Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 11. Nov. 2014 - 14 A 759/13
Tenor
Das angegriffene Urteil wird bis auf die Verfahrenseinstellung geändert.
Die Haftungsbescheide der Beklagten vom 2. März 2011 werden aufgehoben, soweit die Kläger hierdurch als Haftungsschuldner für die auf das Jahr 2008 bezogene Gewerbesteuervorauszahlung der vormaligen T. GmbH in Höhe von 79.868,80 Euro in Anspruch genommen werden.
Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen bis zur (Teil-)Rücknahme der Klage mit Schriftsatz vom 24. Januar 2013 die Kläger zu drei Fünfteln, die Beklagte zu zwei Fünfteln; für die Zeit danach trägt die Beklagte die erstinstanzlichen Kosten. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Kläger waren bis zu ihrer Abberufung am 15. Januar 2009 jeweils alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der nach Insolvenzanmeldung im Juni 2009 und Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Juli 2010 im Handelsregister gelöschten Firma T. GmbH, C. , vormals vor Veräußerung, Umfirmierung und Sitzverlegung handelnd unter der Firma V. GmbH mit Sitz in N. . Ab dem 15. Januar 2009 waren Herr W. , Dubai, Geschäftsführer, in der Zeit vom 18. März 2009 bis zum 22. Juni 2009 auch Herr Dr. C1. .
3Das Finanzamt N. setzte mit Bescheiden vom 26. April 2006 (für das Steuerjahr 2003), vom 9. November 2007 (für das Steuerjahr 2004) und vom 25. März 2008 (für das Steuerjahr 2005) die für die V. GmbH geltenden Gewerbesteuermessbeträge im Wege der Schätzung fest, nachdem trotz entsprechender Aufforderungen keine Steuererklärungen abgegeben worden waren. Zudem setzte das Finanzamt unter dem 27. September 2006 den Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungszwecke ab 2005 auf 3.555 Euro und unter dem 9. November 2007 ab 2007 auf 1.990,00 Euro fest. Die Beklagte setzte daraufhin mit Steuerbescheid vom 27. September 2006 u. a. die für das Jahr 2006 und nachfolgend zu entrichtenden Gewerbesteuervorauszahlungen auf der Basis eines Messbetrages von 3.555 Euro fest. Mit Bescheid vom 22. November 2007 senkte Beklagte die Vorauszahlungen ab 2007 auf der Basis eines Messbetrags von 1.990,00 Euro.
4Unter dem 27. August 2008 setzte das Finanzamt den Gewerbesteuermessbetrag für 2006 auf 16.955 Euro fest. Die Beklagte setzte darauf datumsgleich die Gewerbesteuer 2006 und das Vorauszahlungssoll ab 2008 fest, und zwar letzteres unverändert auf der Basis eines Messbetrags von 1.990,00 Euro.
5Mit Vorweganforderung an die steuerlich beratene V. GmbH vom 9. Mai 2008 forderte das Finanzamt N. diese auf, die Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2007 bis zum 29. August 2008 abzugeben, weil in der Vergangenheit Steuererklärungen nicht oder erheblich verspätet abgegeben worden waren. Die Steuerberater beantragten daraufhin unter dem 23. Dezember 2008 - mithin nach Fristablauf - ausnahmsweise mit Blick auf steuerliche Neuregelungen, Mandantenzuwächse und neu einzuarbeitende Mitarbeiter Fristverlängerung bis zum 30. Januar 2009. Das Finanzamt lehnte den Verlängerungsantrag mit Schreiben vom 6. Januar 2009 ab. Falls die Steuererklärung bis spätestens 3. Februar 2009 vorliege, werde ausnahmsweise von der Festsetzung von Verspätungszuschlägen abgesehen. Auch bis zu diesem Zeitpunkt wurde keine Steuererklärung abgegeben.
6Nachdem die Gewerbesteuererklärung für das Steuerjahr 2007 letztlich am 22. Juni 2009 abgegeben worden war, setzte das Finanzamt N. den Gewerbesteuermessbetrag der (nunmehr) T. GmbH ‑ als Inhaber des Handelsgewerbes mit einem oder mehreren still beteiligten Gesellschaftern - für das Steuerjahr 2007 mit Bescheid vom 2. September 2009 auf 26.840,00 Euro fest. Zugleich erfolgte die Bestimmung eines Verspätungszuschlags. Die Beklagte veranlagte daraufhin mit Steuerbescheid gleichen Datums die T. GmbH zur Gewerbesteuer 2007 in Höhe von nunmehr 118.096,00 Euro; zugleich wurden Nachzahlungszinsen für 2007 in Höhe von 2.732,00 Euro und ein Verspätungszuschlag von 500,00 Euro festgesetzt. Schließlich bestimmte die Beklagte auf der Grundlage des für 2007 festgesetzten Messbetrages (26.840,00 Euro) die für 2008 zu zahlende Vorausleistung in Höhe von 109.340,00 Euro. Der Gesamtbetrag wurde zum 7. Oktober 2009 fällig gestellt. Eine Zahlung erfolgte, zumal im Juni 2009 das vorläufige Insolvenzverfahren eingeleitet worden war, auch in der Folgezeit nicht.
7Im März 2010 trat die Beklagte in die Überprüfung etwaiger Haftungsansprüche ein. Das Finanzamt wurde um Auskünfte ersucht. Die Kläger wurden unter dem 3. Mai 2010 jeweils zu einer Inanspruchnahme durch Haftung angehört. Die Kläger äußerten sich durch Schreiben ihrer Steuerberatung vom 31. Mai 2010 und führten u.a. aus, eine Kausalität zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und einem steuerlichen Schaden fehle. In der Zeit ihrer Geschäftsführung sei die Gesellschaft jederzeit in der Lage gewesen, ihre auch steuerlichen Verbindlichkeiten zu begleichen.
8Mit Haftungsbescheiden vom 2. März 2011, denen jeweils eine Zahlungsaufforderung beigefügt worden war, nahm die Beklagte die Kläger des vorliegenden Verfahrens und die weiteren früheren Geschäftsführer jeweils in Höhe von insgesamt 192.440,80 Euro, nämlich für die Gewerbesteuern 2007, die Nachforderungszinsen 2007, den Verspätungszuschlag 2007 sowie für die Gewerbesteuervorauszahlung 2008 - diese im Umfang von 79.868,80 Euro - in Anspruch.
9Die Kläger haben gegen die sie betreffenden Haftungsbescheide am 4. April 2011 Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2013 haben die Kläger die Klage, soweit sie sich gegen ihre Haftungsinanspruchnahme für Gewerbesteuern, Zinsen und den Verspätungszuschlag, jeweils bezogen auf das Steuerjahr 2007, gerichtet hat, zurückgenommen.
10Zur Begründung haben sie ausgeführt: Ihre Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für Gewerbesteuervorauszahlungen des Jahres 2008 im Umfang von 79.868,80 Euro sei rechtswidrig. Es fehle an der von der Beklagten angenommenen Kausalität zwischen der verspäteten Abgabe der Gewerbesteuererklärung 2007 und dem Schaden, den diese wegen nicht in voller Höhe beigetriebener Gewerbesteuervorauszahlungen für das Jahr 2008 sehe. Ob die Beklagte bei einer pflichtgemäßen Abgabe der Steuererklärung 2007 zeitnah entsprechende Vorauszahlungen für das Jahr 2008 festgesetzt hätte, sei lediglich hypothetisch.
11Die Kläger haben beantragt,
12die Haftungsbescheide der Beklagten vom 2. März 2011, soweit sie - die Kläger - hierdurch als Haftungsschuldner für die auf das Jahr 2008 bezogene Gewerbesteuervorauszahlung der vormaligen T. GmbH in Höhe von 79.868,80 Euro in Anspruch genommen werden, aufzuheben.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie ist der Klage entgegengetreten und hat die Haftungsbescheide, soweit diese noch angegriffen worden sind, als rechtmäßig verteidigt.
16Durch das angefochtene Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht das erstinstanzliche Verfahren insoweit eingestellt, als die Klage zurückgenommen worden war. Im Übrigen hat es die weitergehende Klage abgewiesen.
17Auf Antrag der Kläger hat der Senat mit Beschluss vom 5. Juni 2014 die Berufung zugelassen.
18Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor: Zwar sei die Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2007 nicht innerhalb der von der Finanzverwaltung gesetzten Frist eingereicht worden. Dies sei jedoch nicht kausal für den geltend gemachten Haftungsschaden in Form der erst am 2. September 2009 und damit nach Stellung des Insolvenzantrages erfolgten Festsetzung der Erhöhung der bereits mit Bescheid vom 22. November 2007 erstmalig festgesetzten und seit dem nicht mehr angepassten Gewerbesteuervorauszahlung für das Jahr 2008 geworden. Entscheidend sei die Frage, ob bei Abgabe der Gewerbesteuererklärung für den Erhebungszeitraum 2007 bis zum 29. August 2008 und die Veranlagung durch das Finanzamt die Beklagte die Gewerbesteuervorauszahlung für das Jahr 2008 ebenfalls entsprechend erhöht hätte und die T. GmbH zu diesem Zeitpunkt auch noch die erforderlichen Mittel zur Begleichung des Betrages in Höhe von 79.868,80 Euro zur Verfügung gehabt hätte. Zweifel an der Kausalität bestünden bereits in tatsächlicher Hinsicht. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil ergebe die Auswertung der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, dass diese in dem gesamten in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Besteuerungszeiträumen ab dem Jahr 2003 nicht nur datumsgleich den jeweils vom Finanzamt bestimmten Gewerbesteuermaßbetrag den jeweiligen Jahresveranlagungen zugrunde gelegt habe, sondern ebenso, dass die Beklagte die zu leistenden Vorauszahlungen im Betrag exakt der Steuer angepasst habe, die sich für den Erhebungszeitraum auf der Grundlage ergangener Messbetragsfestsetzungen voraussichtlich ergeben würden. Dies sei jedoch gerade nicht der Fall. Da im Rahmen der drei im Jahr 2008 durchgeführten Gewerbesteuerveranlagungen entgegen den Annahmen des Verwaltungsgerichts keine Anpassung der Vorauszahlung entsprechend den Festsetzungen der jeweiligen Jahressteuer vorgenommen worden sei, sei nicht ersichtlich, inwiefern ohne Zweifel davon ausgegangen werden könne, dass die Vorauszahlungen für das Jahr 2008, obwohl nach Festsetzung der Gewerbesteuer für 2005 und 2006 nicht erhöhend angepasst, dann aber bei der Festsetzung der Gewerbesteuer 2007 im Jahr 2008 erhöht worden wären.
19Die Kläger beantragen,
20das angegriffene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu entscheiden.
21Die Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen,
23und führt zur Begründung aus: Die für die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner erforderliche Kausalität zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden liege vor. Aufgrund der verspäteten Abgabe der bereits zum 29. August 2008 angeforderten Gewerbesteuererklärung 2007 erst durch den späteren Geschäftsführer Dr. C1. am 22. Juni 2009 sei ihr zeitlich eine frühere Anpassung der Vorauszahlung für 2008 nicht möglich gewesen. Das Pflichtversäumnis für die rechtzeitige Abgabe der Steuererklärung in 2008 habe allein bei den Klägern gelegen. Die Gewerbesteuererklärung sei vom Finanzamt N. vorzeitig wegen des schlechten Abgabeverhaltens der Kläger angefordert worden. Diese hätten auch in den Vorjahren trotz Aufforderung Steuererklärungen nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben. Die Festsetzung des Messbetrages sei daher auch in den Vorjahren aufgrund einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt. Den Klägern sei somit bekannt gewesen, dass auch die Anforderung der Vorauszahlungen auf die Gewerbesteuer der jeweiligen Folgejahre nur aufgrund einer Schätzung mangels Abgabe von Steuererklärungen durchgeführt habe werden können. Insoweit könnten sich die Kläger nun nicht auf einen hypothetischen Kausalverlauf und damit den Ausschluss ihrer Haftung für die aufgrund der Schätzung ermittelten Vorauszahlungen berufen. Da nach eigenem Vortrag der Kläger im Jahr 2008 noch ausreichende liquide Mittel der T. GmbH zur Verfügung gestanden hätten, hätten bei rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärung alle Gewerbesteuern für 2007 und die Vorauszahlung für 2008 gezahlt werden können.
24Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die Berufung ist zulässig und begründet.
27Die Haftungsbescheide der Beklagten vom 2. März 2011, sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
28Die Beklagte hat die Kläger als vormalige Geschäftsführer (vgl. §§ 69 Satz 1, 37 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - sowie § 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) auf der Rechtsgrundlage des § 191 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 69 Satz 1 AO hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch im Streit stehenden Gewerbesteuervorauszahlungen für das Steuerjahr 2008 im Umfang von 79.868,80 Euro in Anspruch genommen. Indes lagen die rechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Kläger im Wege der Haftung für die infolge der Insolvenz der Firma T. GmbH nicht zu realisierenden Vorauszahlungen nicht vor.
29Zwar dürfte dem Verwaltungsgericht insoweit zu folgen sein, als es sich auf den Standpunkt gestellt hat, die Kläger hätten zumindest in grob fahrlässiger Weise ihre Pflichten als Geschäftsführer dadurch verletzt, dass sie die Gewerbesteuererklärung für das Steuerjahr 2007 entgegen der vom Finanzamt N. bestimmten Frist bis zum 29. August 2008 nicht abgegeben haben. Dem haben auch die Kläger letztlich insoweit Rechnung getragen, als sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren die Klage bezüglich der Haftungsforderung der Beklagten im Hinblick auf die Gewerbesteuer für das Jahr 2007 sowie Nachzahlungszinsen und einen Verspätungszuschlag zurückgenommen haben.
30Die Kläger vermögen sich jedoch zu Recht auf eine rechtswidrige Festsetzung der Vorauszahlungen für das Steuerjahr 2008 in Höhe von 79.868,60 Euro auf der Basis eines Messbetrages von 26.840,00 Euro durch den Bescheid der Beklagten vom 2. September 2009 zu berufen.
31Grundsätzlich stehen einem Haftungsschuldner sämtliche Einwendungen des Steuerschuldners gegen den Steueranspruch zu.
32Vgl. aus der Kommentierung nur Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Band VI, Loseblattsammlung (Stand: Oktober 2014), § 191 AO, Rn. 92, m. w. N. zur Rspr.
33Derartige Einwendungen sind den Klägern im vorliegenden Verfahren auch nicht gemäß § 166 AO abgeschnitten, wonach, sofern die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt ist, dies u.a. auch der gegen sich gelten lassen muss, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Denn die Abberufung der Kläger als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer erfolgte am 15. Januar 2009, während die hier in Rede stehende Vorauszahlung erst mit Bescheid vom 2. September 2009 festgesetzt worden ist.
34Diese Vorauszahlung in Form einer Anpassung infolge einer Erhöhung des Messbetrages von ursprünglich 1.990,00 Euro auf 26.840,00 Euro ist indes rechtswidrig erfolgt. Grundlage für die Erhebung der Vorauszahlungen war zunächst der Messbescheid vom 27. September 2006 in Höhe von 3.555,00 Euro betreffend Vorauszahlungen ab 2005. Mit Messbescheid vom 9. November 2007 setzte sodann das Finanzamt N. den Messbetrag für Vorauszahlungen ab dem Jahr 2007, somit für das Jahr 2007 und die Folgejahre, auf 1.990,00 Euro fest. Der Messbescheid vom 9. November 2007 ist bestandskräftig geworden. Eine Änderung des Messbetrages für Vorauszahlungen wurde in der Folgezeit nicht vorgenommen.
35Zwar eröffnet § 19 Abs.3 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG ‑, wonach die Gemeinde die Vorauszahlungen der Steuer anpassen kann, die sich für den Erhebungszeitraum (§ 14) voraussichtlich ergeben wird, grundsätzlich die Möglichkeit, die Vorauszahlungen anzupassen. Dies gilt allerdings nicht in den Fällen, in denen, wie hier, das Finanzamt einen Messbetrag betreffend die Erhebung von Vorauszahlungen festgesetzt hat. Die Berechtigung zu einer derartigen Festsetzung seitens des Finanzamts eröffnet § 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG, wonach das Finanzamt bis zum Ende des 15. auf den Erhebungszeitraum folgenden Kalendermonats für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen den Steuermessbetrag festsetzen kann, der sich voraussichtlich ergeben wird. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG ist die Gemeinde hieran gebunden, vorliegend also an den mit Bescheid vom 9. November 2007 für Vorauszahlungszwecke ab 2007 festgesetzten Messbetrag von 1.990,00 Euro.
36Demgegenüber vermag die Beklagte nicht einzuwenden, mit der Festsetzung eines Messbetrages für die Gewerbesteuerforderung 2007 mit Messbescheid vom 2. September 2009 sei ihr für das Folgejahr die Entscheidungsbefugnis gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 GewStG eröffnet, nach ihrem Ermessen über eine Anpassung der Vorauszahlungen zu entscheiden. Die quasi "historische" Festsetzung des Messbetrages für Vorauszahlungen sei damit überholt. Eine Bindungswirkung nach § 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG bestehe nicht mehr.
37Für ein derartig beschränktes Verständnis der Regelungen des § 19 Abs. 3 Sätze 1, 3 und 4 GewStG gibt der Wortlaut der Norm nichts her. Ein solcher Schluss lässt sich auch nicht aus der Regelung des § 19 Abs. 2 GewStG herleiten, wonach die Vorauszahlung grundsätzlich ein Viertel der Steuer beträgt, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Wie bereits dem Begriff "grundsätzlich" zu entnehmen ist, begründet § 19 Abs. 2 GewStG keine zwingende Koppelung zwischen der Höhe der Grundsteuer für ein Jahr und der Höhe der Vorauszahlung für das Folgejahr. Im Übrigen regelt § 19 Abs. 2 GewStG nicht die Möglichkeit einer Anpassung der Vorauszahlung nach der Steuerforderung des Vorjahres, sondern nach der der letzten Veranlagung. Für die Annahme dass die Festsetzung des Messbetrages für Vorauszahlungen für ein Jahr durch die Festsetzung der Steuerforderung aufgrund eines geänderten Messbetrages für das Vorjahr quasi "überholt" würde, gibt die Norm nichts her. Zwar hätte die Beklagte auf eine Änderung des mit dem Messbescheid vom 9. November 2007 festgesetzten Messbetrages für die Erhebung von Vorauszahlungen hinwirken können. Diesen Weg hat die Beklagte aber nicht beschritten. Eine Änderung des Messbetrages für die Erhebung von Vorauszahlungen ab dem Jahr 2008 hat das Finanzamt N. mit seinem Bescheid vom 2. September 2009 betreffend die Festsetzung des Messbetrages für die Gewerbesteuer für das Jahr 2007 von Amts wegen nicht vorgenommen.
38Ist somit die Erhöhung der Vorauszahlungen für das Jahr 2008 mit Bescheid vom 2. September 2009 zu Unrecht erfolgt, so lässt sich darüberhinaus die für den Haftungstatbestand gemäß § 69 Satz 1 AO erforderliche Kausalität zwischen der unterbliebenen Steuererklärung seitens der Kläger und der von der Beklagten geltend gemachten unterbliebenen rechtzeitigen Anpassung der Vorauszahlung für das Jahr 2008 nicht feststellen.
39Die erforderliche Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem mit der Haftung geltend gemachten Schaden richtet sich wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 69 AO wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der Adäquanztheorie. Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, den Erfolg zu verursachen. Sofern - wie hier - ein Unterlassen in Rede steht, muss, um die Ursächlichkeit bejahen zu können, ein Hinzudenken der unterbliebenen Handlung zu dem Ergebnis führen, dass der Schaden ohne das Unterlassen nicht eingetreten wäre. Die Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts des Erfolges genügen dazu nicht.
40Vgl. BFH, Urteil vom 11.11.2008 - VII R 19/08 -, in: BFHE 223, 303 (305).
41Ob bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Erklärungspflicht die Forderung so rechtzeitig festgesetzt worden wäre, dass der Schaden nicht eingetreten wäre, kann auf konkrete Feststellungen zur Bearbeitungspraxis der Gemeinden in vergleichbaren Fällen gestützt werden. Auch kann die Überzeugung des Gerichts zu dem maßgeblichen hypothetischen Kausalverlauf auf andere Gesichtspunkte und Überlegungen gestützt werden.
42Vgl. BFH, Urteil vom 29.11.2006 ‑ I R 103/05 ‑, in: juris Rn. 16.
43Nach diesen Maßstäben kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte bei rechtzeitiger Abgabe der Steuererklärung für das Steuerjahr 2007 eine Erhöhung der angeforderten Vorauszahlungen im Umfang der geltend gemachten Haftungssumme vorgenommen hätte. Die hier in Rede stehenden Steuerfestsetzungen stellen sich im historischen Ablauf wie folgt dar: Messbescheid vom 27. September 2006 für Vorauszahlungen ab 2005 in Höhe von 3.555,00 Euro; Steuerbescheid vom 27. September 2006 u.a. für Vorauszahlungen ab 2006 auf der Basis von 3.555,00 Euro; Messbescheid vom 9. November 2007 für Gewerbesteuern 2004 und Vorauszahlungen ab 2007 in Höhe von 1.990,00 Euro; Steuerbescheid vom 22. November 2007 für Gewerbesteuern 2004 sowie Vorauszahlungen ab 2007 auf der Basis von 1.990,00 Euro; Messbescheid vom 25. März 2008 für Gewerbesteuern 2005 in Höhe von 3.575,00 Euro; Steuerbescheid vom 25. März 2008 für Gewerbesteuern 2005 auf der Basis von 3.575,00 Euro sowie Vorauszahlungen ab 2008 unverändert auf der Basis von 1.990,00 Euro; Messbescheid vom 11. Juni 2008 für Gewerbesteuern 2005 in Höhe von 7.225,00 Euro; Steuerbescheid vom 11. Juni 2008 für Gewerbesteuern 2005 auf der Basis von 7.225,00 Euro sowie Vorauszahlungen ab 2008 unverändert auf der Basis von 1.990,00 Euro; Messbescheid vom 27. August 2008 für Gewerbesteuern 2006 in Höhe von 16.955,00 Euro; Steuerbescheid vom 27. August 2008 für Gewerbesteuern 2006 auf der Basis von 16.955,00 Euro sowie Vorauszahlungen ab 2008 unverändert auf der Basis von 1.990,00 Euro; Steuerbescheid vom 26. Januar 2009 für Vorauszahlungen 2009 auf der Basis von 1.990,00 Euro; Messbescheid vom 2. September 2009 für Gewerbesteuern 2007 in Höhe von 26.840,00 Euro; Steuerbescheid vom 2. September 2009 für Gewerbesteuern 2007 auf der Basis von 26.840,00 Euro sowie für Vorauszahlungen 2008 auf der Basis von 26.840,00 Euro.
44Anhand dieses Ablaufes lässt sich feststellen, dass das Finanzamt N. im Jahre 2008 Messbescheide für die Gewerbesteuern 2005 und 2006 erlassen hat, die jeweils deutlich höher waren als der den Vorauszahlungen zugrundegelegte Messbetrag von 1.990,00 Euro. In Reaktion auf diese Messbescheide hat die Beklagte die Kläger jeweils auf der den Messbetrag von 1.990,00 Euro übersteigenden Basis zu Gewerbesteuern veranlagt, es bei den Vorauszahlungen ab 2008 aber unverändert bei der Basis von 1.990,00 Euro belassen. Gleiches gilt für die Festsetzung von Vorauszahlungen für das Jahre 2009 mit Bescheid vom 26. Januar 2009 ebenfalls auf der Basis von 1.990,00 Euro, obwohl die vorangegangene Gewerbesteuerfestsetzung für das Jahr 2006 auf der Basis von 16.955,00 Euro erfolgt war.
45Trotz höherer Messbeträge für die Gewerbesteuern hat die Beklagte an den auf dem niedrigeren Messbetrag beruhenden Vorauszahlungen festgehalten. Insbesondere trifft die Behauptung der Beklagten nicht zu, sie ändere die Vorauszahlung für das Folgejahr, wenn für das Jahr zuvor ein höherer Messbetrag festgesetzt worden sei. So wurde durch Messbescheid vom 27. August 2008 der Messbetrag für die Gewerbesteuer 2006 auf 16.955 Euro festgesetzt. Die Beklagte setzte noch unter demselben Tag die Gewerbesteuer 2006 auf dieser Messbetragsbasis fest, beließ der Vorausleistung für das Folgejahr 2007 jedoch ‑ entgegen ihrer aufgestellten Behauptung ‑ auf der Basis eines Messbetrags von 1.990 Euro, wie es durch Bescheid vom 22. November 2007 verfügt worden war. Für die weiteren Folgejahre ab 2008 wurden die Vorauszahlungen im Bescheid vom 27. August 2008 sogar ausdrücklich auf der Basis eines Messbetrags von 1.990,00 Euro bestätigt. Demgegenüber stellt sich die im vorliegenden Verfahren in Rede stehende Anpassung mit Bescheid vom 2. September 2009 als Ausnahmefall dar, der allenfalls die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer rechtzeitigen Anpassung der Vorauszahlungen vor der Insolvenzeröffnung im Jahr 2009 begründen kann, zur Annahme einer haftungsbegründenden Kausalität jedoch nicht ausreicht.
46Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10 sowie 711 der Zivilprozessordnung ‑ ZPO -.
47Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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Urteil einreichenOberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 11. Nov. 2014 - 14 A 759/13 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.
(1) Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Hat eine Gesellschaft keinen Geschäftsführer (Führungslosigkeit), wird die Gesellschaft für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden, durch die Gesellschafter vertreten.
(2) Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind sie alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt. Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, genügt die Abgabe gegenüber einem Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1. An die Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1 können unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke für die Gesellschaft zugestellt werden. Unabhängig hiervon können die Abgabe und die Zustellung auch unter der eingetragenen Anschrift der empfangsberechtigten Person nach § 10 Abs. 2 Satz 2 erfolgen.
(3) Befinden sich alle Geschäftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft und ist er zugleich deren alleiniger Geschäftsführer, so ist auf seine Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden. Rechtsgeschäfte zwischen ihm und der von ihm vertretenen Gesellschaft sind, auch wenn er nicht alleiniger Geschäftsführer ist, unverzüglich nach ihrer Vornahme in eine Niederschrift aufzunehmen.
Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.
(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.
(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.
(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.
(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.
(1)1Der Steuerschuldner hat am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November Vorauszahlungen zu entrichten.2Gewerbetreibende, deren Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht, haben die Vorauszahlungen während des Wirtschaftsjahrs zu entrichten, das im Erhebungszeitraum endet.3Satz 2 gilt nur, wenn der Gewerbebetrieb nach dem 31. Dezember 1985 gegründet worden oder infolge Wegfalls eines Befreiungsgrundes in die Steuerpflicht eingetreten ist oder das Wirtschaftsjahr nach diesem Zeitpunkt auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum umgestellt worden ist.
(2) Jede Vorauszahlung beträgt grundsätzlich ein Viertel der Steuer, die sich bei der letzten Veranlagung ergeben hat.
(3)1Die Gemeinde kann die Vorauszahlungen der Steuer anpassen, die sich für den Erhebungszeitraum (§ 14) voraussichtlich ergeben wird.2Die Anpassung kann bis zum Ende des 15. auf den Erhebungszeitraum folgenden Kalendermonats vorgenommen werden; bei einer nachträglichen Erhöhung der Vorauszahlungen ist der Erhöhungsbetrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Vorauszahlungsbescheids zu entrichten.3Das Finanzamt kann bis zum Ende des 15. auf den Erhebungszeitraum folgenden Kalendermonats für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen den Steuermessbetrag festsetzen, der sich voraussichtlich ergeben wird.4An diese Festsetzung ist die Gemeinde bei der Anpassung der Vorauszahlungen nach den Sätzen 1 und 2 gebunden.
(4) Wird im Laufe des Erhebungszeitraums ein Gewerbebetrieb neu gegründet oder tritt ein bereits bestehender Gewerbebetrieb infolge Wegfalls des Befreiungsgrundes in die Steuerpflicht ein, so gilt für die erstmalige Festsetzung der Vorauszahlungen Absatz 3 entsprechend.
(5)1Die einzelne Vorauszahlung ist auf den nächsten vollen Betrag in Euro nach unten abzurunden.2Sie wird nur festgesetzt, wenn sie mindestens 50 Euro beträgt.
Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge.
BUNDESFINANZHOF
Urteil vom 11.11.2008
Az.: VII R 19/08
1. Die erforderliche Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem mit der Haftung geltend gemachten Schaden richtet sich wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 69 AO wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der Adäquanztheorie.
2. Die erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer erst nach Fälligkeit abgeführten Lohnsteuer unterbricht den Kausalverlauf zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt jedenfalls dann nicht, wenn der Fälligkeitszeitpunkt vor dem Beginn der Anfechtungsfrist lag.
3. Die Pflicht zur Begleichung der Steuerschuld der GmbH im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit ist dem Geschäftsführer nach § 34 Abs. 1 AO, § 41a EStG nicht allein zur Vermeidung eines durch eine verspätete Zahlung eintretenden Zinsausfalls auferlegt, sondern soll auch die Erfüllung der Steuerschuld nach den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit sicherstellen.
4. Der Zurechnungszusammenhang zwischen einer pflichtwidrig verspäteten Lohnsteuerzahlung und dem eingetretenen Schaden (Steuerausfall) ergibt sich daraus, dass dieser Schaden vom Schutzzweck der verletzten Pflicht zur fristgemäßen Lohnsteuerabführung erfasst wird.
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Er reichte die Lohnsteueranmeldungen für die GmbH für den Zeitraum April bis Juni 2003 fristgerecht beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein. Die angemeldete Steuerschuld wurde durch Zahlung an den Vollziehungsbeamten des FA am 19. September 2003 beglichen.
Wegen anderer Steuerschulden beantragte das FA am 22. Oktober 2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 16. Januar 2004 eröffnet.
Die Zahlung an den Vollziehungsbeamten focht die Insolvenzverwalterin nach § 131 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) an. Daraufhin erstattete das FA diesen Betrag an die Insolvenzmasse. Wegen der demzufolge wieder offenen Steuerschulden aus den Lohnsteueranmeldungen April bis Juni 2003 sowie der Säumniszuschläge hierzu nahm das FA den Kläger mit Haftungsbescheid vom 7. April 2005 in Anspruch.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 998 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht, nämlich von § 69 der Abgabenordnung (AO). Der Kläger habe die ihm als Geschäftsführer obliegenden steuerlichen Pflichten dadurch verletzt, dass er die Lohnsteuer nicht zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten abgeführt habe. Diese Pflichtverletzung sei nach der insoweit maßgeblichen Adäquanztheorie auch kausal für den Steuerausfall gewesen. Weder der Insolvenzantrag des FA noch die Anfechtung des Insolvenzverwalters hätten nach der allgemeinen Lebenserfahrung außerhalb der Wahrscheinlichkeit gelegen. Der Geschäftsführer einer zahlungsunfähigen GmbH müsse jederzeit damit rechnen, dass ein Gläubiger "von der Antragsmöglichkeit des § 17 InsO" Gebrauch mache. An der Kausalität fehle es auch deshalb nicht, weil die pflichtgemäße Zahlung der Lohnsteuern zum Fälligkeitszeitpunkt vor dem dreimonatigen Anfechtungszeitraum des § 130 Abs. 1 InsO erfolgt wäre. Dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5. Juni 2007 VII R 30/06 (BFH/NV 2008, 1) sei entgegen der Darstellung des Klägers zu entnehmen, dass die Kausalität der pflichtwidrigen Nichtabführung fällig gewordener Steuerbeträge für den Steuerschaden nicht durch nachträglich eingetretene Umstände beseitigt werden könne.
II.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung kann nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO ergehen.
Das FA hat den Kläger zu Recht gemäß § 69 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO als Haftungsschuldner in Anspruch genommen.
1. Als Geschäftsführer hatte der Kläger in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der GmbH i.S. von § 34 Abs. 1 AO die Pflicht zur Einbehaltung und fristgerechten Abführung der im Haftungszeitraum von der GmbH angemeldeten Lohnsteuerabzugsbeträge (§ 38 Abs. 3 Satz 1 und § 41a des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger für die Monate April bis Juni 2003 zwar fristgerecht Lohnsteueranmeldungen abgegeben, zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt aber die angemeldeten Beträge nicht entrichtet. Die in der nicht fristgerechten Entrichtung liegende objektive Pflichtwidrigkeit indiziert den gegenüber dem Kläger zu erhebenden Schuldvorwurf (Senatsbeschluss vom 25. Juli 2003 VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540, m.w.N.).
2. Diese schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers ist auch kausal für den Eintritt des Vermögensschadens beim Fiskus.
Es entspricht ständiger Senatsrechtsprechung, dass sich die erforderliche Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem mit der Haftung geltend gemachten Schaden wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 69 AO wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der Adäquanztheorie richtet. Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, den Erfolg zu verursachen. Sofern --wie im Streitfall-- ein Unterlassen in Betracht kommt, muss, um die Ursächlichkeit bejahen zu können, ein Hinzudenken der unterbliebenen Handlung zu dem Ergebnis führen, dass der Schaden ohne das Unterlassen nicht eingetreten wäre; die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts des Erfolgs genügen dazu nicht (Senatsurteil vom 25. April 1995 VII R 100/94, BFH/NV 1996, 97, m.w.N.).
Hätte der Kläger die angemeldeten Lohnsteuern bis spätestens zum Fälligkeitszeitpunkt der Lohnsteuer für Juni 2003 (nach den unbestrittenen Angaben des FA am 15. Juli 2003) gezahlt, wäre es nicht zu dem Steuerausfall beim Fiskus gekommen, denn der Dreimonatszeitraum vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung, in dem nach § 130 Abs. 1 InsO Zahlungen des Schuldners anfechtbar sind (Anfechtungszeitraum), begann erst am 22. Juli 2003.
Der Senat vermag der Argumentation des FG nicht zu folgen, dass der Steuerausfall nicht mehr adäquat kausal auf der nicht fristgerechten Abführung der angemeldeten Lohnsteuern beruht, weil diese Kausalkette mit der --wenn auch verspäteten-- Zahlung der Steuerbeträge an den Vollziehungsbeamten beendet worden sei. Zwar ist richtig, dass im Streitfall der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens innerhalb der Anfechtungsfrist und die erfolgreiche Anfechtung durch die Insolvenzverwalterin zur Pflichtverletzung des Klägers hinzutreten mussten, um den Steuerausfall beim Fiskus herbeizuführen. Diese weiteren Voraussetzungen für den Schadenseintritt ändern aber nichts an der Ursächlichkeit auch des Verhaltens des Klägers. Sie haben nicht einmal ein "neues" Steuerschuldverhältnis entstehen lassen.
Zwar führt die Zahlung der Steuerschuld regelmäßig zu ihrem Erlöschen und damit zur Beendigung dieses Steuerschuldverhältnisses. Bei Steuerfälligkeiten, die in insolvenzreife Zeit fallen, bleibt dieses Steuerschuldverhältnis aber selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe. Die erfolgreiche Anfechtung und Rückgewähr nach § 143 InsO bewirkt gemäß § 144 InsO, dass die Steuerschuld rückwirkend wieder auflebt (Kreft in Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 144 Rz 3, m.w.N.). Die Beendigung des Steuerschuldverhältnisses ist insoweit auflösend bedingt.
Die Möglichkeit des Schadenseintritts beim Fiskus trotz geleisteter Zahlung ist deshalb entgegen der Ansicht des FG wegen der gesetzlich vorgesehenen Anfechtung jedenfalls kein untypischer Geschehensablauf.
3. Der Senat hat erwogen, ob die Haftung des Klägers im Streitfall deshalb ausscheidet, weil der Zurechnungszusammenhang zwischen der nicht fristgerechten Lohnsteuerentrichtung des Klägers und dem Steuerausfall beim Fiskus fehlt. In Fällen, in denen ein Schaden auf mehreren Ursachen beruht, hat der Bundesgerichtshof (BGH) für das zivile Schadensersatz- bzw. Haftungsrecht ausnahmsweise eine Zurechnungsbegrenzung des adäquat verursachten Schadens angenommen, wenn der Schaden bei wertender Betrachtung in keinem inneren Zusammenhang zu der Pflichtverletzung steht (BGH-Urteil vom 15. November 2007 IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205, m.w.N.). Ein solcher innerer Zusammenhang wird verneint, wenn der eingetretene Schaden nicht in den Schutzbereich der nicht beachteten Norm fällt. Mit anderen Worten ist Voraussetzung für die Schadenszurechnung, dass der geltend gemachte Schaden nach Sinn und Tragweite der verletzten Norm durch diese verhütet werden sollte.
Der Senat kann offenlassen, ob diese zivilrechtlichen Erwägungen --anders als jene zur Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs (vgl. Senatsurteile vom 5. Juni 2007 VII R 65/05, BFHE 217, 233, BStBl II 2008, 273; in BFH/NV 2008, 1; vom 19. September 2007 VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18; vom 4. Dezember 2007 VII R 18/06, BFH/NV 2008, 521) oder zur Anwendung der Mitverschuldensregelung des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2000 VII B 217/99, BFH/NV 2000, 1442; vom 2. November 2001 VII B 75/01, BFH/NV 2002, 310)-- uneingeschränkt auf die steuerrechtliche Haftung nach § 69 AO übertragen werden können, weil sie auch im Zivilrecht nicht auf das Deliktsrecht beschränkt, sondern für Schadensersatzansprüche aller Art anerkannt sind (vgl. Palandt/ Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., Vorbem. v. § 249 Rz 63 f.; zur Steuerberaterhaftung BGH-Urteil vom 18. Januar 2007 IX ZR 122/04, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2007, 701; zur Anwaltshaftung BGH-Urteil in BGHZ 174, 205). Die dem Geschäftsführer nach § 34 AO, § 41a EStG auferlegte Pflicht zur Begleichung der Steuerschuld der GmbH im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit steht nämlich bei der gebotenen wertenden Betrachtung in einem inneren Zusammenhang mit dem Steuerausfall infolge einer späteren Insolvenzanfechtung.
Vom Normzweck erfasst wird nicht nur die Vermeidung eines durch eine verspätete Zahlung eintretenden Zinsausfalls, sondern auch die Erfüllung der Steuerschuld nach den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit. Die Pflicht zur pünktlichen Steuerzahlung dient nicht nur der Vermeidung des Verzugsschadens beim Fiskus. Denn dieser Schaden wäre bereits durch Verzugszinsen auszugleichen. Wenn der Gesetzgeber darüber hinaus mit den kraft Gesetzes verwirkten Säumniszuschlägen zusätzlich ein besonderes Druckmittel für die Fälle geschaffen hat, in denen die rechtzeitige Zahlung noch nicht wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7. Juli 1999 X R 87/96, BFH/NV 2000, 161), so zeigt das, dass er den Steuerpflichtigen auch zur Vermeidung sonstiger Schadensrisiken --wie etwa verminderter Leistungsfähigkeit-- zur rechtzeitigen Steuerzahlung anhalten wollte. Gerade in Zeiten der Krise kommt der Pflicht zur pünktlichen Zahlung der Steuer erhöhte Bedeutung zu. Sie soll den Fiskus nicht nur davor schützen, dass der Steuerschuldner zahlungsunfähig wird, bevor er (verspätet) bereit ist, seine Steuerschulden zu begleichen, sondern auch vor allen sonstigen Risiken verspäteter Zahlungsbereitschaft, wie sie sich z.B. im Streitfall realisiert haben.
4. Auch unter dem Gesichtspunkt eines Mitverschuldens des FA lässt sich im Streitfall ein Haftungsausschluss oder eine Haftungsbegrenzung nicht begründen. Selbst wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens innerhalb der Anfechtungsfrist der Steuerzahlung dem FA als Mitverschulden an dem Schadenseintritt anzulasten wäre, würde dieses Mitverschulden die Haftung des Klägers nicht beschränken. Nach der Rechtsprechung des Senats ist auf öffentlich-rechtliche Steuerhaftungsansprüche § 254 BGB nicht (entsprechend) anwendbar; anders als bei zivilrechtlichen Ersatzleistungen spielt also ein Mitverschulden des FA für das Entstehen bzw. den Umfang eines Steuerhaftungsanspruchs keine Rolle. Mitwirkendes Verschulden des FA am Entstehen eines Steuerausfalls kann allenfalls die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ermessensfehlerhaft machen (Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 1442, m.w.N.). Im Streitfall jedoch kommt die Berücksichtigung eines etwaigen finanzbehördlichen Fehlverhaltens schon deshalb nicht in Betracht, weil es gegenüber dem Verschulden des Klägers keinesfalls entscheidend ins Gewicht fällt (vgl. Senatsurteil vom 30. August 2005 VII R 61/04, BFH/NV 2006, 232, m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass das FA im Streitfall die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zu dem von ihm gewählten Zeitpunkt hätte beantragen dürfen, sind weder vorgetragen noch --insbesondere angesichts der Eröffnung des Verfahrens drei Monate nach Antragstellung-- sonst ersichtlich.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.