Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 22. Juni 2010 - 4 L 219/09

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2010:0622.4L219.09.0A
bei uns veröffentlicht am22.06.2010

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Aufhebung von zehn Bescheiden, mit denen er zu Beiträgen für die Herstellung der zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Beklagten herangezogen wird.

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Der Kläger verfügt über zehn verschiedene Miteigentumsanteile an dem unter der laufenden Nr. 1 im Grundbuch von S. eingetragenen, 11.271,00 m² großen Grundstück, das die Flurstücke 221/27, 221/29, 221/31, 221/33, 221/35, 221/37, 221/39, 221/41 und 221/43 der Flur A der Gemarkung S. umfasst. Der jeweilige Miteigentumsanteil des Klägers am vorbezeichneten Grundstück beträgt 256,60/10.000 (Grundbuchblatt 3198), 236,01/10.000 (Grundbuchblatt 3199), 241,72/ 10.000 (Grundbuchblatt 3200), 258,27/10.000 (Grundbuchblatt 3201), 288,41/10.000 (Grundbuchblatt 3202), 188,10/10.000 (Grundbuchblatt 3203), 292,90/10.000 (Grundbuchblatt 3204), 190,91/10.000 (Grundbuchblatt 3205), 286,91/10.000 (Grundbuchblatt 3206) und 269,47/10.000 (Grundbuchblatt 3207). Das die Straßenbezeichnung „H-Weg 7 - 15“ führende Grundstück ist mit neun zweigeschossigen Mehrfamilienhäusern bebaut.

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Der Beklagte zog den Kläger zunächst mit Bescheiden vom 19. Dezember 2006, gegen die der Kläger unter dem 22. Dezember 2006 Widerspruch erhob, zur Zahlung von Anschlussbeiträgen heran. Diese Bescheide wurde mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 aufgrund eines formellen Fehlers für gegenstandslos erklärt und der Kläger mit Bescheiden vom gleichen Tage hinsichtlich des jeweiligen Miteigentumsanteils am vorbezeichneten Grundstück zu Anschlussbeiträgen in Höhe von insgesamt 16.516,69 Euro herangezogen. Hierbei legte der Beklagte einen Vollgeschossfaktor für zwei Vollgeschosse von 1,6 und einen Beitragssatz von 3,64 Euro/m² zugrunde. Unter Berücksichtigung bereits geleisteter Vorauszahlungen lautete das Zahlungsgebot für die Miteigentumsanteile des Klägers auf insgesamt 14.538,04 Euro.

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Mit Schreiben vom 27. Dezember 2006 legte der Kläger auch gegen diese Bescheide Widerspruch ein und führte unter dem 22. Mai sowie 24. Oktober 2007 zur Begründung aus, dass im Fall des im Grundbuchblatt 3206 eingetragenen Miteigentumsanteils nicht er, sondern die (...) Grundstücksgesellschaft mbH als Miteigentümerin eingetragen sei. Auch der Bescheid betreffend den Miteigentumsanteil im Grundbuchblatt 3198 sei an den falschen Adressaten gerichtet, weil an dem Flurstück Miteigentum bestehe. An den in allen Bescheiden aufgeführten Flurstücken habe er keinen Miteigentumsanteil bzw. kein Wohnungseigentum; dies gelte nur hinsichtlich des Flurstücks 221/38, das in den Bescheiden nicht bezeichnet sei. Mit dem Erlass von zehn Beitragsbescheiden sei davon auszugehen, dass es sich um zehn Grundstücke im Sinne des BGB und der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung des Beklagten handele. Dementsprechend müsse jedes Grundstück gemäß § 12 der Satzung über einen eigenen Anschluss verfügen. Dies sei nicht der Fall. Es seien lediglich drei Revisionsschächte vorhanden, die nicht zugeordnet werden könnten, was zur Unbestimmtheit und Rechtswidrigkeit führe.

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Nachdem der Beklagte in der Folgezeit nicht über den Widerspruch des Klägers entschied, hat der Kläger am 19. Juni 2008 bei dem Verwaltungsgericht Magdeburg Untätigkeitsklage erhoben. Im gerichtlichen Verfahren hat der Beklagte auf Nachfrage mit Schriftsatz vom 29. September 2008 angegeben, über die Widersprüche deshalb nicht entschieden zu haben, weil die Problematik des übergroßen Wohngrundstücks in Bezug auf den Kläger noch nicht geklärt sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2009 hat der Beklagte sodann die Widersprüche des Klägers zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus den aktuellen Grundbuchauszügen die Eigentümerstellung des Klägers ergebe. Auch die Berechnung in den angefochtenen Bescheiden sei nachvollziehbar. Schließlich verfüge das Grundstück über mehr als fünf Wohneinheiten, so dass die Regelung des § 6c Abs. 2 KAG LSA n. F. nicht anzuwenden sei.

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Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2009 hat der Kläger den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 17. Juni 2009 in das Verfahren einbezogen.

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Er begründet seine Klage im Wesentlichen damit, dass die in den streitbefangenen Bescheiden vorgenommene Berechnung nicht nachvollziehbar sei. Darüber hinaus sei das Grundstück als „übergroß“ einzustufen, so dass die Regelung des § 6c Abs. 2 KAG LSA a. F. anwendbar und das Grundstück lediglich mit 786,25 m² heranzuziehen sei. An der Anwendung der Privilegierung habe sich auch nach der Änderung des KAG LSA nichts geändert. Der Ausschlussgrund des § 11 Abs. 1 der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung des Beklagten greife nicht.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Bescheide des Beklagten vom 22. Dezember 2006 (Bescheidnrn. 0100000685/1, 0100000686/1, 0100000687/1, 0100000688/1, 0100000689/1, 0100000690/1, 0100000691/1, 0100000692/1, 0100000693/1, 0100000694/1) in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 17. Juni 2009 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und vorgetragen, für die Anwendung der Billigkeitsregelung sei auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen. Es komme nicht darauf an, dass die Vorgängerregelung der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung nicht dem § 6c Abs. 2 KAG LSA a. F. entsprochen habe, denn jedenfalls entspreche die Neuregelung in der Satzung aus dem Jahr 2009 der Neufassung des § 6c Abs. 2 KAG LSA. Dass er untätig geblieben sei, sei nicht von Relevanz. Der Kläger habe Untätigkeitsklage erheben können und dies auch getan. Die Verfahrenssituation habe keinen Einfluss auf die Rechtslage.

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Mit dem angefochtenen Urteil vom 2. September 2009 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg die angefochtenen Bescheide des Beklagten insoweit aufgehoben, als sie Beiträge von mehr als insgesamt 1.143,55 Euro für den Kläger festsetzen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Vorinstanz im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte verfüge über eine wirksame Abgabensatzung. Auch sei die sachliche Beitragspflicht als solche hinsichtlich des jeweiligen Miteigentumsanteils an dem veranlagten Grundstück entstanden. Der Beklagte habe im Rahmen der von ihm vorgenommenen Veranlagung die in der Gemarkung S., Flur A, belegenen Flurstücke 221/27, 221/29, 221/31, 221/33, 221/35, 221/37, 221/39, 221/41 und 221/43 zu Recht als ein Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne zugrunde gelegt, da diese Flurstücke unter einer laufenden Nummer im Grundbuch eingetragen seien. Insoweit werde zwar nach der Grundbuchordnung für jeden Miteigentumsanteil ein eigenes Grundbuchblatt angelegt, an der Eigenschaft des Buchgrundstücks an sich ändere sich jedoch nichts. Das vorbezeichnete Grundstück sei auch an die betriebsfertig hergestellte öffentliche Einrichtung des Beklagten angeschlossen, da es über (mindestens) drei Revisionsschächte verfüge. Der Beklagte habe die Bescheide auch zu Recht an den Kläger gerichtet, da dieser hinsichtlich eines jeden in den Bescheiden aufgeführten Miteigentumsanteils ausweislich der dem Gericht vorliegenden Grundbuchauszüge mit dem Stand 12. Dezember 2006 als Eigentümer eingetragen sei.

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Das Grundstück des Klägers sei aber gemäß - des hier maßgebenden - § 6c Abs. 2 KAG LSA in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung - KAG LSA a. F. - hinsichtlich eines jeden Miteigentumsanteils an dem übergroßen Wohngrundstück nur begrenzt zu veranlagen oder heranzuziehen. Die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene und für den Kläger nachteilige Regelung des § 6c Abs. 2 KAG LSA in der Fassung des Art. 2 des Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 2008 (GVBl. LSA S. 452) - KAG LSA n. F. - sei nicht anwendbar. Dies folge zum einen daraus, dass der Beklagte mehr als ein Jahr nach der Widerspruchsbegründung des Klägers untätig geblieben sei, um eine Änderung der Rechtslage zu seinen Gunsten abzuwarten, so dass es ihm wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf § 6c Abs. 2 KAG LSA n. F. zu berufen (unzulässige Rechtsausübung). Zum anderen sei § 6c Abs. 2 KAG LSA n. F. nicht anwendbar, weil sich das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht richte. Aus der Stellung der Vorschrift im Gesetz, ihrem Wortlaut und aus § 6c Abs. 4 KAG LSA ergebe sich, dass es sich bei § 6c Abs. 2 KAG LSA nicht um eine (echte) Billigkeitsvorschrift im Sinne von § 13a Abs. 1 KAG LSA handele, sondern um eine solche, mit der jedenfalls die Berechtigung eines Beitragsgläubigers zur Erhebung eines Beitrags für ein übergroßes Wohngrundstück in Bezug auf den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht gesetzlich begrenzt werde. Die danach verbleibenden Ansprüche des Beklagten seien auch nicht durch Verjährung erloschen, weil die erste wirksame Satzung zuletzt am 25. Januar 2002 in den Amtsblättern der ehemaligen Landkreise Bördekreis, A-Stadt und Q-Stadt veröffentlicht worden sei.

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Der Beklagte macht zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung geltend, zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2009 abgestellt; insbesondere sei er nicht mit Blick auf eine zu erwartende Änderung der Rechtslage zu seinen Gunsten untätig geblieben; denn eine solche Rechtsänderung sei 2007/2008 weder absehbar gewesen noch habe er darauf Einfluss nehmen können. Keineswegs könne ihm ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorgeworfen werden.

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Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts handele es sich bei § 6c Abs. 2 KAG LSA um eine reine Billigkeitsregelung; insbesondere schließe weder die systematische Stellung der Norm noch § 6c Abs. 4 KAG LSA diese Auslegung aus. Maßgeblich sei insoweit der Wortlaut, der darauf abstelle, dass übergroße Grundstücke nur begrenzt zu veranlagen oder heranzuziehen seien. Vor diesem Hintergrund sei zweifelsfrei, dass der Gesetzgeber mit der Formulierung bestimmt habe, die Begrenzung und die durch sie angestrebte Begünstigung der übergroßen Grundstücke erst in der Heranziehungsphase zu berücksichtigen. Die sachlichen Beitragspflichten entstünden demgegenüber in der der Heranziehungsphase vorgelagerten Aufwandsverteilung mit Blick auf die gesamte in diese Verteilung eingestellte Grundstücksfläche. Die Beitragsreduzierung im Rahmen der Heranziehungsphase führe dann konsequenterweise zu einem Beitragsausfall zu Lasten der Abgabengläubigers und bewirke damit im Ergebnis einen teilweisen Beitragserlass.

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Schließlich sei für den Bescheid 687/1 (Grundbuchblatt 3200) zu Unrecht ein Beitrag von 105,21 Euro (786,25 m² x 241,72/10.000 Miteigentumsanteile x 1,6 x 3,64 Euro/m²) errechnet worden; vielmehr ergebe sich nach den Vorgaben der Vorinstanz ein Beitrag von 110,67 Euro.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 9. Kammer - vom 2. September 2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er führt im Wesentlichen aus, die Vorinstanz habe in nicht zu beanstandender Art und Weise festgestellt, dass die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Fassung des § 6c Abs. 2 KAG LSA nicht anwendbar sei. Vielmehr sei § 6c Abs. 2 KAG LSA a. F. zur Anwendung zu bringen. Auch sei der Widerspruchsbescheid aufgrund des Verhaltens des Beklagten als nichtig im Sinne des § 44 VwVfG anzusehen. Jedenfalls sei der Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2009 aber deswegen unwirksam, weil der Beklagte sich mit seinem Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2006, der seinen Widerspruch gegen „die Beitragsbescheide BK 0100000685 bis 694 vom 22.12.2006“ zurückweise, auf gegenstandslose Bescheide beziehe.

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Durch Urteil vom 16. Februar 2010 (Az: LVG 10/09) hat das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA in der Fassung von Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 2008 (GVBl. LSA S. 452) mit Art. 7 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt für unvereinbar und nichtig erklärt. Der Beklagte trägt hierzu ergänzend vor, das Landesverfassungsgericht habe nicht nur die Änderung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA durch Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008, sondern die gesamte Regelung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA in der Fassung von Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 2008 (GVBl. LSA S. 452) als mit Artikel 7 Abs. 1 Verf LSA unvereinbar und nichtig erklärt. Insoweit sei auch eine Interpretation dergestalt, dass § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA a. F. „wieder aufgelebt“ sei, rechtsdogmatisch nicht begründbar.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist begründet, soweit der Beklagte eine fehlerhafte Berechnung der Beitragshöhe für den Miteigentumsanteil des Klägers für den Bescheid (Nummer BK0100000687/1) beanstandet; denn für das Grundstück ist die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 5 Nr. 4 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung des Abwasserzweckverbandes im Gebiet des Beklagten in der Fassung vom 12. Dezember 2001 - AS - bestimmte durchschnittliche Wohngrundstücksfläche für die Einrichtung „W.“ von 786,25 m² zugrunde zu legen. Diese ist mit dem Miteigentumsanteil des Klägers von 241,72/10000, einem Geschossfaktor von 1,6 sowie dem von dem Beklagten ermittelten Beitragssatz von 3,64 Euro/m² zu multiplizieren, so dass sich ein Beitrag von 110,67 Euro statt 105,21 Euro ergibt.

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Im Übrigen ist die Berufung unbegründet

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Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage des Klägers zu Recht teilweise stattgegeben; denn die Bescheide des Beklagten vom 22. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit in dem Bescheid mit der Nummer BK0100000685/1 ein Beitrag von mehr als 117,50 Euro, in dem Bescheid mit der Nummer BK0100000686/1 ein Beitrag von mehr als 108,07 Euro, in dem Bescheid mit der Nummer BK0100000688/1 ein Beitrag von mehr als 118,26 Euro, in dem Bescheid mit der Nummer BK0100000689/1 ein Beitrag von mehr als 132,07 Euro, in dem Bescheid mit der Nummer BK0100000690/1 ein Beitrag von mehr als 86,13 Euro, in dem Bescheid mit der Nummer BK0100000691/1 ein Beitrag von mehr als 134,12 Euro, in dem Bescheid mit der Nummer BK0100000692/1 ein Beitrag von mehr als 87,42 Euro, in dem Bescheid mit der Nummer BK0100000693/1 ein Beitrag von mehr als 131,38 Euro und in dem Bescheid mit der Nummer BK0100000694/1 ein Beitrag von mehr als 123,39 Euro erhoben worden ist.

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I. Die angefochtenen Bescheide sind nicht deswegen rechtswidrig oder gar nichtig im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i. V. m. § 44 VwVfG, weil der Beklagte sich mit seinem Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2009 auf gegenstandslose Bescheide (vom 19. Dezember 2006) bezieht. Vielmehr weist der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid sämtliche Widersprüche des Klägers zurück, die von der den Kläger zum damaligen Zeitpunkt vertretenden Anwaltskanzlei (...) gegen die Bescheide des Beklagten erhoben worden sind, also auch die Widersprüche gegen die Beitragsbescheide vom 22. Dezember 2006. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Tenor des Widerspruchsbescheides („Die Widersprüche werden zurückgewiesen“), sondern auch aus dessen Begründung, in der es wörtlich heißt: „Mit Bescheiden zunächst vom 19.12.2006, um den Miteigentumsanteil ergänzt dann jeweils mit Bescheiden vom 22.12.2006,...“ sowie aus der nachfolgenden Feststellung „Gegen die Bescheide...erhob Rechtsanwalt M....jeweils Widerspruch..“.

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II. Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA in Verbindung mit § 2 Abs. 1 AS. Danach erhebt der Beklagte u. a. für die Herstellung der zentralen öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage zur Abgeltung der durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme gebotenen besonderen wirtschaftlichen Vorteile Schmutzwasserherstellungsbeiträge, die gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AS für die Einrichtung „W.“ 3,64 Euro je m² beitragspflichtige Fläche betragen. Auf der Grundlage dieser Satzung, gegen die formelle und materielle Bedenken weder vorgetragen worden noch für den Senat auf der Grundlage des Vorbringens der Beteiligten ersichtlich sind, sind unstreitig sachliche Beitragspflichten entstanden.

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Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch angenommen, dass das streitgegenständliche Grundstück gemäß § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA a. F. hinsichtlich eines jeden Miteigentumsanteils des Klägers an dem übergroßen Grundstück nur begrenzt zu veranlagen oder heranzuziehen ist, so dass anstelle der in der Berechnung berücksichtigten Verteilungsfläche von insgesamt 11.271 m² gemäß § 11 Abs. 1 Satz 5 Nr. 4 AS nur eine Fläche von insgesamt 786,25 m² für die Einrichtung W. zugrunde zu legen ist.

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1. Dies gilt schon deshalb, weil der zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA in der Fassung von Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 2008 (GVBl. LSA S. 452) durch Urteil des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Februar 2010 (Az: LVG 10/09) für mit Art. 7 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - Verf LSA - unvereinbar und nichtig erklärt worden ist (§ 50 LVerfGG i. V. m. § 41 Satz 1, 30 Abs. 2 LVerfGG).

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Diese Entscheidung des Landesverfassungsgerichts bindet gemäß § 30 Abs. 1 LVerfGG die Verfassungsorgane und alle Gerichte und Behörden des Landes. Zudem hat die Entscheidung nach § 2 Nr. 7 LVerfGG gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 LVerfGG Gesetzeskraft, mit der Folge, dass § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA in der ab dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung keine Anwendung mehr finden darf. Allerdings bleiben gemäß § 183 Satz 1 VwGO, der § 79 Abs. 2 BVerfGG nachgebildet ist, die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die auf der für nichtig erklärten Norm beruhen, von Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts, die - wie hier - die Nichtigkeit von Landesrecht festgestellt oder Vorschriften des Landesrechts für nichtig erklärt haben, unberührt, d. h. die verfassungsgerichtliche Entscheidung hat keine rechtlichen Auswirkungen mehr auf rechtskräftige Urteile, Beschlüsse oder Gerichtsbescheide der Verwaltungsgerichte. Darüber hinaus ist § 183 Satz 1 VwGO auch auf unanfechtbare Verwaltungsakte anzuwenden, weil hier die Grundsätze der Rechtssicherheit einerseits und des Vollstreckungsschutzes andererseits in gleicher Weise Geltung verdienen (BT-Drucks 7/4324 S 12; Kopp/Schenke, VwGO, § 183 Rdnr. 5).

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1.1. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, das Landesverfassungsgericht habe nicht nur die Änderung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA durch Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008, sondern die gesamte Regelung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA in der Fassung von Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 2008 (GVBl. LSA S. 452) als mit Artikel 7 Abs. 1 Verf LSA unvereinbar und nichtig erklärt.

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Die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts erstreckt sich nach Auffassung des Senats vielmehr ausschließlich auf die durch Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 bewirkte Neufassung bzw. Modifizierung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA ab dem 1. Januar 2009 und erklärt nicht zugleich auch § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung für mit der Landesverfassung unvereinbar und nichtig. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Tenor des verfassungsgerichtlichen Urteils, sondern insbesondere aus den Entscheidungsgründen, in denen es wörtlich heißt:

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„Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den durch Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung kommunaler Vorschriften vom 17.12.2008 sowie den durch dieses Gesetz modifizierten § 6c Abs. 2 S. 1 KAG LSA...“ (UA S. 6)

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„Die Beschwerdeführerin wird durch die Neureglung auch unmittelbar und gegenwärtig in eigenen Rechten, insbesondere dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 7 Abs. 1 LVerf, verletzt...“ (UA S. 6)

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„Im vorliegenden Fall ist nach diesen Grundsätzen entgegen der Ansicht der Landesregierung der Regelungsbereich des Art. 7 Abs. 1 GG durch die angegriffene Norm unmittelbar und gegenwärtig betroffen. Durch § 6c Abs. 2 S. 1 KAG LSA wird unmittelbar und für die ausführenden Behörden zwingend den Eigentümern von übergroßen Grundstückenmit mehr als fünf Wohneinheiten die Gewährung der in der Norm verankerten Vergünstigung entzogen...“ (UA S. 7)

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„Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet, da es an einer ausreichenden sachlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Eigentümer von übergroßen Grundstücken mit mehr als fünf Wohneinheiten im Vergleich zu den Eigentümern von übergroßen Grundstücken mit bis zu fünf Wohneinheiten fehlt...“ (UA S. 7)

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Der Kläger weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Beschwerdeführerin vor dem Landesverfassungsgericht zwei unterschiedliche Anträge gestellt hat, die sich zum einen auf Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 (Antrag zu 1.) und zum anderen auf „§ 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA in der Fassung vom 13.12.1996, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17.12.2008“ (Antrag zu 2.) beziehen. Indes hat das Landesverfassungsgericht weder ausdrücklich den Antrag zu 1. noch den Antrag zu 2. beschieden, sondern ausweislich der Entscheidungsgründe das Begehren der Beschwerdeführerin, wie es sich aus den von ihr gestellten Anträgen zu 1. und 2. ergibt, zusammengefasst und ihrem Interesse entsprechend, ausschließlich die für sie nachteilige Modifizierung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA rückgängig zu machen, ausgelegt und diesem Begehren durch die Nichtigerklärung des „§ 6c Abs. 2 S. 1 KAG LSA in der Fassung von Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 17.12.2008“ stattgegeben.

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1.2. Diese Nichtigerklärung führt dazu, dass in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen die bis zum 31. Dezember 2008 geltende Fassung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA wieder anzuwenden ist (vgl. dazu auch Erlass des Ministeriums des Innern vom 25. Februar 2010 - Az: 33.3-10500/LVG 10/09 -); insbesondere hat § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA seine rechtliche Wirkung nicht auf der Grundlage des gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtssatzes, dass die spätere Norm die frühere verdrängt (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.08.1990 - BVerwG 4 C 3.90 -, zit. nach juris) verloren. Insoweit hätte es nach Auffassung des Senats eines gerade hierauf zielenden Willens des Landesgesetzgebers bedurft, der vorliegend indes nicht erkennbar ist; insbesondere ist § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA a. F. durch das Änderungsgesetz vom 17. Dezember 2008 nicht ausdrücklich außer Kraft gesetzt worden. Eine solche - hier nicht bestimmte ausdrückliche - Aufhebungsregelung hätte den Willen des Gesetzgebers indiziert, dass er auf die vorgehende Gesetzesfassung wegen der ihr anhaftenden Fehler bzw. der Ungewissheit ihrer Gültigkeit auch in dem Fall, dass sich seine Neuregelung als ungültig erweisen sollte, nicht zurückgreifen will (vgl. zum Satzungsrecht: OVG Brandenburg, Urt. v. 29.08.2001 - 2 D 70/00.NE -, zit. nach juris; ferner zur Ersetzung von Bebauungsplänen: BVerwG, Urt. v. 10.08.1990 - BVerwG 4 C 3.90 -, BVerwGE 85, 289). Im konkreten Fall hat § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA a. F. seinen Geltungsanspruch kraft schlichter Ersetzung erst mit der ab 1. Januar 2009 geltende Neuregelung verloren mit der Folge, dass ein Wiederaufleben der „alten“ Rechtslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. hierzu VGH Bayern, Urt. v. 07.08.2006 - 1 N 03.3427 -, zit. nach juris; ferner BVerwG, Urt. v. 10.08.1990 - BVerwG 4 C 3.90 -, BVerwGE 85, 289).

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Der Gesetzgeber hat mit seinem Änderungsgesetz auch nicht sinngemäß § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA a. F. aufgehoben, was sich insbesondere aus dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ergibt (vgl. dazu im Einzelnen: Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16.02.2010, a. a. O.).

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Die Gesetzesänderung beruht auf einer Initiative der Landesregierung, die folgende Neufassung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA in das Gesetzgebungsverfahren einbrachte:

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„(2) In der Beitragssatzung kann außerdem bestimmt werden, dass übergroße Grundstücke, die nach der tatsächlichen Nutzung vorwiegend Wohnzwecken dienen oder dienen werden, nur begrenzt zu veranlagen oder heranzuziehen sind.“

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Zur Begründung dieser ursprünglich vorgesehenen Neufassung wurde in dem Gesetzentwurf u. a. ausgeführt:

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„Die Auslegung der Vorschrift durch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat allerdings zu von dem Gesetzgeber in diesem Umfang nicht beabsichtigten Beitragsausfällen geführt, da die Rechtsprechung z.B. entschieden hat, dass der durch die Begrenzung bewirkte Beitragsausfall nicht durch Umverteilung innerhalb der Gruppe der Beitragspflichtigen ausgeglichen werden kann, sondern stets zulasten der Beitragsgläubiger zu gehen hat ...Vor diesem Hintergrund soll den Satzungsgebern ... weiterhin die Möglichkeit eröffnet bleiben, übergroße Grundstücke ... begrenzt zu veranlagen. ... Ob sie hiervon Gebrauch machen, kann von ihnen in Zukunft in eigenem Ermessen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten entschieden werden.“

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Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Änderungsvorschlag in den befassten Ausschüssen kontrovers diskutiert. Unter anderem wurden einerseits die Unterdeckung bei zu weitgehenden Ausnahmen und andererseits die Rechtsunsicherheit beklagt, wenn die Privilegierung durch (neue) Satzungen geregelt werde. Schließlich legten die Fraktionen der CDU und der SPD am 25. September 2008 zur 42. Sitzung des Ausschusses für Inneres folgenden Änderungsvorschlag vor:

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„(2) Übergroße Grundstücke mit nicht mehr als fünf Wohneinheiten , die nach der tatsächlichen Nutzung vorwiegend Wohnzwecken dienen oder dienen werden, sind nur begrenzt zu veranlagen oder heranzuziehen.“

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Diese Änderung wurde wie folgt begründet:

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„In § 6c Abs. 2 Satz 2 soll der in der Anhörung geäußerten Kritik Rechnung getragen werden, indem die Privilegierung der übergroßen Grundstücke weniger eingeschränkt wird als vorgesehen. Die Privilegierung soll bestehen bleiben, soweit auf dem Grundstück nicht mehr als fünf Wohneinheiten vorhanden sind. Damit wird das Wohnen mehrerer Generationen einer Familie auf demselben Grundstück gefördert, wobei zusätzlich eine Einliegerwohnung und eine Wohnung für unvorhergesehene Lebensentwicklungen berücksichtigt werden. Bei mehr als fünf Wohnungen ist von einer kommerziellen Nutzung auszugehen. ...“

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Der Gesetzgeber verfolgte mit der von ihm vorgesehenen Gesetzesänderung mithin nicht die Absicht, die Privilegierung der übergroßen Grundstücke grundsätzlich neu zu regeln, sondern lediglich den Umfang der seiner Auffassung nach nicht beabsichtigten Beitragsausfälle zu begrenzen bzw. zu modifizieren (so auch Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, a. a. O., UA S. 6). Zu keiner Zeit hat er im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Ausdruck gebracht, an der bereits durch das KAG-Änderungsgesetz vom 13. Dezember 1996 (GVBl. LSA S. 405) eingeführten Privilegierung übergroßer „Wohngrundstücke“ nicht mehr festhalten zu wollen. Die damit verbundene Herauslösung der vom Landesgesetzgeber geplanten Begrenzung auf Grundstücke „mit nicht mehr als fünf Wohneinheiten“ widerspricht auch nicht den allgemeinen Grundsätzen über die teilweise Nichtigkeit von Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften bzw. dem in § 139 BGB formulierten allgemeinen Rechtsgedanken, wonach die Entscheidung, ob ein Rechtsmangel zur Gesamtnichtigkeit eines Gesetzes oder nur zur Nichtigkeit einzelner Vorschriften führt, davon abhängt, ob - erstens - die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-)Regelung des Lebenssachverhalts belässt und ob - zweitens - hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.08.2008 - BVerwG 9 B 40.08 -, zit. nach juris; OVG LSA, Urt. v. 29.07.2009 - 4 L 345/08 -). Dies ist hier der Fall; denn § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA in seiner bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung ist als Norm zur Privilegierung der Wohnbebauung auch weiterhin sinnvoll, und es ist nach den obigen Ausführungen davon auszugehen, dass es dem hypothetischen Willen des Normgebers entspricht, zusammen mit der Erkenntnis der Nichtigkeit des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA n. F. die ursprüngliche Gesetzesfassung „wieder aufleben" zu lassen.

51

Schließlich sind auch die vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 04.12.2002 - 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00 -, zit. nach juris, m. w. N.), dass die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Norm mit der Verfassung die Verpflichtung des Gesetzgebers begründet, rückwirkend die Rechtslage verfassungsgemäß umzugestalten, auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar; denn das Landesverfassungsgericht hat § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA n. F. nicht nur für unvereinbar mit der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt erklärt und dem Landesgesetzgeber aufgegeben, in einem bestimmten Zeitraum die Rechtslage anzupassen, sondern die Neufassung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA für nichtig erklärt. Damit hat auch das Landesverfassungsgericht - wie oben erläutert - den Weg für ein Wiederaufleben der alten Rechtslage nicht versperrt.

52

2. Der Senat sieht sich darüber hinaus dazu veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen:

53

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass § 6c Abs. 2 KAG LSA eine reine Billigkeitsvorschrift ist, bei deren Anwendung nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, sondern - wie im Übrigen bei allen abgabenrechtlichen Billigkeitsmaßnahmen auch - auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist (vgl. OVG LSA, Urt. v. 29.07.2009 - 4 L 345/08 -; Beschl. v. 21.07.2008 - 4 M 255/07 -; Beschl. v. 23.11.2007 - 4 L 273/07 -; Urt. v. 23.03.2006 - 4 L 281/05 -; Urt. v. 06.12.2001 - 1 L 321/01 -, alle zit. nach juris; Klausing, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 1068h). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz stehen weder die Stellung der Norm noch deren Wortlaut dieser Auslegung entgegen. § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA, wonach ”übergroße Grundstücke, die nach der tatsächlichen Nutzung vorwiegend Wohnzwecken dienen, nur begrenzt zu veranlagen oder heranzuziehen sind”, soll nach dem unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes gerade nicht bei der Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes, sondern nur bei der Veranlagung oder Heranziehung der einzelnen Grundstückeberücksichtigt werden, d. h. die sachlichen Beitragspflichten für die übergroßen Grundstücke entstehen entsprechend der vorgenommenen Aufwandsverteilung mit Blick auf die gesamte in diese Verteilung eingestellte Grundstücksfläche, doch dürfen diese Grundstücke nur in Höhe des Beitrages herangezogen werden, der auf die nach Maßgabe des § 6c Abs. 2 KAG LSA verminderten Verteilungsfläche entfällt. Folglich hat die Anwendung des § 6c Abs. 2 KAG LSA keinen Einfluss auf das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, sondern setzt diese voraus (so schon OVG LSA, Urt. v. 06.12.2001 - 1 L 321/01 -, zit. nach juris). Da die Grundstücksbegrenzung bei der Heranziehung der Grundstücke durch § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA zu einem Beitragsausfall zu Lasten der Gemeinde führt, stellt die Anwendung der Norm einen teilweisen gesetzlichen Beitragserlass dar (OVG LSA, Beschl. v. 03.05.2000 - B 2 S 481/99 -, Klausing, in: Driehaus, a. a. O., § 8 Rdnr. 1068h). Jedes andere Auslegungsergebnis würde gegen Art. 3 GG bzw. Art. 7 Verf LSA verstoßen; denn für eine Schlechterstellung der kleinen Wohngrundstücke zu Gunsten der übergroßen Wohngrundstücke - dies hätte eine Grundstücksbegrenzung der übergroßen Wohngrundstücke schon bei der Aufwandsverteilung zwingend zur Folge - lässt sich ein sachlicher Grund schlechterdings nicht vorstellen.

54

Schließlich ist nicht erkennbar, inwieweit § 6c Abs. 4 KAG LSA, wonach ein zusätzlicher Beitrag entsteht, wenn sich die für die Beitragsbemessung maßgebenden Umstände nachträglich ändern und sich dadurch der Vorteil erhöht, einer Auslegung des § 6c Abs. 2 KAG LSA als Billigkeitsvorschrift entgegen stehen könnte. Da die Abgabenordnung für den Fall einer nachträglichen Bevorteilung des Beitragspflichtigen ein Wiederaufleben des durch Erlass erloschenen Anspruchs nicht vorsieht (vgl. Pahlke/Koenig, AO, § 227 Rdnr. 55), bedurfte es sogar eines gesetzlichen Nacherhebungstatbestandes, um später hinzukommende Vorteile für den Beitragspflichtigen, die eine Anwendung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG LSA mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG als ungerechtfertigt erscheinen lassen, abschöpfen zu können.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

56

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

57

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erkl

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Hat das Verfassungsgericht eines Landes die Nichtigkeit von Landesrecht festgestellt oder Vorschriften des Landesrechts für nichtig erklärt, so bleiben vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung durch das Land die nicht mehr anfechtbaren En

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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 22. Juni 2010 - 4 L 219/09 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 13. Dez. 2012 - 9 A 251/11

bei uns veröffentlicht am 13.12.2012

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten um den (teilweisen) Erlass von Anschlussbeiträgen. 2 Die Gemeinschuldnerin ist seit dem 23.06.2009 Eigentümerin von im Grundbuch von C-Stadt unter der laufenden Nummer 3 eingetragenen Grundstücken in C-Stadt

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(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt;
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt;
3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein;
4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann;
5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht;
6.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt;
2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat;
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war;
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden

1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.

(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt;
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt;
3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein;
4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann;
5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht;
6.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt;
2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat;
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war;
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

Hat das Verfassungsgericht eines Landes die Nichtigkeit von Landesrecht festgestellt oder Vorschriften des Landesrechts für nichtig erklärt, so bleiben vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung durch das Land die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die auf der für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig. § 767 der Zivilprozeßordnung gilt entsprechend.

(1) Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig.

(2) Im übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig. Soweit die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung durchzuführen ist, gilt die Vorschrift des § 767 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind ausgeschlossen.

Hat das Verfassungsgericht eines Landes die Nichtigkeit von Landesrecht festgestellt oder Vorschriften des Landesrechts für nichtig erklärt, so bleiben vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung durch das Land die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die auf der für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig. § 767 der Zivilprozeßordnung gilt entsprechend.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.