Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 16. März 2010 - 4 W 48/09
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird insoweit aufgehoben, als darin die Befreiung der Klägerin von der Zahlung der Gerichtsgebühren nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 JGebBefrG RLP versagt wurde. Die Kostenanforderung vom 15. April 2009 wird aufgehoben.
Gründe
I.
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Die Klägerin hat mit der Beteiligten zu 3) am 5. Oktober 1982 einen Vertrag über die Nach- bzw. Tieferbaggerung des ... geschlossen. Die Überlassung der s... Flächen zum vertragsgemäßen Gebrauch erfolgte zunächst unentgeltlich. Mit Nachtrag vom 10. März 1983 wurde eine Vergütung von 6.000,00 DM vereinbart.
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Im hiesigen Rechtsstreit begehrt die Klägerin nunmehr mit der Behauptung, die Beklagten hätten die im Genehmigungsbescheid festgelegte Auskiesungstiefe überschritten, Auskunft über die Materialmengen, den erzielten Gewinn und schließlich die Zahlung desselben an sie.
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Mit Beschluss vom 6. März 2009 hat der Einzelrichter den Streitwert des Verfahrens vorläufig festgesetzt und entschieden, dass eine Befreiung von der Zahlung der Gerichtsgebühren nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Justizgebührenbefreiungsgesetz Rheinland-Pfalz (JGebBefrG) nicht in Betracht komme. Zwar fehle es für den hier vorliegenden Fall an einem Eigenbetrieb der Klägerin als wirtschaftliches Unternehmen im Sinne des § 86 Gemeindeordnung. Sie verfolge jedoch mit der vertraglichen Überlassung an die Beklagten zum Zwecke der Auskiesung wirtschaftliche Zwecke im Sinne einer nachhaltigen Einnahmeerzielung zumindest im Rahmen der Verwaltung von Grundeigentum und der Überlassung im Sinne von §§ 78, 79 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Regelungen in § 4 des Vertrages und des Nachtrages vom 10. März 1983, die eine alleinige Beschränkung auf den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge nach den Gesamtumständen auch hinsichtlich des Klagegegenstandes ausschließen würden. Deshalb sei die Klägerin zur Zahlung des Gerichtskostengebührenvorschusses auf der Grundlage einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz, Beschluss vom 20. August 2007 - 14 B 605/07 - verpflichtet.
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Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Auf Ersuchen der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat sie eine dienstliche Erklärung vom 27. Mai 2009 vorgelegt, mit der ihre Abteilungsleiterin für "Grundstücksverwaltung im Bereich Immobilien- im wesentlichen darlegt, der Bereich "Immobilien" mit den beiden Abteilungen "Grundstücksverkehr" (2-131) und "Grundstücksverwaltung" (2-132) sei zuständig für die Vermarktung und die Verwaltung s... Grundstücke sowie für einige Aufgaben, welche aus früheren Organisationsstrukturen dort verblieben seien, wie etwa für die Verwaltung s... Gemeinschafts- und Bürgerhäuser. In diesem Rahmen würden u.a. grundstücksbezogene Rechtsgeschäfte (außer An- und Verkauf) durchgeführt, auch in Bezug auf städtische Wasserflächen. Des Weiteren würden die aus den Vorgängen der Abteilung "Grundstücksverwaltung" erzielten Erträge in den Ergebnishaushalt des s... Bereichs "Immobilien" fließen; umgekehrt belasteten die Aufwendungen der Abteilung den Ergebnishaushalt des Bereichs "Immobilien" gleichermaßen. Die Klägerin habe nur einen Eigenbetrieb, den "W... L.... (W...)". Dessen satzungsmäßiger Zweck sei die Wahrnehmung der mit der Planung, Pflege und Verwaltung von Grünanlagen und Friedhöfen, mit der Abfallentsorgung, mit der Straßenreinigung und dem Winterdienst, mit der Pflege und Instandhaltung von Verkehrsflächen sowie mit der Abwasserbeseitigung verbundenen Aufgaben.
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Die wasser- und naturschutzrechtlichen Belange des B..., einer s... Wasserfläche, die offensichtlich als Badeweiher genutzt wird, obliegen danach dem Bereich "Umwelt" der Klägerin, während für dessen Bewirtschaftung, etwa für den Abschluss von Fischereipachtverträgen oder Auskiesungsverträgen, der Bereich -Immobilien- zuständig ist.
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Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt, auf der Grundlage der dienstlichen Äußerung scheide zwar eine Gebührenbefreiung der Klägerin grundsätzlich nicht aus, da der B... nicht deren Eigenbetrieb zuzuordnen sei. Da jedoch der mit der Klageforderung geltend gemachte Anspruch wirtschaftlichen Zwecken im Sinne einer nachhaltigen Erzielung von Einnahmen diene und der hier geltend gemachte Anspruch hinsichtlich des Kiesabbaues gerade nicht aus einem Vertrag resultiere, der der öffentlichen Daseinsvorsorge diene, sei die Beschwerde unbegründet.
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Der Einzelrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Pfälzischen Oberlandesgericht vorgelegt.
II.
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Die gemäß §§ 67 Abs. 1, 66 Abs. 3 Satz 1-3, Abs. 5 Satz 1 und 5 GKG zulässige Beschwerde führt in der Sache zum Erfolg. Die Klägerin ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 JGebBefrG RLP von der Zahlung des Kostenvorschusses befreit. Nach dieser Vorschrift sind die Gemeinden von der Zahlung der Gerichtsgebühren befreit, soweit die Angelegenheit nicht ihre wirtschaftlichen Unternehmen betrifft. Der Begriff "wirtschaftliche Unternehmen" ist im Gebührenbefreiungsgesetz nicht definiert. Zu dem auch in § 144 Abs. 1 KostO enthaltenen Begriff "wirtschaftliche Unternehmen" ist in der Begründung des Referentenentwurfes unter anderem folgendes ausgeführt:
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Der Begriff "wirtschaftliches Unternehmen" entstammt dem Kommunalrecht. Dort sind "wirtschaftliche Unternehmen" solche Einrichtungen und Anlagen, die auch von einem privaten Unternehmer mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden könnten. Sie unterscheiden sich dadurch von der Hoheitsverwaltung, von Unternehmen, zu deren Einrichtung und Unterhaltung die öffentliche Hand gesetzlich verpflichtet ist, und von Einrichtungen, bei denen die gemeinnützige Zielsetzung im Vordergrund steht. In den Gemeindeordnungen wird dementsprechend übereinstimmend negativ dahin abgegrenzt, dass als wirtschaftliche Unternehmen nicht solche gelten, zu deren Betrieb die Gemeinden gesetzlich verpflichtet seien, sowie die Einrichtungen des Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesens, der Kultur, des Sports, der Erholung, der Abfall- und Abwasserbeseitigung, der Straßenreinigung sowie Einrichtungen ähnlicher Art (vgl. Korinthenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO § 144 Rn. 13-16; Mümmler JurBüro 1990, 145, 147). Von einem wirtschaftlichen Unternehmen ist dann auszugehen, wenn die Einrichtungen der Gemeinde aus der allgemeinen Verwaltung ausgegliedert sind und in bestimmtem Umfang eine eigenständige Verwaltung und Wirtschaftsführung erfordern (vgl. insoweit OLG Düsseldorf, OLGR 2009, 95; OLG Köln, NVwZ-RR 1998, 469; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. August 2007 - 7 W 54/07 - für die gemeinnützige GmbH; OLG Naumburg, Beschluss vom 22. Oktober 2001 - 13 W 235/01 -).
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Der zu § 144 Abs. 1 KostO ergangenen Rechtsprechung ist gemeinsam, dass wirtschaftliche Unternehmen im kostenrechtlichen Sinne dann anzunehmen sind, wenn betriebswirtschaftliche Gründe des Geschäftes die Belange der Daseinsvorsorge überwiegen (vgl. etwa OLG Naumburg FGPrax 2008, 39 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
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Ausgehend hiervon ist die Klägerin mit dem dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Vertrag nicht als wirtschaftliches Unternehmen in vorbeschriebenem Sinn tätig geworden. Aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag, dem Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz und schließlich auch aus der gutachterlichen Bewertung der Ausbautiefe ergibt sich, dass der Ausbau des B... zum Zwecke der Wasserverbesserung im Hinblick auf die Nutzung als Badegewässer erfolgte. Gerade im Hinblick darauf, dass der Auskiesung zunächst (sogar) unentgeltlich vereinbart war und auch im Nachtrag lediglich die Zahlung eines Betrages von 6000,-- DM vereinbart war, ist davon auszugehen, dass hier die Belange der Daseinsvorsorge, nämlich die Verbesserung der Wasserqualität zur Erhaltung der Nutzbarkeit als Badeweiher deutlich im Vordergrund stand.
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Dieser Wertung steht die Entscheidung des Oberlandesgericht Koblenz (Beschluss vom 20. August 2007 - 14 W 605/07 -) nicht entgegen, zumal dort die Voraussetzungen der Gebührenbefreiung ohne weiteres gegeben waren und (lediglich) in einem obiter dictum ausgeführt wurde, dass jeder greifbare Anhalt dafür fehle, dass mit dem dort gegenständlichen Grundstücksvertrag wirtschaftliche Zwecke im Sinne der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verfolgt wurden.
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Nicht unberücksichtigt bleiben kann insoweit auch, dass die Vergabe der Baggerrechte gerade nicht dem einzigen Eigenbetrieb der Klägerin, sondern vielmehr der Abteilung Grundstücksverwaltung oblag. Dies erschließt sich ohne Weiteres aus der dienstlichen Erklärung der Abteilungsleiterin vom 27. Mai 2009, an deren Richtigkeit zu zweifeln, kein Anlass besteht.
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Auch der hier streitgegenständliche Schadensersatzanspruch wegen behaupteter zu tiefer Ausbaggerung allein führt nicht dazu, dass die Klägerin als wirtschaftliches Unternehmen zu qualifizieren ist. Denn sie macht ausschließlich ihr nach ihrem Dafürhalten zustehende Schadensersatzforderungen geltend, die, so sie denn begründet sein sollten, nach der dienstlichen Äußerung der Abteilungsleiterin, dem allgemeinen städtischen Haushalt zufließen werden.
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Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 66 Abs. 8 GKG.
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(1) Gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts nur aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, und wegen der Höhe des in diesem Fall im Voraus zu zahlenden Betrags findet stets die Beschwerde statt. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 4, 5 Satz 1 und 5, Absatz 6 und 8 ist entsprechend anzuwenden. Soweit sich die Partei in dem Hauptsacheverfahren vor dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten werden soll, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen muss, gilt dies auch im Beschwerdeverfahren.
(2) Im Fall des § 17 Absatz 2 ist § 66 entsprechend anzuwenden.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 23.07.2007 - 1 O 91/07 - aufgehoben.
Gründe
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(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.
(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.
(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.
(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.