Sozialgericht Dortmund Urteil, 22. Nov. 2013 - S 37 AS 5305/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen den automatischen Datenabgleich gemäß § 52 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
3Der Beklagte bewilligte dem Kläger auf Grund einer einstweiligen Anordnung vorläufig Alg II für die Zeit vom 20.08.2012 bis zum 28.02.2013 (Bescheid vom 03.01.2013).
4Der Kläger hat am 27.12.2012 Klage erhoben, mit der er sich gegen die Durchführung eines Datenabgleichs wendet. Anfang 2013 finde ein routinemäßiger Datenabgleich statt. Das Gesetz stelle nicht sicher, dass nur Daten aus dem Zeitraum des Leistungsbezugs erhoben würden. Er sei der Auffassung, dass § 52 SGB II gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verstoße.
5Der Kläger beantragt,
61. dem Beklagten aufzuerlegen, den Datenabgleich gemäß § 52 SGB II zu unterlassen, 2. die Rechtswidrigkeit des Datenabgleichs gemäß § 52 SGB II festzustellen, soweit dieser erfolgt ist, 3. die übermittelten Daten zu löschen, soweit Daten gemäß § 52 SGB II übermittelt worden seien.
7Der Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Er trägt vor, dass er als Teil der vollziehenden Gewalt nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an Recht und Gesetz gebunden sei. Grundlage für den Datenabgleich sei § 52 SGB II.
10Ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren, mit dem der Kläger die Durchführung eines Datenabgleichs verhindern wollte, ist erfolglos geblieben (Beschluss vom 12.02.2013 – S 37 AS 5304/12 ER und Beschluss des LSG NRW vom 28.03.2013 – L 7 AS 317/13 B ER).
11Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
12Entscheidungsgründe:
13Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
14Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Unterlassung des Datenabgleichs. Die Kammer teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers hinsichtlich § 52 SGB II nicht. Die Vorschrift verstößt nicht gegen das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbe¬stimmung. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gewährt Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe von individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfG, Nicht¬annahmebeschlüsse vom 17.02.2009 – 2 BvR 1372/07, 2 BvR 1742/07). Ein Gesetz, das Art. 2 Abs. 1 GG beschränkt, bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaat¬lichen Gebot der Normklarheit entspricht. Dies ist dann der Fall, wenn der Gesetzeszweck aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Materialien deutlich wird (vgl. BVerfG, a.a.O.).
15§ 52 SGB II wird als gesetzliche Grundlage des Datenabgleichs den verfassungsrecht¬lichen Anforderungen gerecht (vgl. LSG NRW, Urteil vom 25.03.2010 – L 20 AS 39/08 -). Der Gesetzeszweck, die Vermeidung der rechtswidrigen Inanspruchnahme von Leistun¬gen nach dem SGB II, wird aus dem Gesetzestext in Verbindung mit den Materialien hin¬reichend deutlich. Außerdem regelt § 52 SGB II, welche Behörde sich zu diesem Zweck des automatisierten Datenabgleichs bedienen darf. Schließlich ist auch der Verhältnis-mäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Der Datenabgleich erfolgt zur Überprüfung der Hilfebe-dürftigkeit. Er ist nur vorgesehen für solche Angaben, zu denen der Leistungsempfänger bei Antragstellung oder bei einer erheblichen Änderung der Verhältnisse verpflichtet ist. Die Überprüfung der Hilfebedürftigkeit, also der Leistungsberechtigung, stellt einen legiti¬men Zweck dar. Schutzwürdige Interessen des Bürgers müssen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gegenüber den Interessen der Allgemeinheit an der Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs zurückstehen (vgl. LSG, a.a.O.).
16Da der Datenabgleich nicht rechtswidrig ist, besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Datenabgleichs. Daher hat auch der Antrag zu 2) keinen Erfolg.
17Der Antrag zu 3) hat ebenfalls keinen Erfolg. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die nach § 52 SGB II übermittelten Daten zu löschen sind. § 52 Abs. 3 SGB II enthält eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Löschung der Daten. Nach § 52 Abs. 3 Satz 1 SGB II sind die den in Abs. 1 genannten Stellen überlassenen Daten und Datenträger nach Durchführung des Abgleichs unverzüglich zurückzugeben, zu löschen oder zu ver¬nichten. Die Träger der Leistungen nach dem SGB II dürfen die ihnen übermittelten Daten nur zur Überprüfung nach § 52 Abs. 1 nutzen. Die übermittelten Daten der Personen, bei denen die Überprüfung zu keinen abweichenden Feststellungen führt, sind unverzüglich zu löschen (§ 52 Abs. 3 Satz 3 SGB II). Über diese Vorschrift hinaus hat der Kläger keinen Anspruch auf Löschung der Daten, da die Gewinnung rechtmäßig ist. Anhalts¬punkte dafür, dass der Beklagte die Vorschriften hinsichtlich der Löschung der Daten nicht einhält, liegen nicht vor.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Dortmund Urteil, 22. Nov. 2013 - S 37 AS 5305/12
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Dortmund Urteil, 22. Nov. 2013 - S 37 AS 5305/12
Referenzen - Gesetze
(1) Die Bundesagentur und die zugelassenen kommunalen Träger überprüfen Personen, die Leistungen nach diesem Buch beziehen, zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober im Wege des automatisierten Datenabgleichs daraufhin,
- 1.
ob und in welcher Höhe und für welche Zeiträume von ihnen Leistungen der Träger der gesetzlichen Unfall- oder Rentenversicherung bezogen werden oder wurden, - 2.
ob und in welchem Umfang Zeiten des Leistungsbezuges nach diesem Buch mit Zeiten einer Versicherungspflicht oder Zeiten einer geringfügigen Beschäftigung zusammentreffen, - 3.
ob und welche Daten nach § 45d Absatz 1 und § 45e des Einkommensteuergesetzes an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt worden sind, - 4.
ob und in welcher Höhe ein Kapital nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nicht mehr dem Zweck einer geförderten zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient, - 5.
ob und in welcher Höhe und für welche Zeiträume von ihnen Leistungen der Bundesagentur als Träger der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch bezogen werden oder wurden, - 6.
ob und in welcher Höhe und für welche Zeiträume von ihnen Leistungen anderer Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen werden oder wurden.
(2) Zur Durchführung des automatisierten Datenabgleichs dürfen die Träger der Leistungen nach diesem Buch die folgenden Daten einer Person, die Leistungen nach diesem Buch bezieht, an die in Absatz 1 genannten Stellen übermitteln:
(2a) Die Datenstelle der Rentenversicherung darf als Vermittlungsstelle die nach den Absätzen 1 und 2 übermittelten Daten speichern und nutzen, soweit dies für die Datenabgleiche nach den Absätzen 1 und 2 erforderlich ist. Sie darf die Daten der Stammsatzdatei (§ 150 des Sechsten Buches) und des bei ihr für die Prüfung bei den Arbeitgebern geführten Dateisystems (§ 28p Absatz 8 Satz 2 des Vierten Buches) nutzen, soweit die Daten für die Datenabgleiche erforderlich sind. Die nach Satz 1 bei der Datenstelle der Rentenversicherung gespeicherten Daten sind unverzüglich nach Abschluss des Datenabgleichs zu löschen.
(3) Die den in Absatz 1 genannten Stellen überlassenen Daten und Datenträger sind nach Durchführung des Abgleichs unverzüglich zurückzugeben, zu löschen oder zu vernichten. Die Träger der Leistungen nach diesem Buch dürfen die ihnen übermittelten Daten nur zur Überprüfung nach Absatz 1 nutzen. Die übermittelten Daten der Personen, bei denen die Überprüfung zu keinen abweichenden Feststellungen führt, sind unverzüglich zu löschen.
(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über das Verfahren des automatisierten Datenabgleichs und die Kosten des Verfahrens zu regeln; dabei ist vorzusehen, dass die Übermittlung an die Auskunftsstellen durch eine zentrale Vermittlungsstelle (Kopfstelle) zu erfolgen hat, deren Zuständigkeitsbereich zumindest das Gebiet eines Bundeslandes umfasst.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Bundesagentur und die zugelassenen kommunalen Träger überprüfen Personen, die Leistungen nach diesem Buch beziehen, zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober im Wege des automatisierten Datenabgleichs daraufhin,
- 1.
ob und in welcher Höhe und für welche Zeiträume von ihnen Leistungen der Träger der gesetzlichen Unfall- oder Rentenversicherung bezogen werden oder wurden, - 2.
ob und in welchem Umfang Zeiten des Leistungsbezuges nach diesem Buch mit Zeiten einer Versicherungspflicht oder Zeiten einer geringfügigen Beschäftigung zusammentreffen, - 3.
ob und welche Daten nach § 45d Absatz 1 und § 45e des Einkommensteuergesetzes an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelt worden sind, - 4.
ob und in welcher Höhe ein Kapital nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nicht mehr dem Zweck einer geförderten zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient, - 5.
ob und in welcher Höhe und für welche Zeiträume von ihnen Leistungen der Bundesagentur als Träger der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch bezogen werden oder wurden, - 6.
ob und in welcher Höhe und für welche Zeiträume von ihnen Leistungen anderer Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende bezogen werden oder wurden.
(2) Zur Durchführung des automatisierten Datenabgleichs dürfen die Träger der Leistungen nach diesem Buch die folgenden Daten einer Person, die Leistungen nach diesem Buch bezieht, an die in Absatz 1 genannten Stellen übermitteln:
(2a) Die Datenstelle der Rentenversicherung darf als Vermittlungsstelle die nach den Absätzen 1 und 2 übermittelten Daten speichern und nutzen, soweit dies für die Datenabgleiche nach den Absätzen 1 und 2 erforderlich ist. Sie darf die Daten der Stammsatzdatei (§ 150 des Sechsten Buches) und des bei ihr für die Prüfung bei den Arbeitgebern geführten Dateisystems (§ 28p Absatz 8 Satz 2 des Vierten Buches) nutzen, soweit die Daten für die Datenabgleiche erforderlich sind. Die nach Satz 1 bei der Datenstelle der Rentenversicherung gespeicherten Daten sind unverzüglich nach Abschluss des Datenabgleichs zu löschen.
(3) Die den in Absatz 1 genannten Stellen überlassenen Daten und Datenträger sind nach Durchführung des Abgleichs unverzüglich zurückzugeben, zu löschen oder zu vernichten. Die Träger der Leistungen nach diesem Buch dürfen die ihnen übermittelten Daten nur zur Überprüfung nach Absatz 1 nutzen. Die übermittelten Daten der Personen, bei denen die Überprüfung zu keinen abweichenden Feststellungen führt, sind unverzüglich zu löschen.
(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über das Verfahren des automatisierten Datenabgleichs und die Kosten des Verfahrens zu regeln; dabei ist vorzusehen, dass die Übermittlung an die Auskunftsstellen durch eine zentrale Vermittlungsstelle (Kopfstelle) zu erfolgen hat, deren Zuständigkeitsbereich zumindest das Gebiet eines Bundeslandes umfasst.