Sozialgericht München Gerichtsbescheid, 11. Apr. 2016 - S 11 R 2357/14

bei uns veröffentlicht am11.04.2016

Gericht

Sozialgericht München

Tenor

I.

Die Klage gegen den Bescheid vom 08.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2014 wird abgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt einen Zuschlag für Kindererziehung (sogenannte Mütterrente) für die Pflegekinder B. und C.).

Die am ... 1952 geborene Klägerin nahm ab dem ... 1984 die Pflegekinder B., geboren ... 1980 und C., geboren ... 1982 zur Pflege auf. Im Bescheid wegen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sind neben den leiblichen Kindern der Klägerin ab 10.05.1984 Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung der Pflegekinder B. und C. aufgeführt.

Mit Bescheid vom 08.09.2014 wurde die bisherige Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.07.2014 neu festgestellt und ausgeführt, der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für die Kindererziehung für zwei Kinder würde zu den bisherigen persönlichen Entgeltpunkten von 29,8472 nunmehr hinzugerechnet. Die persönlichen Entgeltpunkte betragen nunmehr 31,8472.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 05.10.2014 Widerspruch ein und führte aus, sie habe neben ihren eigenen Kindern D. und E. ab 10.05.1984 auch die Pflegekinder B. und C. gepflegt und erzogen. Es müssten auch Entgeltpunkte für die Pflegekinder berücksichtigt werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2014 zurück und führte aus, für die Kinder B. und C. könnten keine Kindererziehungszeiten angerechnet werden. Bereits mit Schreiben vom 21.02.1992 sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass für die Pflegekinder Kindererziehungszeiten nicht anerkannt werden könnten, da diese Kinder nicht in den ersten zwölf Monaten nach der Geburt von der Klägerin erzogen worden seien. Anerkannt werde jedoch die Berücksichtigungszeit für Kindererziehung ab 10.05.1984 (Tag der Aufnahme der Pflegekinder).

Die Klägerin hat hiergegen am 12.12.2014 Klage zum Sozialgericht München erhoben und zur Begründung unter anderem ausgeführt, sie habe die Pflegekinder als „Vollzeitpflegemutter“ gepflegt und erzogen. Die Geschwister B. und C. seien zu je 50% schwerbehindert gewesen, sodass die Erziehung oft Schwerarbeit gewesen sei. Deshalb sollten auch diese Erziehungsleistungen anerkannt werden.

Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 16.12.2015 davon in Kenntnis gesetzt, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden.

Die Klägerin hat sich hierzu mit Schreiben vom 07.01.2016 nochmals ausführlich geäußert.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2014 zu verurteilen, die Rente unter Berücksichtigung zusätzlicher Entgeltpunkte für die Pflegekinder B. und C. neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Beigezogen waren die Verwaltungsakten der Beklagten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte und der Klageakte Bezug genommen.

Gründe

Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage ist zulässig.

Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (§ 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung zusätzlicher Entgeltpunkte für die Pflegekinder B. (geboren 1980) und C. (geboren 1982).

Die Voraussetzungen des § 307 d SGB VI liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift wird für am 30.06.2014 gezahlte Renten ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1. in der Rente eine Kindererziehungszeit für den 12. Kalendermonat nach Ablauf des Monates der Geburt angerechnet wurde,

2. kein Anspruch nach §§ 294 und 294 a besteht.

Für die Klägerin wurden im Bescheid über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit Kindererziehungszeiten für die leiblichen Kinder D. und E. berücksichtigt. Für die 1980 und 1982 geborenen Pflegekinder B. und C., die ab 10.05.1984 in den Haushalt der Klägerin aufgenommen und von ihr erzogen wurden, wurden keine Kindererziehungszeiten berücksichtigt, da die Pflegekinder nicht in den ersten zwölf Monaten nach der Geburt von der Klägerin erzogen wurden.

Ausschlaggebend für den Zuschlag nach § 307 d SGB VI ist, dass in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monates der Geburt angerechnet wurde. Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität erfolgt eine pauschale Anrechnung (vgl. BT- Drucksache 18/909,26). Ein eventueller Wechsel der Kindererziehungwie hier auf die Pflegemutter - während oder nach dem zweiten Lebensjahr des Kindes bleibt insoweit unberücksichtigt.

Nach Auffassung der Kammer ist dies auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber wollte mit der Fassung des § 307 d SGB VI eine Anerkennung der geleisteten Erziehungsarbeit erreichen. Bei der gesetzlichen Ausgestaltung hat der Gesetzgeber an die bereits im Rentenbescheid anerkannte Kindererziehungszeit des jeweiligen Kindes angeknüpft. Für Kinder, für die keine Kindererziehungszeiten in der Rente anerkannt sind, kann kein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten im Rahmen der sogenannten Mütterrente berücksichtigt werden (zur Verfassungsmäßigkeit vgl. auch ausführlich SG Berlin, Urteil vom 29.06.2015 - S 17 R 473/15 m.w.N.).

Die Fassung des § 307 d SGB VI lässt eine erweiternde Auslegung nicht zu. Im Übrigen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Schreiben vom 16.05.2015 an den Landesverband der Pflege- und Adoptionsfamilien in Bayen.e.V. (PFAD), das der Klägerin vorliegt, ausführlich die gesetzgeberische Intention dargelegt.

Der Bescheid der Beklagten vom 08.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2014 ist nicht zu beanstanden.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 105


(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 87


(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate. Bei einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 85 Abs. 4 beträgt die Frist ein Jahr. Die Frist beginnt mit dem

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 90


Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

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(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate. Bei einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 85 Abs. 4 beträgt die Frist ein Jahr. Die Frist beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem seit dem Tag der letzten Veröffentlichung zwei Wochen verstrichen sind.

(2) Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.