Sozialgericht München Beschluss, 17. März 2017 - S 46 EG 21/17 ER

bei uns veröffentlicht am17.03.2017

Gericht

Sozialgericht München

Tenor

Das Sozialgericht München erklärt sich für unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das zuständige Bundessozialgericht.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Eilverfahren gegen die Rückforderung von Elterngeld in Höhe von 18.090,- Euro.

Mit Bescheid vom 05.12.2012 forderte der Antragsgegner von der Antragstellerin 18.090,- Euro an zuvor ausgezahltem Elterngeld zurück. Das Sozialgericht München gab der Klage statt. Das Bayerische Landessozialgericht hob mit Urteil vom 30.06.2016, L 12 EG 29/4 das sozialgerichtliche Urteil auf und wies die Klage ab, ohne die Revision zuzulassen. Die Antragstellerin hat am 29.11.2016 Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG eingelegt und diese am 15.02.2017 begründet.

Mit Schreiben vom 09.02.2017 kündigte das Finanzamt C-Stadt die Vollstreckung der Rückforderung an. Am 01.03.2017 stellte die Antragstellerin beim Sozialgericht München diesen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Die Beteiligten wurden zur beabsichtigten Verweisung an das BSG gehört.

II.

Der Eilantrag ist an das BSG zu verweisen, weil dieses für den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung das zuständige Gericht der Hauptsache im Sinn von § 86b Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist.

Widerspruch und Anfechtungsklage entfalten in Elterngeldsachen gemäß § 13 Abs. 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) keine aufschiebende Wirkung. Die ansonsten nach § 86a Abs. 1 SGG grundsätzlich eintretende aufschiebende Wirkung entfällt hier deshalb gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG. Statthaft ist in diesem Eilverfahren daher ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG.

Gericht der Hauptsache nach § 86b Abs. 1 S. 1 SGG ist das Gericht, an dem die Hauptsache anhängig ist bzw., wenn sie noch nicht anhängig ist, das Gericht, an das die Klage zu richten wäre. Wenn eine Nichtzulassungsbeschwerde oder eine Revision beim BSG anhängig ist, ist das BSG das Gericht der Hauptsache, sofern ein Antrag auf Anordnung oder Feststellung der aufschiebenden Wirkung statthaft ist (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 11; Wahrendorf in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 86b Rn. 59; Meßling in Henning, SGG; § 86b Rn. 31).

Dem entspricht auch der Beschluss des BSG vom 29.08.2011, B 6 KA 18/11 R. Dort wurde nach Zulassung der Revision ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung an das BSG gestellt, den das BSG nicht verwies, sondern zum Anlass von Ermittlungen nahm (vgl. dort Rn. 5). Zu einer Entscheidung des BSG kam es dort nur deswegen nicht, weil die Hauptsache für erledigt erklärt wurde.

Im Bereich der einstweiligen Anordnung kann das BSG wegen § 86b Abs. 2 S. 3 SGG niemals für das Eilverfahren zuständiges Gericht sein. Im Falle einer Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision beim BSG ist dann das Sozialgericht das für das Eilverfahren nach § 86b Abs. 2 SGG zuständige Gericht (Keller a.a.O., § 86b Rn. 37, Wahrendorf a.a.O., Rn. 236; Binder in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Auflage 2016, § 86b Rn. 33; Hintz/Lowe, SGG, 2012, § 86b Rn. 93). Nach zutreffender Ansicht ist diese Regelung wegen ihrer systematischen Stellung in § 86b Abs. 2 SGG nicht auf die Fälle des § 86b Abs. 1 SGG übertragbar (so ausdrücklich Meßling a.a.O., Rn. 31).

Die Verweisung beruht auf § 98 S. 1 SGG i.V.m. § 17a Abs. 2 S. 1 GVG. Diese Vorschriften gelten auch für das Eilverfahren (Keller a.a.O., § 51 Rn. 71). Die instanzielle Zuständigkeit ist ein Unterfall der sachlichen Zuständigkeit, so dass § 98 SGG anwendbar ist.

Der Beschluss ist gemäß § 98 S. 2 SGG unanfechtbar.

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Referenzen - Gesetze

Sozialgericht München Beschluss, 17. März 2017 - S 46 EG 21/17 ER zitiert 6 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 86b


(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungskla

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17a


(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Am

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 86a


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt 1. bei der Entscheidung

Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit


Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 98


Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17, 17a und 17b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung.

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt

1.
bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten,
2.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen,
3.
für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen,
4.
in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen,
5.
in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 kann die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 ist in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts die nächsthöhere Behörde zuständig, es sei denn, diese ist eine oberste Bundes- oder eine oberste Landesbehörde. Die Entscheidung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Die Stelle kann die Entscheidung jederzeit ändern oder aufheben.

(4) Die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn eine Erlaubnis nach Artikel 1 § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852) geändert worden ist, aufgehoben oder nicht verlängert wird. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17, 17a und 17b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17, 17a und 17b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.