Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 10. Juli 2013 - 4 L 154/13

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2013:0710.4L154.13.0A
bei uns veröffentlicht am10.07.2013

Gründe

1

Der Antrag des Klägers hat keinen Erfolg.

2

1. Die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht.

3

Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist immer schon dann erfüllt, wenn im Zulassungsverfahren ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Schlüssige Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn mit dem Zulassungsantrag substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (so BVerfG, Beschl. v. 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 -, zit. nach JURIS).

4

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

5

Wie es das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist ein Grundgebührenmaßstab, der die Nenngröße des Wasserzählers, d.h. dessen Nennbelastung, für die Gebührenbemessung zugrunde legt (Zählermaßstab), ein von der ganz überwiegenden Rechtsprechung auch bei der zentralen Abwasserentsorgung anerkannter Maßstab (vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 644, 755b, 888 jeweils m.w.N.; Rosenzweig/Freese, NdsKAG, § 5 Rdnr. 242), der nicht gegen die Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt verstößt. Soweit sich der Kläger demgegenüber auf ein Urteil des beschließenden Senats vom 8. September 2011 (- 4 L 247/10 -, zit. nach JURIS) beruft, steht diese Entscheidung, die sich zudem auf einen Maßstab nach „Wohneinheiten“ und „Gewerbeeinheiten“ bezog, dem nicht entgegen.

6

Ob ein solcher Zählermaßstab überhaupt wegen unzureichender Binnendifferenzierung unzulässig sein kann, weil an einen Wasserzähler mit der Nennleistung von 2,5 m3/h nicht nur Einfamilienhäuser, sondern auch Wohngebäude mit bis zu 30 Wohneinheiten angeschlossen werden (können), muss nicht abschließend entschieden werden. Bei der Grundgebühr geht es um Art und Umfang der aus der Lieferbereitschaft folgenden abrufbaren Arbeitsleistung und nicht um die tatsächliche Inanspruchnahme. Zudem steht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts den Gerichten auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung im Abgabenrecht nicht die Entscheidung darüber zu, ob die gerechteste, vernünftigste oder zweckmäßigste Lösung gewählt worden ist, sondern sie sind darauf beschränkt zu prüfen, ob einleuchtende Gründe für eine vorhandene oder fehlende Differenzierung gegeben sind oder ob die getroffene Regelung willkürlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 10. Dezember 2009 - 3 C 29.08 -; Beschl. v. 28. März 1995 - 8 N 3.93 -, jeweils zit. nach JURIS m.w.N.). Diese Erwägungen könnten dafür sprechen, dass eine Orientierung an der Nenngröße des Wasserzählers - auch im Sinne der Verwaltungspraktikabilität (vgl. dazu Driehaus, a.a.O., § 6 Rdnr. 367) - schon eine ausreichende Differenzierung bildet.

7

Jedenfalls aber hat das Verwaltungsgericht angesichts der für einen Grundgebührenmaßstab bestehenden Vorgaben zu Recht darauf abgestellt, dass eine Verfeinerung des Zählermaßstabes nur geboten sein kann, wenn einzelne Gebührenschuldner im Verhältnis zu anderen übermäßig hoch belastet werden oder der Anteil des Aufkommens aus der Grundgebühr an den Fix- bzw. Gesamtkosten zu hoch ist. Denn die Anwendung des Zählermaßstabs darf nicht dazu führen, dass die Gebühr in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der damit abgegoltenen Leistung steht oder einzelne Gebührenschuldner im Verhältnis zu anderen übermäßig hoch belastet werden. Die landesgesetzliche Ausprägung des Äquivalenzprinzips (§ 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG LSA) gilt auch für die Erhebung der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 8. September 2011, a.a.O.). Dass diese Voraussetzungen angesichts einer Grundgebühr von 200,- € im Jahr gegeben sind, legt der Kläger aber nicht substanziiert dar. Weder der Umstand, dass „je nach den finanziellen Verhältnissen des Gebührenschuldners“ ein solcher Betrag „durchaus eine finanzielle Belastung“ darstellt, noch die Gesamtgebührensteigerung für den Kläger trotz verminderten Verbrauchs erwecken im Sinne der dargestellten Maßgaben durchgreifende Zweifel an dem gewählten Gebührenmaßstab. Auch der Verweis auf die entgegenstehende Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg vom 1. Dezember 2005 (- 9 A 3/05 -, zit. nach JURIS) ist nicht ausreichend, da dieses Gericht seine Rechtsprechung in dem vom Verwaltungsgericht für seine Auffassung zitierten Urteil vom 6. Juni 2007 (- OVG 9 A 77.05 -, zit. nach JURIS) gerade weiterentwickelt hat.

8

2. Eine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zeigt der Kläger nicht auf.

9

Eine solche Bedeutung ist nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich und im Sinne der Rechtseinheit klärungsbedürftig ist (so BVerfG, Beschl. v. 1. Februar 2008 - 2 BvR 2575/07 -, zit. nach JURIS). Der Rechtsmittelführer muss eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 -, zit. nach JURIS m.w.N.).

10

Der Kläger formuliert aber schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage. Auch seinen Ausführungen, die grundsätzliche Bedeutung der Sache ergebe sich daraus, dass „der Zählermaßstab obergerichtlich anerkannt“ gewesen sei und dies „auf Grund der vom Verwaltungsgericht erkannten, aber nicht hinreichend berücksichtigten, technischen Entwicklung … jedoch nicht mehr gelten“ könne, lässt sich eine derartige Frage nicht hinreichend entnehmen.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

12

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.