Sozialgericht Dortmund Beschluss, 28. Aug. 2014 - S 41 SO 318/14 ER
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
1
Gründe:
2I. Der - sinngemäße - schriftsätzliche Antrag des Antragstellers (AS),
3die Antragsgegnerin (AG) im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu ver-pflichten, die Kosten für seine Versorgung mit neuen Sehhilfen sowie den Ersatz eines abgebrochenen Stiftzahnes als Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölf-tes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) zu übernehmen,
4hat keinen Erfolg. II. 1. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
5Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Haupt-sache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Ab¬wendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen An¬ordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorlie-gen eines Anordnungs¬grundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Sowohl Anordnungsanspruch als auch An¬ordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein.
6Anordnungsgrund kann nur die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sein. Entscheidend ist insoweit, ob es nach den Umständen des Einzelfalles für den Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzu¬warten. Ein wesentlicher Nachteil liegt vor, wenn der Antragsteller konkret in seiner wirt¬schaftlichen Existenz bedroht ist oder ihm sogar die Vernichtung der Lebensgrundlage droht. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes schwere und unzumutba¬re, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsachever¬fahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht mehr summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; NVwZ 2005, 927 ff.).
7Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben. Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
8a) Ein Anspruch des Antragstellers auf die beantragten Leistungen aus dem SGB XII be-steht bereits deshalb nicht, weil ihm entgegen der Auffassung der Leiterin der Justizvoll-zugsanstalt (JVA) Hagen ein diesbezüglich vorrangiger Anspruch (vgl. § 2 SGB XII) ge-genüber dem Land NRW aus § 25 Abs. 1 Untersuchungshaftvollzugsgesetz NRW (UVollzG NRW) zusteht. Danach haben Untersuchungshaftgefangene Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst insbesondere die ärztliche und zahnärztliche Behandlung sowie die Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln.
9Zwar trifft es zu, wenn die Leiterin der JVA Hagen in ihrer Entscheidung vom 18.07.2014 darauf hinweist, dass die beantragte Versorgung mit Hilfsmitteln (Sehhilfen) und die pro-thetische Zahnversorgung (Stiftzahn) in § 25 Abs. 1 Satz 2 UVollzG NRW – anders als etwa in § 58 (Bundes-)Stravollzugsgesetz (StVollzG) – nicht ausdrücklich erwähnt werden. Gleichwohl greift der Schluss zu kurz, dass schon deshalb die Kosten für diese Gesundheitsleistungen im Falle von Untersuchungshaftgefangenen wie dem Antragsteller nicht übernommen werden können.
10Die Antragsgegnerin weist insoweit zutreffend darauf hin, dass es sich dem Wortlaut nach ("insbesondere") bei § 25 Abs. 1 Satz 2 UVollzG NRW nicht um eine abschließende Aufzählung handelt, und deshalb die vom Antragsteller begehrte Kostenübernahme nicht schon nach dem Wortlaut der Norm ausgeschlossen ist. Die sprachliche Anlehnung des § 25 Abs. 1 Satz 1 UVollzG NRW an § 27 Abs. 1 SGB V sowie der ausdrückliche Verweis hinsichtlich Art und Umfang der Leistungen zur Krankenbehandlung auf das SGB V in § 25 Abs. 2 UVollzG NRW lassen in systematischer Hinsicht auch den Schluss zu, dass jedenfalls grundsätzlich der Leistungsumfang des § 25 UVollzG NRW mit dem des SGB V identisch ist.
11Etwas anderes ergibt sich jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des UVollzG NRW. Nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 14/8631, S. 62) ist zwar "[von] der ausdrücklichen Aufnahme der in § 58 Nr. 2 des Straf-vollzugsgesetzes für den Bereich der Strafhaft geregelten Versorgung mit Zahnersatz abgesehen worden, weil Untersuchungshaft nahezu ausschließlich auf einen derart kurzen Zeitraum beschränkt ist, dass ihre Dauer für eine kunstgerechte prothetische Behandlung nicht ausreichen wird." Gleichwohl steht § 25 Abs. 1 Satz 2 UVollzG NRW der beantragten Kostenübernahme durch das Land NRW zur Überzeugung der Kammer nicht entgegen. Denn die Gesetzesbegründung formuliert, dass von der "ausdrücklichen Aufnahme" einer Regelung zur Versorgung mit Zahnersatz abgesehen wurde, nicht jedoch, dass die Versorgung mit Zahnersatz "ausdrücklich nicht aufgenommen wurde". Zusammen mit dem offenen Wortlaut ("insbesondere"), lässt das gerade nicht den Schluss zu, dass auf Grundlage von § 25 Abs. 1 Satz 2 UVollzG NRW überhaupt keine zahnprothetischen Leistungen mehr erbracht werden können. Vielmehr muss die Norm vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung solche Leistungen jedenfalls dann ermöglichen, wenn die – möglicherweise übertrieben positive – Erwartung des Gesetzgebers über die nahezu ausschließlich "kurzfristige" Untersuchungshaft sich – wie im Fall des seit Februar ständig in Untersuchungshaft befindlichen Antragstellers – nicht erfüllt. Es erscheint insoweit wegen Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz und des besonderen Angewiesenseins des Untersuchungshaftgefangenen auf den Träger des Strafvollzuges auch verfassungsrechtlich geboten, in solchen Fällen über § 25 Abs. 1 Satz 2 UVollzG NRW auch eine zahnprothetische Versorgung, mindestens jedoch eine vorläufige Versorgung des Untersuchungshaftgefangenen – bis zum Beginn der Strafhaft bzw. der Entlassung aus der Untersuchungshaft – zu ermöglichen, die Schmerzen lindert und eine Verschlechterung des Gesundheitszustands verhindert. Auf Grundlage der Gesetzesbegründung erscheint es überdies weder sinnvoll noch geboten, den Untersuchungshaftgefangenen in solchen Fällen auf den örtlichen Sozialhilfeträger zu verweisen. Denn wenn die Gesetzesbegründung gerade darauf abstellt, ob eine wäh-rend der Untersuchungshaft begonnene Zahnbehandlung auch während der Untersuchungshaft abgeschlossen werden kann, nimmt sie letztlich die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel in den Blick: Eine begonnene Behandlung soll beendet und unnütze Kosten vermieden werden, die entstehen, wenn eine während der Untersu-chungshaft begonnene Behandlung nach der Entlassung nicht zu Ende geführt wird. Der wirtschaftliche Einsatz öffentlicher Mittel scheint jedoch bei Kostentragung durch das Land NRW deutlich besser gewährleistet zu sein, als bei Kostentragung durch den örtlichen Sozialhilfeträger. Denn das Land NRW hat durch die Leiterin der JVA Hagen Einfluss auf eine ganze Reihe solcher Umstände, die den Erfolg der Behandlung und damit letztlich den wirtschaftlichen Einsatz öffentlicher Mittel ermöglichen. Sie entscheidet (mit) z.B. über Haftbedingen und darüber, ob ein Untersuchungshaftgefangener während der Dauer der Behandlung von einer Vollzugsanstalt in eine andere verlegt und der Abschluss der Behandlung dadurch vereitelt wird. Der örtliche Sozialhilfeträger hingegen hat überhaupt keinen Einfluss auf solche den Behandlungserfolg betreffende Faktoren. Nimmt man den Willen des Gesetz-gebers ernst, öffentliche Mittel wirtschaftlich einzusetzen, spricht auch dies für eine Auslegung des § 25 Abs. 1 UVollzG NRW, bei der die beantragten Kosten vom Land NRW zu tragen sind.
12Die Gesetzesbegründung enthält keine Hinweise darauf, dass und ggf. warum Hilfsmittel vom Anspruch des Untersuchungshaftgefangenen aus § 25 UVollzG NRW bewusst aus-geschlossen werden sollten. Vor dem Hintergrund dieses entstehungsgeschichtlichen Befundes und mit Blick auf den offenen Wortlaut besteht hinsichtlich der streitgegenständlichen Kosten für die Versorgung des Antragstellers mit neuen Sehhilfen (allenfalls) ein Anspruch aus § 25 UVollzG NRW gegen das Land NRW, der dem Anspruch auf Sozialhilfe vorgeht.
13b) Selbst wenn man den obigen Ausführungen zum Bestehen eines Anspruchs aus § 25 UVollzG NRW nicht folgen will, hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Im Hinblick auf die im SGB XII allein einschlägige Anspruchsgrundlage des § 48 SGB XII ("Hilfe bei Krankheit"), die hinsichtlich des Inhalts des Anspruchs des Leistungsempfängers auf das SGB V verweist, fehlt es an der Glaubhaftmachung des Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen für eine Versorgung mit Sehhilfen (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Bezüglich der zahnprotheti-schen Versorgung hat der Antragsteller weder den Umfang der begehrten Behandlung noch deren Notwendigkeit hinreichend glaubhaft gemacht.
14c) Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen besteht für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung kein Raum. Vielmehr wird der Antragsteller sich wegen der be-gehrten Leistungen erneut an die Leiterin der JVA Hagen wenden und gegen eine etwaige ablehnende Entscheidung über seinen Antrag die vorgesehenen Rechtsbehelfe einlegen müssen.
152. Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
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(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt
- 1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung, - 2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, - 3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen, - 4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe, - 5.
Krankenhausbehandlung, - 6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.
(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie
- 1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, - 2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.
Um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, werden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünften Abschnitt Ersten Titel des Fünften Buches erbracht. Die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 des Fünften Buches gehen den Leistungen der Hilfe bei Krankheit nach Satz 1 vor.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.
(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie
- 1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder - 2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.
(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.
(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.
(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.
(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.
(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.
(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.
(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.
(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.