Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 28. Juli 2015 - 12 A 1299/15
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
3Das Zulassungsvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Es vermag die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, das Bundesverwaltungsamt habe mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. September 2013 zu Recht Zinsen in Höhe von 1.899,76 € von dem Kläger erhoben, nicht durchgreifend in Frage zu stellen.
4Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Pflicht eines Darlehensnehmers zur Zahlung von Rückstandszinsen nach § 18 Abs. 2 Satz 2 BAföG bei Vorliegen der Voraussetzungen ohne Weiteres kraft Gesetzes entsteht und es einer vorhergehenden Mahnung nicht bedarf. Das Bundesverwaltungsamt ist rechtlich auch nicht gehalten, einen Darlehensnehmer vorab über das Drohen der Verzinsungspflicht zu informieren.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 2013
6- 12 A 1849/12 -, juris.
7Weder § 18 Abs. 2 Satz 2 BAföG noch die Darlehensverordnung sehen vor, dass Rückstandszinsen nur nach Erinnerung des Darlehensnehmers oder - zur Vermeidung des Auflaufens hoher Zinslasten - jeweils nur für einen eng begrenzten Zeitraum erhoben werden können.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. September 1999
9- 16 A 184/99 -.
10Da die Verpflichtung zur Zahlung von Rückstandszinsen bei Vorliegen der tatbestandlichen Vorgaben des § 18 Abs. 2 Satz 2 BAföG mit Blick auf den Sanktionscharakter der Vorschrift verschuldensunabhängig eintritt,
11vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Januar 2011
12- 12 A 2439/09 -, juris, m. w. N.,
13kommt es auch von vornherein nicht darauf an, ob der vom Kläger geltend gemachte Umstand, nach Ablauf des bis zum 31. Dezember 2010 reichenden Freistellungszeitraums und Fälligkeit der nächten Rate erstmals keine Mahnung mehr erhalten zu haben, Auswirkungen auf die Frage der Schuldhaftigkeit des Zahlungsverzugs haben könnte.
14Mit dem Argument eines durch frühere Verwaltungspraxis gebildeten Vertrauensschutzes vermag der Zulassungsantrag nicht durchzudringen. Der Kläger durfte nicht darauf vertrauen, dass Rückstandszinsen nicht entstehen würden oder jedenfalls nicht erhoben werden dürften, nur weil ihm - wie vorgetragen - im Anschluss an die letztmalige Freistellung nicht erneut eine Mahnung zugesandt wurde. Weder der Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid vom 11. März 2006 noch die nachfolgenden Freistellungsbescheide konnten bei dem Kläger den berechtigten Eindruck erwecken, die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung von Rückstandszinsen würde von vorhergehenden Mahnungen abhängen. Mit dem Bescheid vom 11. März 2006 war der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass „bei Überschreiten des Zahlungstermins um mehr als 45 Tage … 6 % Zinsen erhoben werden (müssen)“, ohne dass in diesem Zusammenhang von Zahlungsaufforderungen oder -erinnerun-gen die Rede war. Wenn der Kläger dann mit dem letzten Freistellungsbescheid vom 22. Dezember 2009 von der Rückzahlungspflicht bis einschließlich 31. Dezember 2010 freigestellt wurde, verbunden mit dem Hinweis, dass die nächste vierteljährliche Rate bis zum 31. März 2011 zu zahlen sei und der Freistellungszeitraum bei Vorliegen der Voraussetzungen auf erneuten Antrag verlängert werden könne, durfte der Kläger nicht annehmen, dass er - entgegen der Gesetzeslage - von Zinsforderungen verschont bleiben würde, wenn er weder die geschuldeten Raten zahlen noch fristgerecht eine weitere Freistellung von der Rückzahlungspflicht beantragen würde. Auch der Umstand, dass der angefochtene Zinsbescheid nicht zeitnah nach Ablauf der Zahlungsfrist, sondern erst im September 2013 erging, konnte den Kläger nicht berechtigterweise darauf vertrauen lassen, die Zahlung der aufgelaufenen Rückstandszinsen werde ihm - contra legem - zumindest teilweise erspart bleiben. Soweit der Kläger dem Bundesverwaltungsamt vorhält, es habe ihn „sehenden Auges in die Zinsfalle tappen lassen“, ignoriert er, dass es die eigene Missachtung der ihm obliegenden Pflichten war, die letztlich zu dem Erlass des angefochtenen Zinsbescheides geführt hat.
15Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO.
16Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist damit rechtskräftig, vgl. § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Für
- 1.
nach § 17 Absatz 2 Satz 1 geleistete Darlehen gelten die Absätze 2 bis 14 und die §§ 18a und 18b, - 2.
nach § 17 Absatz 3 Satz 1 geleistete Darlehen oder für Ausbildungsförderung, die nach einer Rechtsverordnung nach § 59 ausschließlich als Darlehen geleistet wird, gelten die Absätze 2 bis 12, 14 und § 18a.
(2) Die Darlehen sind nicht zu verzinsen. Wenn Darlehensnehmende einen Zahlungstermin um mehr als 45 Tage überschritten haben, ist abweichend von Satz 1 jeweils der gesamte bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht getilgte Betrag, höchstens jedoch der nach Maßgabe des Absatzes 13 Satz 1 zu tilgende Rückzahlungsbetrag – vorbehaltlich des Gleichbleibens der Rechtslage – mit 6 vom Hundert für das Jahr zu verzinsen. Für nach § 17 Absatz 3 Satz 1 geleistete Darlehen gilt die Pflicht zur Verzinsung für den gesamten noch zu tilgenden Rückzahlungsbetrag. Kosten für die Geltendmachung der Darlehensforderung sind durch die Verzinsung nicht abgegolten.
(3) Die Darlehen sind – vorbehaltlich des Gleichbleibens der Rechtslage – in gleichbleibenden monatlichen Raten von mindestens 130 Euro innerhalb von 20 Jahren zurückzuzahlen. Für die Rückzahlung gelten als ein Darlehen jeweils alle nach § 17 Absatz 2 Satz 1 und alle nach § 17 Absatz 3 Satz 1 geleisteten Darlehen. Von der Verpflichtung zur Rückzahlung sind Darlehensnehmende auf Antrag freizustellen, solange sie Leistungen nach diesem Gesetz erhalten.
(4) Für die Tilgung des nach § 17 Absatz 2 Satz 1 geleisteten Darlehens ist die erste Rate
- 1.
bei einer Ausbildung an einer Hochschule oder an einer Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 fünf Jahre nach dem Ende der Förderungshöchstdauer, - 2.
bei einer Ausbildung an einer Höheren Fachschule oder an einer Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 fünf Jahre nach dem Ende der in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung vorgesehenen Ausbildungszeit
(5) Wurden ausschließlich nach § 17 Absatz 3 Satz 1 Darlehen geleistet, so ist die erste Rate drei Jahre nach dem Ende der Förderungshöchstdauer oder der vorgesehenen Ausbildungszeit zu zahlen.
(6) Wurden sowohl nach § 17 Absatz 2 Satz 1 als auch nach § 17 Absatz 3 Satz 1 Darlehen geleistet, ist zunächst das nach § 17 Absatz 2 Satz 1 geleistete Darlehen zurückzuzahlen. Die erste Rate des nach § 17 Absatz 3 Satz 1 geleisteten Darlehens ist in diesem Fall in dem Monat zu leisten, der auf die Fälligkeit der letzten Rate des nach § 17 Absatz 2 Satz 1 geleisteten Darlehens folgt.
(7) Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsamt sind die Raten für jeweils drei aufeinanderfolgende Monate in einer Summe zu entrichten.
(8) Die Zinsen nach Absatz 2 sind sofort fällig.
(9) Nach dem Ende der Förderungshöchstdauer erteilt das Bundesverwaltungsamt den Darlehensnehmenden – unbeschadet der Fälligkeit nach den Absätzen 4 bis 6 – jeweils einen Bescheid, in dem die Höhe der Darlehensschuld und die Förderungshöchstdauer festgestellt werden. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides sind diese Feststellungen nicht mehr zu überprüfen; insbesondere gelten die Vorschriften des § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht. Ist für ein Kalenderjahr ein Betrag geleistet worden, auf das sich die Feststellung der Höhe der Darlehensschuld nach Satz 1 nicht erstreckt, so wird diese insoweit durch einen ergänzenden Bescheid festgestellt; Satz 2 gilt entsprechend.
(10) Die nach § 17 Absatz 2 Satz 1 oder Absatz 3 Satz 1 geleisteten Darlehen können jeweils ganz oder teilweise vorzeitig zurückgezahlt werden. Auf Antrag ist ein Nachlass auf die verbleibende Darlehensschuld zu gewähren.
(11) Mit dem Tod der Darlehensnehmenden erlischt die verbliebene Darlehensschuld einschließlich damit verbundener Kosten und Zinsen.
(12) Darlehensnehmenden, die während des Rückzahlungszeitraums nach Absatz 3 Satz 1 nicht oder nur in geringfügigem Umfang gegen ihre Zahlungs- oder Mitwirkungspflichten verstoßen haben, ist die verbleibende Darlehensschuld einschließlich damit verbundener Kosten und Zinsen zu erlassen. Sind die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt, ist dies durch Bescheid festzustellen. Die Sätze 1 und 2 gelten für Darlehensnehmende, denen Förderung mit Darlehen nach § 17 in einer vor dem 1. September 2019 geltenden Fassung, mit Ausnahme von Bankdarlehen nach § 18c, gewährt wurde, auch wenn sie eine Erklärung nach § 66a Absatz 7 Satz 1 abgegeben haben, mit der Maßgabe, dass ihnen die verbleibende Darlehensschuld einschließlich damit verbundener Kosten und Zinsen 20 Jahre nach Beginn des für sie geltenden Rückzahlungszeitraums erlassen wird. Der Erlass nach Satz 3 erfolgt für Darlehensnehmende, die die 20 Jahre bereits vor dem 22. Juli 2022 überschritten haben, zum 1. Oktober 2022.
(13) Bereits vor Ablauf der nach Absatz 3 je nach Höhe der Darlehensschuld planmäßigen Rückzahlungsdauer ist Darlehensnehmenden, die Tilgungsleistungen in 77 monatlichen Raten in jeweils der nach Absatz 3 geschuldeten Höhe erbracht haben, die noch verbleibende Darlehensschuld zu erlassen. Für Zeiträume, in denen eine Freistellung nach § 18a Absatz 1 mit verminderter Ratenzahlung gewährt wurde, genügen für einen Erlass nach Satz 1 Tilgungsleistungen jeweils in Höhe der vom Bundesverwaltungsamt zugleich festgesetzten verminderten Rückzahlungsraten; Absatz 10 bleibt unberührt.
(14) Das Bundesministerium für Bildung und Forschung kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates für die Aufgaben gemäß § 39 Absatz 2 das Nähere bestimmen über
- 1.
den Beginn und das Ende der Verzinsung sowie den Verzicht auf Zinsen aus besonderen Gründen, - 2.
das Verfahren zur Verwaltung und Einziehung der Darlehen – einschließlich der erforderlichen Nachweise oder der Zulässigkeit des Glaubhaftmachens mittels der Versicherung an Eides statt sowie der Maßnahmen zur Sicherung der Rückzahlungsansprüche – sowie zur Rückleitung der eingezogenen Beträge an Bund und Länder, - 3.
die Erhebung von Kostenpauschalen für die Ermittlung der jeweiligen Anschrift der Darlehensnehmenden und für das Mahnverfahren und - 4.
die Voraussetzungen für das Vorliegen eines geringfügigen Verstoßes gegen die Zahlungs- und Mitwirkungspflichten im Sinne des Absatzes 12 Satz 1.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.