| |
|
Die beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Ulm form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Die Klage ist auch begründet, die Klägerin ist nicht zur Erstattung des an ihre ehemalige Arbeitnehmerin gewährten Arbeitslosengeldes verpflichtet. Der angefochtene Bescheid verletzt die Klägerin deshalb in ihren Rechten.
|
|
|
Gemäß § 147a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, der Bundesagentur vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 57. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 32 Monate. Die Erstattungspflicht tritt nach § 147a Abs. 1 Satz 2 SGB III unter anderem dann nicht ein, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet und weder eine Abfindung noch eine Entschädigung oder ähnliche Leistungen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder zu beanspruchen hat (Ziff. 3).
|
|
|
Unstreitig ist hier, dass die ehemalige Arbeitnehmerin der Klägerin keine Entlassungsentschädigung erhalten hat. Umstritten ist allein, ob der zwischen der Klägerin und ihrer ehemaligen Arbeitnehmerin geschlossene Aufhebungsvertrag vom 10. März 2004 einer Kündigung im Sinne des § 147a Abs. 1 Satz 2 Ziff 3 SGB III gleichzustellen ist. Dies bejaht die Kammer ausnahmsweise.
|
|
|
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes tritt die Erstattungspflicht des § 147a SGB III zunächst dann nicht ein, wenn der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet hat. Ansatzpunkt für den vom Gesetzgeber gewollten Eintritt der Erstattungspflicht ist, dass der ehemalige Arbeitgeber die sozialen Folgelasten (teilweise) tragen soll, wenn er das Ausscheiden seines älteren Arbeitnehmers in irgendeiner Form zu verantworten hat. Dies hat er selbstverständlich nicht, wenn der Arbeitnehmer selbst kündigt und der Arbeitgeber dies weder in irgendeiner Weise initiiert noch gefördert hat (Niesel, SGB III, § 147a, Rdnr. 32). Deswegen soll bei der Eigenkündigung des Arbeitnehmers, bei der diese besondere Verantwortungsbeziehung für den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu vermeinen ist, die Erstattungspflicht nicht eintreten. Dieser Gedanke liegt § 147a Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB III zugrunde.
|
|
|
Zur Überzeugung der Kammer greift § 147a Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB III aber zu kurz, wenn diese Vorschrift ausschließlich auf die Eigenkündigung des Arbeitnehmers abstellt, andere Fälle aber, in denen die Verantwortungsbeziehung des Arbeitgebers - wie hier - ebenso wenig zu bejahen ist, vom Nichteintritt der Erstattungspflicht ausnimmt. Zwar lehnt das BSG die Einbeziehung anderer Beendigungsformen wie den Aufhebungsvertrag in ständiger Rechtsprechung ab (BSG, Urteil vom 27. Januar 2005 - B 7a / 7 AL 32/04 R - m.w.N.). Das BSG begründet dies im Wesentlichen mit der in den Nrn. 3 bis 5 geforderten Formstrenge, die es verbiete, § 147a Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB III auf andere Beendigungsformen anzuwenden. Wenn ein Arbeitgeber durch die Abgabe einer auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages gerichteten Willenserklärung einen ursächlichen Beitrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geleistet hat, so soll er sich deshalb nicht auf den Befreiungstatbestand berufen können (Niesel, SGB III, § 147a Rdnr. 33).
|
|
|
Diese im Ansatz von der Kammer geteilte Rechtsauffassung steht hier aber ausnahmsweise einer Anwendung des § 147a Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB III nicht entgegen. Entscheidend muss nämlich immer sein, ob den Arbeitgeber im konkreten Einzelfall eine besondere Verantwortung für den Eintritt der Arbeitslosigkeit seines (älteren) Arbeitnehmers trifft. Ist dies nicht der Fall, so darf vom Zweck der Norm her die Erstattungspflicht nicht eintreten.
|
|
|
Hier hatte die Klägerin einzig und allein dem nachhaltigen und ausdrücklichen Wunsch ihrer ehemaligen Arbeitnehmerin auf alsbaldige Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsprochen und sie durch Aufhebungsvertrag aus dem seit 1968 bestandenen Beschäftigungsverhältnis entlassen. Sogar die ehemalige Arbeitnehmerin ging offensichtlich davon aus, dass sie das Arbeitsverhältnis eigentlich selbst durch Kündigung beendet hatte, wie ihre Erklärung vom 27. April 2004 hinreichend deutlich macht. Die Klägerin ist hier lediglich ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihrer Arbeitnehmerin, die aus nachvollziehbaren familiären Gründen auf eine frühest mögliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gedrängt hatte, nachgekommen, sie jetzt mit der Erstattungspflicht zu belegen, liefe Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1990 (BVerfGE 81, 156) zuwider. Hätte die Klägerin hier auf der Kündigung durch ihre ehemalige Arbeitnehmerin bestanden, so wäre sie nicht mit der Erstattungspflicht belegt worden, letztendlich dann aber allein zum Nachteil ihrer ehemaligen Arbeitnehmerin. Dass sie dies nicht getan hat, darf ihr jetzt nicht zum Nachteil gereichen. Triebfeder für das klägerische Handeln war es nicht, die ältere Arbeitnehmerin aus im Verantwortungsbereich der Klägerin liegenden Gründen zu Lasten der Sozialkassen in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. Dies zeigt schon die Tatsache, dass der Arbeitsplatz neu besteht wurde.
|
|
|
Der Klägerin kann auch nicht der Vorhalt gemacht werden, dass sie die Kündigung der Arbeitnehmerin hätte akzeptieren können, ohne auf die Einhaltung der Kündigungsfrist zu bestehen. Der Klägerin war diese Möglichkeit, wie sie anlässlich des Termin zur mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2005 eingeräumt hat, schlichtweg nicht bekannt. Es darf auch nicht entscheidend sein, ob das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2004 dadurch zu Ende gekommen ist, dass die Klägerin mit ihrer ehemaligen Arbeitnehmerin einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat oder deren Kündigung unter Verzicht auf Einhaltung der Kündigungsfrist akzeptiert hätte. Auch im letzten Fall wäre nach der engen Auslegung des BSG der Klägerin eine Berufung auf § 147a Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB III möglicherweise verwehrt, da sie ja auch in diesem Falle zum Eintritt der Arbeitslosigkeit zu diesem Zeitpunkt einen kausalen Beitrag geleistet hätte. Würde man hingegen in diesem Falle (Kündigung durch Arbeitnehmer unter Verzicht des Arbeitgebers auf Einhaltung der Kündigungsfrist) den Befreiungstatbestand des § 147a Abs. 1 Satz 2 Ziff. 3 SGB III zur Anwendung kommen lassen, so wäre durch eine juristische Raffinesse der Weg aus der Erstattungspflicht eröffnet, ohne dass sich am eigentlichen Sachverhalt eine Änderung ergeben würde, die dies rechtfertigen könnte.
|
|
|
Nachdem zur Überzeugung der Kammer der Eintritt der Erstattungspflicht hier der Gesetzesintention zuwiderlaufen würde, war der angefochtene Bescheid aufzuheben.
|
|
|
|