsachen- und Lagebeurteilung eine umfassende Gesamtwürdigung der voraussichtlichen Lebensbedingungen im Abschiebezielstaat und der damit verbundenen Gefahren erforderlich ist.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.