Verwaltungsgericht Aachen Beschluss, 23. Nov. 2015 - 9 L 973/15
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag,
3der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, das Anmeldeverfahren von Schulneulingen für das Schuljahr 2016/2017 in den I. Grundschulen neu durchzuführen und insbesondere den Hinweis darauf zu unterlassen, dass gegebenenfalls die Grundschulstandorte L. und V. geschlossen werden, sowie den zusätzlichen Hinweis zu erteilen, dass für den Fall eines Schließens dieser Grundschulen den Schulneulingen die Möglichkeit unbenommen ist, sich dann an anderen Schulstandorten anzumelden,
4hat keinen Erfolg.
5Im Rahmen der Zulässigkeit ist eine Antragsbefugnis der Antragsteller analog § 42 Abs. 2 VwGO zu bejahen, weil ein Anspruch aus § 78 Abs. 5 SchulG NRW möglich erscheint. Danach sind bei der Feststellung eines Bedürfnisses für die Fortführung einer Schule die Entwicklung des Schüleraufkommens und der Wille der Eltern zu berücksichtigen. Die Bestimmung konkretisiert wie bereits § 10 Abs. 4 des früheren Schulverwaltungsgesetzes die Elterngrundrechte aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Verf NRW dahingehend, dass aus der nach § 78 Abs. 4 Satz 2 SchulG NRW bestehenden Verpflichtung der Gemeinden zur Fortführung von Schulen das Recht der Eltern auf Schulen der gewünschten Form in zumutbarer Entfernung folgt. In diesem Recht ist als Minus das Recht der Eltern auf Durchführung eines sachgerechten Bedürfnisermittlungsverfahrens und auf eine den rechtlichen Anforderungen genügende Bedürfnisfeststellung enthalten.
6Vgl. zu einem Anspruch auf Durchführung des Verfahrens zur Errichtung einer Gesamtschule: OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 1996 - 19 B 602/96 -.
7Indes erscheint das Rechtsschutzinteresse für eine einstweilige Anordnung fraglich. Zum einen lässt sich gegen deren Notwendigkeit hinsichtlich der Verpflichtung auf Neudurchführung des Anmeldeverfahrens ohne einen Hinweis auf die beabsichtigte Schließung anführen, dass spätestens seit der Berichterstattung der I. Zeitung vom 29. September 2015 („Eltern wehren sich gegen Schulschließung") allgemein bekannt sein dürfte, dass u.a. die Fortführung des Schulstandortes I. -V. überprüft wird. Zum anderen ist für die Frage der Notwendigkeit eines Hinweises auf die Möglichkeit der Anmeldung an anderen Grundschulstandorten in den Blick zu nehmen, dass § 46 Abs. 3 Satz 1 SchulG NRW einen Aufnahmeanspruch in die nächstgelegene Grundschule der gewünschten Schulart im Rahmen der festgelegten Aufnahmekapazität gibt. Letztlich kann das Bestehen eines Rechtschutzinteresses aus den nachstehenden Gründen offen bleiben
8Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht (Anordnungsanspruch) und es der sofortigen Durchsetzung seines Anspruchs mittels gerichtlicher Entscheidung bedarf, weil ihm ansonsten unzumutbare Nachteile entstehen (Anordnungsgrund), § 123 Abs. 1 und 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.
9Es fehlt an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass der regelmäßige Schulweg für die Hin- und Rückfahrt zum Standort X. 00 des Grundschulverbundes I.-V. bei Ausnutzung der günstigsten Verkehrsverbindungen mehr Zeit in Anspruch nehmen wird, als nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SchfkVO zumutbar ist.
10Vgl. zur Heranziehung dieser Vorschrift: OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 1995 - 19 B 1082/95 -.
11Berücksichtigt man, dass die Antragstellerin zu 1. darüber hinaus den gesteigerten Anforderungen des Satzes 2 dieser Bestimmung unterliegt, ist hier erforderlich, dass der regelmäßige Schulweg bei Ausnutzung der günstigsten Verkehrsverbindungen für die Hin- und Rückfahrt insgesamt nicht mehr als 1 Stunde sowie regelmäßige Wartezeiten in der Schule vor und nach dem Unterricht nicht mehr als 45 Minuten in Anspruch nehmen würden. Dabei kommt es mit Blick darauf, dass es um die Anmeldung von Schulneulingen für das Schuljahr 2016/2017 geht, für die Zumutbarkeit des Schulbesuchs maßgeblich darauf an, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen besagter Voraussetzungen ab Beginn dieses Schuljahres, d.h. am 1. August 2016, besteht.
12Aufgrund der im Eilverfahren notwendigerweise nur summarischen Überprüfung ist von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit auszugehen. Nach der seitens des Antragsgegners vorgelegten E-Mail der X1. GmbH vom 18. November 2015 wäre nämlich die Hinfahrt ab der Haltestelle "V. Q. " mit der Linie 413,
13vgl. https://avv.de/files/avv/files/fahrpläne/linienfahrplaene/413_avv.pdf zum Streckenverlauf,
14um 7:33 Uhr bereits jetzt möglich. Hinsichtlich der Rückfahrt ergibt sich aus besagter E-Mail die Darstellung eines Umlaufs dieser Linie mit Abfahrtszeit 11:40 Uhr ab Heinsberg X. mit Halt an der Haltestelle "V. Q. ". Dabei handelt es sich um die für die Antragstellerin zu 1. maßgeblich werdende Abfahrtszeit, weil der Schulunterricht für Erstklässler um 11:20 Uhr enden würde. Außer Betracht bleiben kann daher, dass insbesondere die Abfahrtzeit bei einem Schulschluss um 12:30 Uhr noch der Koordinierung bedürfte.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
16Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung des summarischen Charakters des Eilverfahrens.
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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.