Sozialgericht Rostock Urteil, 24. März 2009 - S 8 SO 37/06

bei uns veröffentlicht am24.03.2009

Tatbestand

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Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 13.06.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2006 verurteilt, dem Kläger 779,04 € für die Kosten der Bestattung seiner Mutter G. F. zu gewähren.

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Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg. Sie ist sowohl zulässig als auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 13.06.2006 und der Widerspruchsbescheid vom 13.10.2006 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat aus § 74 Sozialgesetzbuch - Zwölfter Teil (SGB XII) einen Anspruch gegen den Beklagten auf die Gewährung weiterer 779,04 € für die Kosten der Bestattung seiner Mutter G. F.

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Nach § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Bestattungskosten, die der Kläger aufgrund der Bestattung seiner Mutter G. F. über den Wert des vorhandenen Nachlasses hinaus zu tragen hatte, vor.

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Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass der Beklagte der zuständige Träger der Sozialhilfe für die Übernahme der Bestattungskosten ist, dass der Kläger zur Bestattung seiner Mutter Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII ist und dass dem Kläger aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Tragung der Bestattungskosten nicht zugemutet werden kann.

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Streitig ist zwischen den Beteiligten allein die Höhe der erforderlichen Kosten der Bestattung der Mutter des Klägers.

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Erforderliche Kosten einer Bestattung im Sinne von § 74 SGB XII sind die Kosten, die üblicherweise für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung anfallen, nicht die Aufwendungen für eine standesgemäße Beerdigung. Angemessenen Wünschen des Verstorbenen bzw. Bestattungsverpflichteten nach einer bestimmten Bestattungsart ist regelmäßig und insbesondere dann zu entsprechen, wenn sie den religiösen Bindungen des Verstorbenen entsprechen. Der Sozialhilfeträger darf nicht generell auf eine etwa kostengünstigere Feuerbestattung oder gar eine anonyme Bestattung verweisen werden. Der Eindruck eines Armenbegräbnisses bzw. Armengrabes ist zu vermeiden. Was ortsüblich und angemessen ist, bestimmt sich unter anderem nach den einschlägigen friedhofsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere nach der jeweiligen maßgeblichen Friedhofssatzung. Zu den erforderlichen Kosten einer Bestattung zählen demnach mindestens die Aufwendungen für Leichenschau, Leichenbeförderung, notwendige behördliche Amtshandlungen, Sargträger, Totengräber, einen einfachen Sarg, Kranz und einfacher Blumenschmuck, Friedhofsgebühren jedenfalls für Reihengrabstätten und Urnengemeinschaftsgrabstätten, Waschen, Kleiden und Einsargen des Verstorbenen, Trauerfeier incl. Geläut, Musik und Redner, Herrichten der Grabstätte incl. Erstbepflanzung und einfachem Grabstein sowie jedenfalls im ländlich-kleinstädtischen Bereich die Kosten einer bescheidenen Todesanzeige (vgl. Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 74 Rdnr. 16). Bei einer Feuerbestattung sind zudem die Kosten der Einäscherung, die Kosten für Urnenträger sowie für die Urne zu berücksichtigen. (vgl. Grube, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 74 Rdnr. 31). Inkasso- oder Zwangsvollstreckungskosten, die dadurch entstanden sind, dass der Verpflichtete die ihm vom Bestattungsunternehmen, der Friedhofsverwaltung oder anderen in Rechnung gestellten erforderlichen Kosten der Bestattung nicht zahlen konnte und der Beklagte diese Kosten nicht rechtzeitig akzeptiert bzw. darlehensweise oder unter Widerrufsvorbehalt übernommen hat, sind ebenfalls als erforderliche Kosten der Bestattung anzusehen (vgl. SG Aachen, Urt. v. 08.05.2007 - S 20 SO 4/07 -; a.A. Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 74 Rdnr. 16).

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Danach gehören hier die Beträge aus der Rechnung der Bestattungsinstitut R. GmbH vom 09.05.2006 über insgesamt 1.857,95 €, dem Gebührenbescheid der Hansestadt Ro. für die Einäscherung vom 18.05.2006 über 340,00 €, dem Gebührenbescheid der Stadt Sch. vom 30.05.2006 über die Bestattungsgebühren für ein anonymes Urnengrab von 255,84 € und die Vollstreckungsgebühren für die Vollstreckung des Gebührenbescheides der Stadt Sch. vom 30.05.2006 entsprechend der Mitteilung der Zentralen Vollstreckungsbehörde im Amt N. vom 17.11.2008 in Höhe von 92,50 €, mithin insgesamt ein Betrag von 2.546,29 € zu den erforderlichen Kosten der Bestattung der Mutter des Klägers. Insoweit handelt es sich ausnahmslos um die Kosten, die üblicherweise für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten in Sch. entsprechende einfache Bestattung anfallen. Insbesondere ist die Kammer nach den schriftlichen Angaben der Zeugin Rä. davon überzeugt, dass der Kläger sich mit der von ihm beim Bestattungsinstitut R. in Auftrag gegebenen Bestattung seiner Mutter am äußersten unteren Rand der Kosten für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten in Sch. entsprechende einfache Bestattung bewegt hat. Die Zeugin Rä. hat angegeben, dass das vom Kläger gewählte Programm eine Feuerbestattung zum Sonderpreis mit einfachstem Kiefernsarg und einfachster Stahlurne zuzüglich aller Transportleistungen umfasse und dieses Programm - aus Sicht der Zeugin - die Mindestleistung für eine würdige Bestattung darstelle. Jedenfalls ist dieses Programm nach den Angaben der Zeugin die preiswerteste Bestattungsvariante, es sei denn, der Auftrag für die Bestattung werde durch das Ordnungsamt oder das Sozialamt ausgelöst. Die Kammer hat keinen Anlass, an diesen Angaben der Zeugin zu zweifeln. Insbesondere sind aus der Rechnung der Bestattungsinstitut R. GmbH und den Angaben der Zeugin Rä. keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Mehrkosten bei der Bestattung der Mutter des Klägers durch Sonderwünsche des Klägers hinsichtlich der Auswahl des Sarges und der Urne entstanden sind. Es steht mithin fest, dass der Kläger die preiswerteste Form der Bestattung gewählt hat.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte offenbar meint, dass die Bestattungsinstitute in seinem Bereich bei einem entsprechendem Hinweis des Bestattungsverpflichteten auf seine Sozialhilfebedürftigkeit den Finanzrahmen seiner sogenannten "Richtlinie 1/2005" einhielten und folglich dem Kläger bei einem entsprechenden Hinweis an das Bestattungsinstitut eine preiswertere Bestattung möglich gewesen wäre. Diese Annahme des Beklagten steht zunächst im Widerspruch zu den Angaben der Zeugin Rä. Diese hat zum Einen die Kosten des mit dem Beklagten vereinbarten Programms "Feuer Sonder 1 Sozial" mit 1.199,00 € netto und nicht - wie der Beklagte - mit 1.000,00 € angegeben und zum Anderen ausgesagt, dass dieser Tarif nur zur Anwendung komme, wenn der Auftrag für die Bestattung durch das Ordnungsamt oder das Sozialamt ausgelöst würden. Nach den Angaben der Zeugin konnte der Kläger die Bestattung also nicht zu dem Tarif "Feuer Sonder 1 Sozial" in Auftrag geben.

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Die Kammer hatte hier auch keinen Anlass zu weiterer Aufklärung der Absprachen zwischen dem Beklagten und den Bestattungsunternehmen in seinem Gebiet. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger den Tarif "Feuer Sonder 1 Sozial" oder einen sonstigen speziell zwischen dem Beklagten und den Bestattungsunternehmen ausgehandelten "Sozialtarif" unter Hinweis auf seine Sozialhilfebedürftigkeit in Auftrag geben konnte oder nicht, umfasst der Begriff der erforderlichen Kosten einer Bestattung im Sinne des § 74 SGB XII stets jedenfalls die Tarife der Bestattungsunternehmen einer Region, die einerseits alle Elemente einer würdigen, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechenden einfachen Bestattung umfassen und andererseits darüber nicht hinausgehen und die vom Bestattungsverpflichteten ohne Hinweis auf seine Sozialhilfebedürftigkeit oder sonstige Offenlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegenüber dem Bestattungsunternehmen in Anspruch genommen werden können. Dies ergibt sich bereits aus dem Sinn und Zweck des § 74 SGB XII, den Eindruck eines Armenbegräbnisses bzw. Armengrabes zu vermeiden. Dazu gehört insbesondere, dass der Bestattungsverpflichtete weder unmittelbar noch mittelbar seine Bedürftigkeit gegenüber dem Bestattungsunternehmen, anderen Dienstleistungserbringern im Rahmen der Bestattung oder sonstigen Dritten offenlegen oder auch nur andeuten muss.

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Hier hat der Kläger folglich einen im Sinne des § 74 SGB XII erforderlichen Tarif für die Bestattung gewählt.

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Auf die sogenannte "Richtlinie 1/2005" des Beklagten, die lediglich Kosten von 1000,00 € zuzüglich der Kosten für das Urnengrab und die Einäscherung vorsieht, kommt es für die Bestimmung der erforderlichen Kosten einer Bestattung im Sinne des § 74 SGB XII nicht an. Diese Richtlinie spiegelt die tatsächlich im Gebiet des Beklagten anfallenden Kosten einer würdigen, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechenden einfachen Bestattung nicht zutreffend wieder. Die Kammer ist nach den schriftlichen Angaben der Zeugin Rä. davon überzeugt, dass die tatsächlich anfallenden Bestattungskosten deutlich höher liegen und die vom Beklagten in seiner Richtlinie festgelegten Obergrenzen letztlich ohne Bezug zur Realität allein zur Kostendämpfung willkürlich festgelegt worden sind. Jedenfalls hat der Beklagte nichts dazu vorgetragen, auf welchen tatsächlichen Ermittlungen seine Festlegungen beruhen.

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Dem Kläger kann hier die Tragung der Kosten von insgesamt 2.546,29 € für die Bestattung seiner Mutter nur in dem Umfang zugemutet werden, wie ihm aus dem Nachlass seiner Mutter Mittel zugeflossen sind. Der Nachlass der Verstorbenen bestand nach den Angaben des Klägers, denen der Beklagte nicht entgegen getreten ist und an denen zu zweifeln, die Kammer keinen Anlass hat, allein in dem Guthaben auf dem Konto der Verstorbenen in Höhe von 1.767,25 €. Daraus ergibt sich der austenorierte Betrag. Über eigenes für die Bestattung einzusetzendes Einkommen oder Vermögen verfügt der Kläger nicht. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Kläger zur Bestreitung seines Lebensunterhalts auf den Bezug von Arbeitslosengeld II angewiesen ist. Der Kläger hat auch keine Ansprüche gegen Dritte auf eine vollständige oder teilweise Erstattung der Bestattungskosten.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

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Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.