Sozialgericht Augsburg Gerichtsbescheid, 22. März 2017 - S 17 R 1194/15

bei uns veröffentlicht am22.03.2017

Gericht

Sozialgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 12. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2015 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten streitig ist die Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Die im Jahr 1935 geborene Klägerin ist marokkanische Staatsangehörige und war mit dem im Jahr 1936 geborenen und im Jahr 1971 verstorbenen Y. M. ausweislich der vorgelegten Urkunden verheiratet gewesen.

Ein am 28.03.1988 beim Rechtsvorgänger des Beklagten, der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, eingegangener Antrag der Klägerin auf Gewährung von Hinterbliebenenrente war mit Bescheid vom 06.10.1988 abgelehnt worden, weil der verstorbene Y. M. zwar in Deutschland vom 27.07.1962 bis 14.12.1966 Versicherungsbeiträge zur deutschen Rentenversicherung geleistet habe, diese seien jedoch bereits mit Erstattungsbescheid der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz vom 27.03.1969 erstattet worden, so dass keine Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis mehr bestünden.

Mit Schreiben vom 03.04.2015, eingegangen am 17.04.2015, stellte die Klägerin bei der Beklagten erneut Antrag auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Y. M …

Mit Bescheid vom 12.06.2015 lehnte die Beklagte nach Beiziehung der Versicherungsakte den Antrag vom 17.04.2015 auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente ab, da eine Erstattung der ehemals geleisteten Beitragszahlung vom 14.12.1966 bis 27.03.1969 erfolgt sei und Ansprüche hieraus deshalb nicht mehr bestünden.

Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid am 03.09.2015 Widerspruch unter Verweis auf die erfolgte Beschäftigung in Deutschland und eine schwierige finanzielle Lage der Familie des Verstorbenen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Durch die Erstattung sämtlicher Beitragsleistungen mit Bescheid vom 27.03.1969 sei das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst worden gemäß § 1303 Abs. 7 Reichsversicherungsordnung (RVO), § 210 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Weitere Beitragszeiten, welche zeitlich nach der Erstattung geleistet seien, seien weder behauptet noch ersichtlich.

Hiergegen erhob die Klägerin am 07.12.2015 Klage. Zur Begründung wurde erneut auf die in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten und die schwierige finanzielle Lage der Familie verwiesen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 08.02.2016 und 16.03.2016 verwies das Gericht auf die in der Akte dokumentierte Beitragserstattung durch Bescheid vom 27.03.1969 und die damit verbundene Auflösung des Versicherungsverhältnisses. Es gab der Klägerin Gelegenheit zu weiteren Ausführungen und hörte sie zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an. Auch die Beklagte wurde zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Mit Schreiben vom 05.04.2016 hielt die Klägerin die Klage aufrecht und bat um eine günstige Entscheidung.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der Versicherung des verstorbenen Y. M …

Dabei konnte das Gericht durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entscheiden gemäß § 105 SGG, da der Sachverhalt geklärt ist, keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und die Beteiligten zuvor gehört wurden.

Ein Anspruch einer Witwe auf Witwenrente nach § 46 SGB VI nach dem Tod des Versicherten setzt unter anderem voraus, dass der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, was nach § 50 SGB VI das Vorliegen von mindestens 5 Jahre Versicherungszeiten erfordert.

Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

Aufgrund der erfolgten vollständigen Erstattung der geleisteten Versicherungsbeiträge an den verstorbenen Versicherten durch Bescheid vom 27.03.1969 bestehen auch für die Klägerin als Hinterbliebene keine Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung mehr, vgl. § 1303 Abs. 7 RVO.

An der Durchführung der vollständigen Beitragserstattung in Höhe von insgesamt 2.400,53 DM bestehen nach den erhaltenen Unterlagen keine Zweifel. Es ergeben sich aus dem klägerischen Vortrag und dem Akteninhalt auch keinerlei Hinweise darauf, dass der verstorbene Versicherte außer den im Bescheid vom 27.03.1969 aufgeführten und erstatteten Beitragszeiten vom 14.12.1966 bis 27.03.1969 weitere Zeiträume in Deutschland versicherungspflichtig gearbeitet hat.

Gemäß § 1303 Abs. 7 RVO schließt die erfolgte Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den zurückliegenden Versicherungszeiten aus und führt zu einem Erlöschen des Versicherungsverhältnisses als solches in seiner Gesamtheit (vgl. Funk, Kassler Kommentar zu § 1303 RVO, Rdnr. 28f). Weitere - spätere - rentenrechtliche Zeiten hat der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland nicht zurückgelegt.

Zwischen der Beklagten und dem verstorbenen Versicherten besteht somit kein Versicherungsverhältnis mehr, aus dem Ansprüche für die Witwe abgeleitet werden könnten. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem verstorbenen Versicherten und der Beklagten sind mit der Beitragserstattung endgültig beseitigt.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

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Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Augsburg Gerichtsbescheid, 22. März 2017 - S 17 R 1194/15 zitiert 7 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 105


(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 46 Witwenrente und Witwerrente


(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 50 Wartezeiten


(1) Die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf 1. Regelaltersrente,2. Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und3. Rente wegen Todes.Die allgemeine Wartezeit gilt als erfüllt für einen Anspruch

Referenzen

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

(1) Die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf

1.
Regelaltersrente,
2.
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und
3.
Rente wegen Todes.
Die allgemeine Wartezeit gilt als erfüllt für einen Anspruch auf
1.
Regelaltersrente, wenn der Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen hat,
2.
Hinterbliebenenrente, wenn der verstorbene Versicherte bis zum Tod eine Rente bezogen hat.

(2) Die Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung an Versicherte, die die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht erfüllt haben.

(3) Die Erfüllung der Wartezeit von 25 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf

1.
Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute und
2.
Rente für Bergleute vom 50. Lebensjahr an.

(4) Die Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf

1.
Altersrente für langjährig Versicherte und
2.
Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

(5) Die Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.