Sozialgericht Regensburg Endurteil, 13. Okt. 2016 - S 2 KR 562/15

13.10.2016

Gericht

Sozialgericht Regensburg

Tenor

I. Unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2015 wird die Beklagte verurteilt, die Kosten für eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Operation zu übernehmen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Kostenübernahme für eine adipositas-chirurgische Operation hat.

Die am ... geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Bei der Klägerin besteht eine Adipositas per magna des Grades III. Der Body Mass Index (BMI) der Klägerin bewegte sich in den vergangen beiden Jahren um die 60 kg/m². Infolge der bereits seit vielen Jahren bestehenden Adiposidas leidet die Klägerin unter Folgeerkrankungen. Bei der Klägerin liegt u. a. ein Bluthochdruck, ein Diabetes mellitus Typ II, eine Fettstoffwechselstörung sowie überlastungsbedingten Wirbelsäulen- und Kniegelenksbeschwerden vor.

Mit Schreiben vom 06.05.2015 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine bariatrische Operation. Seitens des Herrn Dr. D. vom in A-Stadt wurde dieser Antrag unterstützt und die Kostenübernahme für eine Schlauchmagenoperation für die Klägerin für notwendig erachtet. Dieser führte an, dass bei Vorliegen eines BMI >60 kg/m² nach der aktuell verfügbaren Literatur eine relevante Gewichtsbeeinflussung auch unter multimodaler Therapie nicht zu erwarten sei. Auf Grund der von ihm vorgelegten Unterlagen ging Herr Dr. D. davon aus, dass für den beantragten Eingriff keine Kontraindikationen vorliegen. Auch der Hausarzt der Klägerin befürwortete die beantragte Maßnahme (vgl. Attest vom 26.04.2015). Dieser verwies darauf, die Klägerin seit ihrer frühen Jugend adipös sei und dass sie im Laufe ihrer Lebensgeschichte viele Diäten und Gewichtsreduktionsprogramme mit und ohne Begleitung hinter sich gebracht habe.

Zur Vorlage kam auch ein Befund der Dipl.-Psych. W. vom 06.05.2015. Auch die Internistin und Ernährungsmedizinerin Frau Dr. M. äußerte sich befürwortend (vgl. Schreiben vom 15.04.2015). Die von Frau Dr. M. erhobenen Laborwerte wurden einschließlich eines Berichtes der Ärztin vorgelegt. Neben weiteren ärztlichen Unterlagen kam noch ein Bewegungs- und Ernährungsprotokoll bei der Beklagten in Vorlage.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) erstattete eine Stellungnahme. Darin wurde das Vorliegen einer Adipositas mit Krankheitswert bei der Klägerin bejaht. Konservative Therapiemöglichkeiten hielt der MDK weiterhin für erfolgversprechend. Auch seien noch Kontraindikationen auf endokrinologischem Gebiet abzuklären. Darauf nahm die Beklagte Bezug, als sie mit Bescheid vom 29.06.2015 den Leistungsantrag der Klägerin ablehnte. Sie vertrat die Auffassung, dass noch nicht alle Maßnahmen bzw. noch nicht alle Untersuchungen abgeschlossen seien.

Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 13.07.2015 hiergegen Widerspruch. Gegen die Leistungsablehnung wandte sich auch Herr Dr. D. mit Schreiben vom 14.07.2015. Schließlich wurde das MDK-Gutachten vom 14.10.2015 erstattet. Danach lässt sich aus der vorhandenen Dokumentation die konsequente Durchführung eines multimodalen konservativen Therapieprogrammes unter ärztlicher Kontrolle zeitlich zusammenhängend nicht erkennen. Es wurde die Fortführung und Komplettierung der bereits begonnenen konservativen Therapie empfohlen.

In der Folge wurde noch der Widerspruch damit begründet, dass eine primäre Indikation zur beantragten Maßnahme vorliegt.

Mit Bescheid vom 12.11.2015 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. In den Gründen werden die Voraussetzungen für eine operative Intervention als mittelbare Behandlungsmaßnahme dargelegt, insbesondere der Umstand, dass alle adipositas-chirurgischen Maßnahmen einer besonderen Rechtfertigung bedürfen, da sie in ein funktionell intaktes Organ eingreifen. In diesem Zusammenhang wurde - von den Kriterien zur Annahme der erforderlichen Ultima-ratio-Lage - insbesondere die Ausschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten durch die Klägerin verneint. Die notwendige Durchführung von Ernährungstherapie, Bewegungstherapie und Verhaltenstherapie wurde als nicht erfüllt angesehen.

Die entscheidende Widerspruchsstelle wandte sich gegen die Annahme des Herrn Dr. D., dass beim vorliegenden BMI eine primäre Indikation für die beantragte Maßnahme vorliegt. Sie verwies darauf, dass für den Zusammenhang zwischen der Höhe des BMI und der primären Indikation (ohne vorangegangene konservative Maßnahmen) in der Leitlinie „Prävention und Therapie der Adipositas“ vom April 2014 nur der Evidenzgrad 0 angegeben ist. Auf den Sonder-Kommentar der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) e. V. zur primären Indikation in der v. g. Leitlinie wurde verwiesen. Es gebe bis jetzt kein Urteil des BSG, wonach bei der Begutachtung adipositas-chirurgischer Maßnahmen eine Grenze des BMI zu beachten wäre, deren Überschreitung die Bewertung hinsichtlich einer Ultima Ratio - Situation aufheben könnte.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 14.11.2015.

Das Gericht hat Befundberichte von Herrn Dr. C. und von der Dipl.-Psych. W. angefordert.

Im Auftrag des Gerichts hat Frau Dr. E. ihr Gutachten vom 07.07.2016 nach Untersuchung der Klägerin erstattet. Die ärztliche Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, dass die konservativen Therapiemaßnahmen, das multimodale Adipositasprogramm zur Gänze ausgeschöpft sind. Zudem liege eine primäre Indikation vor. Kontraindikationen für eine bariatrische Operation bestünden nicht. Das Operationsrisiko sei tolerabel und die Klägerin hochmotiviert.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass bei ihr nicht-chirurgische Therapien offensichtlich weder verfügbar noch erfolgversprechend sind. Die streitgegenständliche Operation stelle offensichtlich die Ultima Ratio dar. Dabei wird auf den Leitfaden zur Begutachtung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) Bezug genommen. Es besteht der Klägerin zufolge eine primäre Indikation nach der S3-Leitlinie „Chirurgie der Adipositas“ (2010) und nach der S3-Leitlinie „Prävention und Therapie der Adipositas“ aus dem Jahr 2014. Dieser Fall wird von der Klägerin alleine schon wegen des vorliegenden BMI angenommen. Es wird zur weiteren Begründung auf eine Rechtsprechungsübersicht mit Urteilen erster und zweiter Instanz verwiesen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 14.11.2015 beantragt,

  • 1)Der Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2015 wird aufgehoben.

  • 2)Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin antragsgemäß eine minimalinvasive adipositas-chirurgische Operation als Sachleistung zu gewähren.

  • 3)Die Beklagte trägt die Verfahrenskosten.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 01.08.2016 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte die Auffassung, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenübernahme einer bariatrischen Operation hat. Insoweit wird auf den Widerspruchsbescheid vom 12.11.2015 Bezug genommen. „Aufgrund des übersandten Gutachtens“ ergebe sich für die Beklagte „keine andere Situation“. Es liege auch weiterhin keine Ultima-ratio-Maßnahme vor.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt (vgl. das Telefax vom 17.09.2016 und den Schriftsatz vom 19.09.2016).

Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht (§§ 90, 92, 87 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Regensburg (§§ 51 Abs. 1, 57 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobene Klage ist zulässig.

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Kostenübernahme für eine adiopsitas-chirurgische Operation.

Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die Krankenbehandlung umfasst auch die Krankenhausbehandlung (§§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 SGB V). Unter Krankheit ist der regelwidrige vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichende Körper- und Geisteszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf und/oder Arbeitsunfähigkeit bedingt (vgl. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 3, ständige Rechtsprechung). Bei der Klägerin liegt eine Adipositas vor. Darunter ist die über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfettes zu verstehen (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Aufl., S. 29). Zur Messung wird unter anderem der sog. Body-Mass-Index (BMI) herangezogen, bei dessen Ermittlung das Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergröße herangezogen wird (vgl. Pschyrembel, a.a.O., S. 305). Es wird zwischen drei Graden der Adipositas unterschieden. Der Adipositas Grad I reicht von einem BMI von >30 und <35 kg/m², der Grad II von >/gleich 35 und <40 kg/m² und der Grad III von >/gleich 40 kg/m². Erfordert die Adipositas eine ärztliche Behandlung, belegt dies zugleich die Regelwidrigkeit des bestehendes Zustandes und damit das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinn (vgl. BSGE 90, 289 ff., 290). Bei der Klägerin liegt präoperativ bei einem BMI von ca. 60 kg/m² unstreitig Krankheitswert vor, mit der Notwendigkeit therapeutischer Maßnahmen.

Die Prüfung und Entscheidung darüber, ob eine im Krankenhaus angewandte Behandlungsmethode nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse als wirksam und zweckmäßig einzuschätzen ist und damit dem geforderten Versorgungsstandard entspricht, obliegt nicht den Krankenkassen oder den Gerichten, sondern gem. § 137c SGB den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA).

Der Gesetzgeber hat hierbei - anders als im ambulanten Bereich - auf einen Erlaubnisvorbehalt für neue Behandlungsmethoden verzichtet. Dies hat wiederum zur Folge, dass im Krankenhaus grundsätzlich auch neuartige Verfahren keiner vorherigen Zulassung bedürfen, sondern zu Lasten der Krankenversicherung angewendet werden können, solange sie nicht vom zuständigen Ausschuss ausgeschlossen sind (vgl. BSGE 90, 289 ff., 294). Dies ist bei der beantragten Maßnahme nicht der Fall.

Davon abgesehen müssen auch Behandlungen im Krankenhaus den in §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 Abs. 1 und 28 Abs. 1 SGB V für die gesamte Krankenversicherung festgelegten Qualitätskriterien genügen. Da die adipositas-chirurgischen Maßnahmen eine mittelbare Therapie der Adipositas darstellen, gelten die hierfür von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien. Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sind gegeneinander abzuwägen (vgl. BSGE 85, 56 ff., 60).

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob diese Voraussetzungen im Falle der Klägerin erfüllt sind. Die therapeutischen Bemühungen der Klägerin, ihr Gewicht zu reduzieren, blieben ohne Erfolg. Zu den Bausteinen der multimodalen Therapie zählen die Komponenten Ernährungs- Bewegungs- und Verhaltenstherapie. In der interdisziplinären S3-Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas (Stand 2014) werden diese Elemente der sog. konservativen Therapie ausführlich beschrieben. Die multimodale Therapie sollte eine wenigstens 6 bis 12-monatige konservative Therapie umfassen, deren Elemente von Frau Dr. E. in ihrem Gutachten auf den Seiten 83 ff. auch aufgeführt werden. Dabei hat sich die Therapie nach den gesundheitlichen Verhältnissen der Klägerin, wie etwa dem Vorhandensein von Komorbiditäten, auszurichten. Diese konservativen Therapiemaßnahmen hat die Klägerin nach den überzeugenden Darlegungen von Frau Dr. E. bereits ausgeschöpft, ohne dass eine anhaltende Gewichtsabnahme bei der Klägerin resultierte. Dabei verweist die ärztliche Sachverständige auf das seit März 2015 durchgeführte multimodale Adipositasprogramm unter ärztlicher Betreuung von Frau Dr. M.. Es ist Frau Dr. E. zuzustimmen, wenn sie bezüglich der Bewegungstherapie die Alltagsaktivitäten der Klägerin in ihre Beurteilung einbezieht.

Unabhängig von dieser durchgeführten präoperativen konservativen Therapie, liegt bei der Klägerin zudem eine primäre Indikation für eine adipositas-chirurgische Maßnahme vor.

Frau Dr. E. verweist zutreffend auf die S3-Leitlinie zur „Prävention und Therapie der Adipositas“, welche für die primäre Indikation einen BMI von >50 kg/m² voraussetzt. Die Maßnahme stellt bei der Klägerin eine Ultima Ratio dar, wie bereits Herr Dr. D. vom Krankenhaus in A-Stadt dargelegt hat.

Es liegen auch keine Kontraindikationen vor. Von psychischer Seite ist insbesondere auf die Beurteilung der Frau Dipl.-Psych. W. vom Krankenhaus in A-Stadt zu verweisen. Zudem wird das Operationsrisiko von der ärztlichen Sachverständigen Frau Dr. E. für tolerabel eingeschätzt. Die Klägerin ist - nicht zuletzt durch die behandelnden Ärzte, insbes. Frau Dr. M. - umfassend informiert. Die notwendige ärztliche postoperative Begleitung der Klägerin ist sichergestellt. Somit sind die Voraussetzungen für die beantragte Maßnahme erfüllt.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Regensburg Endurteil, 13. Okt. 2016 - S 2 KR 562/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Regensburg Endurteil, 13. Okt. 2016 - S 2 KR 562/15

Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Regensburg Endurteil, 13. Okt. 2016 - S 2 KR 562/15 zitiert 5 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 51


(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten 1. in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,2. in Angelegenheiten der gesetzlichen Kranken

Referenzen

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.