Verwaltungsgericht Aachen Beschluss, 18. Juni 2014 - 9 L 222/14.A
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der sinngemäße Antrag,
3der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Städteregionsrat der Städteregion B. die Abschiebung der Antragsteller vor Rechtskraft einer Entscheidung in dem Klageverfahren 9 K 521/14.A zu untersagen,
4ist zulässig.
5Er ist statthaft nach § 123 Abs. 5 VwGO, weil die Antragsteller aufgrund der in dem bestandskräftigen Bescheid vom 2. November 2012 enthaltenen Abschiebungsandrohung ausreisepflichtig sind. Auch mit Blick auf die seitens der Antragstellerin zu 1. vorgetragene Rückkehr nach Serbien sind die asylverfahrensrechtlichen Abschiebungsandrohungen wegen der in § 71 Absätze 5 und 6 Satz 1 AsylVfG getroffenen Regelungen nicht erloschen oder verbraucht.
6Der Antrag erweist sich jedoch als unbegründet.
7Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der jeweilige Antragsteller gemäߠ § 123 Absätze 1 und 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht hat, dass ihm der geltend gemachte materielle Rechtsanspruch zusteht (Anordnungsanspruch) und es der sofortigen Durchsetzung seines Anspruches mittels gerichtlicher Entscheidung bedarf, weil ihm ansonsten unzumutbare Nachteile entstehen (Anordnungsgrund).
8Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht.
9Dies gilt zunächst hinsichtlich der abgelehnten Durchführung eines weiteren Asylverfahrens für einen Anspruch nach §§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, 51 Absätze 1 bis 3 VwVfG. Insbesondere hat sich die Sach- und Rechtslage nicht im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nachträglich zugunsten der Antragsteller geändert. Eine Verfolgung von Angehörigen der Roma-Minderheit in Serbien ist weiterhin nicht feststellbar.
10Vgl. in diesem Zusammenhang: Lagebericht des Auswärtigen Amtes betreffend die Republik Serbien vom 18. Oktober 2013.
11Dies gilt auch mit Blick auf den am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Art. 350 a des serbischen Strafgesetzbuches, der in seinem Abs. 1 die Ermöglichung eines Asylantrages eines serbischen Staatsangehörigen in einem ausländischen Staat durch Transport, Schleusung, Aufnahme, Unterkunft oder Verbergen unter Strafe stellt. Dafür, dass diese Bestimmung auf zurückkehrende oder zurückgeführte Asylbewerber allein wegen der Stellung des Asylantrages angewendet wird, lassen sich der Auskunftsklage keine hinreichenden Anhaltspunkte entnehmen.
12Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 8. Mai 2014, NRWE; VG Regensburg, Urteil vom 7. Mai 2014 - RO 6 K 14.30326-, juris; VG Sigmaringen, Urteile vom 23. April 2014 - A 1 K1148/13 - sowie vom 28. Mai 2014 - 1 K 234/14 -, beide juris; a .A.: VG Stuttgart, Urteil vom 25. März 2014 - A 11 K 5036/13 -.
13Ein Anordnungsanspruch auf Änderung der in dem Bescheid vom 2. November 2012 enthaltenen Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Absätze 2 bis 7 AufenthG - nunmehr: Subsidiärer Schutz nach § 4 AsylVfG - und (nationale) Abschiebungsverbote nach § 60 Absätze 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Dies gilt für einen diesbezüglichen Anspruch sowohl nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG als auch nach §§ 71 Abs. 5 AsylVfG, 48 Abs. 1 Satz 1, 49 Abs. 1 VwVfG. Denn Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes oder für nationale Abschiebungsverbote sind nicht ersichtlich.
14Insbesondere besteht kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist von einer weiterhin schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage der Minderheit der Roma, aber nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller aufgrund ihrer Zugehörigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine extreme Gefahrenlage geraten oder ihnen deswegen ernste Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit konkret, d.h. alsbald nach ihrer Rückkehr, droht. Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht wegen der Behauptung der Antragstellerin zu 1. in ihrer schriftlichen Folgeantragsbegründung, sie habe keinen Mann und sei allein geblieben mit den Kindern, geboten. Die Antragstellerin zu 1. lebt zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dessen Folgeantrag noch nicht beschieden ist, und den gemeinsamen Kindern, d. h. den Antragstellern zu 2. bis 4. sowie dem zwischenzeitlich ebenfalls nachgereisten ältesten gemeinsamen Kind N. in einer Wohnung im Übergangsheim M.--------straße 10 in B. .
15Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
16Der Beschluss ist nach § 80 AsylVfG unanfechtbar.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.