Sozialgericht Augsburg Urteil, 12. Feb. 2016 - S 2 R 541/15

12.02.2016
nachgehend
Bayerisches Landessozialgericht, L 13 R 213/16, 10.05.2017

Gericht

Sozialgericht Augsburg

Tenor

I. Der Bescheid vom 30. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2015 wird bezüglich der Rückforderung für den Zeitraum 1. September 2014 bis 30. April 2015 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

Streitig ist ein Aufhebungsbescheid wegen Neuberechnung der geleisteten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs.

Der Kläger, geboren am ... 1958, bezog ab 01.09.1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Dieses wurde ab 01.01.1999 in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgewandelt. Aufgrund der Scheidung des Klägers wurde ein Versorgungsausgleich durchgeführt, die getroffene Entscheidung zum Ausgleich der Rentenanwartschaften ist seit 2002 rechtskräftig. Nachdem an die Ausgleichsberechtigte zunächst keine Rentenleistungen erbracht wurden, kam die Rente des Klägers ungekürzt zur Auszahlung.

Als bekannt wurde, dass die Ausgleichsberechtigte einen Rentenantrag gestellt hat, wurde der Kläger mit Anhörungsschreiben vom 21.08.2014 von der Pflicht des Rentenversicherungsträgers unterrichtet, im Falle einer Rentenzahlung an die Ausgleichsberechtigte seine eigene Rente aufgrund des Versorgungsausgleichs zu kürzen.

Nachdem ab 01.08.2014 an die Ausgleichsberechtigte eine Rente aus der Rentenversicherung gezahlt wurde, erging der Bescheid vom 30.03.2015. In diesem wurde zum einen eine Rückforderung wegen zu viel gezahlter Rente im Zeitraum 01.09.2014 bis 30.04.2015 geltend gemacht sowie eine Neuberechnung der Rente ab 01.05.2015, wobei sich nun ein geringerer Rentenbetrag monatlich ergab.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Durch die Kürzung sei sein monatliches Auskommen nicht mehr gegeben, auch die Rückzahlung könne er nicht aufbringen, da er am Existenzminimum lebe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2015 wurde der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen. Nach § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gelte der Bescheid als am 03.04.2015 bekannt gegeben. Die Widerspruchsschrift sei jedoch erst am 08.05.2015 und somit verspätet bei der Beklagten eingegangen. Wiedereinsetzungsgründe würden nicht vorliegen.

Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht. Er habe sehr viele Ausgaben, sei Diabetiker und benötige teure Medikamente. Auch ein Darlehen habe er zu zahlen, sowie Heizmaterial. Die Beklagte verwies zunächst auf ihren Widerspruchsbescheid.

Das Gericht bat den Kläger um Mitteilung, wann ihm der Bescheid vom 30.03.2015 zugegangen sei. Der Kläger teilte daraufhin mit, dass der Zugang am 08.04.2015 gewesen sei. Da er von Geburt an eine Lese- und Schreibstörung habe, kümmere sich sein Bruder um diese Angelegenheiten. Er habe am 08.04.2015 seinen Bruder angerufen und ihm den Eingang des Schreibens mitgeteilt.

Das Gericht wies darauf hin, dass von einer Einhaltung der Widerspruchsfrist ausgegangen werden müsse und dass die Rückforderung für den Zeitraum 01.09.2014 bis 30.04.2015 nicht rechtmäßig erscheine aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (BSG, 26.02.2003, B 8 KN 6/02 R). Es sei davon auszugehen, dass durch das Anhörungsschreiben vom 21.08.2014 nicht die erforderliche Kenntnis des Klägers nach § 48 SGB X vorlag.

Die Beklagte erklärte sich daraufhin bereit, ohne eine grundsätzliche Diskussion über die Erfordernisse des Tatbestandsmerkmals des Kennenmüssens im Sinne von § 48 Abs. 1 Nr. 4 SGB X einzusteigen, den Bescheid insoweit aufzuheben, als eine Neufeststellung der Rente auch für die Vergangenheit vom 01.09.2014 bis 30.04.2015 vorgenommen wurde. Dies erscheine im Rahmen einer ausnahmefallgebotenen Ermessensabwägung vertretbar, da aus dem gesamten Vorbringen des Klägers zu schließen sei, dass er den Inhalt des Anhörungsschreibens in keiner Weise verstanden habe und anzunehmen sei, dass ihm dies aufgrund seiner subjektiven Fähigkeiten auch nicht vorzuwerfen sei. Außerdem sei glaubhaft, dass der Kläger die empfangenen Rentenleistungen für seinen Lebensunterhalt verbraucht habe. Für die Zeit ab 01.05.2015 müsse es aber aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs und des Wegfalls des so genannten Rentnerprivilegs des § 101 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) alter Fassung durch die Rentengewährung an die Ausgleichsberechtigte bei der Neufeststellung der Rente des Klägers verbleiben. Die Beklagte gab daher ein entsprechendes Vergleichsangebot ab.

Der Klägerbevollmächtigte lehnte das Vergleichsangebot ab. Der Kläger habe im Rahmen einer notariellen Vereinbarung von 2001 den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Mit Scheidungsurteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 07.03.2002 wurde der Versorgungsausgleich jedoch dennoch durchgeführt. Dies erfolgte, nachdem die Ehefrau des Klägers entgegen ihrer ursprünglichen Erwartungen aufgrund der zwischenzeitlich eingeholten Auskünfte der Rentenversicherungsträger ausgleichsberechtigt sei und daher eine Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht mehr schließen wollte. Der Kläger habe monatliche Fixkosten in Höhe von etwa 688 €. Aufgrund des Versorgungsausgleichs erhalte er nun nur noch eine gekürzte Rente in Höhe von 754 €. Er könne seinen Lebensunterhalt daher nicht mehr bestreiten, der Bescheid der Beklagten sei daher rechtswidrig.

Die Beklagte wies darauf hin, dass der Versorgungsausgleich wirksam durchgeführt wurde und für die Zeit ab 01.05.2015 berücksichtigt werden müsse. Dem Kläger werde geraten, ergänzend Sozialhilfe zu beanspruchen, es existiere keine gesetzliche Möglichkeit, hier eine höhere Rente zu leisten.

Der Klägerbevollmächtigte wiederholte erneut sein Vorbringen, der Kläger sei aufgrund des Versorgungsausgleichs stark benachteiligt. Eine Annahme des Vergleichs erfolge nicht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 30.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2015 aufzuheben und eine ungekürzte Rente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorliegenden Akten der Beklagten.

Gründe

Die zulässige insbesondere form- und fristgerechte Klage ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Der Bescheid vom 30.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2015 war bezüglich der Rückforderung vom 01.09.2014 bis 30.04.2015 rechtswidrig und verletzt insoweit den Kläger in seinen Rechten. Insoweit war der Bescheid daher aufzuheben. Hinsichtlich der Neufeststellung der Rente ab 01.05.2015 ist der Bescheid jedoch rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war.

Zunächst ist festzustellen, dass die Widerspruchsfrist vom Kläger nicht versäumt wurde. Nach seinem Vortrag ging der Bescheid vom 30.03.2015 am 08.04.2015 bei ihm ein. Einen früheren Zugang kann die Beklagte nicht beweisen. Auch die 3-Tages-Fiktion des § 37 SGB X führt vorliegend nicht dazu, dass die Widerspruchsfrist versäumt ist. Der Kläger hat insoweit glaubhaft vorgetragen, dass ihm der Bescheid erst am 08.04.2015 zuging. Der Widerspruch wurde daher fristgemäß eingelegt.

Hinsichtlich der Rückforderung für den Zeitraum 01.09.2014 bis 30.04.2015 ist der Bescheid rechtswidrig und war daher insoweit aufzuheben. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Rechtsgrundlage für die Neufeststellung der Rente in gekürzter Form war § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also für die Vergangenheit, soll der Verwaltungsakt aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X.

Dessen Voraussetzungen liegen für den Zeitraum vom 01.09.2014 bis zum 30.04.2015 nicht vor. Hierfür fehlt es insoweit an dem erforderlichen „Wissen“ des Klägers hinsichtlich der Rentenbewilligung an seine frühere Ehefrau. Insoweit hat er die erforderliche Kenntnis nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 21.08.2014 erlangt. Darin wurde ihm lediglich die bestehende Rechtslage erläutert und mitgeteilt, dass es aufgrund der Rentenantragstellung durch seine frühere Ehefrau möglicherweise zu einer Rentenkürzung bei ihm kommen könne. Die Beklagte hat jedoch ausdrücklich angekündigt, über den Zeitpunkt der Rentenminderung und die tatsächlichen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs erst nach der Entscheidung über den Rentenantrag aus der Versicherung der geschiedenen Ehefrau durch einen Bescheid zu entscheiden. Es wurde daher lediglich darauf hingewiesen, dass seine derzeitige Rente um den Versorgungsausgleich zu mindern sei, sofern der Rentenanspruch seiner früheren Ehefrau anerkannt werde. Es wurde ein voraussichtlicher Minderungsbetrag in Höhe von 158,17 € mitgeteilt. Durch dieses Schreiben hat der Kläger daher zwar gewusst, dass ihm möglicherweise eine Rentenminderung drohe. Die entscheidende Tatsache für die Minderung seines Rentenanspruches, d.h. ob und gegebenenfalls rückwirkend ab wann seiner früheren Ehefrau überhaupt aufgrund ihres Antrags eine Rente bewilligt werden würde, ist jedoch weiterhin unklar geblieben. Das nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X erforderliche positive Wissen bezieht sich jedoch nur auf die mit der Rentenbewilligung an die frühere Ehefrau tatsächlich eingetretene Kürzung der Rentenleistungen an ihn, das Wissen um die bloße Möglichkeit einer Kürzung der Leistungen an ihn genügt insoweit nicht (BSG vom 26.02.2003, B 8 KN 6/02 R, LSG Schleswig-Holstein vom 15.04.2004, L 5 RJ 130/03). Dem Kläger kann auch keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, denn vor dem entsprechenden Rentenbescheid habe niemand davon Kenntnis erlangen können, dass sich die Rente des Klägers entsprechend gemindert habe.

Vor diesem Hintergrund war daher die Rückforderung für den Zeitraum 01.09.2014 bis 30.04.2015 rechtswidrig und der streitgegenständliche Bescheid insoweit aufzuheben. Insoweit ergibt sich daher kein Rückforderungsanspruch der Beklagten gegen den Kläger wegen zu viel gezahlter Rente.

Hinsichtlich des Zeitraums ab 01.05.2015 war der Bescheid dagegen rechtmäßig und die Klage insoweit abzuweisen. Durch den Bescheid der Beklagten vom 30.03.2015 hat der Kläger gewusst, dass aufgrund der Auswirkungen durch den durchgeführten Versorgungsausgleich sein Rentenanspruch nun verringert ist. Die Rente war ab diesem Zeitpunkt aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs und der Rentengewährung an die frühere Ehefrau des Klägers zwingend zu kürzen. Eine andere Beurteilung ergibt sich insoweit nicht daraus, dass der Kläger geltend macht, durch die Kürzung der Rente seine monatlichen Ausgaben nicht mehr bestreiten zu können. Die Beklagte hat insoweit zu Recht auf die Möglichkeit der Beantragung von Sozialhilfe hingewiesen (Bundesverfassungsgericht vom 28.02.1980, BVerfGE 53, 257 ff.). Dass der Kläger geltend macht, sein monatliches Auskommen sei dann nicht mehr gesichert, führt daher nicht dazu, dass der Versorgungsausgleich nicht durchzuführen wäre.

Eine andere Beurteilung ergibt sich außerdem auch nicht daraus, dass der Kläger geltend macht, dass im Rahmen einer notariellen Vereinbarung der Ausschluss des Versorgungsausgleichs mit seiner früheren Ehefrau vereinbart worden sei. Wie sich aus dem rechtskräftigen Scheidungsurteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 07.03.2002 ergibt, wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt. Die frühere Ehefrau des Klägers wollte demnach den Versorgungsausgleich nicht mehr ausschließen, nachdem sie entgegen ihrer ursprünglichen Erwartungen aufgrund der zwischenzeitlich eingeholten Auskünfte der Rentenversicherungsträger ausgleichsberechtigt sei. Aufgrund des Scheidungsurteils des Amtsgerichts A-Stadt steht fest, dass der Versorgungsausgleich durchzuführen ist. Hieran ist die Beklagte gebunden.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass die Kürzung der Rente ab 01.05.2015 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Insgesamt war die Klage daher teilweise begründet.

Die Beklagte hat daher die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen, § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse


(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 37 Bekanntgabe des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden. (2) Ein schriftlicher Verwaltun

Referenzen

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.

(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.