Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 21. Sept. 2018 - 4 Bf 232/18.A
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 8. Juni 2018 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt - über den von der Beklagten bereits zuerkannten subsidiären Schutz hinaus - die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
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Der am 5. Januar 2000 geborene Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger tigrinischer Volks- und christlich-orthodoxer Religionszugehörigkeit. Er reiste am 14. März 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16. März 2018 einen Asylantrag. Am 27. März 2018 wurde er von der Beklagten zu seinen Asylgründen angehört und gab im Wesentlichen an, dass er befürchte, bei einer Rückkehr nach Eritrea zum Militärdienst gezwungen zu werden. Da er illegal ausgereist sei, habe er sich strafbar gemacht. Bei einem ersten Versuch zu fliehen, seien er und zwei Freunde entdeckt und für zwei Wochen inhaftiert worden, bevor ihnen schließlich die Flucht gelungen sei.
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Mit Bescheid vom 27. März 2018 erkannte die Beklagte dem Kläger subsidiären Schutz zu und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab. Zur Begründung führte sie aus, dass aufgrund des ermittelten Sachverhalts davon auszugehen sei, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland Eritrea ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG drohe. Hingegen lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vor. Die dem Kläger in Eritrea drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erfolge nicht in Anknüpfung an ein Konventionsmerkmal. Die illegale Ausreise begründe allein noch nicht die Annahme einer staatlichen Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG. Den sachinformierten Stellen seien keine Fälle bekannt, in denen Personen allein wegen illegaler Ausreise bei einer Rückkehr mit Sanktionen belegt worden seien. Vielmehr seien es deren Begleitumstände wie z.B. der Nationaldienststatus oder etwaige exilpolitische Aktivitäten, die zu einer Bestrafung führten. Es lägen auch keine Beweise dafür vor, dass illegal Ausgereisten allgemein eine Regimegegnerschaft unterstellt werde und der Bestrafung damit ein politischer Sanktionscharakter zukomme. Gegen eine generelle politische Verfolgung aller Personen, die Eritrea illegal verlassen hätten, spreche auch der derzeitige Umgang der eritreischen Regierung mit freiwilligen - zumindest vorübergehenden - Rückkehrern, die nach einem Mindestaufenthalt von drei Jahren im Ausland durch Zahlung der Diasporasteuer und Abgabe eines Reuebekenntnisses ihren Status als „Auslandseritreer“ legalisieren könnten, mit der Folge, dass die gesetzlichen Bestimmungen bei Desertion, Dienstverweigerung und illegaler Ausreise auf sie nicht angewendet würden. Die Praxis zeige, dass dieser Status die ungehinderte temporäre Ein- und Ausreise ermögliche. Ein erhebliches Risiko einer Bestrafung bei einer Rückkehr gestützt auf asylrelevante Motive sei nur anzunehmen, wenn neben der illegalen Ausreise weitere Faktoren hinzuträten, welche die asylsuchende Person in den Augen der eritreischen Behörden als missliebige Person erscheinen ließen. Das Vorliegen solcher zusätzlicher Faktoren sei im Fall des Klägers, der als 14-jähriger Schüler das Land verlassen habe, zu verneinen. Die Befürchtung, zum Nationaldienst einberufen zu werden, führe ebenfalls nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft. Die Heranziehung zum Nationaldienst in Eritrea knüpfe insbesondere nicht an Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an, da bei der Einberufung zum Nationaldienst grundsätzlich alle Gruppen der Gesellschaft gleich behandelt würden. Demgegenüber könne eine flüchtlingsrelevante Verfolgung in den Sanktionierungsmaßnahmen liegen, die bei einer Verweigerung des Militärdienstes drohten. Gemäß Art. 37 der Proklamation Nr. 82/1995 seien Personen, die sich dem aktiven Wehrdienst bzw. der allgemeinen Dienstpflicht entzögen, von Strafe bedroht. Diesen Tatbestand erfüllten jedoch solche Eritreer - wie der Kläger - nicht, die ihr Heimatland verlassen hätten, bevor sie von den Behörden aufgefordert worden seien, sich wegen der Registrierung zum Nationaldienst zu melden bzw. die noch nicht ihren Einberufungsbefehl erhalten hätten. Diese würden auch nicht als Wehrflüchtige behandelt und müssten keine asyl- oder flüchtlingsschutzrelevanten Maßnahmen befürchten.
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Am 9. April 2018 hat der Kläger gegen den Bescheid Klage erhoben, soweit die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt wurde. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass er aufgrund der Tatsache, dass er Eritrea illegal verlassen habe und sich der Dienstpflicht durch seinen Aufenthalt in Deutschland aktiv entziehe, sehr konkret mit Verfolgungsmaßnahmen in Eritrea, nämlich einer Inhaftierung und einer langen, unverhältnismäßigen Haftdauer einschließlich Misshandlungen, zu rechnen habe. Aufgrund seiner illegalen Ausreise nach einer bereits erfolgten Inhaftierung sowie seiner Wehrdienstentziehung werde ihm eine regimefeindliche, verräterische Haltung unterstellt.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klageschrift vom 9. April 2018 den sinngemäßen Antrag entnommen,
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die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 27. März 2018 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie sich auf den angefochtenen Bescheid bezogen.
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Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 8. Juni 2018 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, und hat den insoweit entgegenstehenden Bescheid vom 27. März 2018 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der derzeit nationaldienstpflichtige Kläger habe im Falle einer Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die dortigen Behörden gegen ihn aufgrund der Umgehung der nationalen Dienstpflicht außergerichtlich und willkürlich eine Haftstrafe vollstrecken würden, die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit unmenschlicher und erniedrigender Behandlung einhergehe. Aus den Berichten des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea ergebe sich, dass der eritreische Staat neben einer illegalen Ausreise auch jede Form von Umgehung des Nationaldienstes bestrafe. Insofern sei es beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger als Deserteur bzw. Nationaldienstverweigerer behandelt werden würde. Die Verfolgung als Deserteur bzw. Nationaldienstverweigerer drohe allen Personen, die Eritrea im oder kurz vor dem - nach dem Aussehen der Person bestimmten - dienstpflichtigen Alter verlassen hätten, nach Eintritt der Dienstpflicht unfreiwillig wieder einreisten oder sich ihrer Dienstpflicht durch einen Aufenthalt im Ausland dauerhaft entzögen. Die Möglichkeit, in bestimmten Fällen durch Zahlung einer zweiprozentigen Aufbausteuer sowie Unterzeichnung eines Reueformulars einen „Diaspora-Status“ zu erlangen, schütze nicht mit hinreichender Sicherheit vor der drohenden Bestrafung mit Haft unter unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen. Die drohende Bestrafung wegen Umgehung des Nationaldienstes sei auch flüchtlingsschutzrechtlich relevant. Soweit § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG vorsehe, dass eine Bestrafung für die Verweigerung des Militärdienstes dann eine Verfolgungshandlung darstelle, wenn diese in einem Konflikt erfolge und der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fielen, sei die Regelung nicht abschließend. Vielmehr handele es sich um ein Regelbeispiel, dessen Zweck nicht ein Ausschluss von Militärdienst-Fällen sei, die - wie im Fall der Bestrafung von eritreischen Dienstverweigerern - nicht die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG erfüllten. Die dem Kläger drohende Verfolgungshandlung erfolge schließlich auch aus Gründen der politischen Überzeugung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Dies ergebe sich aus dem ideologischen Stellenwert, den der Nationaldienst als „Schule der Nation“ im eritreischen Staat einnehme und wie er in der Nationaldienst-Proklamation von 1995 zum Ausdruck komme. Wer sich dem Nationaldienst entziehe, werde ausweislich verschiedener Erkenntnisquellen als politischer Gegner des Regimes und Verräter angesehen. Gründe, die gemäß § 3 Abs. 2 bis 4 AsylG zum Ausschluss der Flüchtlingseigenschaft führten, seien ebenso wenig ersichtlich wie Akteure, die dem Kläger Schutz bieten könnten (§ 3d AsylG), oder eine inländische Fluchtalternative (§ 3e AsylG).
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Gegen diesen ihr am 13. Juni 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 18. Juni 2018 die Zulassung der Berufung beantragt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht entscheidungstragend die allgemeine Tatsachenannahme zugrunde gelegt habe, eritreischen Staatsangehörigen, die illegal das Land verlassen oder nicht in Eritrea gelebt und zuvor den Nationaldienst nicht abgeleistet hätten, drohe bei Rückkehr Verfolgung in Anknüpfung an einen der in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe, weil die eritreischen Behörden eine Verweigerung der Ableistung des Nationaldienstes zum Anlass nähmen, auf eine Regimegegnerschaft der betroffenen Person zu schließen, so dass strafrechtliche Sanktionen nicht nur der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern auch der Bekämpfung von politischen Gegnern dienten. Der darin liegenden Tatsachenfrage komme grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu. Die Quellenlage sei keineswegs eindeutig im Sinn der Interpretation des Verwaltungsgerichts zu werten. Vielmehr sei diese Einschätzung in der Rechtsprechung umstritten und dürften dabei die überzeugenderen Gründe für die gegenteilige Sicht sprechen. Anders als das Verwaltungsgericht Hamburg kämen unter Bewertung derselben bzw. in ihrem Aussagegehalt identischen Quellen etwa das Verwaltungsgericht Ansbach, das Verwaltungsgericht Augsburg und das Verwaltungsgericht Regenburg zu dem Ergebnis, dass wegen des hier allein zugrunde gelegten Risikoprofils drohende Verfolgungshandlungen nicht in Anknüpfung an eine unterstellte politische Gegnerschaft (oder einen anderen Verfolgungsgrund) zu befürchten seien. Dass die Praxis der Bestrafung von illegaler Ausreise und Wehrdienstentzug mit willkürlichen Inhaftierungen unter menschenunwürdigen Bedingungen, körperlichen Misshandlungen und Folter massiv elementare Rechtsgrundsätze und Menschenrechte verletze, stehe außer Zweifel. Dieser Umstand führe jedoch nicht zu einem Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling, sondern zur Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG.
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Mit Beschluss vom 10. August 2018, der Beklagten zugestellt am 17. August 2018, hat der Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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Mit Schriftsatz vom 22. August 2018, beim Berufungsgericht eingegangen am 27. August 2018, hat die Beklagte die Berufung begründet und sich hierzu insbesondere auf ihre Ausführungen im Antrag auf Zulassung der Berufung bezogen, soweit diese für die von ihr vertretene Position sprächen.
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Die Beklagte beantragt,
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den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 8. Juni 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und vertieft seine Auffassung, dass ihm bei einer Rückkehr nach Eritrea Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG drohe. Die Beklagte stütze ihre Auffassung, dass eine Verfolgung durch das eritreische Regime nicht an flüchtlingsrelevante Merkmale anknüpfe, unzutreffender Weise auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Minden und begründe sie im Übrigen mit Verweisen auf Erkenntnisquellen, die teilweise auf rechtliche Bedenken stießen bzw. deren Aussagekraft näher beleuchtet werden müsse. Dies gelte insbesondere für Berichte über sogenannte „Fact Finding Missions“ in Eritrea, in deren Rahmen größtenteils nur Interviews mit eritreischen Regierungsvertretern, ausländischen Diplomaten in Asmara sowie mit anderen, direkt oder indirekt von der eritreischen Regierung abhängigen Akteuren, hätten geführt werden können. Eine Überprüfung durch unabhängige Quellen sei in Eritrea nicht möglich. Die meisten Menschenrechtsorganisationen erhielten keine Einreisebewilligung und internationalen Beobachtern werde kein Zugang zu Gefängnissen und Haftanstalten gewährt. Es widerspreche asylrechtlichen Verfahrensgrundsätzen, sich insoweit auf Angaben und Äußerungen des Verfolgerstaates zu stützen. Der Verweis auf die Möglichkeit, einer Verfolgung wegen illegaler Ausreise und Wehrdienstentziehung durch Zahlung einer „2 % Steuer“ und Unterzeichnung eines Reuebekenntnisses zu entgehen, überzeuge nicht. Von einem Asylsuchenden könne nicht verlangt werden, Gelder an einen mit UN-Sanktionen belegten Staat zu leisten, der damit auch Repressionsmittel finanziere. Zudem betreffe die Möglichkeit, den Diaspora-Status zu erlangen, nur Personen, die sich bereits seit drei Jahren im Ausland befänden und sich nur temporär in Eritrea aufhalten wollten. Eine Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlungen und asylerheblichen Merkmalen im Sinne des § 3 AsylG bestehe deshalb, weil die Flucht vor dem Militärdienst sowie die illegale Ausreise als Hochverrat angesehen würden. Dies ergebe sich aus der zentralen gesellschaftlichen Rolle des Nationaldienstes, weshalb jedwedes Verhalten gegen die Ausübung der Nationaldienstverpflichtung als kritische Abweichung und oppositionelles Verhalten gewertet werde. Dies legten auch Ausführungen in einer Masterarbeit zu dem Thema „Tigrinya-Dolmetscher in Anhörungen vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – Sprich nicht so über Dein Land“ nahe. Danach müssten, wie sich auch aus einer Stellungnahme von Amnesty International an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 2. August 2018 ergebe, Eritreer im Ausland, bevor sie die Dienste eritreischer Botschaften in Anspruch nehmen könnten, ein schriftliches Bekenntnis abgeben, dass sie mit ihrer Flucht vor dem Nationaldienst Hochverrat begangen hätten. Im Übrigen deute auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 25.6.1991, 9 C 131.90, juris) die Härte der Strafe wegen illegaler Ausreise und Nationaldienstverweigerung darauf hin, dass es dem eritreischen Staat nicht nur um eine Disziplinierung, sondern um die Bekämpfung politischer Gegner gehe. Mehrere Erkenntnisquellen legten den Schluss nahe, dass Rückkehrern grundsätzlich misstraut und eine Regimegegnerschaft unterstellt werde. Einzelne Verlautbarungen der eritreischen Regierung seien nicht so zu verstehen, dass sie inzwischen generell von einer Verfolgung von Rückkehrern absehe. Im Übrigen stelle sich nach den vom Bundesverwaltungsgericht in Fällen so genannter Republikflucht angelegten Maßstäben (Urt. v. 3.11.1992, 9 C 23.92, juris) schon allein die drohende Bestrafung wegen illegaler Ausreise als politische Verfolgung dar. Bedrohungen des eritreischen Staates endeten zudem nicht an der eritreischen Grenze, sondern erfolgten auch in Deutschland durch einzelne Dolmetscher oder durch Bedrohungen von noch im Heimatland befindlichen Familienmitgliedern. Wie verschiedenen Quellen belegten, führe dies dazu, dass sich eritreische Flüchtlinge auch in der Diaspora nicht trauten, offen zu reden. Das United Kingdom Home Office habe in einer „Operational Guidance Note“ zu Eritrea aus Februar 2014 die Auffassung vertreten, dass eine illegale Ausreise und Wehrdienstentziehung - auch vor der Einziehung zum Wehrdienst - den Flüchtlingsschutz auslöse. Die Unterscheidung, Flüchtlingsschutz erst zu gewähren, wenn die betroffene Person aus dem aktiven Militärdienst fliehe, sei nicht mit den Rechtsgrundlagen der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Asylgesetz vereinbar, da unabwendbar die Einberufung erfolge. Nach den UNHCR-Richtlinien stellten Kriegsdienstverweigerer eine bestimmte soziale Gruppe dar, da sie eine Überzeugung teilten, die für ihre Identität grundlegend sei, und sie auch von der Gesellschaft als eine bestimmte Gruppe angesehen werden könnten. Der Versuch eines Friedens zwischen Eritrea und Äthiopien könne an der Lage der eritreischen Flüchtlinge derzeit nichts Entscheidendes ändern, da noch nicht absehbar sei, wie sich der Friedensprozess weiter entwickeln werde. Unter Berücksichtigung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Maßstäbe zur Ermittlung des Wahrheitsgehalts einer vorgetragenen Verfolgung (Urt. v. 16.4.1985, 9 C 109.84, juris) sei festzustellen, dass der Vorwurf, eritreische Flüchtlinge würden übertreiben, um eine bessere Asylsituation in Europa zu erhalten, dadurch erschüttert werde, dass zahlreiche Erkenntnismittel die gleichen Verfolgungsschicksale darstellten und dass die berechtigten Ängste vor dem eritreischen Staat keine „Erfindung“ eritreischer Asylsuchende in Deutschland seien, sondern sich über die europäischen Staaten zögen und auch in Israel anzutreffen seien.
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Das Gericht hat den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung sowie hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21. September 2018 Bezug genommen. Die das Asylverfahren des Klägers betreffende Akte sowie die Ausländerakte der Klägers sind vom Gericht beigezogen worden. Sie sind ebenso wie die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilten Erkenntnisquellen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.
I.
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Die vom Senat mit Beschluss vom 10. August 2018 zugelassene Berufung der Beklagten ist zulässig.
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Die am 27. August 2018 eingegangene Berufungsbegründung genügt den inhaltlichen Mindestanforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO. Danach muss die Berufungsbegründung einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Vorliegend enthält der Begründungsschriftsatz der Beklagten den wörtlichen Antrag, „unter Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen, soweit ihr stattgegeben wurde.“ Damit bringt die Beklagte ungeachtet der (unschädlichen) Falschbezeichnung „Urteil“ hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass sie die Änderung des Gerichtsbescheids vom 8. Juni 2018 begehrt und in der Sache ihr erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiterverfolgt. Der Berufungsbegründungschriftsatz erfüllt auch die Anforderung, die Berufungsgründe anzuführen. Zwar enthält er selbst keine inhaltlichen Ausführungen dazu, weshalb der angegriffene Gerichtsbescheid zu ändern sei, sondern verweist auf die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 18. Juni 2016, in dem die Beklagte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht hat, allerdings kann auch eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen oder ein erschöpfender Verweis auf die Begründung im Zulassungsverfahren nach den Umständen des Einzelfalls für eine ordnungsgemäße Begründung im Sinne des § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO genügen (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 354 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Dabei ist der Verweis auf Ausführungen zu einer Grundsatzrüge dann ausreichend, wenn deutlich wird, dass und warum die verwaltungsgerichtliche Entscheidung aus Sicht des Berufungsführers keinen Bestand haben kann (vgl. Seibert, a.a.O., § 124a Rn. 358). Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat in der Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung nicht nur dargelegt, dass die von ihr aufgeworfene Tatsachenfrage, ob die eritreischen Behörden einer Person, die illegal aus Eritrea ausgereist ist und sich dadurch der Ableistung des Nationaldienstes entzieht, allein aufgrund dieser Umstände eine Regimegegnerschaft unterstellen, klärungsbedürftig ist. Vielmehr hat sie dort auch ausgeführt, dass diese Frage aus ihrer Sicht anders als in dem angegriffenen Urteil, nämlich negativ, zu beantworten sei, da die überzeugenderen Gründe für die von ihr vertretene Sicht sprächen (vgl. S. 3 des Zulassungsantrags v. 18.6.2018).
II.
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Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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1. Die Klage, mit welcher der Kläger unter teilweiser Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 21. März 2018 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG begehrt, ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 2, 2. Var. VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt dem Kläger nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Bei der auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gerichteten Verpflichtungsklage ist dieses ungeachtet eines bereits zuerkannten subsidiären Schutzstatus im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung des nachfolgenden Aufenthaltsstatus (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 1, 1. und 2. Alt. AufenthG; § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG) sowie dessen Verfestigungsmöglichkeiten (vgl. § 26 Abs. 3 und 4 AufenthG) unzweifelhaft gegeben (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 11.1.2018, 1 Bf 81/17.A., juris Rn. 20; OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 24).
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die vor dem Hintergrund der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus durch die Beklagte allein streitgegenständliche Versagung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mit Bescheid vom 27. März 2018 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht zu, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Vorbehaltlich der Ausschlussregelungen des § 3 Abs. 2 und 3 AsylG ist ein Ausländer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
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Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die (1.) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Diese Legaldefinition der Verfolgungshandlung, welche Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung, ABl. L 337 S. 9; im Folgenden: RL 2011/95/EU) umsetzt, erfährt in § 3a Abs. 2 AsylG im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU eine nähere Ausgestaltung durch einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen. Dabei setzt die Annahme einer Verfolgungshandlung einen gezielten Eingriff in ein nach § 3a Abs. 1 AsylG bzw. Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU geschütztes Rechtsgut voraus (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 11).
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§ 3b Abs. 1 AsylG konkretisiert die in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe, wobei es gemäß § 3b Abs. 2 AsylG bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich ist, ob dieser tatsächlich die flüchtlingsschutzrelevanten Merkmale aufweist, sofern ihm diese von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
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Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Die Maßnahme muss darauf gerichtet sein, den von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an einen oder mehrere dieser Verfolgungsgründe zu treffen. Ob eine Verfolgungshandlung „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen, nicht hingegen nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, 2 BvR 502/86, 2 BvR 1000/86, 2 BvR 92 BvR 961/86, BVerfGE 80, 315, juris Rn. 44). Die Zielgerichtetheit muss nicht nur hinsichtlich der durch die Verfolgungshandlung bewirkten Rechtsgutverletzung, sondern auch in Bezug auf die Verfolgungsgründe im Sinne des § 3b AsylG, an die die Handlung anknüpft, anzunehmen sein (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 13; Urt. v. 19.1.2009, 10 C 52.07, BVerwGE 133, 55, juris Rn. 22; Beschl. v. 21.11.2017, 1 B 148.17, juris Rn. 17). Für die „Verknüpfung“ reicht ein Zusammenhang im Sinne einer Mitverursachung aus. Gerade mit Blick auf nicht selten komplexe und multikausale Sachverhalte ist nicht zu verlangen, dass ein bestimmter Verfolgungsgrund die zentrale Motivation oder die alleinige Ursache einer Verfolgungsmaßnahme ist. Indes genügt eine lediglich entfernte, hypothetische Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund den Anforderungen des § 3a Abs. 3 AsylG nicht (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 13 m.w.N.).
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Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) drohen (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 14; Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23.12, BVerwGE 146, 67, juris Rn. 19; Beschl. v. 15.8.2017, 1 B 120.17, juris Rn. 8). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Diese Würdigung ist auf der Grundlage einer „qualifizierenden“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Hierbei sind gemäß Art. 4 Abs. 3 RL 2011/95/EU neben sämtlichen mit dem Herkunftsland verbundenen relevanten Tatsachen unter anderem das maßgebliche Vorbringen des Antragstellers und dessen individuelle Lage zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 140, juris Rn. 14; Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23.12, BVerwGE 146, 67, juris Rn. 32 m.w.N.). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 14 m.w.N.).
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Die Tatsache, dass ein Asylsuchender bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat beziehungsweise von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist gemäß Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29/17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 15; vgl. Dörig, in: Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Aufl. 2016, Art. 4 Asylum Qualification Directive 2011/95/EU Rn. 30). Die den früheren Handlungen oder Bedrohungen zukommende Beweiskraft ist von den zuständigen Behörden unter der sich aus Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95/EU ergebenden Voraussetzung zu berücksichtigen, dass diese Handlungen oder Bedrohungen eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen, den der Betreffende für seinen Antrag auf Schutz geltend macht (EuGH, Urt. v. 2.3.2010, C-175/08 u.a., NVwZ 2010, 505, juris Rn. 94). Fehlt es an einer entsprechenden Verknüpfung, so greift die Beweiserleichterung nicht ein (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 15). Die widerlegliche Vermutung entlastet den Vorverfolgten von der Notwendigkeit, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Sie ist widerlegt, wenn stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften. Diese Beurteilung unterliegt der freien Beweiswürdigung des Tatrichters (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29/17, NVwZ 2018, 1408, juris Rn. 15; Urt. v. 27.4.2010, 10 C 5.09, BVerwGE 136, 377, juris Rn. 23).
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Grundsätzlich obliegt es dem Asylsuchenden bzw. dem um Flüchtlingsschutz Nachsuchenden, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass er bei verständiger Würdigung einer Verfolgung im oben genannten Sinne ausgesetzt war bzw. eine solche im Rückkehrfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen unter anderem Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden (vgl. OVG Münster, Urt. v. 14.2.2014, 1 A 1139/13.A, juris Rn. 35, m.w.N.).
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Von den in die eigene Sphäre des Asylsuchenden fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, zu unterscheiden sind die in den allgemeinen Verhältnissen des Herkunftslandes liegenden Umstände, die eine begründete Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1983, 9 C 68.81, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 44, juris Rn. 5). Hinsichtlich dieser Verhältnisse reicht es wegen seiner zumeist auf einen engeren Lebenskreis beschränkten Erfahrungen und Kenntnisse aus, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung für den Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1983, 9 C 68.81, a.a.O., juris Rn. 5). Hier ist es Aufgabe der Beklagten und der Gerichte, unter vollständiger Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen, die Gegebenheiten im Herkunftsstaat aufzuklären und darauf aufbauend eine von Rationalität und Plausibilität getragene Prognose zu treffen (OVG Hamburg, Urt. v. 18.1.2018, 1 Bf 81/17.A, juris Rn. 41, m.w.N.).
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In Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsland sind die Gerichte dabei regelmäßig darauf angewiesen, sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Erkenntnismittel gleichsam mosaikartig ein Bild zu machen und die Prognose, ob bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht, aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Umstände zu treffen. Führt diese Betrachtung zu keinem für den Schutzsuchenden günstigen Ergebnis, verbleibt es bei allgemeinen Beweislastregeln. Die humanitäre Schutzrichtung des Asyl- und Flüchtlingsrechts gebietet weder eine Umkehr der objektiven Beweislast noch eine Folgenabwägung im Sinne eines „better safe than sorry“ (so auch OVG Hamburg, Urt. v. 18.1.2018, 1 Bf 81/17.A, juris Rn. 45, m.w.N.). Eine solche Folgenabwägung scheidet schon deshalb aus, weil es vorliegend allein um die genaue Ausprägung des Schutzstatus, nicht aber um das Ob der Schutzgewährung geht. Eine denkbare gerichtliche Fehlbeurteilung bei der Frage der Gewährung des Flüchtlingsstatus birgt kein persönliches Risiko für den Schutzsuchenden, weil er infolge des zuerkannten subsidiären Schutzes bereits nachhaltigen Schutz genießt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 18.1.2018, 1 Bf 81/17.A, juris Rn. 45).
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Nach diesen Maßstäben droht dem Kläger, an dessen eritreischer Staatsangehörigkeit nach dem Inhalt der Niederschrift über die Anhörung bei der Beklagten keine Zweifel bestehen, im Falle einer Rückkehr nach Eritrea nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Aufgrund des dem Kläger gewährten subsidiären Schutzstatus ist eine Rückkehr nach Eritrea zum hier gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nur gedanklich bzw. hypothetisch zu unterstellen.
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Dem Kläger, der Eritrea nicht vorverfolgt verlassen hat (dazu unter a)), droht zunächst insoweit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, als er im Falle einer Rückkehr zum eritreischen Nationaldienst herangezogen werden würde (dazu unter b)). Darüber hinaus erfüllt auch die vom Kläger befürchtete Bestrafung wegen illegaler Ausreise und Nichtableistung des Nationaldienstes nicht die Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da sie jedenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich „wegen“ eines der in § 3 Abs. 1 i.V.m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe erfolgen würde (dazu unter c)).
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a) Der Kläger hat Eritrea nicht vorverfolgt im Sinne des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU verlassen. Das Eingreifen der Beweiserleichterung dafür, dass eine Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, setzt voraus, dass derjenige, der sich hierauf beruft, bereits eine entsprechende Verfolgung - und nicht lediglich einen sonstigen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG - erlitten hat oder sie ihm unmittelbar bevorstand. Dies erfordert eine Verfolgungshandlung gemäß § 3a AsylG (Art. 9 Abs. 1 und 2 RL 2011/95 EU), die gemäß § 3 Abs. 3 AsylG (Art. 9 Abs. 3 RL 2011/95 EU) an einen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Art. 10 RL 2011/95/EU) näher bezeichneten Verfolgungsgrund anknüpfen muss.
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Soweit der Kläger angegeben hat, dass er unmittelbar vor seiner Ausreise aus Eritrea bereits einmal versucht habe, das Land zu verlassen, jedoch an der Grenze von eritreischen Sicherheitskräften entdeckt und für zwei Wochen inhaftiert worden sei, wobei er - nach seinen erstmaligen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung - mit einem Stock geschlagen worden sei, bevor er im Zuge einer Verlegung in ein anderes Gefängnis haben fliehen können, hat der Senat keine grundlegenden Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Angaben. Selbst wenn man in den vom Kläger geschilderten Vorkommnissen Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG sähe oder davon ausginge, dass ihm solche im weiteren Verlauf einer Inhaftierung, insbesondere durch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung wegen des Versuchs der illegalen Ausreise unmittelbar drohten, lässt sich unter Gesamtbetrachtung und Würdigung der vorliegenden Erkenntnisquellen und des Vorbringens des Klägers nicht feststellen, dass diese Verfolgungshandlungen an einen flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, insbesondere an eine (ggf. nur unterstellte) politische Überzeugung, anknüpften bzw. angeknüpft hätten. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger zum Zeitpunkt seines Fluchtversuchs erst 14 Jahre alt und damit noch nicht nationaldienstpflichtig war (siehe dazu näher unter b), S. 17), ist es zur Überzeugung des Senats aus den nachfolgend dargestellten Gründen (siehe unter c), S. 19 ff.) nicht beachtlich wahrscheinlich, dass ihm allein aufgrund des Versuchs, das Land zu verlassen, eine oppositionelle politische Überzeugung zugeschrieben wurde. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Klägers im Zeitpunkt seines Ausreiseversuchs. Insbesondere hat der Kläger weder geltend gemacht, noch ist es wahrscheinlich, dass den eritreischen Sicherheitskräften, die den Kläger an der Grenze festgenommen und im Rahmen der Inhaftierung misshandelt haben, konkret bekannt war, dass - wie der Kläger geschildert hat - sein Vater aus der Armee desertiert war, was gegebenenfalls einen Ausgangspunkt für die Zuschreibung einer oppositionellen Haltung hätte darstellen können.
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b) Eine dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Eritrea drohende Einberufung zum Nationaldienst stellt für sich genommen keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG dar.
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Nach der Proklamation Nr. 82/1995 über den Nationaldienst (vgl. Gesetzesblatt Eritrea Nr. 11 v. 23.10.1995 [englische Übersetzung einsehbar in der Bibliothek des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, Bibliothekssignatur: G 1/95]) ist in Eritrea der Nationaldienst für Männer und Frauen vom 18. bis zum 50. Lebensjahr verpflichtend. Er unterteilt sich gemäß Art. 2 Abs. 3 und 4 der Proklamation Nr. 82/1995 in einen aktiven Nationaldienst („active national service“) und einen Reservistendienst („reserve military service“). Den aktiven Nationaldienst von offiziell 18 Monaten müssen gemäß Art. 8 der Proklamation Nr. 82/1995 alle eritreischen Staatsangehörigen im Alter von 18 bis 40 Jahren absolvieren. In der Praxis werden Eritreer bereits ab dem Alter von etwa 16 Jahren als dienstpflichtig behandelt, wobei teilweise auch noch jüngere Eritreer rekrutiert werden. Die Rekrutierung findet häufig durch Razzien („giffas“) statt. Maßgeblich ist insoweit nicht das tatsächliche Alter, sondern häufig eine Alterseinschätzung aufgrund des Aussehens der Person (vgl. European Asylum Support Office (EASO), Bericht über Herkunftsländer-Informationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 37 [G 1/15]; Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Eritrea: Rekrutierung von Minderjährigen, 21.1.2015, S. 2 ff. [G 3/15]). Der aktive Nationaldienst besteht aus einer sechs Monate dauernden militärischen Ausbildung („training“) und einem sich daran anschließenden zwölfmonatigen Dienst im Militär oder in Entwicklungsarbeiten („active military service and developmental works“). Ausgenommen vom Nationaldienst sind lediglich Personen, die ihre Dienstpflicht bereits vor Inkrafttreten der Proklamation Nr. 82/1995 erfüllt haben, sowie ehemalige Unabhängigkeitskämpfer (Art. 12 der Proklamation Nr. 82/1995). Gesundheitliche Beeinträchtigungen führen in der Regel nur dazu, dass die militärische Ausbildung oder der aktive Nationaldienst erlassen sind (Art. 13 ff. der Proklamation Nr. 82/1995), nicht jedoch die Dienstverpflichtung als solche (vgl. zur Nationaldienstverpflichtung insgesamt: EASO, Bericht über Herkunftsländerinformationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 32 ff. [G 1/15]; Staatssekretariat für Migration (SEM), Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 11 f. [G 8/16]; SFH, Eritrea: Nationaldienst, 30.6.2017, S. 4 f. [G 3/17]; Amnesty International (AI), Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 18 [G 2/15]).
- 41
Ungeachtet der in der Proklamation Nr. 82/1995 festgelegten Dauer und Altersobergrenzen ist der Nationaldienst in Eritrea in der Praxis grundsätzlich unbefristet, wobei die Dienstverpflichteten entweder für eine zivile oder eine militärische Verwendung eingeteilt werden (vgl. Kibreab, The Open-Ended Eritrean National Service: The Driver of Forced Migration, 2014, S. 4, 10 [G 3/14]). Im Jahr 2002 verlängerte die eritreische Regierung die Nationaldienstpflicht faktisch auf unbestimmte Zeit. Diese Maßnahme wurde bislang mit der proklamierten „no war no peace“-Situation im Verhältnis zu Äthiopien begründet und trotz mehrfacher Bekundungen, die Dauer des Nationaldienstes wieder auf 18 Monate zu beschränken, weiter aufrechterhalten (vgl. EASO, Bericht über Herkunftsländerinformationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 40 f. [G 1/15]; Human Rights Council (HRC), Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 50 f. (Nr. 200, 205) [G 6/16]; AI, Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 18 [G 2/15]; SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 45 ff. [G 8/16]). Inwieweit die jüngste Entspannung zwischen Eritrea und Äthiopien zu Veränderungen beim Nationaldienst, insbesondere bei der unbefristeten Dienstpflicht, führen wird, lässt sich nach gegenwärtiger Erkenntnisquellenlage nicht verlässlich beurteilen (vgl. auch United Kingdom Home Office (UKHO), Country Policy and Information Note - Eritrea: National service and illegal exit, Version 5.0, Juli 2018, S. 16 (Nr. 4.3.4) [G 13/18]).
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Ob in der Heranziehung des inzwischen 18-jährigen und damit grundsätzlich dienstverpflichteten Klägers zum unbefristeten Nationaldienst für sich genommen eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu sehen ist, kann offen bleiben. Denn die Nationaldienstpflicht knüpft jedenfalls nicht - wie es § 3a Abs. 3 AsylG fordert - an einen der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe an. Wie bereits ausgeführt, trifft die Verpflichtung zur Ableistung des Nationaldienstes im Wesentlichen alle eritreischen Staatsangehörigen (vgl. Art. 6 und 8 der Proklamation Nr. 82/1995: „any Eritrean citizen“, „all Eritrean citizens“). Eine Unterscheidung nach Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe findet insoweit nicht statt (vgl. Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand November 2016, 21.11.2016, S. 11 f. [2016/2]; EASO, Bericht über Herkunftsländerinformationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 33 f. [G 1/15]; so im Ergebnis auch: VG Arnsberg, Urt. v. 4.5.2018, 12 K 5098/16.A, juris Rn. 53; VG Potsdam, Urt. v. 10.10.2017, 3 K 2609/16.A, juris Rn. 23; Urt. v. 17.2.2016, 6 K 1995/15.A, juris Rn. 17; VG Berlin, Urt. v. 1.9.2017, 28 K 166.17 A, juris Rn. 25; VG Münster, Urt. v. 23.8.2017, 9 K 325/15.A, juris Rn. 25; Urt. v. 22.7.2015, 9 K 3488/13.A, juris Rn. 101; VG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.2017, 6 K 7338.16.A, juris, Rn. 61; VG Regensburg, Urt. v. 27.10.2016, RN 2 K 16.31289, juris Rn. 24; VG München, Urt. v. 13.7.2016, M 12 K 16.31184, juris Rn. 23).
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c) Eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, ihm drohe im Falle der Rückkehr nach Eritrea eine menschenrechtswidrige Bestrafung wegen illegaler Ausreise und Nichtableistung des Nationaldienstes.
- 44
Nach den gesetzlichen Bestimmungen Eritreas werden Verstöße gegen die Nationaldienst-Proklamation Nr. 82/1995 mit Haftstrafen von zwei Jahren und/oder einer Geldstrafe geahndet (Art. 37 Abs. 1), sofern sich aus dem eritreischen Strafgesetzbuch von 1991 nicht härtere Strafen ergeben. Hiernach kann Desertion mit anschließender Flucht ins Ausland mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. In Kriegszeiten liegt das Strafmaß zwischen fünf Jahren und lebenslänglicher Haftstrafe, wobei in schweren Fällen auch die Todesstrafe verhängt werden kann. Das eritreische Strafgesetzbuch sieht für eine Dienstverweigerung in Kriegszeiten ein Strafmaß von bis zu fünf Jahren Haft vor. Ein zwischenzeitlich neu erlassenes Strafgesetzbuch wird in der Praxis noch nicht angewandt (vgl. zum Ganzen EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 41 f. [G 1/15]; Staatssekretariat für Migration (SEM), Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 17, 22, 32 [G 8/16]).
- 45
Gemäß Art. 29 Abs. 2 der Proklamation Nr. 24/1992 wird die - auch nur versuchte - illegale Ausreise aus Eritrea, welche insbesondere dann vorliegt, wenn der Ausreisewillige kein gültiges Ausreisevisum besitzt, mit einem Strafmaß von bis zu fünf Jahren Haft und/oder Geldstrafe bestraft (vgl. EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 55 [G 1/15]; englische Übersetzung der Proklamation Nr. 24/1992 abrufbar unter http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain/opendocpdf.pdf?reldoc=y&docid=54c0d9d44).
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Allerdings ist auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisquellen davon auszugehen, dass in der Praxis Strafen nicht den zuvor aufgeführten gesetzlichen Regelungen entsprechend, sondern außergerichtlich und willkürlich verhängt werden (vgl. EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 42 [G 1/15]; SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 21, 24 u. 31 [G 8/16]; AI, Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 40 [G 2/15]; AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand November 2016, 21.11.2016, S. 19 [2016/2]). Mehrere Quellen deuten darauf hin, dass die Strafen für Verstöße sowohl gegen die Nationaldienst- als auch gegen die Ausreisebestimmungen in jüngerer Vergangenheit geringer ausfallen, insbesondere Haftdauern sich verkürzt haben. Laut Amnesty International (Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 44 [G 2/15]) ist dies zum einen auf den Umstand zurückzuführen, dass immer mehr Eritreer versuchten, das Land zu verlassen, und dabei aufgegriffen würden, was in einer beträchtlichen Zahl von Inhaftierten resultiere. Zum anderen liege der Grund für kürzere Haftdauern möglicherweise auch darin, die betroffenen Personen schnell wieder dem Nationaldienst zuzuführen, da die große Anzahl von Deserteuren dort Lücken hinterlasse. Ebenso berichtet die UN-Untersuchungskommission davon, dass sich die Haftstrafen für eine (versuchte) illegale Ausreise von Personen im Nationaldienst bzw. im dienstpflichtigen Alter in der Praxis von zwei bis sieben Jahren auf sechs Monate bis zwei Jahre reduziert hätten, was mit einem generellen Mangel an Nationaldienstleistenden erklärt werden könne (vgl. HRC, Report of the Detailed Findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 113 (Nr. 422) [G 6/15]).
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Die Haftbedingungen sind prekär; Zellen sind häufig überbelegt. Die hygienischen Bedingungen sind schlecht; teilweise sind keine Sanitäreinrichtungen vorhanden. Die Versorgung mit Trinkwasser ist ebenso wie eine medizinische Versorgung nicht gewährleistet. Essensrationen sind knapp und wenig nahrhaft. Folter und Misshandlungen werden sowohl zur Beschaffung von Informationen und Geständnissen als auch als Teil der Bestrafung eingesetzt. Teilweise werden die Gefangenen in unterirdischen Zellen oder auch in Schiffscontainern eingesperrt (vgl. EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 45 ff. [G 1/15]; AI, Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 48 [G 2/15]; HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 65 f. (Nr. 260 ff.) [G 6/16]).
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Ob Personen, die - wie der im Alter von 14 Jahren ausgereiste Kläger - bereits längere Zeit vor Beginn ihrer Nationaldienstpflicht aus Eritrea ausgereist sind und sich im nationaldienstpflichtigen Alter noch nie in Eritrea aufgehalten haben, bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit überhaupt eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise und Nichtableistung des Nationaldienstes droht, kann offen bleiben (verneinend VG Münster, Urt. v. 22.7.2015, 9 K 3488/13.A, juris Rn. 93). Denn sowohl eine Bestrafung der illegalen Ausreise als auch eine Sanktionierung der Umgehung des Nationaldienstes durch illegale Ausreise würden jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an einen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 3b Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgrund - insbesondere nicht an die politische Überzeugung - anknüpfen (dazu unter (1)). Der Strafbarkeit einer Ausreise entgegen den Bestimmungen der Proklamation Nr. 24/1992, insbesondere ohne gültiges Ausreisevisum, kommt auch nicht für sich genommen unter dem vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkt der „Republikflucht“ politischer Charakter zu (dazu unter (2)).
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(1) Eine Bestrafung von eritreischen Staatsangehörigen allein wegen illegaler Ausreise und damit einhergehender Umgehung des Nationaldienstes knüpft nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an die politische Überzeugung der Betroffenen an.
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Ein Ausländer wird wegen einer politischen Überzeugung verfolgt, wenn dies geschieht, weil er eine bestimmte Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, und zwar in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG), wobei gemäß § 3b Abs. 2 AsylG genügt, dass dem Ausländer diese Überzeugung von seinem Verfolger zugeschrieben wird (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, juris Rn. 21). Die politische Überzeugung wird in erheblicher Weise unterdrückt, wenn ein Staat mit Mitteln des Strafrechts oder in anderer Weise auf Leib, Leben oder die persönliche Freiheit des Einzelnen schon deshalb zugreift, weil dieser seine mit der Staatsraison nicht übereinstimmende politische Meinung nach außen bekundet und damit notwendigerweise eine geistige Wirkung auf die Umwelt ausübt und meinungsbildend auf andere einwirkt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, juris Rn. 21; Urt. v. 19.5.1987, 9 C 184.86, BVerwGE 77, 258, juris Rn. 19, m.w.N.). Hiervon kann insbesondere auszugehen sein, wenn er eine Behandlung erleidet, die härter ist als sie sonst zur Verfolgung ähnlicher - nichtpolitischer - Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit im Verfolgerstaat üblich ist (sogenannter „Politmalus“, vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29.17, juris Rn. 22, mit Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, 2 BvR 502/86 u.a., BVerfGE 80, 315, juris Rn. 53; Kammerbeschl. v. 4.12.2012, 2 BvR 2954/09, NVwZ 2013, 500, juris Rn. 24). Demgegenüber liegt grundsätzlich keine Sanktionierung einer politischen Überzeugung vor, wenn die staatliche Maßnahme allein der Durchsetzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht dient. So liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Sanktionen, die an eine Wehrdienstentziehung anknüpfen, nicht schon für sich allein politische Verfolgung, selbst wenn diese von totalitären Staaten verhängt werden (siehe BVerwG, Urt. v. 19.8.1986, 9 C 322.85, DVBl 1987, 47, juris Rn. 11; Urt. v. 6.12.1988, 9 C 22.88, BVerwGE 81, 41, juris Rn. 8). Solche Maßnahmen begründen nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Furcht vor Verfolgung, wenn sie den Betroffenen über die Ahndung des allgemeinen Pflichtverstoßes hinaus wegen asylerheblicher Merkmale, insbesondere wegen einer wirklichen oder vermuteten, von der herrschenden Staatsdoktrin abweichenden politischen Überzeugung treffen sollen, wofür Indizien ein unverhältnismäßiges Ausmaß der Sanktionen oder deren diskriminierender Charakter sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018, 1 C 29/17, juris Rn. 22, m.w.N.). Dabei kommt es stets darauf an, ob der Staat seine Bürger in den genannten Merkmalen zu disziplinieren, sie ihretwegen niederzuhalten oder im schlimmsten Fall zu vernichten sucht oder ob er lediglich seine Herrschaftsstruktur aufrechtzuerhalten trachtet und dabei die Überzeugung seiner Staatsbürger unbehelligt lässt. Die Lasten und Beschränkungen, die ein autoritäres System eines fremden Staates seiner Bevölkerung allgemein auferlegt, vermögen für sich allein einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen. Das bloße Aufrechterhalten oder Wiederherstellen „staatsbürgerlicher Disziplin“, also des Gehorsams der „Gewaltunterworfenen“ gegenüber Gesetzen, die nicht ihrerseits flüchtlingsschutzrelevanten Inhalt haben, ist daher für sich allein - auch wenn hierbei mit großer Härte vorgegangen wird - keine politische Verfolgung (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.5.1986, 9 C 35.86 u. 9 C 36.9 C 36.86, BVerwGE 74, 226, juris Rn. 15; Urt. v. 17.5.1983, 9 C 36.83, BVerwGE 67, 184, juris Rn. 34). Unter diesen Gesichtspunkten ist daher auch der Zweck konkret angedrohter oder befürchteter Sanktionen festzustellen. Von gleicher Bedeutung können auch die konkreten Umstände staatlichen Vorgehens und die praktische Handhabung der Sanktionsnorm sein. Insoweit sind sowohl etwaige Manipulationen des Strafvorwurfs wie auch die formellen Kriterien zu würdigen, nach denen ein staatlicher Eingriff stattfindet. Es macht einen Unterschied, ob die Entscheidung durch unabhängige, nur einem bereits vorliegenden Gesetz unterworfene allgemeine Gerichte erfolgt oder staatlichen Organen wie Polizei, Militär, Sondergerichten überantwortet wird bzw. gar ohne rechtliche Grundlage und ohne Durchführung eines geordneten Verfahrens erfolgt. Eine insoweit bestehende Bindungslosigkeit der staatlichen Strafgewalt spricht in erheblichem Maße für eine politische Verfolgung (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.5.1983, 9 C 36.83, BVerwGE 67, 184, juris Rn. 35 f.).
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Ein Staat kann eine politisch motivierte Verfolgung schließlich auch ohne Rücksicht auf das Vorhandensein einer (zugeschriebenen) Überzeugung betreiben. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn der Staat an sich belanglose äußere Verhaltensweisen seiner Bürger, wie z.B. das illegale Verlassen des Heimatstaates oder einen im Ausland gestellten Asylantrag, pauschal zum Anlass für eine Gesinnungsverfolgung nimmt. Eine solche Verfolgungssituation kommt aber nur in Ausnahmefällen in Betracht und setzt ein in besonderem Maße unduldsames Regime voraus, das aufgrund einer alle Lebensbereiche umfassenden ideologisch einseitig ausgerichteten totalitären Struktur zu Überreaktionen neigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.10.1986, 9 C 28.85, juris Rn. 26).
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Nach diesen Maßstäben ist nicht festzustellen, dass in Eritrea die strafrechtliche Sanktionierung von illegaler Ausreise und Umgehung des Nationaldienstes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zielgerichtet eingesetzt wird, um betroffene Personen wegen ihrer - auch nur zugeschriebenen - politischen Überzeugung zu treffen. Bei zusammenfassender, qualitativer Würdigung der vorliegenden Erkenntnisquellen überwiegen zur Überzeugung des Senats die Tatsachen, die dagegen sprechen, dass der eritreische Staat jedem eritreischen Staatsbürger, der illegal ausgereist ist und dadurch den Nationaldienst umgeht, generell eine Regimegegnerschaft bzw. oppositionelle politische Überzeugung unterstellt, die dafür sprechenden Umstände. Im Einzelnen:
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Zunächst deutet die willkürliche und außergerichtliche Sanktionierungspraxis für die hier in Rede stehenden Delikte auf eine hinter der Bestrafung stehende politische Motivation des eritreischen Staates hin. Für eine entsprechende Zielrichtung der regelhaft unverhältnismäßig harten Bestrafung unter menschenrechtswidrigen Bedingungen spricht auch, dass der Nationaldienst in Eritrea als politisches Projekt neben der Verteidigung auch dem Wiederaufbau des Landes und als „Schule der Nation“ der Vermittlung einer nationalen Ideologie dienen soll (vgl. EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 32 [G 1/15]; SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 11 [G 8/16]; SFH, Eritrea: Nationaldienst, 30.6.2017, S. 6 [G 3/17]). Allerdings spricht das relativ breite Spektrum von möglichen Sanktionen gegen die Annahme, dass ihnen generell ein politischer Charakter zukommt (so auch VG Regensburg, Urt. v. 27.10.2016, RN 2 K 16.31289, juris Rn. 31; VG Arnsberg, Urt. v. 4.6.2018, 12 K 3519/16.A, juris Rn. 85). Neben den Haftstrafen, die für sich genommen eine Spanne von wenigen Wochen bis zu mehreren Jahren umfassen können, kann die Bestrafung auch nur in einer Belehrung liegen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 25.2.2018, S. 19 [2018/1]). Darüber hinaus wird über Fälle berichtet, in denen Betroffene einer Sanktionierung entgangen sind (vgl. United States Department of State (USDOS), Eritrea 2017, Human Rights Report, 20.4.2018, S. 14 [G 4/18]; Immigration and Refugee Board of Canada (IRB Canada), Eritrea: Situation of people returning to the country after they either spent time abroad, claimed refugee status, or were seeking asylum (July 2015 – May 2017), 14.6.2017 [G 22/17]). Würde der eritreische Staat allen Personen, die illegal ausgereist sind und dadurch die Ableistung des Nationaldienstes umgangen haben, generell eine Regimegegnerschaft unterstellen, wäre zu erwarten, dass er diesem Umstand in der Bestrafungspraxis auch Rechnung trägt und alle Betroffenen (im Wesentlichen gleichermaßen hart) bestraft. Gegen eine politische Zielrichtung spricht ferner der Zweck der Sanktionierungsmaßnahmen, die nach der UN-Untersuchungs-kommission der Erzwingung von Geständnissen, Informationsgewinnung, Bestrafung für angebliches Fehlverhalten sowie der Schaffung eines allgemeinen Klimas der Angst zur Aufrechterhaltung der Disziplin und völkerrechtswidrigen Kontrolle über die eigene Bevölkerung dienen, wobei die Anwendung von Folter einen integralen Bestandteil bildet (vgl. HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 25 (Nr. 97), S. 65 (Nr. 258, 260), S. 68 (Nr. 270) [G 6/16]). Damit zielen sie jedoch nicht individuell auf ein (unterstellte) politische Überzeugung der Betroffenen ab, sondern sind vielmehr Ausdruck des totalitären Herrschaftsanspruchs des eritreischen Regimes, dessen Durchsetzung gegenüber der Bevölkerung für sich genommen noch keine politische Verfolgung darstellt. Soweit für die Grenztruppen Eritreas ein Schießbefehl („shoot-to-kill order“) bezüglich Personen bestehen soll, die versuchen, illegal das Land zu verlassen, kommt diesem Indiz für eine generelle Unterstellung einer Regimegegnerschaft insofern keine durchgreifende Bedeutung zu, als der Befehl zumindest in den letzten Jahren wohl nicht mehr systematisch und weniger rigoros angewandt wird (vgl. SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 30 m.w.N. [G 8/16]). Hierzu wird von der UN-Untersuchungskommission unter anderem ausgeführt, dass Ausreisende nicht mehr getötet, sondern zwecks Festnahme verletzt werden sollen (vgl. HRC, Report of the Detailed Findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 319 (Nr. 1116) [G 6/15]; ders., Report of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 9.5.2016, S. 32 f. (Nr. 133) u. S. 78 f. (Nr. 315) [G 1/16]). Auch die unmenschlichen Haftbedingungen einschließlich Folter im Falle einer Inhaftierung wegen Verstößen gegen die Nationaldienstpflicht bzw. wegen (versuchter) illegaler Ausreise lassen nicht per se auf eine - im Verhältnis zu anderen Straftätern in Eritrea - außergewöhnlich harte Bestrafung wegen einer politischen Überzeugung („Politmalus“) schließen, da die Bedingungen und Behandlungen in den Gefängnissen Eritreas generell als extrem hart beschrieben werden und potentiell alle eritreischen Staatsangehörigen gleichermaßen treffen (vgl. HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 32 (Nr. 131) sowie, bezüglich der Anwendung von Folter, S. 65 f. (Nr. 260 ff.) [G 6/16]).
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Soweit auch aktuellere Erkenntnisquellen wie etwa die Berichte der UN-Untersuchungskommission noch darauf hinweisen, dass Personen, die illegal ausreisen und/oder sich dem Nationaldienst entziehen, als „Verräter“ angesehen werden (vgl. etwa HRC, Report of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 9.5.2016, S. 13 [G 1/16]; ders., Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 59 (Nr. 240) [G 6/16]; ders., Report of the Detailed Findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 114 (Nr. 431) [G 6/15]), und damit auf die generelle Unterstellung einer Regimegegnerschaft hindeuten, bleibt zum einen teilweise unklar, ob sich diese Zuschreibung auf alle Formen der Nichtableistung des Nationaldienstes bezieht oder nur auf solche Personen, die desertiert sind oder sich sonst aus dem aktiven Dienst entfernt haben bzw. sich einer im Zeitpunkt der Ausreise bereits bestehenden Dienstpflicht entziehen. Zum anderen beziehen sich die Quellen insoweit nur auf zwangsweise zurückgeführte Eritreer (vgl. die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Stellungnahme von Amnesty International an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 2. August 2018, Anlage 1 zum Sitzungsprotokoll vom 21.9.2018, S. 3; siehe auch AI, Eritrea: 20 Years of Independence, But Still No Freedom, 2013, S. 30 ff., S. 37 [G 2/13]; IRB Canada, Eritrea: Situation of people returning to the country after they either spent time abroad, claimed refugee status, or were seeking asylum (September 2014 – June 2015), 18.11.2015 [G 5/15]; HRC Report of the Detailed Findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 114 (Nr. 431) [G 6/15]). Wie auch das UK Upper Tribunal (Urt. v. 7.10.2016, Eritrea CG [2016] UKUT 00443, S. 126, Rn. 337 [G 7/16]) zutreffend ausführt, ist jedoch hinsichtlich der Sicht des eritreischen Staates auf Rückkehrer zwischen denjenigen, die freiwillig zurückkehren (dazu näher unten, S. 29) und solchen, die zwangsweise - und damit öffentlichkeitswirksamer - zurückgeführt werden, zu unterscheiden.
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Die Stellungnahme von Amnesty International an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 2. August 2018 geht zudem unzutreffend davon aus, dass das so genannte „Reueformular“, welches Eritreer im Ausland, die sich der Nationaldienstpflicht entzogen haben, unterzeichnen müssen, bevor sie Zugang zu - insbesondere konsularischen - Dienstleistungen von eritreischen Behörden erhalten, ein Geständnis dahingehend enthält, dass die Betroffenen „Verrat“ begangen hätten. Vielmehr heißt es in dem Formular lediglich, dass der Unterzeichnende bedauere, dadurch ein Vergehen begangen zu haben, den Nationaldienst nicht zu erfüllen, und dass er bzw. sie bereit sei, zu gegebener Zeit eine angemessene Bestrafung zu akzeptieren (vgl. die englische Übersetzung des „Immigration and Citizenship Services Request Form“ in: HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 477 [G 6/15]: „[...] I regret having committed an offence by not completing the national service and am ready to accept appropriate punishment in due course“).
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Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Berichte der UN-Untersuchungs-kommission überwiegend auf Aussagen von im Ausland vernommenen Zeugen beruhen, ohne diese Aussagen einer bestimmten Zeit innerhalb des 25 Jahre umfassenden Berichtszeitraums zuzuordnen und damit politische und gesellschaftliche Entwicklungen aufzuzeigen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 21.11.2016, S. 6 [2016/2]). Überdies bezieht sich die UN-Untersuchungskommission hauptsächlich auf Fälle von Eritreern, die in den Jahren 2002 bis 2008 zwangsweise zurückgeführt wurden (vgl. HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 114 ff. (Nr. 427 ff.), S. 300 (Nr. 1070) [G 6/15]), berichtet aber auch darüber, dass im Jahr 2014 sieben ältere Männer freigelassen worden seien und eine weitere Gruppe rückgeführter Eritreer, die die Zahlung einer zweiprozentigen Steuer belegen konnten, nicht verhaftet und eingezogen worden sei (vgl. HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 115 f. (Nr. 436) [G 6/15]; vgl. auch UKHO, Country Policy and Information Note - Eritrea: National service and illegal exit, October 2016, S. 85 [G 18/16]).
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Gerade die Möglichkeit, dass illegal ausgereiste Eritreer, nachdem sie sich drei Jahre im Ausland aufgehalten haben, gegen Zahlung einer sogenannten Aufbau- bzw. Diasporasteuer („2 %-Steuer“) und - bei Nichterfüllung der Nationaldienstpflicht - Unterzeichnung eines sogenannten Reueformulars in der Regel unbehelligt nach Eritrea ein- und wieder ausreisen und sich dort jedenfalls vorübergehend, etwa zu Besuchszwecken, aufhalten können (vgl. SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 32 ff., 41, 43 [G 8/16]; AI, Stellungnahme zum Umgang mit Rückkehrern und Kriegsdienstverweigerern in Eritrea, 28.7.2017, S. 2 [G 8/17]) zeigt, dass der eritreische Staat von einer Bestrafung solcher Personen ohne Rücksicht auf deren (vermeintlich) abweichende politische Überzeugung zugunsten ökonomischer Interessen absieht (so auch VG Berlin, Urt. v. 1.9.2017, 28 K 166.17.A, juris Rn. 44; VG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.2017, 6 K 7338/16.A, juris Rn. 202). Zwar ist dabei, worauf der Kläger hinweist, zu berücksichtigen, dass die Berichte hierüber zum Teil auf Interviews mit Rückkehrern nach Eritrea beruhen, die von Mitarbeitern eritreischer Behörden begleitet und übersetzt wurden (vgl. SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 34 [G 8/16]; UKHO, Report of a Home Office Fact-Finding Mission, Eritrea: illegal exit and national service, Conducted 7-20 February 2016, Oktober 2016, S. 8, 107-114, 117, 214-220, 228 [G 13/16]). Allerdings bestätigen die in Eritrea geführten Gespräche jedenfalls, dass tatsächlich zahlreiche Eritreer von der Rückkehrmöglichkeit Gebrauch machen (vgl. SEM, a.a.O., S. 35 f.; UKHO, a.a.O., S. 101; vgl. auch AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 21.11.2016, S.17 [2016/2]). Wenngleich die mit dem Diaspora-Status verbundene freiwillige Rückkehrmöglichkeit - insbesondere vor dem Hintergrund des willkürlichen Agierens der eritreischen Behörden - keine hinreichende Sicherheit vor einer Bestrafung bieten und die Zahlung der zweiprozentigen Steuer den Betroffenen auch aus den vom Kläger angestellten Erwägungen nicht zuzumuten sein dürfte, spricht gleichwohl die bloße Eröffnung der Rückkehrmöglichkeit durch den eritreischen Staat erheblich dagegen, dass rückkehrenden Personen, die illegal ausgereist sind und den Nationaldienst nicht abgeleistet haben, generell eine politische Gegnerschaft zugeschrieben wird (so auch VG Berlin, Urt. v. 1.9.2017, 28 K 166.17.A, juris Rn. 46, VG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.2017, 6 K 7338/16.A, juris Rn. 190 ff.). Vielmehr scheint der eritreische Staat die Flucht seiner Angehörigen ins Ausland unter anderem bewusst dafür zu nutzen, sich finanzielle Einnahmequellen zu erschließen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea Stand November 2016, 21.11.2016, S. 17 [2016/2]), und misst einer möglicherweise dahinter stehenden politischen Überzeugung jedenfalls keinen bedeutsamen Stellenwert mehr zu. Vor diesem Hintergrund kann ungeachtet der ideologisch ausgerichteten und totalitären Struktur des eritreischen Staats insbesondere nicht angenommen werden, dass er gegenüber allen illegal ausgereisten Nationaldienstpflichtigen zu Überreaktionen neigt und pauschal eine Gesinnungsverfolgung betreibt (so auch bereits VG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.2017, 6 K 7338/16.A, juris Rn. 202).
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Gegen die generelle Unterstellung einer Regimegegnerschaft durch den eritreischen Staat spricht schließlich auch, dass der Nationaldienst heute neben Verteidigungszwecken vor allem der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, der Steigerung der Gewinne der staatlich unterstützten Unternehmen und der Aufrechterhaltung der Kontrolle über die eritreische Bevölkerung dient (vgl. HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 58 (Nr. 234) [G 6/16]). Angehörige des militärischen Teils des Nationaldienstes leisten ihren Dienst nicht allein im eritreischen Militär, sondern auch beim Aufbau von Infrastruktur, wie dem Bau von Wohnungen, Dämmen, Straßen, Kliniken oder Schulen, und in der Landwirtschaft. Angehörige des zivilen Teils des Nationaldienstes arbeiten zudem in Schulen, Gerichten oder in der medizinischen Versorgung (vgl. SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016), S. 11 f. [G 8/16]; HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 22 f. (Nr. 88 ff.) [G 6/16]; SFH, Eritrea: Nationaldienst, 30.6.2017, S. 7 [G 3/17]). In einem Interview im Jahr 2008 erklärte der eritreische Präsident Isaias Afewerki, dass es aufgrund des jahrelangen Kriegszustandes erforderlich gewesen sei, die Mehrheit der Jugendlichen zu mobilisieren; diese Ressource werde nunmehr genutzt, um eine solide Grundlage für die Wirtschaft des Landes zu schaffen (vgl. Ausschnitt des Interviews wiedergegeben in: HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 52 (Nr. 208) [G 6/16]). Vor diesem Hintergrund wird angenommen, dass der ursprünglich mit „legitimen Zielsetzungen“ verbundene Nationaldienst wegen seines unbedingten und unbefristeten Charakters mittlerweile zu bloßer Zwangsarbeit „degeneriert“ sei (vgl. Kibreab, The Open-Ended Eritrean National Service: The Driver of Forced Migration, S. 16 [G 3/14]; vgl. auch AI, Just deserters: Why indefinite national service in Eritrea has created a generation of refugees, Dezember 2015, S. 6, 12 [G 2/15]; HRC, Detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 8.6.2016, S. 22, 52 f., 83 (Nr. 88, 208 ff., 345) [G 6/16]), welche letztlich die eritreische Wirtschaft stützt.
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Letztlich kann aufgrund der zuletzt massenhaften Flucht von tausenden eritreischen Staatsangehörigen (vgl. HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 42 (Nr. 151) [G 6/15]; UKHO, Report of a Home Office Fact-Finding Mission, Eritrea: illegal exit and national service, Conducted 7-20 February 2016, Oktober 2016, S. 96 f. (Nr. 11.5.1, 11.5.2) [G 13/16]) nicht vernünftigerweise unterstellt werden, dass der eritreische Staat - jedenfalls weiterhin - jedem einzelnen Flüchtenden generell eine oppositionelle politische Haltung unterstellt. Denn auch dem eritreischen Staat muss bewusst sein, dass die übergroße Zahl der Emigranten Eritrea in erster Linie aufgrund der prekären Lebensbedingungen im Nationaldienst und aufgrund wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit und nicht aufgrund einer regimefeindlichen Haltung verlässt (vgl. auch UK Upper Tribunal (IAC), Urt. v. 7.10.2016, Eritrea CG [2016] UKUT 00443, Rn. 337 [G 7/16]). Migrationsauslöser sind primär die Dauer des Nationaldienstes, die Bedingungen, unter denen dieser geleistet werden muss, die fehlende Gewährung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Rechte sowie fehlende weitergehende Bildungs- und privatwirtschaftliche Erwerbsmöglichkeiten und der damit einhergehende Verlust an Lebensperspektiven. Vor diesem Hintergrund hat sich das Phänomen der Emigration insbesondere junger Personen aus Eritrea - wie auch dem eritreischen Regime bekannt ist - in letzter Zeit deutlich verstärkt (vgl. Schweizerisches Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 30.1.2017, D-7898/2015 [G 6/17]; AI, Just Deserters: Why indefinite national Service in Eritrea has created a generation of refugees, S. 39 [G 2/15]; FAZ v. 21.3.2017, S. 3, „Auf gepackten Koffern“ [Presseordner]).
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Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Klägers aufgrund individueller Umstände eine abweichende Betrachtung angezeigt wäre, liegen nicht vor. Vielmehr spricht der Umstand, dass er Eritrea als 14-Jähriger mehrere Jahre vor Beginn seiner Nationaldienstpflicht verlassen hat und dieser insofern lediglich durch „Nichtanwesenheit“ nicht nachgekommen ist, ebenfalls dagegen, dass der eritreische Staat ihm bei einer (hypothetischen) Rückkehr eine oppositionelle politische Überzeugung zuschreiben und ihn gerade wegen dieser zu inhaftieren suchen würde. Dass sich der Kläger oppositionell oder sonst politisch betätigt hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Schließlich begründet auch der Umstand, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass ihm im Falle einer Rückkehr nach Eritrea von den dortigen Behörden eine Regimegegnerschaft zugeschrieben werden würde und damit Verfolgungshandlungen in Anknüpfung an eine (unterstellte) politische Überzeugung drohten. Eine dahingehende Überzeugung vermag der Senat aus den vorliegenden Erkenntnisquellen nicht zu gewinnen. Soweit in der Stellungnahme von Amnesty International an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 2. August 2018 (Anlage 1 zum Sitzungsprotokoll vom 21.9.2018, S. 3) zum Ausdruck kommt, dass Berichte zurückgeführter Asylbewerber nahe legten, die Beantragung von Asyl im Ausland werde von der eritreischen Regierung als Kritik angesehen, wird dies zum einen ausdrücklich aus Erkenntnissen über die Behandlung von „Rückgeführten“ und „nur aus früheren Jahren“ abgeleitet (S. 2 der Stellungnahme; unter Bezugnahme u.a. auf AI, Eritrea: 20 Years of Independence, But Still No Freedom, 2013 [G 2/13]), zum anderen betreffen die in Bezug genommenen Erkenntnisse ersichtlich nicht Fälle, in denen allein eine Asylantragstellung Anknüpfungspunkt für Maßnahmen des eritreischen Staates gewesen sein konnte. Dementsprechend wird in einer früheren Stellungnahme von Amnesty International auch zutreffend darauf hingewiesen, dass es praktisch nicht vorkomme, dass ein Eritreer ein Asylgesuch gestellt habe, ohne zuvor unrechtmäßig aus Eritrea ausgereist zu sein oder sich dem Nationaldienst unrechtmäßig entzogen zu haben, so dass sich keine Aussage darüber treffen lasse, ob allein das Stellen eines Asylgesuchs - unter der Prämisse der rechtmäßigen Ausreise und der Freistellung vom nationalen Dienst - zu Reaktionen durch die eritreischen Behörden führen würde (vgl. AI, Stellungnahme zum Umgang mit Rückkehrern und Kriegsdienstverweigerern in Eritrea, 28.7.2017, S. 4 [G 8/17]; siehe auch UKHO, Country Policy and Information Note - Eritrea: National service and illegal exit (Version 5.0), Juli 2018, S. 53 f. [G 13/18], wo unter Wiedergabe einer Auskunft von Landinfo vom 27.4.2016 ausgeführt wird, dass keine empirische Grundlage für eine Aussage dazu bestehe, dass ein Asylantrag für sich genommen zu Reaktionen von eritreischen Behörden führt; vgl. dazu auch UK Upper Tribunal, Urt. v. 7.10.2016, Eritrea CG [2016] UKUT 00443, S. 126, Rn. 336 [G 7/16]). Dass einer Asylantragstellung neben bzw. nach der illegalen Ausreise und der Nichtableistung des Nationaldienstes - wie im Fall des Klägers - keine entscheidende Bedeutung zukommt, zeigt insbesondere der oben beschriebene Umgang des eritreischen Staates mit freiwilligen Rückkehrern, zu denen auch anerkannte Asylbewerber zählen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand November 2016, 21.11.2016, S. 17 [2016/2]; Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand: November 2017, 25.2.2018, S. 18 [2018/1]).
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(2) Entgegen der Auffassung des Klägers kommt der Strafdrohung wegen illegaler Ausreise auch nicht für sich genommen unter dem Gesichtspunkt der Republikflucht politischer Charakter zu.
- 63
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich die Frage, ob eine Bestrafung wegen unerlaubten Verlassens des Heimatstaates kriminellen oder politischen Charakter hat, nicht allgemein beantworten, sondern entscheidet sich nach dem Strafzweck, dem Maß der Strafe sowie den Umständen der „Tatbegehung“ (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.1971, 1 C 30.68, BVerwGE 39, 27, juris Rn. 9), das heißt danach, ob die Bestrafung in Anknüpfung an die - jedenfalls vermutete - politisch-oppositionelle Überzeugung des Täters erfolgt (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.3.1994, 9 C 510.93, juris Rn. 14). Politische Verfolgung liegt dann vor, wenn die Strafdrohung der Abwehr und Ahndung des auf abweichender politischer Überzeugung beruhenden Wunsches dient, in einem anderen Lande leben zu können (BVerwG, Urt. v. 15.3.1994, 9 C 510.93, juris Rn. 14; Urt. v. 7.10.1975, 1 C 34.71, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 10). Asylberechtigt ist derjenige, der (auch) in einer von der herrschenden Staatsdoktrin abweichenden politischen Überzeugung getroffen werden soll, die sein Heimatstaat allein schon wegen des unerlaubten Aufenthalts im Ausland annimmt (BVerwG, Urt. v. 6.12.1988, 9 C 22.88, BVerwGE 81, 41, juris Rn. 11). Hingegen kommt Strafvorschriften, die der Durchsetzung ordnungsrechtlicher Aus- und Einreisebestimmungen dienen, kein politischer Charakter zu. Diese Unterscheidung kann grundsätzlich nicht getroffen werden, ohne die Eigenart des Staates in Betracht zu ziehen, von dem die Bestrafung ausgeht. Gestattet er seinen Staatsangehörigen die Ausreise und den Aufenthalt im Ausland, die grundsätzlich verhindert werden sollen, nur ausnahmsweise und unter politischen Gesichtspunkten, so erfüllt die Bestrafung der unerlaubten Ausreise in aller Regel dieselbe Funktion wie eine nach innen befestigte und bewachte Grenze: Sie soll eine „Abstimmung mit den Füßen“ verhindern (BVerwG, Urt. v. 26.10.1971, 1 C 30.68, BVerwGE 39, 27, juris Rn. 10; Urt. v. 24.4.1979, 1 C 49.77, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 13). Allein aus dem Inhalt der jeweiligen Strafvorschriften lässt sich daher noch nicht beantworten, ob drohender Bestrafung wegen unerlaubter Ausreise bzw. unerlaubten Verbleibens im Ausland asylerhebliche Bedeutung zukommt. Es müssen vielmehr die Gesamtverhältnisse im Herkunftsland berücksichtigt werden (BVerwG, Urt. v. 31.3.1981, 9 C 1.80, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 25; siehe zum Vorstehenden insgesamt BVerwG, Urt. v. 15.3.1994, 9 C 510.93, juris Rn. 14).
- 64
In Anwendung dieser Grundsätze lässt sich hinsichtlich der Bestrafung wegen illegaler Ausreise in Eritrea kein politischer Charakter im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts feststellen. Wie bereits oben ausgeführt, ist es ungeachtet des totalitären, willkürlich und menschenrechtswidrig agierenden Regimes in Eritrea nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Bestrafung (weiterhin) in Anknüpfung an eine - jedenfalls vermutete - politisch-oppositionelle Überzeugung der illegal Ausreisenden erfolgt, um sie in einer von der herrschenden Staatsdoktrin abweichenden politischen Überzeugung zu treffen. Bei Würdigung aller erkennbaren Umstände dient die Strafdrohung für illegale Ausreise auch nicht der Abwehr und Ahndung des auf abweichender politischer Überzeugung beruhenden Wunsches, in einem anderen Lande leben zu können, sondern vorrangig der Aufrechterhaltung des Nationaldienstregimes bzw. der hiervon abhängigen Wirtschaft. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass die - in der Praxis durchaus vorkommende (siehe HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 5.6.2015, S. 108 f. (Nr. 403 ff.) [G 6/15], wonach unter anderem auch (älteren) Familienmitgliedern von Oppositionellen Ausreisevisa ausgestellt wurden) - Erteilung von Ausreisevisa nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern vor allem vom Alter der betroffenen Person bzw. vom Nachweis der Erfüllung der Nationaldienstpflicht (oder einer Befreiung hiervon) abhängig ist (vgl. UKHO, Country Policy and Information Note Eritrea: National service and illegal exit, version 5.0, Juli 2018, S. 45 [G 13/18]). Dies deckt sich mit der von Professor Kibreab geäußerten Auffassung, dass das eritreische Regime nicht diejenigen bestrafe, die illegal das Land verließen, sondern solche, die aus dem Nationaldienst desertierten oder sich der Einberufung entzögen; illegal ausgereiste Personen seien keinem (Bestrafungs)Risiko ausgesetzt, sofern sie nicht als der zweiten Gruppe zugehörig angesehen würden (vgl. UK Upper Tribunal, MST and Others (national service – risk categories) Eritrea CG [2016] UKUT 00443 (IAC), Appendix III d. Urt. v. 7.10.2016, S. 207 (Nr. 61) [G 7/16]).
III.
- 65
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 66
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen. Die im Berufungsverfahren zu entscheidende Frage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), ob eritreische Behörden einer Person, die illegal aus Eritrea ausgereist ist und sich dadurch der Ableistung des Nationaldienstes entzieht, allein aufgrund dieser Umstände eine Regimegegnerschaft unterstellen, ist eine Tatsachenfrage. Tatsachenfragen unterfallen jedoch nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017, 1 B 22.17, NVwZ 2017, 1204, juris).
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Urteil einreichenHamburgisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 21. Sept. 2018 - 4 Bf 232/18.A zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.
(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.
(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.
(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht
- 1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und - 2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.
(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.
(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
- 1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird, - 2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen, - 3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist, - 4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und - 5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
- 1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird, - 2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen, - 3.
er die deutsche Sprache beherrscht, - 4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und - 5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger, nach eigenen Angaben ein am ... Januar 1998 in Khan Amaba/Region Qunaitra geborener Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, tscherkessischer Volkszugehörigkeit und moslemischen (sunnitischen) Glaubens, begehrt über den gewährten subsidiären Schutz hinaus die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
- 2
Der Kläger reiste nach eigenen Angaben am 14. Januar 2016 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, meldete sich am 29. Januar 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und beantragte am 13. Mai 2016 die Gewährung von Asyl. Er legte einen Reisepass der Arabischen Republik Syrien vor, der am 30. Dezember 2015 im „Qunaitra-Center“ mit einer Gültigkeitsdauer von 2 Jahren ausgestellt worden ist und als Geburtsort „Qunaitra“ angibt. Zugleich legte er einen vom Innenministerium der Arabischen Republik Syrien am 3. Oktober 2012 ausgestellten Personalausweis vor, wonach er in Khan Amaba geboren und in Bariqa wohnhaft ist.
- 3
In seiner Anhörung am 28. Juli 2016 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gab der Kläger an, Syrien am 6. Januar 2016 auf dem Luftweg von Damaskus über Beirut verlassen zu haben und über Istanbul, Griechenland, die Balkanroute und Österreich in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Die Reise habe 1 Mio. syrische Lira gekostet. Das Geld stamme von seinen Eltern. Er habe Syrien legal verlassen. Am Flughafen habe eine Kontrolle stattgefunden. Er habe seinen Reisepass vorgelegt. Es habe keine Probleme gegeben. Er habe zuletzt in Damaskus mit seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt. Seine Schwester sei mit ihm ausgereist und befinde sich im Bundesgebiet. Sein Bruder lebe bei seinen Eltern in Damaskus. Er selbst habe die 11. Schulklasse abgeschlossen, die Schule aber ohne Abitur verlassen, weil er Angst gehabt habe, ggf. Wehrdienst verrichten zu müssen. Im Dezember 2015 sei eine Regelung in Kraft getreten, wonach der Geburtsjahrgang 1998 zum Wehrdienst eingezogen werden könne. Er habe eine Zwangsrekrutierung an einer Kontrollstelle beobachtet, sich selbst aber noch schnell entfernen können. Vertreter des Militärs hätten ihn weder aufgesucht noch schriftlich kontaktiert. Er hätte aber sein Wehrdienstbuch am 2. Januar 2016 abholen sollen. Dies habe er nicht getan. Bei der Ausreise sei er am Flughafen gefragt worden, ob er abhauen wolle. Er habe gesagt, er begleite seine Schwester. Er habe zu keinem Zeitpunkt in Syrien Probleme mit Behörden oder offiziellen Stellen gehabt und habe sich nie politisch engagiert. Er befürchte, bei seiner Rückkehr willkürliches Opfer des Krieges zu werden und zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Im Falle einer Rückkehr würde man ihn unverzüglich inhaftieren.
- 4
Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 30. August 2016 wurde dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt und im Übrigen der Asylantrag abgelehnt (Ziffer 2. des Bescheids). Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, der Kläger habe eine Furcht vor einer Einberufung zum Wehrdienst weder konkret noch substantiiert dargelegt. Er habe auch keine geeigneten Beweismittel vorgelegt, die eine begründete Furcht unterstreichen würden. Der Bescheid ist dem Kläger am 8. September 2016 zugestellt worden.
- 5
Am 21. September 2016 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er macht geltend, ihm drohe eine die Flüchtlingseigenschaft begründende Bestrafung, weil er sich dem Wehrdienst entzogen habe. Zudem sei beachtlich wahrscheinlich, dass er im Falle einer Rückkehr nach Syrien allein wegen der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung sowie des längeren Auslandsaufenthalts verfolgt werde; es würde vermutet werden, dass er gegen das Assad-Regime eingestellt sei. Insoweit sei die Flüchtlingseigenschaft auch ohne individuelle Verfolgungsgeschichte zuzuerkennen. Diese Gefährdungslage sei für wehrpflichtige Männer erhöht. Jedenfalls sei beachtlich wahrscheinlich, dass er nach Rückkehr zum Militärdienst eingezogen und damit gezwungen werde, sich in eine Armee einzufügen, aus deren Reihen heraus im aktuell herrschenden Bürgerkrieg Kriegsverbrechen und Folter begangen würden. Zudem weise er nochmals vorsichtshalber darauf hin, dass er Tscherkesse sei.
- 6
Ergänzend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er nicht zum Militär wolle, weil er niemanden umbringen und nicht getötet werden wolle. Sein Wehrbuch habe er nicht abholen können. An Kriegsverbrechen wolle er nicht teilnehmen, würde aber wohl dazu gezwungen werden. Das Militär habe sich nach seiner Ausreise nicht an seine Eltern gewandt. Er sei Tscherkesse und werde als solcher in Syrien nicht gemocht. Er habe in Syrien viele Sachen verloren. Seine Familie sei derzeit in Syrien.
- 7
Der Kläger hat beantragt,
- 8
unter Aufhebung des Bescheids vom 30. August 2016 in Ziffer 2 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen.
- 9
Die Beklagte hat beantragt,
- 10
die Klage abzuweisen.
- 11
Mit Urteil vom 15. März 2017 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Dem Kläger drohe im Falle einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien nicht beachtlich wahrscheinlich Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG. Der Kläger habe vor seiner Ausreise keine Verfolgung in Syrien erlitten. Dem Kläger drohe auch nicht wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längeren Auslandsaufenthalts beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgung. Es gebe keine zureichenden tatsächlichen Erkenntnisse, dass die syrischen Sicherheitsbehörden letztlich jedem Rückkehrer, der Syrien (illegal) verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten habe, der Opposition zurechnen würden. Dies erscheine lebensfremd, da angesichts von fast 5 Millionen Flüchtlingen auch aus der Sicht des syrischen Staates erkennbar sein dürfte, dass der Großteil der Ausgereisten das Land nicht als Ausdruck politischer Gegnerschaft zum Staat und seiner Regierung, sondern aus Angst vor dem Bürgerkrieg verlassen habe. Obwohl in den Jahren 2013 bis 2015 ca. 127.800 Syrer nach erfolgter Ausreise in ihr Heimatland zurückgekehrt seien und trotz der engagierten und intensiven Beobachtung durch oppositionelle Gruppen, internationale Helfer und Hilfsorganisationen fehle es an Informationen, die eine Gefahrenlage für rückkehrende Syrer wegen ihres Asylantrages und Aufenthalts im Bundesgebiet und wegen illegalen Verlassens Syriens belegen würden. Vor diesem Hintergrund könnten Berichte über Einzelvorkommnisse nicht von ausschlaggebender Bedeutung für die Begründung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit sein. Dem Kläger drohe auch nicht in Bezug auf eine mögliche Wehrdienstentziehung, die er begangen haben könnte, weil er Syrien ohne die notwendige Ausreisegenehmigung verlassen habe, beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgung. Es bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ihm eine erhebliche Verfolgungshandlung wegen einer aufgrund der Wehrdienstentziehung vermuteten oppositionellen Einstellung drohen würden. Denn unter den 4,9 Millionen Flüchtlingen, die Syrien bis Ende 2015 verlassen hätten, dürften sich Hunderttausende junge Männer befinden, die noch nicht einberufen worden seien. Jedenfalls hinsichtlich dieser Personen dürfte es dem syrischen Staat vor allem darum gehen, die Betroffenen schnellstmöglich dem Militärdienst zuzuführen. Auch die Zahl der Rückkehrer, unter denen sich auch Militärdienstpflichtige befinden dürften, spreche gegen eine solche Gefahr. Schließlich stelle der mögliche Umstand, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr zum Militär einberufen würde und an Kriegshandlungen teilnehmen müsste, die sich als Kriegsverbrechen darstellen könnten, keine geschlechtsspezifische Verfolgung der Gruppe der Männer im wehrpflichtigen Alter dar. Eine Verfolgungswahrscheinlichkeit ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger eigenen Angaben zufolge vor der Ausreise in Damaskus gelebt habe und dem sunnitischen Glauben angehöre. Das Urteil ist der Klägervertreterin am 24. März 2017 zugestellt worden.
- 12
Auf den klägerischen Antrag vom 24. April 2017 hat der Senat mit Beschluss vom 19. Juli 2017 die Berufung zugelassen. Der Beschluss ist dem Kläger am 24. Juli 2017 zugestellt worden. Auf den klägerischen Antrag vom selben Tag ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 11. September 2017 verlängert worden. Mit am 11. September 2017 eingegangenem Schriftsatz trägt der Kläger vor, die Klage sei begründet. Ihm stehe ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu, da ihm bei Rückkehr nach Syrien begründete Furcht vor Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG drohe. Es sei beachtlich wahrscheinlich, dass ihm Strafverfolgung oder Bestrafung drohe wegen der Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, in dem der Militärdienst Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylG umfassen würde. Angesichts der fehlenden Möglichkeit, den Wehrdienst in Syrien zu verweigern und einen zivilen Ersatzdienst zu leisten sowie der damit drohenden möglichen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung im Falle einer Verweigerung eines militärischen Einsatzes, sei die Flucht die einzig sichere Möglichkeit, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Eine aktive Wehrdienstverweigerung gegenüber der syrischen Armee könne unter diesen Umständen nicht verlangt werden. Dies entspreche den Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutz (Nr. 10), nach welchen auch Personen, die sich vorsorglich, also vor Einberufung, dem Wehrdienst entziehen würden, unter die Schutzvorschrift fallen würden. Nach der Shepherd-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes sei die Inanspruchnahme des internationalen Schutzes nicht nur denjenigen vorbehalten, die persönlich die als Kriegsverbrechen einzustufenden Handlungen begehen müssten, insbesondere den Kampftruppen. Vielmehr sei der Schutz auch auf andere Personen auszudehnen, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheine, dass sie sich bei der Ausübung ihrer Funktionen in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müssten bzw. dass sie durch die Ausübung ihrer Funktion eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Verbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würden. Verübe wie in Syrien die gesamte Armee und nicht nur einzelne Einheiten Kriegsverbrechen, so sei es hinreichend, dass das „Militär als solches“ Kriegsverbrechen begehe. Insoweit unterscheide sich die syrische Armee von den US-Streitkräften, zu der die Shepherd-Entscheidung ergangen sei. Vor dem Hintergrund, dass die gesamte syrische Armee Kriegsverbrechen verübe, sei es offenkundig „hinreichend plausibel“, dass jeder Militärdienst, der bei der syrischen Armee abgeleistet werde, die Vorbereitung oder Durchführung der Handlungen nach § 3 Abs. 2 AsylG unerlässlich unterstütze. Hierzu zähle auch die Rekrutierung und Ausbildung neuer Streitkräfte, auch wenn noch nicht bekannt sei, welcher Einheit der Wehrpflichtige angehören werde. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass der Nachweis der sicheren eigenen Teilnahme an Verbrechen oder systematischen Rechtsverstößen der Einsatzeinheit nicht erforderlich sei, da dies den Prognosemaßstab der begründeten Furcht überdehnen würde. Entsprechendes ergebe sich auch aus den Zurechnungsmaßstäben des Bundesgerichtshofes zur strafrechtlichen Beihilfe an staatlich organisierten Massenverbrechen. In Bezug auf die syrische Armee sei insoweit maßgeblich zu berücksichtigen, dass die gesamte Armee als Apparat staatlich organisierte Kriegsverbrechen begehe und nicht nur bestimmte Einheiten oder gar Personen an diesen beteiligt seien. Sei eine Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG beachtlich wahrscheinlich, so bedürfe es keiner Verknüpfung mit einem Anknüpfungsmerkmal i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Insoweit finde die Verpflichtung aus dem humanitären Völkerrecht und dem internationalen Strafrecht, bestimmte Handlungen in bewaffneten Konflikten zu unterlassen, ihre Entsprechung im internationalen Flüchtlingsrecht im Fall von Personen, die eine Bestrafung zu gewärtigen hätten, weil sie die von ihnen gemäß Völkerrechts erwartete Zurückhaltung geübt hätten. Selbst wenn man jedoch die Erfüllung eines Anknüpfungsmerkmales im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG verlangen würde, so läge ein solches in der sozialen Gruppe von Männern, die sich der Einberufung oder Mobilisierung entzogen hätten. Den diversen sachverständigen Berichten, Auskünften und Stellungnahmen könne auch nicht die eigene „Lebenserfahrung“ entgegengehalten werden. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe insoweit zutreffend ausgeführt, dass der syrische Staat in Anbetracht der unbeschreiblichen Menschenrechtsverstöße ein willkürlich handelndes Unrechtssystem darstelle, das sich der Messung an Maßstäben wie der Lebenserfahrung entziehe. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass der UNHCR von Gerichten weltweit als maßgebliche Instanz zitiert werde und ihm unstreitig eine Aufsichtsfunktion über die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention zukomme. Auch ein internationaler Rechtsvergleich ergebe, dass der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen sei, wenn der Flüchtling den Wehrdienst verweigere, um derzeit oder in einem späteren Kriegsfall keine Kriegsverbrechen begehen zu müssen. Ergänzend wird auf den Schriftsatz der Klägervertreterin vom 2. Januar 2018 Bezug genommen.
- 13
Der Kläger beantragt,
- 14
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15. März 2017 (Az: 16 A 5081/16) und des Bescheides vom 30. August 2016 - soweit dieser entgegensteht - die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
- 15
Die Beklagte beantragt,
- 16
die Berufung zurückzuweisen.
- 17
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, aus der Quellenlage lasse sich nicht tragfähig ableiten, dass im Rahmen der Einreisekontrollen oder in der Folgezeit wehrdienstpflichtige Rückkehrer, die bislang noch keinen Einberufungsbefehl erhalten hätten, deshalb mit dem Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen befürchten müssten, weil sie nun im militärpflichtigen Alter zurückkehrten. In den vom Kläger angeführten Erkenntnisquellen werde insoweit letztlich übereinstimmend nur ausgeführt, dass Verfolgungsfälle überwiegend im Zusammenhang mit oppositionellen Aktivitäten oder einem nicht abgeleisteten Wehrdienst stünden. Den Quellen fehle jede nähere zahlenmäßige Konkretisierung. Dabei sprächen andere Quellen erkennbar gegen eine hinreichende Gefährdung. Denn laut Schätzungen der Vereinten Nationen und der Regierungen der Länder, die Flüchtlinge aufgenommen hätten, reisten jedes Jahr Hunderttausende von Flüchtlingen nach Syrien, die meisten, um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in benachbarte Länder einreisen würden. Eine solch umfangreiche Reisetätigkeit zeige, dass die in den benachbarten Ländern lebenden syrischen Flüchtlinge trotz des extrem repressiven Charakters des syrischen Staates davon ausgingen, im Rahmen der auch an den übrigen Grenzübergängen zu Syrien strengen Grenzkontrollen keiner besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein. Es liege dabei nahe, dass solche zeitweisen Rückreisen nicht nur Frauen und nicht bzw. nicht mehr wehrdienstpflichtige Männer unternähmen, sondern dass sich unter diesen zeitweisen Rückkehrern auch ein erheblicher Anteil an grundsätzlich wehrdienstpflichtigen Männern befinde, jedenfalls soweit diese noch nicht einberufen worden seien. Aus den klägerischen Ausführungen sei zudem nicht erkennbar, dass die Ableistung des Militärdienstes zwangsläufig als Teilnahme an Kriegsverbrechen und anderen völkerrechtswidrigen Handlungen einzustufen sei. Die Einberufung zu einer bestimmten Einheit, deren Angehörige allesamt durch die Ausübung ihrer Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung von Kriegsverbrechen zumindest unerlässliche Unterstützung leisten würden, sei weder behauptet noch nach den Umständen des Einzelfalls naheliegend. Trotz der Berichte über völkerrechtswidrige Handlungen zeige sich nach der Auskunftslage kein Bild von einem landesweit in solchem Ausmaß praktizierten Vorgehen, dass jedweder Militärangehörige bereits durch seinen Dienst zwangsläufig eine unerlässliche Unterstützung für die Vorbereitung oder für die Durchführung dieser Verbrechen leisten müsste bzw. würde. Auch nach der vom Kläger zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes sei es erforderlich, dass bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheine, dass der Betreffende durch die Ausübung seiner Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Verbrechen unerlässliche Unterstützung leiste. Nicht zu teilen sei die Auffassung des Klägers, dass es bei einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG keines festzustellenden Verfolgungsgrundes bedürfe, mit dem die Verfolgungshandlung verknüpft sei. Das Gegenteil ergebe sich ohne weiteres aus der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 3a Abs. 3 AsylG. Im Übrigen erfordere die tragfähige Prognoseerstellung, dass eine wenngleich notwendig hypothetische, so doch möglichst realitätsnahe Rückkehrsituation zugrunde gelegt werde. Von daher könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass dem Kläger bereits der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt sei, er daher allein dann einer Einreiseüberprüfung durch die syrischen Sicherheitskräfte ausgesetzt sein könne, wenn er freiwillig zurückkehre. Es sei nicht anzunehmen, dass die syrischen Sicherheitskräfte dem (hypothetisch) freiwillig zurückkehrenden Kläger eine oppositionelle Gesinnung unterstellen würden.
- 18
Hinsichtlich des Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung, insbesondere in Bezug auf die Anhörung des Klägers, wird ergänzend auf das Protokoll Bezug genommen. Das Gericht hat u.a. die das Asylverfahren der Schwester des Klägers betreffende Akte beigezogen. Die vom Gericht beigezogenen Akten sowie die im Protokoll der mündlichen Verhandlung näher genannten Erkenntnisquellen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
- 19
Die zulässige, insbesondere fristgerecht begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
A.
- 20
Die Klage ist zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die auf Gewährung des Flüchtlingsstatus gerichtete Verpflichtungsklage bei vorhandenem subsidiärem Schutzstatus ist im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung des nachfolgenden Aufenthaltsstatus (vgl. Aufenthaltsstatus nach § 25 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. [Flüchtling] oder 2. Alt. [subsidiärer Schutz] AufenthG; § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG) sowie dessen Verfestigungsmöglichkeiten (vgl. § 26 Abs. 3 und 4 AufenthG) unzweifelhaft gegeben (vgl. auch: OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 24).
B.
- 21
Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 1 AsylG zu.
- 22
In großen Teilen Syriens herrscht ein komplexer Bürgerkrieg (vgl. insgesamt: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - nachfolgend: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw. BFA -, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, v. 5.1.2017, G 26/17; IFK [das Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement - IFK - ist eine Forschungsabteilung der Landesverteidigungsakademie, der höchsten Lehr- und Bildungsstätte des Österreichischen Bundesheeres], Fact Sheet Syrien, Nr. 59 – 65 v. 10.02.2017, 27.03.2017, 28.04.2017, 09.06.2017, 25.07,2017, 15.09.2017, 13.10.2017). Daran beteiligt sind eskalierend seit 2011 neben einer sehr großen Anzahl kleinerer Gruppierungen nach derzeitigem Erkenntnisstand folgende größere Machtblöcke:
- 23
- der syrische Staat mit verschiedenen z.T. selbständig agierenden regierungsfreundlichen syrischen Milizen; diese werden durch Russland und den Iran sowie dem Iran nahestehende bzw. von diesem finanzierte überwiegend schiitische Milizen gestützt,
- 24
- unterschiedlich ausgeprägte islamistische Gruppierungen, die u.a. die Rebellenallianz der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) gebildet haben, von denen ein Teil mit der Unterstützung der Türkei im Nordwesten Syriens agiert,
- 25
- der Islamische Staat (Al-Dalls al-Islamiyaa -DAISH; nachfolgend: IS), sowie
- 26
- die Volksverteidigungseinheiten der kurdischen Partiya Yekitiya Demokrat (Partei der demokratischen Union, PYD), die durch die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützt werden.
- 27
Diese Akteure stehen wieder in Allianzen mit anderen kleineren Verbänden. Die „Frontlinien“ sind nicht scharf abtrennbar, jede Gruppe verfolgt ihre eigenen Interessen, die sich teilweise mit denen anderer Gruppierungen überlappen können (vgl. Gerlach, „Was geschieht in Syrien“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2016 S. 6 ff.). Die örtlichen Grenzverläufe unterliegen bisher einem ständigen Wandel (vgl. auch: Auswärtiges Amt [AA] v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, Az.508-9-516.80/48808, zu 5 K 7480/16.A, 2017/1; Deutsches Orient-Institut [DOI] v. 22.2.2017 an VGH Baden-Württemberg, G 1/2017; DOI, v. 1.2.2017 an Hessischen VGH, G 6/17). Im Mai 2017 wurden unter der Vermittlung Russlands, des Irans und der Türkei vier Deeskalationszonen eingerichtet (Idlib, Nord-Hama, Nord-Damaskus, Südsyrien), in denen die Kampfhandlungen zunächst für sechs Monate eingestellt werden sollten. Dennoch kam es in einigen Deeskalationszonen weiterhin zu deutlichen Kampfeinsätzen. Im Laufe des Jahres 2017 ist der Einflussbereich des durch den IS kontrollierten Gebiets erheblich zurückgedrängt worden. Nach Pressemeldungen hat Russland den Krieg gegen den IS Anfang Dezember 2017 für beendet erklärt; kurz darauf erklärte der Irak den IS für besiegt. Seitdem scheint es zu einer Konsolidierung der Machtbereiche des syrischen Regimes und der durch die Volksverteidigungseinheiten der kurdischen PYD kontrollierten Gebiete zu kommen (Truppendienst - herausgegeben vom Bundesminister für Landesverteidigung, Österreich -, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017). Der UNHCR (Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien von Februar 2017, Deutsche Version April 2017, G 7/17) spricht u.a. davon, dass „Regierungskräfte und ISIS ... weiterhin Verbrechen gegen die Menschlichkeit (begehen). Es werden hemmungslos Kriegsverbrechen begangen“ (vgl. Fn. 102). Diese Einschätzung ist im Wesentlichen gestützt auf die Berichte der im August 2011 von der vom Menschenrechtsrat der Generalversammlung der Vereinten Nationen (Human Rights Council der UN-Generalversammlung, UNHRC, nachfolgend: HRC) eingesetzten unabhängigen Untersuchungskommission betreffend die Arabische Republik Syrien (Independant International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic; nachfolgend: COI; u.a. Berichte vom 8.8.2017 - Fassung 6.9.2017 -, A/HCR/36/55, G 25/17; v. 10.3.2017, A/HRC/34/CRP.3, G 24/17; v. 2.2.2017, A/HRC/34/64, G 14/17; v. 11.8.2016, A HRC/33/55, G 14/16).
- 28
Der Machtbereich des Assad-Regimes ist gekennzeichnet durch ein System von Geheimdiensten, die versuchen, vom Assad-Regime abweichende Stimmen zu unterdrücken. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führt zu diesen aus (BFA v. 5.1.2017, G 26/17, S. 17):
- 29
„Syrien verfügt über eine Myriade von Sicherheits- und Geheimdiensten mit überlappenden Mandaten zur Sammlung von Informationen über die innere Sicherheit. Diese Einheiten können Gegner des Regimes festnehmen und neutralisieren (...). Die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden arbeiten autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen (...).
- 30
Es gibt vier Hauptzweige der Sicherheits- und Nachrichtendienste. Der Militärische Nachrichtendienst, der Luftwaffennachrichtendienst und das Direktorat für Politische Sicherheit unterstehen dem Innenministerium. Das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat ist eine alleinstehende Organisation und untersteht direkt dem Präsidenten. Diese vier Dienste arbeiten unabhängig voneinander und größtenteils außerhalb des Justizsystems, überwachen einzelne Staatsbürger und unterdrücken Stimmen innerhalb Syriens, die vom Regime abweichen (...). Der Staatssicherheitsapparat wird verwendet, um den Aufstand zu unterdrücken (...). Die größeren Organisationen haben ihre eigenen Gefängniszellen und Verhörzentren (...).“
- 31
Eine homogene bürgerliche Zivilgesellschaft und ein Verständnis von Staat als Solidaritätsgemeinschaft gibt es in Syrien eher nicht. Im Vordergrund steht regelmäßig der Zusammenhalt über den Clan/den Stamm. Besonders riskant ist diese Situation jeweils für diejenigen, die in ihrem Aufenthaltsbereich von Bevölkerungsgruppen mit anderen Merkmalen dominiert werden, und für diejenigen, die ohnehin im Verhältnis zu ihren Mitbürgern „schwach“ sind. Hinzu kommt, dass die Eingruppierung als Täter bzw. als Opfer in einer solchen Bürgerkriegssituation schwankend sein kann, je nachdem, in welchem Umfeld sich der Betreffende gerade behaupten muss.
- 32
In diesem Gesamtkontext hat die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG zuerkannt, da davon auszugehen sei, dass dem Kläger bei Rückkehr nach Syrien ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG drohe, d.h. eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vorliege.
- 33
Vorliegend ist allein die davon zu trennende Frage der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 1 AsylG Streitgegenstand. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt über die zuvor bestehende Gefahr hinausgehend voraus, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Syrien beachtlich wahrscheinlich eine zielgerichtete Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht; aufgrund des dem Kläger gewährten subsidiären Schutzstatus ist eine Rückkehr dabei nur gedanklich - hypothetisch - zu unterstellen.
- 34
Zur Überzeugung des Gerichts sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus (nachfolgend I.) nicht erfüllt. Der Kläger ist unverfolgt aus Syrien ausgereist (nachfolgend II.). Ihm droht bei einer gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien nach der Erkenntnislage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung keine Verfolgungshandlung - Inhaftierung oder Rekrutierung - wegen eines die Flüchtlingseigenschaft begründenden Verfolgungsgrundes, weil er sich dem Wehrdienst entzogen hat (nachfolgend IV.), oder wegen anderer Anknüpfungspunkte, wie u.a. seines sunnitischen Glaubens (nachfolgend III.). Ihm ist auch nicht der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, weil ihm aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG beschriebenen flüchtlingsrelevanten Anknüpfungsmerkmalen Bestrafung oder Strafverfolgung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt droht, in dem der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 2 AsylG ausschließen würden (wie z.B. Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit), vgl. §§ 3 Abs. 1 i.V.m. 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG (nachfolgend V.).
I.
- 35
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftslands) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt demnach die begründete Furcht vor einer Verfolgungshandlung voraus, die wegen eines für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft relevanten Verfolgungsgrundes erfolgt.
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Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG sind Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, u. a. der Staat oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen.
- 37
Zwischen den Verfolgungsgründen und Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Dabei ist unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich z.B. die religiösen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). Für den Bereich des Asylrechts hat das Bundesverfassungsgericht diese Verknüpfung von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund dahingehend konkretisiert, dass es für eine politische Verfolgung ausreiche, wenn der Ausländer der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet wird, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist. Unerheblich ist dabei, ob der Betreffende aufgrund der ihm zugeschriebenen Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung (überhaupt) tätig geworden ist (BVerfG, Beschl. v. 22.11.1996, 2 BvR 1753/96, juris, Rn. 5; BVerwG, Beschl. v. 27.4.2017, 1 B 63.17, 1 PKH 21 PKH 23.17, juris Rn. 11). Maßgebend ist im Sinne einer objektiven Gerichtetheit die Zielrichtung, die der Maßnahme unter den jeweiligen Umständen ihrem Charakter nach zukommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.1.2009, 10 C 52.07, BVerwGE 133, 55, Rn. 22, 24; Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 3a Rn. 50 ff.).
- 38
Eine „begründete Furcht“ vor Verfolgung liegt vor, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23.12, BVerwGE 146, 67, juris Rn. 19). Der danach maßgebliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Zu bewerten ist letztlich, ob aus Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in das Herkunftsland als unzumutbar erscheint; insoweit geht es also um die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat (BVerwG, Urt. v. 6.3.1990, 9 C 14.89, BVerwGE 85, 12, juris Rn. 13). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. Ergeben die Gesamtumstände die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung, wird ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert (BVerwG, Urt. v. 5.11.1991, 9 C 118.90, BVerwGE 89, 162, juris Rn. 17). Auch in solchen Fällen müssen aber die festgestellten Verfolgungsfälle nach Intensität und Häufigkeit zur Größe der Zahl der Verfolgten als ins Gewicht fallend angesehen werden können, wenn das Anknüpfungsmerkmal für eine mögliche Verfolgung auf eine Vielzahl von Personen zutrifft (hier: Entziehung vor Einberufung bzw. Wehrdienstverweigerung); es muss dann also - vergleichbar einer Gruppenverfolgung - eine entsprechende Verfolgungsdichte vorliegen. Hiervon kann nur dann abgesehen werden, wenn ein staatliches Verfolgungsprogramm besteht, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht und das deshalb hinreichend wahrscheinlich eine Verfolgung erwarten lässt (vgl. Berlit, ZAR 2017, 110, 115 m.w.N.; vgl. zur Gruppenverfolgung, Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit und gruppengerichteter Verfolgung: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Auflage 2012, § 30 Rn. 8 ff. ). Die Schwere des befürchteten Eingriffs kann dabei je nach Einzelfall, insbesondere im Zusammenhang mit willkürlich handelnden Staatsmächten, nur bedingt Erkenntnisse zur Gerichtetheit der Verfolgung geben. Dabei entspricht die zunächst zum nationalen Recht entwickelte Rechtsdogmatik zur Frage der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ auch dem neueren europäischen Recht, welches hierfür den Begriff des „real risk“ verwendet (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.6.2011, 10 C 25.10, BVerwGE 140, 22, juris Rn. 22; Berlit, ZAR 2017, 110, 117).
- 39
Bei der Bewertung, ob die im Einzelfall festgestellten Umstände eine die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG rechtfertigende Verfolgungsgefahr begründen, ist zwischen der Frage, ob dem Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungshandlung gemäß den §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG droht, und der Frage einer ebenfalls beachtlich wahrscheinlichen Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund zu unterscheiden.
- 40
Beim Flüchtlingsschutz gilt für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das gilt unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Die Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU, nicht (mehr) durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.6.2011, 10 C 25.10, BVerwGE 140, 22, juris Rn. 21 f.; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A, NVwZ 2017, 1218, juris Rn. 21 f., OVG Saarlouis, Urt. v. 11.3.2017, 2 A 215/17, NVwZ-RR 2017, 588, juris Rn. 19; Berlit, ZAR 2017, 110 ff.)
- 41
Hinsichtlich der Anforderungen an den Klägervortrag muss unterschieden werden zwischen den in die eigene Sphäre des Asylsuchenden (bzw. hier: des um Flüchtlingsschutz Nachsuchenden) fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, und den in den allgemeinen Verhältnissen seines Herkunftslandes liegenden Umständen, die seine Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen.
- 42
Lediglich in Bezug auf erstere muss er eine Schilderung geben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen. Dabei ist die besondere Beweisnot des nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsprozessrechts mit der materiellen Beweislast beschwerten Klägers zu berücksichtigen, dem häufig die üblichen Beweismittel fehlen. Insbesondere können in der Regel unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Daher kann den eigenen Erklärungen des Klägers größere Bedeutung beizumessen sein, als dies meist sonst in der Prozesspraxis bei Bekundungen einer Partei der Fall ist. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu. Zur Anerkennung kann schon allein sein Tatsachenvortrag führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne "glaubhaft" sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. Dem Klagebegehren darf jedenfalls nicht mit der Begründung der Erfolg versagt werden, dass neben der Einlassung des Schutzsuchenden keine Beweismittel zur Verfügung stehen. Der Richter ist aus Rechtsgründen schon allgemein nicht daran gehindert, eine Parteibehauptung ohne Beweisaufnahme als wahr anzusehen; das gilt für Asylverfahren (bzw. wie hier in Verfahren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) mit seinen typischen Schwierigkeiten, für das individuelle Schicksal des Antragstellers auf andere Beweismittel zurückzugreifen, in besonderem Maße. Einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO wird der Richter hierdurch jedoch nicht enthoben. Das Fehlen von Beweismitteln mag die Meinungsbildung des Tatsachengerichts erschweren, entbindet es aber nicht davon, sich eine feste Überzeugung vom Vorhandensein des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu bilden. Dies muss - wenn nicht anders möglich - in der Weise geschehen, dass sich der Richter schlüssig wird, ob er dem Kläger glaubt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1981, 9 C 251.81, InfAuslR 1982, 156; Urt. v. 22.3.1983, 9 C 68.81, juris Rn. 5; Urt. v. 16.4.1985, 9 C 109.84, BVerwGE 71, 180, juris Rn. 16; OVG Koblenz, Urt. v. 16.12.2016, 1 A 10922/16, juris Rn. 32; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Auflage, S. 289).
- 43
Hinsichtlich der allgemeinen politischen Verhältnisse im Herkunftsland reicht es hingegen wegen seiner zumeist auf einen engeren Lebenskreis beschränkten Erfahrungen und Kenntnisse aus, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung für den Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland ergeben (BVerwG, Urt. v. 24.11.1981, 9 C 251.81, InfAuslR 1982, 156; Urt. v. 22.3.1983, 9 C 68.81, juris; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Auflage, S. 288 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 3/2017, B 1 Rn. 255). Hier ist es Aufgabe der Beklagten und der Gerichte, unter vollständiger Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen, die Gegebenheiten im Herkunftsstaat aufzuklären und darauf aufbauend eine von Rationalität und Plausibilität getragene Prognose zu treffen (Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, aaO., S. 295 f.).
- 44
In Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsland sind die Gerichte regelmäßig darauf angewiesen, sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Erkenntnisse gleichsam mosaikartig ein Bild zu machen. Da Abschiebungen nach Syrien jedenfalls seit 2012 nicht mehr erfolgen, hat die Prognose, ob bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG droht, - wie oben dargelegt - aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Umstände zu erfolgen.
- 45
Führt diese Betrachtung zu keinem für den Schutzsuchenden günstigen Ergebnis, verbleibt es bei allgemeinen Beweislastregeln. Die humanitäre Schutzrichtung des Asyl- und Flüchtlingsrechts gebietet weder eine Umkehr der objektiven Beweislast noch eine Folgenabwägung im Sinne eines „better safe than sorry“ (vgl. hierzu Ellerbrok/Hartmann, NVwZ 2017, 522, 523). Diesem Ansatz kann vorliegend auch deshalb nicht gefolgt werden, weil es allein um die genaue Ausprägung des Schutzstatus, nicht aber um das Ob der Schutzgewährung geht. Eine denkbare gerichtliche Fehlbeurteilung bei der Frage der Gewährung des Flüchtlingsstatus birgt kein persönliches Risiko für den Schutzsuchenden, weil er infolge des zuerkannten subsidiären Schutzes nachhaltigen Schutz genießt und nicht in Gefahr ist, nach Syrien zurückkehren zu müssen. Die hypothetische Rückkehr ist vielmehr im Rahmen der vorzunehmenden rechtlichen Bewertung ein allein gedanklicher Ansatz, der der Sicherstellung eines einheitlichen Prüfungsmaßstabs geschuldet ist. Gefahrenperpetuierende Auswirkungen kann eine fehlerhafte Verneinung einer politischen Verfolgung allerdings für Angehörige des Schutzsuchenden haben, die derzeit befristet von einem Nachzug ausgeschlossen sind.
- 46
Nach Auffassung des Senats ist der dargelegte Wahrscheinlichkeitsmaßstab auch dann anzuwenden, wenn ein effektiver Menschenrechtsschutz bereits durch die Gewährung des subsidiären Schutzstatus gewährleistet ist (zweifelnd, aber offen gelassen: VGH Mannheim, Urt. v. 21.8.2017, A 11 S 513/17, S. 13 UA, juris).
- 47
Unter Anwendung dieser Maßstäbe steht dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsstatus zu.
II.
- 48
Der Kläger ist nicht vorverfolgt aus Syrien ausgereist. Nach seinen eigenen Angaben hat er Syrien über den Flughafen Damaskus offiziell und ohne Probleme verlassen.
- 49
Eine beachtliche Verfolgung wegen seiner tscherkessischen Volkszugehörigkeit ist nicht vorgetragen. In seiner Anhörung beim Bundesamt hat der Kläger vorgebracht, dass er wegen seiner Volkszugehörigkeit nicht wirklich Probleme gehabt habe. Er sei schon einmal angesprochen worden, was er denn in Syrien wolle, das seien aber keine Probleme gewesen (Bl. 81 Beiakte A). In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er ausgeführt, im „Dorf“ seien die Leute nicht nett zu den Tscherkessen gewesen. Militär und Zivilleute hätten sie für Verräter gehalten. Auch diesem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ist keine beachtliche Verfolgungshandlung zu entnehmen. Zudem steht dem entgegen, dass der Vater des Klägers Beamter war und die Familie nach Angaben des Klägers im Jahr 2013 nach Damaskus gezogen ist und dort vom Assad-Regime unbehelligt gelebt hat; sie ist damit aus dem von der Freien Syrischen Armee gehaltenen Gebiet weggezogen in ein Gebiet, das durch das Assad-Regime gehalten wird. Seine Eltern und sein Bruder leben weiterhin in Damaskus. Von aktuellen Verfolgungshandlungen gegen seine in Damaskus lebenden Familienangehörigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht berichtet.
III.
- 50
Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dem Kläger bei einer gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrechtlich erhebliche Merkmale wegen seiner Ausreise, der erfolgten Asylantragstellung, seines längeren Aufenthalts im westlichen Ausland, seiner Zugehörigkeit zum sunnitischen Glauben, seiner tscherkessischen Volkszugehörigkeit oder/und seiner Abstammung aus der Region Qunaitra - einer seit ca. 2012 von der Freien Syrischen Armee gehaltenen Region - droht. Der Senat sieht es nicht als beachtlich wahrscheinlich an, dass dem Kläger wegen der zuvor genannten Umstände - einzeln oder in ihrer Gesamtheit - durch staatliche Stellen eine regimefeindliche Haltung unterstellt wird.
- 51
Dass Rückkehrer (gegenwärtig nur aus dem arabischen Raum, zu dem noch Flugverbindungen bestehen) am Flughafen von Damaskus und ggfls. Latakia intensiven Kontrollen ausgesetzt werden und dass Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass diese gegen das Assad-Regime eingestellt sind oder sich oppositionell betätigt haben, den Flughafen nicht wie beabsichtigt wieder verlassen können und ihnen Folter und schlimmste Misshandlungen drohen, wird allgemein angenommen und dürfte hinreichend gesichert sein (vgl. Amnesty International - AI -, Report 2017, Syrien, v. 19.2.2017, G 16/17; AI, Human Slaughterhouse, v. Februar 2017, G 15/17; AI, It breaks the human – torture, disease and death in Syria’s prisons, v. August 2016, G 13/16; Human Rights Watch – HRW -: Syrien: Die Geschichten hinter den Fotos getöteter Gefangener - Opfer auf den „Ceasar“-Fotos -, Dezember 2015, G 21/16; ECCHR, Sondernewsletter Menschenrechtsverbrechen in Syrien, Teil I: Folter unter Assad, Strafanzeige in Deutschland gegen hochrangige Angehörige der syrischen Geheimdienste, Oktober 2017, G 48/17; ECCHR, Portraits, Strafanzeige von syrischen Folterüberlebenden zu Folter durch Syriens Luftwaffengeheimdienst, November 2017, G 47/17).
- 52
1. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dem Kläger im Hinblick auf seine Ausreise, die erfolgte Asylantragstellung, seinen längeren Aufenthalt im westlichen Ausland, seine Zugehörigkeit zum sunnitischen Glauben und/oder seine Abstammung aus einer Region, die von regierungsfeindlichen Gruppen gehalten wird (hier: Qunaitra), bei Rückkehr nach Syrien eine (Verfolgungs-)Handlung i.S.d. § 3a AsylG - hier: Befragung mit der konkreten Gefahr einer Verhaftung und/oder einer schwerwiegenden Misshandlung bis hin zur Folter und willkürlichen Tötung - beachtlich wahrscheinlich droht (die Gefahr einerVerfolgungshandlung mit beachtlichen Gründen verneinend: OVG Münster, Urt. v. 21.2.2017, 14 A 2316/16, DVBl. 2017, 639, juris, Rn. 35 ff.; aufgrund der Zweifel eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung verneinend: OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 44; Beschl. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris Rn. 40; zweifelnd, aber offenlassend: OVG Koblenz, Urt. v. 16.12.2016, 1 A 10922/16, juris Rn. 48 ff., OVG Saarlouis, Urt. v. 2.2.2017, 2 A 515/16, juris Rn. 22; zuletzt v. 17.10.2017, 2 A 365/17, juris Rn. 22; offen gelassen zur einer rückkehrenden Syrerin: VGH Mannheim, Urt. v. 21.8.2017, A 11 S 513/17, S. 13 Urteilsabdruck - UA- in juris).
- 53
Dem Senat liegt keine hinreichend dichte Erkenntnislage vor, auf die die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Verfolgungshandlung gestützt werden könnte. Über die Behandlung von Rückkehrern nach Syrien liegen dem UNHCR (Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien, von Februar 2017, deutsche Übersetzung von April 2017, G 7/17, S. 5) „kaum konkrete Informationen“ vor. Dem Auswärtigen Amt (Auskunft v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, zu 5 K 7221/16.A, Az.: 508-9-516.80/48840, 2017/2; v. 7.11.2016 an das OVG Schleswig, 2016/4) liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass unverfolgt Ausgereiste nach Rückkehr systematisch befragt werden.
- 54
Der UNHCR (April 2017, G 7/17, S. 15 ff.) sieht Personen, die aus einem Ort stammen, der in einem Gebiet liegt, das sich derzeit oder vormals unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen befindet oder befand, in der Gefahr, Opfer von Verfolgung durch das Assad-Regime zu werden. Die dort benannten Referenzfälle (vgl. Fn. 75, 78 - 83) beziehen sich überwiegend auf Angriffe auf die Zivilbevölkerung im Rahmen von Rückeroberungen von Gebieten durch die Regierungstruppen - wie z.B. die Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Ost-Aleppo oder Ar Raqqah während der Belagerung -, auf die Rückführung von Bevölkerung aus belagerten Gebieten aus von Regierungstruppen eingenommenen Nachbarorten sowie auf Personen, die regierungsfeindlichen Gruppen Schutz geboten oder die Informationen über regierungsfeindliche Personen haben könnten, etwa im Rahmen von Verhaftungswellen unmittelbar nach der Rückeroberung von Gebieten durch die Regierungstruppen. In einer ähnlichen Situation befindet sich der ins Ausland geflüchteten Kläger, der sich seit ca. 2 Jahre außerhalb Syriens aufhält, nicht. Gegen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung allein in Anknüpfung an den sunnitischen Glauben sowie die Herkunft aus einer Region, die von regierungsfeindlichen Gruppen gehalten wird, spricht auch die Vielzahl von Binnenvertriebenen. Bei Beginn des Bürgerkrieges waren ca. drei Viertel der syrischen Bevölkerung sunnitischen Glaubens (AA, Lagebericht vom 27.9.2010, 2010/4). Angesichts dessen dürfte eine Vielzahl der 6,3 Millionen binnenvertriebenen Syrer (UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic, update V, HCR/PC/SYR/17/01, November 2017, G 35/17, S. 7) sunnitischen Glaubens sein und ursprünglich aus Regionen stammen, die derzeit oder zeitweise während des Bürgerkrieges in der Hand regierungsfeindlicher Gruppen sind bzw. waren. Von diesen sind im 1. Halbjahr 2017 ca. 440.000 in ehemals von regierungsfeindlichen Gruppen gehaltene Gebiete zurückgekehrt, insbesondere nach Aleppo, Hama, Homs und Damaskus (UNHCR, „UNHCR meldet Anstieg bei Rückkehrern nach Syrien“, v. 30.6.2017, G 21/17, S. 2).
- 55
Zweifel an einer Verfolgung von aus dem Ausland zurückkehrenden Asylbewerbern sunnitischen Glaubens, die aus Gebieten stammen, die derzeit oder ehemals unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen Gruppen stehen oder standen, ergeben sich zudem angesichts der ständig gestiegenen Zahl - derzeit insgesamt ca. 6,4 Millionen - der in den letzten Jahren aus Syrien Geflohenen (Ende 2011: 19.900; Ende 2012: rund 728.000; Ende 2015: rund 4.800.000; zitiert nach OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 44; Ende 2017 - rund 5,44 Mio. in die Nachbarstaaten der Region und zusätzlich ca. 1 Mio. in Staaten des westlichen Europas, vgl. UNHCR, Syria, Regional Refugee Response, abgerufen am 13.12.2017, G 36/17). Dies ist mehr als ein Viertel der Bevölkerung von rd. 22 Millionen Einwohnern Syriens bei Beginn des Bürgerkrieges (vgl. AA, Länderinformation Syrien, August 2016, 2016/1). Auf die weit überwiegende Zahl der ins Ausland Geflüchteten werden die oben genannten Kriterien zutreffen.
- 56
Des Weiteren ergeben sich Zweifel an einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung jedes Rückkehrers bzw. einer beachtlichen Größenordnung von Rückkehrern aus der nicht geringen Zahl freiwilliger Rückkehrer aus dem Ausland. So sollen im August 2015 mehrere tausend Personen über die syrisch-jordanische Grenze zurückgekehrt sein und im Juli 2015 rd. 2300 aus dem Irak (vgl. SFH, Syrien: Rückkehr, v. 21.3.2017, G 5/17, S. 4; DOI, v. 22.2.2017, G 1/17; DOI, Auskunft an VGH Kassel v. 1.2.2017, G 6/17, S. 1). Andere Berichte (vgl. Immigration and Refugee Board of Canada - IRB -, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, v. 19.01.2016, G 5/16, S. 2 - zitiert nach der deutschen Übersetzung -) gehen davon aus, dass „Hunderttausende von Flüchtlingen jedes Jahr nach Syrien reisen, meistens um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in benachbarte Länder einreisen“. Nach Angaben des UNHCR (v. 30.6.2017, G 21/17) sind seit 2015 insgesamt 260.000 syrische Flüchtlinge aus den angrenzenden Nachbarländern nach Syrien zurückgekehrt, davon die meisten aus der Türkei in den Norden Syriens; im 1. Halbjahr 2017 sind 31.000 Syrer aus den angrenzenden Nachbarländern nach Syrien zurückgekehrt. Die vielfach beobachtete Land-Einreise über die Staatsgrenzen (u.a. aus Jordanien, Irak, Türkei) lässt zwar keine zwingenden Rückschlüsse auf die Umstände einer Einreise über den für Rückkehrer derzeit vor allem in Betracht zu ziehenden Flughafen Damaskus, ggfls. auch den Flughafen Latakia (vgl. SFH v. 21.3.2017, G 5/17, S. 6) zu, sie zeigt aber, dass diese Personen trotz der vorherigen Flucht das Risiko einer Rückkehr auf sich genommen haben.
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Das Auswärtige Amt (v. 2.1.2017, 2017/2) führt ebenfalls aus, dass ihm Fälle bekannt sind, in denen syrische Staatsangehörige nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus dem Bundesgebiet für mehrere Monate nach Syrien zurückgekehrt sind.
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Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das vorstehend Ausgeführte noch in verstärktem Maße gelten würde, wenn im Rahmen einer gedanklichen Rückkehrsituation zu berücksichtigen wäre, dass die Situation, in der sich der Kläger befindet, auf eine Vielzahl von ins Ausland geflüchteten Syrern zutrifft und daher gedanklich die Rückkehr einer Vielzahl dieser Personen zu unterstellen wäre.
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2. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dem Kläger bei Rückkehr nach Syrien im Hinblick auf seine tscherkessische Volkszugehörigkeit eine (Verfolgungs-)Handlung i.S.d. § 3a AsylG beachtlich wahrscheinlich droht.
- 60
Hiergegen spricht bereits, dass der Kläger unverfolgt ausgereist ist, die Familie des Klägers weiterhin in Damaskus lebt und der Kläger auch in Bezug auf diese nicht von Verfolgung berichtet hat. Aus der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingereichten Anfragebeantwortung von ACCORD vom 21. Mai 2014 ergeben sich für den Senat keine anderen Erkenntnisse. Diese lässt eher den Schluss zu, dass dem Kläger durch das Assad-Regime aufgrund der tscherkessischen Volkszugehörigkeit keine Regimegegnerschaft zugeschrieben wird. Dort wird die Einschätzung wiedergegeben, dass sich das Assad-Regime auf die Loyalität der Minderheiten in Syrien habe verlassen können, zu denen auch das Volk der Tscherkessen zähle. Unter Baschar al-Assad habe es sogar einen tscherkessischen General gegeben, der zum Innenminister ernannt worden sei. Die Unterstützung des Assad-Regimes durch die Tscherkessen schwinde aber im Laufe des Bürgerkrieges. Auch die Tscherkessen müssten im Bürgerkrieg u.a. durch die Kriegshandlungen im Bereich der von Tscherkessen besiedelten Golanhöhen Partei ergreifen und sich auf die Seite des Assad-Regimes oder die Seite anderer Bürgerkriegsparteien stellen. Über die Lage von nach Syrien zurückkehrenden Tscherkessen lägen keine Informationen vor.
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In Übereinstimmung mit der so beschriebenen Situation der Tscherkessen ist die Familie des Klägers wegen der Kriegshandlungen in der Region Qunaitra nach Angaben des Klägers im Jahr 2013 von dort nach Damaskus verzogen. Sie haben sich damit in ein Gebiet begeben, das durch das Assad-Regime gehalten wird und damit - wenn überhaupt - zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht auf Seiten der regimefeindlichen Kräfte stehen. Dass sich nach Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Familie des Klägers nicht umgemeldet habe, ändert daran nach Einschätzung des Senats nichts. Zudem bestehen an der Richtigkeit dieser Einlassung des Klägers durchgreifende Zweifel. Insoweit wird auf die Ausführungen hierzu unter IV. 2. c) Bezug genommen.
- 62
3. Selbst wenn das Gericht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG bei Rückkehr bejahte, fehlt es an der beachtlichen Wahrscheinlichkeit bezüglich der nach § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG. Um als Flüchtling anerkannt zu werden, müsste zu einer Verfolgungshandlung hinzukommen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit diese Verfolgungshandlung aus flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgründen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erfolgt. Die dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lassen einen solchen hinreichend verlässlichen Schluss auf das Bestehen der notwendigen Verknüpfung nicht zu.
- 63
a) Es lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass das Assad-Regime mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jedem unverfolgt für längere Zeit ausgereisten syrischen Staatsbürger, der im Ausland ein Asylverfahren betrieben hatte und wieder zurückkehrt, pauschal unterstellt, ein Regimegegner zu sein bzw. in Verbindung mit oppositionellen Kreisen im Exil zu stehen, sofern nicht besondere, individuelle gefahrerhöhende Merkmale vorliegen (wie hier auch: OVG Münster, Urt. v. 21.2.2017, 14 A 2316/16.A, DVBl. 2017, 639, juris; Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A., NVwZ 2017, 1218, juris; OVG Koblenz, Urt. v. 16.12.2016, 1 A 10922/16, juris; OVG Saarlouis, Urt. v. 2.2.2017, 2 A 515/16, juris; Urt. v. 17.10.2017, 2 A 365/17, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris; zu einer Syrerin: VGH Mannheim, Urt. v. 21.8.2017, A 11 S 513/17, S. 13 UA, juris; OVG Schleswig, Urt. v. 23.11.2016, 3 LB 17/16, juris; VGH München, Urt. v. 12.12.2016, 21 B 16.30338, juris; a.A. UNHCR, v. 04/2017, G 7/17, S. 30; allerdings führt der UNHCR diese Gruppe im Bericht vom November 2017, G 35/17, S. 35 f. -, nicht mehr auf).
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Allerdings entsprach es für die Zeit vor Ausbruch der Unruhen in Syrien und bis in die Anfangszeit des Bürgerkriegs hinein wohl weitgehend gesicherter Erkenntnis, dass nach der ständigen Praxis der syrischen Sicherheitskräfte (im weitesten Sinn) bei der offiziellen Wiedereinreise nach einem längeren Auslandsaufenthalt Rückkehrer regelmäßig einem intensiven Verhör unterzogen wurden, das je nach den Umständen auch Stunden dauern konnte. Insbesondere im Falle einer Verbringung der Betreffenden in ein Haft- oder Verhörzentrum der (vier) syrischen Geheimdienste drohte zudem konkret die Anwendung von Folter und menschenrechtswidriger Behandlung, wobei hiermit regelmäßig auch Informationen über eventuelle eigene regimekritische Handlungen im Ausland, aber auch über die Exilszene im Allgemeinen herausgepresst werden sollten. Diese Gefahr wurde etwa vom Auswärtigen Amt als sehr hoch eingeschätzt (vgl. Lagebericht vom 27.9.2010, 2010/4, S. 16). In der Rechtsprechung wurde deshalb z.T. angenommen, dass den staatlichen Maßnahmen auch die erforderliche Gerichtetheit zukam (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 19.6.2013, A 11 S 927/13, juris; a.A. aber etwa OVG Münster, Beschl. v. 7.5.2013, 14 A 1008/13.A, juris).
- 65
Im Laufe des Bürgerkriegs haben sich jedoch in verschiedener Hinsicht Veränderungen in Syrien ergeben. So kann insbesondere aus verschiedenen Berichten von Amnesty International eine endemische Zunahme von Misshandlungen und Folter einschließlich Verschwindenlassen der Betroffenen entnommen werden (vgl. AI, 8/2016, G 13/16, S. 12 ff.; AI, v. 2/2017, G 15/17; AI, Report 2016/2017, v. 22.2.2017, G 17/17 – vgl. auch dt. Übersetzung v. 19.2.2017, G 16/17, S. 9 f.). Es handelt sich um Praktiken, die von Seiten des syrischen Regimes im Grundsatz schon seit vielen Jahren systematisch eingesetzt werden, um jede Opposition und jeden Widerstand zu unterdrücken bzw. zu zerschlagen (vgl. BFA, v. 5.1.2017, S. 19 f., G 26/17). Zudem ist die Zahl der im Ausland lebenden syrischen Flüchtlinge seit dem Beginn des Bürgerkriegs auf ca. 6,4 Millionen gestiegen ist (s.o.; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 21.02.2017, 14 A 2316/16.A, DVBl. 2017, 639).
- 66
Bei dieser Ausgangslage kann der Senat nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnisquellen nicht die Überzeugung gewinnen, dass syrische Sicherheitskräfte unterschiedslos jedem rückkehrenden Asylbewerber unterstellen, (vermeintlich) ein Regimegegner zu sein, sofern nicht besondere, individuelle gefahrerhöhende Merkmale vorliegen. Vor diesem Hintergrund ist ein Rückschluss von vor Beginn oder zu Anfang des Bürgerkriegs vermutlich stattgefundenen flüchtlingsrelevanten Eingriffen im Kontext der Einreise auf die heutigen Verhältnisse nicht tragfähig und kann die weitgehend fehlenden Erkenntnisse nicht ersetzen. Aus diesem Grund bestehen auch keine weiteren erfolgversprechenden Ermittlungsansätze.
- 67
Wie ausgeführt liegen nur wenige Dokumente vor, die die hier interessierende Fragestellung der aktuellen Behandlung von Rückkehrern erörtern. Ihnen lassen sich ausnahmslos keine konkreten und nachvollziehbaren Gesichtspunkte entnehmen, die einen verlässlichen Schluss auf die erforderliche Gerichtetheit zulassen. Hierzu führt das OVG Lüneburg in einem die Rückkehr eines Syrers betreffenden Verfahren nach Ansicht des Senats zutreffend aus (Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 53 - 67):
- 68
„Der vom UNHCR 4/2017 gezogenen Folgerung, sein Bericht belege eine politische Verfolgung durch staatliche Kräfte bei Rückkehr nach Syrien (vgl. S. 30 unter 5. mit Fußn. 146), vermag der Senat nicht zu folgen. Belastbare Erkenntnisse, dass die syrischen Sicherheitsbehörden dem Grunde nach diesen Rückkehrern eine oppositionelle Haltung zuschreiben, sind dem Bericht nicht zu entnehmen. Zum einen beruhen die vom UNHCR 4/2017 wiedergegebenen - teilweise lediglich telefonisch (vgl. hierzu IRB Canada v. 19.1.2016) erfolgten - Einschätzungen nur auf Berichten/ Wertungen einzelner Personen und dabei wiederum vor allem auf „Hörensagen“, nicht aber auf zurechenbaren Äußerungen von Personen, die aus eigener Erfahrung Mitteilung über verschiedene Einzelfälle machen können; Einzelschicksale sind danach nicht nachprüfbar. So wird - unter Hinweis auf das Immigration and Refugee Board of Canada (IRB Canada v. 19.1.2016) - eine emeritierte Professorin für Anthropologie und erzwungener Migration an der Oxford Universität, vormals Leiterin des Refugee Studies Centre in Oxford erwähnt, die ihre Einschätzung wiedergibt, aber keine konkreten Fälle benennt. Auch der Executive Direktor des Syria Justice and Accountability Center benennt keine konkreten, nachprüfbaren Einzelfälle, sondern teilt seine Bewertung der Lage mit, wobei er einerseits darauf hinweist, ein rückkehrender Asylantragsteller gelte als regierungsfeindlich, was als Zuschreibung eines Verfolgungsgrundes zu bewerten wäre, andererseits aber auch ausführt, Rückkehrer würden gefoltert, weil der Staat über andere Asylbewerber/Oppositionelle Informationen gewinnen wolle - was auf ein lediglich wahllos routiniertes Zugreifen mit dem Ziel, möglicherweise verwertbaren Informationen über regimegegnerische Bestrebungen überhaupt erst zu erlangen („fischen“) weist und als solches keine auf einen Verfolgungsgrund „gerichtete“ Maßnahme darstellen würde (vgl. dazu unten). Die dritte genannte Quelle, ein Gastwissenschaftler des Kings College London, der Spezialist für Syrien sei und Sachverständigenaussagen in Asylverfahren von Syrern in Großbritannien gemacht haben soll, trägt die Folgerung des UNHCR schon deswegen nicht, weil diese Quelle lediglich erklärt hat, ein rückkehrender Asylbewerber könne festgenommen werden, dies geschehe aber nicht automatisch; einige Regierungsmitarbeiter betrachteten Rückkehrer als Regierungskritiker, andere Regierungsmitarbeiter würden dagegen anerkennen, dass es auch andere Gründe gebe, das Land zu verlassen (vgl. Fußn. 146). Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des IRB Canada (v. 19.1.2016) hat bereits das OVG NW (Urt. v. 21.2.2016 - 14 A 2316/16 -, juris Rnr. 51 ff) festgehalten, dass der dort unter Nr. 3 geschilderten Fall eines aus Australien rückkehrenden Asylbewerbers besonders liege, weil dieser wegen des mitgeführten Geldes in den Verdacht eines Revolutionsfinanciers gekommen war (vgl. auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16.OVG Rnr. 91) und weiter zutreffend ausgeführt:
- 69
„Weitere Meldungen über Festnahmen bei Einreise (die Rede ist in der genannten Antwort von etwa 35 nach Ägypten geflohenen Palästinensern) lassen mangels Kenntnis der Einzelumstände keinen Rückschluss auf den Anlass der Festnahmen zu. Das Immigration and Refugee Board of Canada zitiert im Weiteren lediglich die Meinung eines Oxford-Professors, eines Forschers am Londoner King's College und eines Funktionärs einer Menschenrechtsorganisation (Syria Justice and Accountability Centre, vgl. die Selbstdarstellung im Internet unter https://syriaaccountability.org/about/), dass abgelehnte Asylbewerber wegen ihres Asylantrags verfolgt würden, ohne dass dafür tatsächliche Anhaltspunkte aufgezeigt würden. Daher kann dies nicht als relevante tatsächliche Erkenntnis, sondern als nicht weiter begründete Meinung gewertet werden.“
- 70
Das vom UNHCR 4/2017 weiter zitierte US Departement of State führt in seinem „Country Report on Human Rights Practices for 2015“ für Syrien (S. 34, ebenso Country Report on Human Rights Practices for 2016, S. 36) zwar aus, dass Personen, die erfolglos Asyl in anderen Ländern beantragt hätten, verfolgt worden seien, jedoch ohne Nennung konkreter Vorfälle. Zudem verweist der Bericht auf ein Gesetz, dass denjenigen mit Verfolgung bedroht, der in einem anderen Land Zuflucht sucht, um einer Strafe in Syrien zu entgehen. Auch aus dieser Fundstelle kann daher nicht die Erkenntnis gewonnen werden, dass dem Grunde nach jeder rückkehrende Asylbewerber als vermeintlicher Oppositioneller vom syrischen Staat Verfolgungshandlungen zu befürchten hat (so zutreffend OVG NW, Urt. v. 21.2.2017, aaO., Rnr 54 f).
- 71
Soweit UNHCR 4/2017 (Fußnote146) zum anderen auf Quellen aus der Zeit vor 2011 verweist, die die Gleichstellung einer illegalen Ausreise und Asylantragstellung mit einer regimefeindlichen Gesinnung belegten (vgl. dazu OVG Sachsen-Anh., Urt. v. 18.7.2012 - 3 L 147/12 -, juris; kritisch zu dieser Einschätzung Bay. VGH, Urt. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30371 -, juris, OVG Rheinl-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris), kann auf diese Einschätzungen aus jener Zeit schon aufgrund der gravierenden Veränderung der politischen Situation und des infolgedessen - ohne die rd. 6,6 Mio. Binnenflüchtlinge (vgl. AI, Report 2016/2017, Syrien) - auf rd. 4,8 Mio. angewachsenen Flüchtlingsstroms (Ende 2011 waren es lediglich rd. 19.900, s.o.) nicht mehr zurückgegriffen werden (vgl. nunmehr auch OVG Sachsen-Anh., Beschl. v. 29.3.2017 - 3 L 249/16 -, juris).
- 72
Der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH v. 21.3.2017 Syrien: Rückkehr) sind ebenfalls keine konkreten individualisierbaren Einzelfälle zur Behandlung von Rückkehrern zu entnehmen. Die SFH verweist vielmehr ihrerseits u.a. auf das IRB Canada (v. 19.1.2016) und auf die darin erwähnten Informationen sowie auf die Stellungnahme des US Department of State (s.o.). Letztlich beziehen sich mithin eine Vielzahl von Quellen aufeinander, ohne den Erkenntnishorizont durch neue belastbare Erkenntnisse erweitern zu können.
- 73
Ein erhebliches Indiz dafür, dass Rückkehrer vom syrischen Staat nicht ohne weiteres als Regimegegner eingeschätzt werden, ergibt sich für den Senat aus der genannten Stellungnahme des IRB Canada unter Nr. 1 „Overwiew“, wonach Hunderttausende Flüchtlinge aus den Anrainerstaaten jedes Jahr nach Syrien einreisen sollen, um dort persönliche Angelegenheiten zu regeln, meistens um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in die benachbarten Länder zurückkehren. Eine solche umfangreiche Reisetätigkeit zeigt, dass die in die benachbarten Ländern Geflohenen trotz des (extrem) repressiven Charakters des syrischen Staates davon ausgehen, im Rahmen der Grenzübergänge zu Syrien keiner gravierenden Gefährdung ausgesetzt zu sein (vgl. auch OVG NW, Urt. 21.2.2017, aaO., Rnr. 53, Bay VGH, Urt. v. 12.12.2016, aaO, Rnr. 78).
- 74
Die Annahme, erfolglose Asylbewerber aus dem westlichen Ausland würden - im Gegensatz zu den in die Anrainerstaaten Syriens Geflüchteten - deshalb (unterschiedslos) als Oppositionelle betrachtet, weil die syrische Regierung eine von außen organisierte und finanzierte Verschwörung gegen das Land für den Ursprung des Bürgerkriegs verantwortlich mache, ist eine bloße Vermutung, die angesichts der hohen Zahl in das westliche Ausland geflüchteter und hypothetisch zurückkehrender Syrer dem Senat nicht plausibel erscheint. Mag es bei einer überschaubaren Anzahl von Flüchtlingen wie vor 2011 noch nachvollziehbar gewesen sein, dass diese vom syrischen Regime durchweg als potentielle Gegner angesehen werden könnten, kann dies nicht mehr bei den heutigen Zahlen gelten. Im Gegensatz zur damaligen Lage ist die Zahl derer, die Syrien verlassen haben, heute nicht mehr relativ gering. Zudem ist es mittlerweile nicht mehr erforderlich, eine etwaige von außen organisierte Verschwörung aufzudecken. Die Beteiligung zahlreicher anderer (Groß-)Mächte an den Auseinandersetzungen, die jeweils eigene unterschiedliche Ziele verfolgen, steht vielmehr fest (vgl. oben).
- 75
Den Verfassungsschutzberichten (zitiert bei OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rnr. 121) lässt sich eine systematische Beobachtung aller mittlerweile im Bundesgebiet lebenden Syrer ebenfalls nicht entnehmen. Ihre Beobachtung gilt in erster Linie oppositionellen Tätigkeiten. Eine umfassende Beobachtung wäre angesichts der großen Zahl hier aufhältiger Personen aus Syrien schon faktisch ausgeschlossen (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 - juris, Rnr. 121).
- 76
Die generell nicht auszuschließende Anwendung von Misshandlung oder Folter bei Rückkehr stellt als solche schließlich kein wesentliches Indiz für eine politische Motiviertheit der Verfolgung dar; denn es ist zu bedenken, dass dieses Verhalten nicht erst anlässlich der aktuellen bürgerkriegsähnlichen Situation seit 2011 entstanden ist, sondern in Syrien die Sicherheitsdienste aufgrund des seit 1963 bestehenden Ausnahmezustandes in der Praxis immer schon weder parlamentarischen noch gerichtlichen Kontrollmechanismen unterworfen und auch in der Vergangenheit verantwortlich für willkürliche Verhaftungen, Folter und Isolationshaft waren. Polizei, Justizvollzugsorgane und Sicherheitsdienste hatten schon in der Vergangenheit systematisch Gewalt angewandt, ohne dass die Möglichkeit effektiver strafrechtlicher Abwehr bestand. Schon unter Hafis al-Assad wurde jegliche Opposition brutal unterdrückt und es verschwanden Personen, so sollen seit 1980 bis 2010 rd. 17.000 Personen verschwunden sein (AA, Lagebericht v. 27.9.2010; allg. vgl. Lange „Ein historischer Überblick“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2013 S. 37, 42 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 - juris, Rnr. 154; zur langjährigen Praxis von Misshandlungen und Folter vgl. auch VGH Bad.-Württb., Urt. v. 2.5.2017 - A 11 S 562/17 -, juris Rnr. 48).
- 77
Soweit Rückkehrer unter Drangsalierungen bis hin zur Folter befragt werden sollten, würde sich dies daher in Anlehnung an die Ausführungen des OVG Rheinland-Pfalz auch nach Auffassung des Senats um ein willkürliches, von keiner irgendwie gearteten Gerichtetheit bestimmtes Verhalten der in rechtsfreien Räumen agierenden verschiedenen Sicherheitskräfte handeln, möglicherweise auch um ein wahllos-routiniertes Fischen nach Informationen, wodurch einen konkreten Verdacht überhaupt erst begründende Hinweise gewonnen werden sollen, aufgrund derer sodann eine Zuschreibung von Verfolgungsgründen erfolgen könnte (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016, aaO. Rnr. 121, vgl. auch OVG d. Saarl. v. 11.3.2017 - 2 A 215/17 -, juris).
- 78
Schon das Auswärtige Amt (Ad-hoc-Bericht v. 17.2.2012) hat auf willkürliche Verhaftungen und darauf hingewiesen, dass die Sicherheitskräfte im Zuge der Bekämpfung der Opposition von dem syrischen Regime eine „carte blanche“ erhalten hätten, jeder agiere für sich im rechtsfreien Raum.
- 79
Dieses willkürlich-wahllose Verhalten bei etwaigen Rückkehrer-Befragungen wird auch durch den UNHCR-Bericht 4/2017 selbst deutlich. So heißt es dort, dass Personen „ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und des Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt“ werden (S. 6), das System sei „äußerst unvorhersehbar“, es seien „alle Personen“ einem Misshandlungsrisiko durch Grenzbehörden ausgesetzt (Fußnote 32), die einzelnen regierungstreuen Sicherheitsbereiche hätte gleichsam freie Hand erhalten, es erfolgten Übergriffe auf Einwohner Syriens, die tatsächliche oder vermeintliche regierungskritische politische Ansichten „im weitesten Sinn“ verträten, es seien „zahlreiche Protesteilnehmer, Aktivisten, Wehrdienstentzieher, Deserteure, Laienjournalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, willkürlich verhaftet worden“. Ein unterschiedsloses Vorgehen belegt auch der Hinweis, dass die International Crisis Group (ICG) den Einsatz von Luftschlägen durch die syrische Regierung als „Teil einer Strategie der verbrannten Erde und der kollektiven Bestrafung“ bezeichnet habe (S. 18).
- 80
Die SFH sprich in ihrer Stellungnahme ebenfalls von „Willkür“ (vgl. Überschrift Punkt 5.2) und weist unter Bezugnahme auf AI (Between Prison and the Grave, v. 5.11.2015) auf den „verbreiteten Opportunismus der syrischen Sicherheitsbeamten (hin), die entweder aus Profitgier oder aus persönlicher Rache Menschen verhaften und verschwinden lassen“. Der Verweis auf die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Bestechung zu arrangieren (im Korruptionswahrnehmungsindex steht Syrien an 173. Stelle von 176 untersuchten Ländern, UNHCR Fußnote 9), bestätigt die Annahme rein willkürlichen/wahllosen Verhaltens.
- 81
Gleiches ergibt sich aus dem vom IRB (v. 19.1.2016, S. 5) zitierten OHCHR-Report 2014, der zwar zunächst verschiedene, möglicherweise noch unterscheidbare in das Blickfeld des syrischen Staates geratene Gruppierungen nennt (u.a. activists, students, humanitarian workers), letztlich aber die Bedrohung unterschiedslos ausdehnt auf „those who were in the wrong place at the wrong time“.
- 82
Erfolgen etwaige Übergriffe aber unterschiedslos, so geschehen sie letztlich wahllos, mithin ohne Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund (vgl. hierzu, BVerwG, Beschl. v. 27.4.2017 - 1 B 63.17 -, juris, vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris, OVG d. Saarl., Urt. v. 11.3.2017 - 2 A 215/17 -, juris).“
- 83
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der UNHCR in seinem Bericht von November 2017 (G 35/17, insbesondere S. 35 ff.) nicht mehr erwähnt, dass aus dem Ausland zurückkehrenden syrischen Asylbewerbern allein aufgrund des im Ausland betriebenen Asylverfahrens beachtlich wahrscheinlich eine oppositionelle Haltung zugeschrieben werde. Auch das Auswärtige Amt spricht in seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2017 (Auskunft an VG Magdeburg, 2017/10) davon, dass die Willkür von Inhaftierungen, auch zum Erpressen von Lösegeld etc. extrem hoch sei.
- 84
b) Die Zugehörigkeit zum sunnitischen Glauben stellt zur Überzeugung des Senats keinen risikoerhöhenden Faktor dar, aufgrund dessen dem Kläger bei einer Rückkehr nach Damaskus beachtlich wahrscheinlich die Gefahr einer Verfolgung drohen würde, weil ihm deshalb eine regimefeindliche Haltung zugeschrieben werden würde.
- 85
Soweit der UNHCR in seiner Stellungnahme von November 2015 (Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, G 15/15, S. 26) davon ausgeht, dass die Mitgliedschaft in religiösen Gruppen - darunter auch die Sunniten - ein gefahrerhöhendes Moment sein könne, kann dieses nicht generell gelten, sondern muss jeweils im regionalen Kontext und in der ggf. spezifischen Konfliktsituation beurteilt werden. Dies gilt zur Überzeugung des Senats gerade in Bezug auf Personen sunnitischen Glaubens, da knapp drei Viertel der syrischen Bevölkerung bei Ausbruch des Bürgerkriegs sunnitischen Glaubens waren und Angehörige des sunnitischen Glaubens innerhalb des Assad-Regimes hohe Stellungen einnehmen.
- 86
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der UNHCR in seiner Stellungnahme von November 2017 (G 35/17, S. 54 ff.) die Angehörigkeit zum sunnitischen Glauben nicht mehr als per se risikoerhöhenden Faktor ansieht und auch nicht als ein Merkmal, aufgrund dessen der Person regierungsfeindliche Absichten unterstellt werden (ebenso: VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2017, A 11 S 710/17, DVBl. 2017, 1317, juris Rn. 48). Vielmehr geht der UNHCR davon aus, dass die Verfolgungsgefahr für Mitglieder religiöser und ethnischer Gruppen von Region zu Region variiert und von den spezifischen Konfliktbedingungen der jeweiligen Region abhänge. Eine Verfolgungsgefahr ergebe sich insbesondere für Angehörige religiöser und ethnischer Gruppen, die aus Gebieten stammten, die von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden würden, so dass diesen abhängig von den individuellen Umständen des Einzelfalles der Flüchtlingsschutz zu gewähren sei. Hierunter fällt der Kläger als Sunnit nicht. Zu berücksichtigen ist dabei zudem, dass der Kläger seit 2013 bis zu seiner Ausreise in Damaskus gelebt hat. Dafür dass Sunniten in Damaskus wegen ihrer Religionszugehörigkeit durch das Assad-Regime verfolgt werden, liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor.
- 87
c) Der Senat hat keine belastbaren Erkenntnisse, dass die tscherkessische Volkszugehörigkeit Anknüpfungspunkt für eine Verfolgung durch das Assad-Regime ist. Insoweit wird ergänzend auf die vorstehenden Ausführungen unter 2. Bezug genommen.
- 88
d) Das Gericht hat auch keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Herkunft des Klägers aus der Region Qunaitra, die ca. seit 2012 von der Freien Syrischen Armee gehalten wird, beachtlich wahrscheinlich Anknüpfungspunkt für eine Verfolgung durch das Assad-Regime ist, weil ihm deshalb eine regimefeindliche Haltung zugeschrieben werden würde. Hiergegen spricht bereits, dass die Familie des Klägers nach seinen eigenen Angaben 2013 nach Damaskus umgezogen ist und seitdem dort lebt, ohne in Schwierigkeiten mit dem Assad-Regime gekommen zu sein. Der Kläger ist nach seinem eigenen Vorbringen bis zu seiner (offiziellen) Ausreise über den Flughafen Damaskus zur Schule gegangen; insoweit geht das Gericht davon aus, dass er in Damaskus zur Schule gegangen ist (vgl. zur Herkunft aus Aleppo: VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2017, A 11 S 710/17, DVBl. 2017, 1317, juris Rn. 49). Auch seine Schwester hat in Damaskus gelebt und dort von 2013 - Mitte 2015 studiert.
- 89
e) Nach Ansicht des Senats begründet auch die Gesamtheit dieser Umstände keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung in Anknüpfung an die aufgeführten Umstände; insbesondere liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass beachtlich wahrscheinlich dem Kläger bei Rückkehr in Anknüpfung daran eine regimefeindliche Haltung unterstellt werden würde.
IV.
- 90
Eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung des Klägers in Anknüpfung an asylrechtlich erhebliche Merkmale wegen seines Auslandsaufenthalts im wehrdienstfähigen Alter konnte - auch in Verbindung mit den vorgenannten Umständen - zur Überzeugung des Senats nicht ermittelt werden. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu den Regelungen über den Wehr- und Militärdienst und die Praxis deren Umsetzung (1.) geht der Senat davon aus, dass der Kläger bisher nicht gegen Vorschriften des syrischen Rechts im Zusammenhang mit der Wehrpflicht verstoßen hat (2.). Aber auch wenn der Senat unterstellt, dass das Assad-Regime den Kläger aufgrund des längeren Aufenthalts im wehrdienstfähigen Alter bei einer hypothetischen Rückkehr wie einen Wehr- bzw. Militärdienstentziehber bzw. -verweigerer behandeln würde, bestehen zur Überzeugung des Senats keine hinreichenden Erkenntnisse, dass dem Kläger bei Rückkehr in Anknüpfung daran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen (3.) wegen flüchtlingsrechtlich erheblicher Merkmale (4.) drohen würden.
- 91
1. Zum Wehr- bzw. Militärdienst geht der Senat von Folgendem aus (soweit nicht besonders aufgeführt, liegen der Einschätzung folgende Erkenntnisquellen zugrunde: AA, v. 2.1.2017, 2017/1; Dt. Botschaft Beirut, Auskunft an das BAMF v. 3.2.2016, 2016/1; BFA, v. 5.1.2017, G 26/17; BFA, Fact Finding Mission Report Syrien v. August 2017, G 11/17; DOI, v. 1.2.2017, G 6/17; DOI, Auskunft an das OVG Schleswig v. 8.11.2016, G 3/16; Danish Refugee Council - DRC -, Syria v. August 2017, G 23/17; SFH, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion v. 23.3.2017, G 19/17; SFH v. 21.3.2017, G 5/17; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee v. 28.3.2015, G 8/15; SFH, Syrien: Die National Defense Forces v. 28.3.2015, G 9/15; SFH, Syrien: Umsetzung der Amnestien v. 14.4.2015, G 10/15; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, v. 30.7.2014, G 3/14; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse zu Syrien: Umsetzung der Freistellung vom Militärdienst als „einziger Sohn“ v. 20.10.2015, G 13/15; Finnische Einwanderungsbehörde, Syria: Military Service, National Defense Forces, armed groups supporting Syrian Regime and armed opposition, v. 23.08.2016, G 15/16; UNHCR, April 2017, G 7/17; UNHCR, November 2017, G 35/17):
- 92
In Syrien besteht allgemeine Wehrpflicht, die grundsätzlich für alle syrischen Männer unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund wie auch für Palästinenser, die in Syrien leben, gilt; auch Oppositionelle werden einberufen. Die Registrierung für die Wehrpflicht erfolgt im Alter von 18 Jahren. Nach Auskunft des BFA (08/2017, G 11/17, S. 18) sind junge Männer im Alter von 17 Jahren aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von mindestens 18 Jahren werden die Männer per Einberufungsbescheid zum Ableisten des Wehrdienstes aufgefordert. Zudem werden junge Männer an Kontrollstellen oder bei Razzien auf öffentlichen Plätzen (zwangs)rekrutiert (AA, 2.1.2017, 2017/1; BFA, 08/2017, G 11/17,S. 18; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13,). Jeder Mann im Alter zwischen 18 und 42 Jahren ist verpflichtet, einen zweijährigen Militärdienst abzuleisten. Allerdings weisen einzelne Quellen darauf hin, wonach die Wehrpflicht in der Praxis in Einzelfällen bis zum 50. bzw. sogar bis zum 60. Lebensjahr ausgeweitet wird bzw. jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter rekrutiert werden kann; daneben soll es auch zu Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen kommen (BFA, 08/2017, G 11/17, S. 18; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 5 ff.).
- 93
Ausnahmen von der Wehrpflicht werden - von Bestechungen abgesehen - bei Personen jüdischen Glaubens oder bei Untauglichkeit gemacht. Zudem bestehen Regelungen über Ansprüche auf Aufschub vom Antritt des Grundwehrdienstes etwa für Einzelkinder oder Studenten - hier je nach Art des Studiums gestaffelt, regelmäßig höchstens bis 27 Jahre. Diese Regelungen gelten zwar formal weiter, in der Praxis finden sie allerdings aufgrund des stark zunehmenden Personalbedarfs nur eingeschränkt und zunehmend willkürlich Anwendung. Für im Ausland lebende Männer gibt es z.T. die Möglichkeit, sich gegen Zahlung einer Geldkompensation vom Militärdienst zu befreien (vgl. BFA, 08/2017, G 11/17, S. 19 f.; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8 f.; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 8).
- 94
Es besteht keine Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern bzw. zivilen Ersatzdienst zu leisten. Entlassungen aus dem Militärdienst sind nach den verwerteten Erkenntnisquellen seit dem Jahre 2011, dem Beginn der militärischen Auseinandersetzung, eher zur Ausnahme geworden; viele Wehrpflichtige sind über Jahre hinweg in der Armee tätig und oftmals wäre Desertion die einzige Möglichkeit, den Militärdienst zu beenden.
- 95
Gediente Wehrpflichtige müssen nach Beendigung des Wehrdienstes als Reservisten jederzeit abrufbar sein. In der Vergangenheit wurden alle Männer bis zum Alter von 42 Jahren als Reservisten geführt; aufgrund der prekären Personalsituation gibt es gegenwärtig kein festgesetztes Höchstalter für die Aktivierung von Reservisten mehr, vielmehr werden nach den vorliegenden Auskünften im Einzelfall - je nach Ausbildung und bisheriger Tätigkeiten für die Armee - Männer im Alter von bis zu 50 oder sogar 60 Jahren erneut zum Dienst verpflichtet.
- 96
Über die aktuelle Praxis der Rekrutierung wird berichtet (vgl. insgesamt zum Nachfolgenden: BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 23; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8, 13), dass es im Zeitraum von März 2016 bis März 2017 keine Generalmobilmachung gegeben hat. Jedoch wurden offenbar in verschiedenen Wellen die Bemühungen intensiviert, Wehrpflichtige und Reservisten einzuziehen; nach einigen Quellenangaben erfolgte dies deshalb, weil nur wenige Männer auf die Einberufung reagiert und sich zum Dienst eingefunden haben (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8). Die regulären Rekrutierungsmethoden würden immer noch angewendet werden, weil das Regime zeigen wolle, dass sich nichts verändert habe. So würden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Es gebe aber auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien lebten (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 23). Insgesamt sei schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee tatsächlich durchgesetzt werde. In der syrischen Armee herrsche zunehmende Willkür und die Situation könne sich von einer Person zur anderen unterscheiden (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 22). So wird über die im Land errichteten Kontrollstellen beispielsweise berichtet (UNHCR, April 2017, G 7/17, S. 24 ff.; UNHCR, Auskunft an VGH Kassel v. 30.5.2017, G 9/17, S. 2), dass an diesen in großem Maße Männer im wehrdienstfähigen Alter, die einen Einberufungsbescheid erhalten hätten, aber auch solche, bei denen dies noch nicht der Fall gewesen sei, eingezogen würden, während an anderer Stelle berichtet wird, an diesen würden massenhaft Bestechungsgelder verlangt (vgl. zur finanziellen Lage: Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7, und Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 15 07 2017, S. 3, ca. 2000 Kontrollstellen; Truppendienst, Streitkräfte des Assad-Regimes, Februar 2017, S. 2: „... während die Armee Bestechungsgelder an Kontrollpunkten kassiert ...“).
- 97
Männer im Alter zwischen 18 und 42 Jahren dürfen seit März 2012 nur mit einer offiziellen Beglaubigung des Militärs, mit der bescheinigt wird, dass sie von der Wehrpflicht bzw. vom Militärdienst freigestellt sind, das Land verlassen; seit Herbst 2014 besteht darüber hinaus für Männer, die zwischen 1985 und 1991 geboren sind, ein generelles Ausreiseverbot. Jungen Männern vor Erreichen des 18. Lebensjahres wird die Ausreise erschwert, indem Reisepässe nur für eine kurze Gültigkeitsdauer ausgestellt werden (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 24).
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Neben den Streitkräften des Assad-Regimes, der Syrisch-Arabischen Armee (nachfolgend: syrische Armee), besteht eine Vielzahl von dem Assad-Regime treuen Milizen und Kampfverbänden, die vom Assad-Regime unterstützt werden. Sie werden von politischen Akteuren wie der Syrisch Arabischen Baath Partei, von Palästinensern, reichen Geschäftsmännern oder ethnischen Akteuren angeführt. Auch die verschiedenen Geheimdienste rekrutieren ihre eigenen paramilitärischen Gruppen. Die lokalen Verteidigungsmilizen sind oft nach Konfession organisiert und kämpfen, um ihre Herkunftsregion zu verteidigen (SFH v. 23.3.2017, G 19/17, S. 3). Das Assad-Regime hat mit der Unterstützung des Irans versucht, diese Milizen in den 2013 gegründeten Nationalen Verteidigungskräften (National Defense Forces, NDF) zu bündeln und unter die Kontrolle der syrischen Armee zu bringen. Dabei scheint es so zu sein, dass die NDF als Dachorganisation konzipiert wurde, unter dem regimefreundliche Milizen unter der Kontrolle der syrischen Armee organisiert wurden (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 15; BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 25). Die genaue Mannstärke der NDF ist nicht bekannt, Schätzungen reichen von 60.000 bis 100.000 Mitglieder. Kämpfer der NDF gelten als dem Regime loyaler als die Wehrdienstleistenden in der Armee. Indem man der NDF beitrete, könne man den Wehr- bzw. Militärdienst bei der syrischen Armee vermeiden und den Einsatzort besser beeinflussen. Der Beitritt zu den NDF sei grundsätzlich freiwillig, allerdings solle es auch Zwangsrekrutierungen gegeben haben. Daneben gibt es auch Hinweise, dass das Assad-Regime versucht, Männer in den Militärdienst einzuziehen, die sich gemäß ihrem Versprechen anstelle des Militärdienstes bereits einer lokalen Miliz angeschlossen haben (vgl. BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 25 f.; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 3, 6). Die NDF unter der Führung des Assad-Regimes sollen 2016 weitgehend auseinandergebrochen sein. Da die paramilitärischen Gruppen von unterschiedlichen Geldgebern mit eigenen Zielen geführt wurden, ist es auch zu direkten Konfrontationen mit dem Assad-Regime gekommen (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 3; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 15). Aktuell wird berichtet, dass den Milizen der NDF etwa 100.000 Männer angehören, die mit der syrischen Armee kämpfen, diese Milizen jedoch inzwischen durch den Iran bezahlt werden und unter deren Befehlsgewalt eingegliedert sind (vgl. Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7). Hinzu kommen Lokale Verteidigungskräfte (LDF), die Teil der vom Iran finanzierten und kontrollierten Hisbollah/Syrien sein sollen, die vom Assad-Regime als „Mitglieder der syrischen Streitkräfte“ angesehen werden, obwohl diese nicht unter dem Kommando des Assad-Regimes stehen (vgl. Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7).
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Wehrdienstverweigerung wird nach dem Military Penal Code geahndet (vgl. AA, 2.1.2017, 2017/1; Dt. Botschaft Beirut, 3.2.2016, 2016/1; SFH, 30.07.2014, G 3/14; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 8 f.). Nach dessen Artikel 98 wird, wer sich der Einberufung entzieht, mit Haft zwischen einem und sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft. Wer das Land verlässt, ohne eine Adresse zu hinterlassen, unter der er immer erreichbar ist, und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Für Desertion im eigentlichen Sinn werden in Artikel 101 fünf Jahre Haft angedroht bzw. fünf bis zehn Jahre, wenn der Deserteur das Land verlässt. Erfolgt die Desertion in Kriegszeiten oder während des Kampfes, beträgt die Haftstrafe 15 Jahre; Desertion im Angesicht des Feindes wird gemäß Artikel 102 mit lebenslanger Haft bzw. bei Überlaufen zum Feind mit Exekution bestraft. Berichten zufolge kann auch ein Wehrdienstentzug durch illegale Ausreise von nicht gemusterten bzw. nicht einberufenen Wehrpflichtigen mit Geldbuße oder Gefängnis bestraft werden (AA, 02.01.2017, 2017/1, S. 5).
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Die Umsetzung der Bestrafung scheint willkürlich zu sein (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 10 f.). Insoweit gibt es einerseits Stellungnahmen, dass zurückkehrenden Wehrdienstpflichtigen Haft, Folter, Misshandlungen, Einsatz an der Front sowie dauerhaftes Verschwinden bzw. Tod drohe (vgl. DOI, 8.11.2016, G 3/16, wonach bei Wehrdienstentziehung eine harte Strafe bis hin zu Todesstrafe, aber oft auch Folter drohe; Dt. Botschaft Beirut, 3.2.2016, 2016/1, wonach im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst Fälle von Haft oder dauerndem Verschwinden bekannt geworden seien; IRB Canada, 19.1.2016, G 5/16, wonach Wehrdienstpflichtige eine sehr vulnerable Gruppe darstellen; Danish Refugee Council, SYRIA, Update on Military Service, September 2015, G 11/15, S. 18, wonach das syrische Regime bei Wehrdienstentziehung mit Einberufung nach Arrest, Einsatz an der Front, Bestrafung, Misshandlung reagiert; SFH v. 28.3.2015, G 8/15, wonach es bei ergriffenen Wehrdienstverweigerern in der Haft zu Folter komme). Andererseits wird aber auch berichtet, dass die Bestrafung häufig von der Position und dem Rang des Betreffenden, seinem Profil, aber auch dem Bedarf an der Front abhänge (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 10). Weiter wird ausgeführt, dass einige der Verhafteten zwar zu Haftstrafen verurteilt und dann eingezogen würden, andere aber lediglich verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt würden (SFH, 28.3.2015, G 8/15; BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 27). Das DRC berichtet unter Berufung auf verschiedene Quellen, u.a. C. Kozak (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13 f., Fn. 62), dass Wehrdienstentzieher, wenn sie aufgegriffen werden, riskieren in den Militärdienst gesandt zu werden, während Deserteuren härtere Strafen drohten, wie z.B. Haft oder Todesstrafe. Der UNHCR (11/2017, G 35/17, S. 39 unten/S. 40 oben) führt hierzu aus, dass unabhängige Beobachter bemerken, dass Wehrdienstentziehung von der Regierung wahrscheinlich als politischer, gegen die Regierung gerichteter Akt betrachtet werde, der zu einer Bestrafung führen könne, die über die strafrechtlich vorgesehenen Sanktionen hinausgehe, einschließlich härterer Behandlung bei der Inhaftierung, während der Haft und Befragungen sowie während des militärischen Einsatzes, wenn sie wieder eingesetzt werden. In der Praxis würden Berichten zufolge Wehrdienstentzieher aber eher, als dass sie nach dem Militärstrafgesetzbuch bestraft würden, innerhalb von Tagen oder Wochen nach ihrer Verhaftung an die Front geschickt, oft nach nur minimaler Ausbildung. Nach anderen Berichten gebe es aber auch Deserteure, die nachdem sie wieder aufgegriffen worden seien, in den Militärdienst bzw. an die Front geschickt worden seien (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 14 mit Fn. 67 - 69). Insgesamt ist die Zahl der Wehr- bzw. Militärdienstverweigerer sehr hoch (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13; UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 2; UNHCR, April 2017, G 7/17, Fn. 117). Nicht in jedem Einzelfall würden Nachforschungen betrieben (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13).
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2. Der Kläger konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass er durch seine Ausreise und seinen Auslandsaufenthalt gegen Vorschriften des syrischen Strafrechts verstoßen hat, weil er sich dem Militärdienst entzogen habe.
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a) Eine Entziehung von der Wehrpflicht setzt nach den vorstehenden Ausführungen voraus, dass der Kläger einen Einberufungsbescheid erhalten hat. Der Umstand, dass der Kläger sein Wehrbuch nicht abgeholt hat, ist insoweit nicht ausreichend. Nach seinem Vorbringen hat der Kläger bis zu seiner Ausreise keinen Einberufungsbescheid erhalten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger erklärt, seinen Eltern sei nach seiner Ausreise kein Einberufungsbescheid zugegangen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat er dies nicht weiter ergänzt.
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b) Angesichts des Umstandes, dass der Kläger am 6. Januar 2016 Syrien über den Flughafen Damaskus legal verlassen hat, geht der Senat zudem davon aus, dass der Kläger vom Militärdienst freigestellt war. Zum Zeitpunkt der Ausreise war der Kläger bereits 18 Jahre alt. Nach den vorstehend genannten Quellen ist eine legale Ausreise für Männer ab 18 Jahren nur mit Genehmigung der Militärbehörden möglich. Am Flughafen Damaskus finden umfangreiche Personen- und Grenzkontrollen statt, so dass eine illegale Ausreise nahezu unmöglich sein dürfte (vgl. AA, Auskunft an VG Trier v. 12.10.2016, 2016/5). Soweit der Kläger in der Befragung bei dem Bundesamt berichtet hat, dass er am Flughafen in Damaskus von Kontrollbeamten befragt worden sei, ob er sich der Wehrpflicht entziehen wolle, und er dies verneint habe und man ihn dann habe passieren lassen, ist dies für das Gericht nicht glaubhaft. Die Schilderung ist detailarm und erfolgte erst auf Nachfrage, obwohl dies für den Kläger auch angesichts der drohenden Verhaftung eine sehr prekäre Situation gewesen sein muss. Soweit der Kläger seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bekräftigt und ergänzt sowie mit der Aussage seiner Schwester harmonisiert hat, die erklärt hat, der Kläger habe sich am Flughafen nicht geäußert, ist auch diese Aussage zur Überzeugung des Berufungsgerichts nicht glaubhaft. Hinsichtlich der Frage, wann der Reisepass von den syrischen Beamten gestempelt worden ist, ist sie zudem in sich widersprüchlich und auch deshalb unglaubhaft. Beide Aussagen widersprechen der oben ausgeführten Faktenlage, wonach bei der Ausreisekontrolle - gerade auch am Flughafen Damaskus - gezielt überprüft wird, ob eine ggf. notwendige Genehmigung der Militärbehörden vorliegt.
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Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zudem erklärt hat, dass er keine Bestechungsgelder für seine Ausreise geleistet hat, geht der Senat davon aus, dass der Kläger von der Wehrpflicht freigestellt war, da er nur so Syrien legal verlassen konnte. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Gegenteiliges behauptet hat, hält der Senat dies angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht für glaubhaft.
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c) Es ist auch nicht zu erkennen, dass der Kläger das Land entgegen den gesetzlichen Bestimmungen verlassen hat, ohne eine Adresse hinterlassen zu haben, unter der er erreichbar ist, und sich so der Einberufung entzogen hat. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass der Kläger bis zu seiner Ausreise bei seinen Eltern in Damaskus wohnhaft und den syrischen Militärbehörden dies auch bekannt war. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger dort offiziell gemeldet war, haben die syrischen Behörden mit dem Kläger in Hinblick auf die Abholung seines Wehrbuches Kontakt gehabt. Dass der Kläger hierbei nicht seine Wohnadresse in Damaskus genannt haben will, erscheint nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die gesamte Familie Anfang 2016 seit mehr als zwei Jahren in Damaskus gelebt hat. Zudem ist der Kläger dort zur Schule gegangen, seine Schwester hat nach ihren Angaben in der Anhörung vor dem Bundesamt dort am 10. November 2013 ihr Studium aufgenommen sowie ca. 18 Monate in Damaskus studiert und sein im Ruhestand befindlicher Vater wird dort seine Rente bezogen haben. Dies legt es nahe, dass die Familie des Klägers sich dort auch offiziell angemeldet hat und der Kläger in der Anhörung vor dem Bundesamt zutreffend erklärt hat, seine letzte offizielle Wohnanschrift sei die in Damaskus benannte Anschrift gewesen, wie dies im Protokoll der Anhörung niedergelegt ist. Soweit der Kläger demgegenüber in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt hat, bei der Anhörung vor dem Bundesamt sei nur nach der letzten Wohnanschrift, nicht aber nach der letzten offiziellen Anschrift gefragt worden, erscheint dies nicht glaubhaft. Hiergegen sprechen die zuvor genannten Umstände.
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3. Aber auch wenn der Senat unterstellt, dass das Assad-Regime den Kläger aufgrund des längeren Auslandsaufenthalts im wehrdienstfähigen Alter bei einer hypothetischen Rückkehr wie einen Wehr- bzw. Militärdienstentzieher behandeln würde, der der Einberufung nicht gefolgt ist, ohne Genehmigung des Militärs das Land verlassen hat und keine Adresse hinterlassen hat, unter der er für die Militärbehörden erreichbar ist, lässt sich nach Ansicht des Senats den vorliegenden Erkenntnisquellen nicht hinreichend verlässlich entnehmen, dass dem Kläger beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgungshandlung aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründen, insbesondere wegen einer unterstellten Regimegegnerschaft, droht. Insoweit kann nicht beachtlich wahrscheinlich festgestellt werden, dass dem Kläger eine Bestrafung bzw. Inhaftierung (nachfolgend a)) droht und ihm insoweit eine regimefeindliche Haltung unterstellt werden würde (nachfolgend b)). Ebenso liegen keine hinreichenden Erkenntnisse dazu vor, dass dem Kläger sonstige Verfolgungshandlungen wie eine härtere Behandlung während des Militärdienstes oder ein unmittelbarer Fronteinsatz aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründen droht (nachfolgend c)). Die dem Kläger drohende Rekrutierung erfolgt ebenfalls nicht in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe.
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a) Den Erkenntnisquellen lassen sich zur Überzeugung des Senats keine Anhaltspunkte in hinreichender Dichte dafür entnehmen, dass der Kläger bei der gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien bestraft bzw. inhaftiert werden würde, selbst wenn das Assad-Regime dem Kläger die Erfüllung der Straftatbestände der Wehrdienst- bzw. Militärdienstentziehung unterstellen würde. Insoweit liegen uneinheitliche Erkenntnisse darüber vor, ob einem Wehrdienst- bzw. Militärdienstentzieher allein eine Einziehung zum Wehrdienst und ein Militäreinsatz oder allein oder zusätzlich eine Inhaftierung bzw. ein Strafverfahren droht; es scheint eher wahrscheinlich zu sein, dass diesen Personen allein eine Einziehung zum Wehr- bzw. Militärdienst droht. Gleichzeitig lassen sich den Erkenntnisquellen nicht in hinreichender Dichte Verfolgungsfälle - d.h. konkrete Berichte über Fälle und Anzahl von Inhaftierung und ggf. Misshandlungen aufgrund von Wehr- bzw. Militärdienstentziehung - entnehmen, die im Verhältnis zu den erheblichen Rekrutierungsanstrengungen des Assad-Regimes z.B. an im Land errichteten Kontrollpunkten als ins Gewicht fallend angesehen werden können.
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aa) Die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen beurteilen die Folgen einer Entziehung vor dem Wehrdienst bzw. Militärdienst uneinheitlich. Ihnen lassen sich zudem keine hinreichenden Fakten dafür entnehmen, dass (ggf. zurückkehrenden) Wehr- bzw. Militärdienstdienstverweigerern beachtlich wahrscheinlich eine Bestrafung und/oder Inhaftierung droht, sofern keine weiteren individuellen Anhaltspunkte auf eine Regimegegnerschaft hindeuten.
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Berichte zu aus dem Ausland zurückkehrenden Personen, die sich durch Ausreise dem Wehrdienst bzw. dem Militärdienst entzogen haben, liegen nicht vor. Auch aufgrund der Erkenntnisse zu den in Syrien aufgegriffenen Wehr- bzw. Militärdienstentziehern hat der Senat keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass diesen beachtlich wahrscheinlich Inhaftierung und Misshandlung droht.
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(1) Der UNHCR führt in seiner Stellungnahme von November 2017 (G 35/17, S. 40, Fn. 227 unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des UNHCR von Februar 2017) sowie vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 2) aus, dass Berichten zufolge in der Praxis Wehr- bzw. Militärdienstentziehern eher als strafrechtliche Sanktionen (Inhaftierung) nach dem Militärstrafgesetz innerhalb von Tagen bzw. Wochen nach ihrer Festnahme ein Einsatz an vorderster Front droht, oft nur mit einer minimalen Ausbildung. In der deutschen Übersetzung von April 2017 (G 7/17, S. 23 und Fn. 113) der in Bezug genommenen Stellungnahme vom Februar 2017 heißt es, dass berichtet werde, dass Wehrdienstentzieher in der Praxis festgenommen und unterschiedlich lange inhaftiert würden und danach in ihrer militärischen Einheit Dienst leisten müssten. Aus Berichten gehe hervor, dass sie während der Haft dem Risiko von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt seien. Als Referenz wird eine Anwältin von Human Rights Watch (HRW) mit der Äußerung zitiert, HRW wisse, dass Menschen in Syrien aufgrund ihrer Weigerung, in der Armee zu dienen, inhaftiert seien. Zudem wird ein Bericht von Al Jazeera vom Juni 2016 angeführt, wonach mögliche Folgen für Wehrdienstentzieher umgehende Einziehung nach der Festnahme, Einsatz an vorderster Front, Untersuchung und Folter und/oder Inhaftierung seien. Welche Konsequenz(en) die Wehrdienstentziehung habe, könne vom Profil der betreffenden Person, ihren Verbindungen und dem Gebiet abhängen. Wenn die Behörden die betreffende Person verdächtigten, Verbindungen zu Oppositionsgruppen zu haben, dann würden Ermittlungen und Misshandlungen, einschließlich Folter folgen.
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Der Bericht von Al Jazeera deutet eher darauf hin, dass eine Inhaftierung mit Misshandlung und Folter droht, wenn aufgrund weiterer Umstände von einer oppositionellen Haltung ausgegangen wird. Ob dies auch den von der Anwältin von HRW zitierten Fällen zugrunde liegt, lässt sich dem Zitat nicht entnehmen; dies kann der Senat nicht ausschließen. Dem Bericht ist nicht zu entnehmen, auf welche Faktenlage er gestützt ist. Eine zahlenmäßige Größenordnung, die für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit von Inhaftierung und Folter insbesondere angesichts der Tatsache, dass Wehrdienstentziehung in Syrien weit verbreitet ist, sowie angesichts der nachstehend unter bb) aufgeführten Erwägungen notwendig wäre, kann dem Bericht nicht entnommen werden.
- 112
Soweit ein Einsatz an vorderster Front innerhalb von wenigen Tagen und Wochen nach der Festnahme berichtet wird, führt der UNHCR in seiner Stellungnahme von April 2017 an anderer Stelle (vgl. G 7/17, S. 25 und Fn. 122) aus, dass es gängige Praxis sei, Wehrpflichtige und Reservisten nach begrenzter oder ganz ohne militärische Ausbildung an den Frontlinien einzusetzen. Als Referenz wird in der Fußnote 122 der Syrienexperte des Institute for the Study of War (ISW), Herr Kozak, zitiert, wonach Reservisten fast grundsätzlich an die vorderste Front und neu eingezogene Wehrdienstleistende fast ohne Ausbildung in den Kampf geschickt würden. Angesichts dessen kann nicht beachtlich wahrscheinlich festgestellt werden, dass Militärdienstentzieher nach ihrer Festnahme härter behandelt werden als Personen, die der Einberufung zum Wehrdienst bzw. der Einberufung als Reservist gefolgt sind (vgl. zum sog. Politmalus: BVerfG, Beschl. v. 29.4.2009, 2 BvR 78/08, juris Rn. 18 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017, 1 B 22.17, juris Rn. 14).
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Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Inhaftierung ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme von Herrn Kozak, die in der Stellungnahme des UNHCR von November 2017 sowie vom 30. Mai 2017 wiedergegeben wird (UNHCR, 11/2017, G 35/17, S. 40, Fn. 226 - E-Mail v. C. Kozak v. 6.10.2017; UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 3 Fn. 14 - E-Mail v. C. Kozak v. 18.5.2017 -, vgl. auch S. 6, E-Mail v. 24.5.2017). Herr Kozak wird dahingehend zitiert, er habe Berichte gehört, dass das Verhalten eingezogener Wehrdienstentzieher durch Militäroffiziere und andere Offizielle als verräterisch und regierungsfeindlich angesehen würde. In der Stellungnahme des UNHCR vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 6) wird er dahingehend zitiert, dass die Regierung in der Praxis aufgrund des anhaltenden Bedarfes an Streitkräften ein begrenztes Interesse daran zeige, Wehrdienstentzieher den geltenden rechtlichen Sanktionen zu unterziehen. Anstatt langjähriger Gefängnisstrafen scheine die rasche Einberufung in den Wehrdienst die bevorzugte Reaktion auf Wehrdienstentziehung zu sein und zwar selbst bei Personen, die in Regionen wohnten, die zuvor unter der Kontrolle von Oppositionsgruppen gestanden hätten. Die meisten Wehrdienstentzieher befänden sich daher vermutlich nicht für lange Zeit im Strafverfolgungssystem. Die brutalen Bedingungen der Einziehung zum Militärdienst mit haftähnlicher Internierung auf Militärstützpunkten und minimalem Training vor dem Fronteinsatz blieben jedoch bestehen. Den Äußerungen ist nicht zu entnehmen, auf welcher Faktenlage sie beruhen, ob es sich um eine wertende Einschätzung handelt oder diesen Äußerungen Erkenntnisse über entsprechende Inhaftierungen und ggf. in welcher Größenordnung bzw. unter welchen Umständen zugrunde liegen. Die Angabe einer die Einschätzung stützenden Faktenlage ist zur Überzeugung des Gerichts auch angesichts der nachfolgend unter bb) ausgeführten Erwägungen - insbesondere des hohen Personalbedarfs des Assad-Regimes - notwendig, die dafür sprechen, dass Wehrdienstentzieher nach einer Festnahme ohne vorangegangenes Strafverfahren oder Strafhaft umgehend zum Militärdienst eingezogen werden, d.h. auf Militärbasen verbracht, dort ausgebildet und dann an der Front eingesetzt werden.
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Die weiteren vom UNHCR in der Stellungnahme vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 6 f.) genannten Referenzquellen (J. Landis, R. Davis und L. Fakih) gehen nach ihrem Verständnis des Assad-Regimes bzw. auf der Grundlage von nicht näher genannten Interviews davon aus, dass Wehrdienstverweigerung als regierungsfeindlich angesehen werde. Den Äußerungen lässt sich - soweit es sich nicht nur um Wertungen handelt - keine Faktengrundlage entnehmen.
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Die vom UNHCR genannten zusätzlichen Risikofaktoren knüpfen an eine vermutete Regimegegnerschaft an. Anhaltspunkte ergeben sich insoweit in Bezug auf den Kläger nicht. Aus der Region Qunaitra ist er mit seinen Eltern nach Damaskus und somit in ein von dem Assad-Regime kontrolliertes Gebiet geflohen. Seine Eltern leben dort nach den Angaben des Klägers unbehelligt. Soweit die Stellungnahme des UNHCR dahin zu verstehen sein sollte, dass sich allein die Stellung eines Asylantrages bzw. die Registrierung als Flüchtling risikoerhöhend auswirkt, vermag der Senat dies - wie unter III. ausgeführt sowie angesichts der Zahl von ca. 6,5 Mio. Flüchtlingen - nicht zu teilen. Wie ausgeführt fehlen belastbare Erkenntnisse über den Umgang des Assad-Regimes mit zurückkehrenden syrischen Staatsangehörigen im wehrdienstfähigen Alter.
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(2) Das DRC (08/2017, G 23/17, S. 13 unter Hinweis auf C. Kozak) geht davon aus, dass die individuelle Verfolgung von einzelnen Personen, die sich dem Wehrdienst bzw. dem Militärdienst entzogen hätten, auch angesichts der Vielzahl derjenigen, die der Einberufung nicht gefolgt seien, nicht im Vordergrund stehe. Weiter wird dort (S. 13 f., Fn. 62) unter Berufung auf C. Kozak und andere Quellen ausgeführt, dass Wehrdienstentzieher, wenn sie festgenommen werden, riskieren zum Militärdienst eingezogen zu werden, während Deserteuren eher schwerere Konsequenzen drohen, wie Inhaftierung (imprisonment) oder die Todesstrafe.
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(3) Das Auswärtige Amt (2.1.2017, 2017/2, S. 2 f.) berichtet über Befragungen von Rückkehrern aus dem Ausland durch Sicherheitsdienste sowie, dass die Sicherheitsdienste im rechtsfreien Raum agieren würden; es führt jedoch gleichzeitig aus, dass zu einer systematischen Anwendung von schwerwiegenden Eingriffen bei derartigen Befragungen keine Erkenntnisse vorlägen. Zur speziellen Verfolgungsgefahr für zurückkehrende Wehrdienstentzieher äußert sich das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 13. September 2017 an das VG Köln (2017/9, S. 1). Es führt aus, dass über die Exekution von desertierten Soldaten berichtet werde, sowie über willkürliche Verhaftungen von Männern, die sich nicht ausweisen könnten und aus umkämpften Gebieten geflohen seien. „Dies gilt auch für Männer im wehrpflichtigen Alter, die sich dem Militärdienst entzogen haben“. Selbst wenn sich diese Äußerung nicht nur auf willkürliche Verhaftungen, sondern auch auf die Exekution beziehen sollte, ist diese nicht weiter belegte Äußerung auch angesichts der gegenteiligen Erkenntnisse, dass die Rekrutierung von Wehrpflichtigen im Vordergrund stehe, nicht belastbar.
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In der Auskunft der deutschen Botschaft Beirut (3.2.2016, 2016/1, S. 1) wird von Fällen berichtet, bei denen Rückkehrer befragt, zeitweilig inhaftiert und dauerhaft verschwunden seien. Dies stehe aber überwiegend in Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten. Der erkennende Senat geht - wie nachfolgend unter b. ausgeführt - nicht davon aus, dass Wehrdienstentziehern allein aufgrund der Wehrdienstentziehung eine Regimegegnerschaft zugeschrieben wird.
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(4) Das Deutsche Orient-Institut führt in seiner Auskunft vom 8. November 2016 (G 3/16, S. 1, 2) zwar aus, dass wenn die Ausreise u.a. dem Zweck gedient habe, sich dem Wehrdienst zu entziehen, dies eine harte Bestrafung nach sich ziehe. Dem stehen aber die anders lautenden neueren Stellungnahmen des UNHCR entgegen, wonach derzeit die Einziehung zum Militärdienst im Vordergrund stehe. Zudem führt das DOI aus, dass die ihm zur Verfügung stehende Datenlage aufgrund der aktuellen Lage in Syrien hinsichtlich behördlicher Aktivitäten und Vorgehensweisen des syrischen Staates nicht immer belastbar sei.
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(5) Das Immigration and Refugee Board of Canada (IRB Canada) berichtet in seiner Stellungnahme vom 19. Januar 2016 (G 5/16, S. 8 f. dt. Übersetzung) von einer Gefährdung nicht gedienter Männer bei Einreise über die Flughäfen. Es bleibt aber unklar, auf welcher Faktenlage die benannten Referenzquellen (CIVIC, Executive Direktor, Emeritus Professor) zu der Einschätzung gekommen sind und ob es bei den inhaftierten Personen weitere Anhaltspunkte für eine mögliche oppositionelle Einstellung oder die Zuschreiben einer regimefeindlichen Einstellung gab. An anderer Stelle wird im Bericht ausgeführt (G 5/16, S. 5 dt. Übersetzung), dass es nur „limitierte“ Informationen bezüglich der Behandlung von syrischen Rückkehrern seit 2011 gebe bzw. es „sehr schwer“ sei, Informationen über die Behandlung von Rückkehrern durch Grenzbeamte zu erhalten, da die Presse darüber nicht berichten könne. Jedoch habe man bruchstückhafte Darlegungen von Syrern in Damaskus gehört, von Leuten, die nach Syrien zurückgekehrt und dann verschwunden seien; in manchen Fällen hätten sie auch Verwandten von ihren Plänen zurückzukehren berichtet, sie seien dann aber niemals angekommen und hätten auch nicht mehr erreicht werden können. Eine Frau habe berichtet, dass im Juni 2012 zwei Verwandte verhaftet und verschwunden seien, als sie nach Syrien zurückgekehrt seien. Derartige vereinzelte Referenzfälle können angesichts der Vielzahl von Wehrdienstentziehern nach Ansicht des Senats nicht als ausreichende Faktenlage für die Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung dienen.
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(6) Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (21.3.2017, G 5/17, S. 8) zitiert im Wesentlichen den Bericht des IRB Canada vom 19. Januar 2016 (G 5/16, S. 8 f. dt. Übersetzung), wonach Männer im wehrdienstfähigen Alter besonderes gefährdet seien, Opfer von Misshandlungen zu werden. Auf die vorstehenden Ausführungen unter (5) zu dieser Stellungnahme wird Bezug genommen.
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(7) Das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 27) führt unter Berufung auf den Danish Immigration Service aus, dass ein Wehrdienstverweigerer, der aufgegriffen würde, zum Dienst in der Armee geschickt werden könnte. Die Konsequenzen hingen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gebe, wären die Konsequenzen ernster. Im Bericht des BFA von August 2017 (G 11/17, S. 20 und Fn. 51) geht dieses unter Berufung auf Interviews mit einer europäischen diplomatischen Quelle in Beirut am 18.5.2017 sowie vom selben Tag mit Lama Fakih davon aus, dass bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung die Meinungen der Quellen auseinandergingen. Während die einen darin eine „Foltergarantie“ und ein „Todesurteil“ sähen, würden andere sagen, dass Verweigerer sofort eingezogen würden.
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bb) Zudem begründen die nachfolgenden Erwägungen Zweifel daran, dass zurückkehrenden Wehrdienstverweigerern beachtlich wahrscheinlich eine Bestrafung und/oder Inhaftierung droht, wenn keine individuellen Anhaltspunkte auf eine Regimegegnerschaft hindeuten.
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(1) Die syrische Armee ist personell erheblich geschwächt, so dass ein hoher Personalbedarf an einsatzbereiten Soldaten besteht.
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Die syrische Armee ist durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen deutlich geschwächt und hat einen Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Es wird berichtet (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 23; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8,), dass viele Männer ihrer Einberufung nicht Folge leisten. Berichten zufolge sollen die kampffähigen Truppen der syrischen Armee von ehemals 300.000 Soldaten auf ca. 125.000 bis 175.000, nach einer Angabe sogar auf aktuell 25.000 - 30.000 Soldaten reduziert sein, da sich das Assad-Regime finanziell mehr nicht leisten könne (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2; Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7; vgl. zum Zerfall der Armee auch: Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 15 07 2017, S. 3; Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 19 04 2017, S. 2, 9, 13). Bereits im Jahr 2014 soll das Assad-Regime nur noch über 100.000 Soldaten verfügt haben (UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 2, Fn. 7 unter Verweis auf C. Kozak), von denen nur 30.000 - 40.000 tatsächlich in der Lage gewesen seien, militärische Operationen durchzuführen (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2); im November 2016 soll die syrische Armee nur noch über 50.000 Soldaten verfügt haben (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2). Daneben besteht - wie bereits ausgeführt - eine Vielzahl von regierungstreuen Milizen.
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Russland versucht seit Beginn seiner Intervention in Syrien im September 2015, die syrischen Sicherheitsapparate und die syrische Armee zu stärken. So sollten auf Initiative Russlands mit neuen Kommandostrukturen die paramilitärischen Gruppen unter die Kontrolle der syrischen Armee gebracht werden; dazu sollen im Oktober 2015 bzw. November 2016 das IV. Angriffskorps (Fourth Storming Corps - Latakia) bzw. das V. Angriffskorps (Fifth Storming Corps - Damaskus) gegründet worden sein. Im IV. Angriffskorps sollten lokale Milizen und reguläre syrische Einheiten vereint werden; dieser Ansatz konnte nicht umgesetzt werden. Im V. Angriffskorps sollen Personen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben, Deserteure und Beamte aufgeboten werden, um unter der gemeinsamen Führung der syrischen Armee, der Hisbollah und Russlands zu kämpfen (DRC v. 08/2017, G 23/17, S. 8; SFH v. 23.3.2017, G 19/17, S. 4; Truppendienst, Streitkräfte des Assad-Regimes, v. 15.2.2017).
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Der Zerfall der syrischen Armee scheint sehr weitgehend zu sein; so soll diese im Wesentlichen nur noch aus der Division der Republikanischen Garde und der 4. Panzerdivision bestehen, die beide fast ausschließlich aus Alawiten bestehen, die unterstützt werden durch dem Assad-Regime treue unter verschiedenen Kommandos stehende syrische Milizen. Zugleich berichten verschiedene Quellen, dass inzwischen die syrische Armee in große Militäroperationen nur zu einem Bruchteil involviert sei. In solchen verlasse sich das Assad-Regime auf eine Mischung aus Elite-Einheiten, loyalen Milizen und ausländischer Unterstützung, insbesondere die iranischen „Islamischen Revolutionsgarden“ (IRGC), afghanische und irakische schiitische Milizen und die libanesischen Hisbollah-Milizen. Diejenigen Einheiten, in denen Wehrpflichtige überwiegend eingesetzt würden, seien daran nicht beteiligt (DRC v. 08/2017, G 23/17, S. 9; Truppendienst, Streitkräfte des Assad-Regimes, v. 15.2.2017; vgl. zur Unterstützung durch iranische und russische Kampfverbände sowie von durch den Iran gestützte schiitische Milizen aus dem Irak und Libanon: Gerlach, Herrschaft über Syrien, 2015, S. 215 ff. [zu schiitischen Milizen aus dem Irak], S. 237 ff. [zu libanesischen Hisbollah-Milizen], S. 257 ff. [zu iranischen Truppen und Milizen], S. 282 ff. [zum Einfluss Russlands]; IFK, Fact Sheet Syrien Nr. 63, Internationales Konflikt- und Krisenmanagement sowie Militärische Entwicklungen; IFK, Fact Sheet Syrien Nr. 61, Internationales Konflikt- und Krisenmanagement; IFK, Fact Sheet Syrien & Irak, Jahresrückblick 2016, v. 31.1.2017, Internationales Konflikt- & Krisenmanagement, Syrien; Streitkräfte des Assad-Regimes, v. 15.2.2017; Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 5 ff., Update 15 07 2017, S. 3 f., Update 19 04 2017, S. 2 f., 9, 13, Update 15 02 2017, S. 7 f., Update 15 12 2016, S. 2).
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(2) Gleichzeitig hat das Assad-Regime verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die in der Armee entstandenen Lücken wieder zu schließen. Zum einen werden Verhaftungen von Deserteuren und von Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, sowie Zwangsrekrutierungen berichtet (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2). Darüber hinaus wird berichtet, dass das Assad-Regime bei Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, verlange, dass die jungen Männer der Region in die syrische Armee eintreten. So sollen nach der Eroberung von Ost-Aleppo 5000 Männer in den Wehrdienst eingezogen worden sein. Selbst Häftlinge sollen unter Druck gesetzt werden, in die syrische Armee einzutreten (vgl. SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 7). Andererseits versucht das Assad-Regime, mit Amnestien und der Erhöhung des Soldes Anreize für den Eintritt in den Militärdienst zu schaffen (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 3, 12; BFA, 08/2017, G 11/17, S. 23). Dem Bestreben des Assad-Regimes nach einer Erhöhung der Zahl seiner Militärangehörigen durch Rekrutierung würde es auch angesichts der Berichte darüber, dass den Einberufungen im großem Umfang (nach Angaben der SFH sollen zwischen 70.000 - 110.000 Soldaten desertiert sein oder sich dem Wehrdienst entzogen haben) nicht Folge geleistet wird (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2), zuwider laufen, wenn die so rekrutierten Soldaten zunächst inhaftiert, misshandelt und im schlimmsten Fall getötet würden.
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Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass ein hoher Vertreter des Militärs eine harte Bestrafung der Zurückkehrenden angekündigt hat (Spiegel v. 11.9.2017, Assads Top-General droht Flüchtlingen). Es handelt sich um eine einzelne Äußerung, bei der schon fraglich ist, ob die Person für das Assad-Regime sprechen kann.
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Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach Ansicht des Senats bei der erforderlichen Prognose zudem zu berücksichtigen ist, dass nach Angaben des UNHCR (v. 13.12.2017, G 36/17) insgesamt mehr als 5,4 Millionen Syrer als Flüchtlinge in den Ländern Türkei (3,38 Mio.), Libanon (ca. 1 Mio.), Jordanien (ca. 655 T.), Irak (ca. 247 T.), Ägypten (ca. 126 T.) und in Nordafrika (ca. 30 T.) registriert waren. Hinzu kommen ca. 1 Mio syrische Flüchtlinge, die ins westliche Europa geflüchtet sind. Allein unter den vom UNHCR erfassten 5,4 Mio. Flüchtlingen befinden sich ca. 25 % männliche Flüchtlinge im Alter zwischen 18 und 59 Jahren. Bei der nach Ansicht des Gerichts prognostisch zu unterstellenden Rückkehr einer Vielzahl dieser Flüchtlinge nach Syrien ist nach Auffassung des Gerichts nicht zu prognostizieren, wie das Assad-Regime sich diesen gegenüber verhalten wird. Insbesondere eine Bestrafung auch nur eines beachtlichen Teils dieser mehr als 1,5 Mio. männlichen Rückkehrer ist für das Gericht nicht hinreichend wahrscheinlich. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch der Umstand, dass seit 2015 260.000 Syrer, davon 31.000 im 1. Halbjahr 2017, zumindest zeitweise nach Syrien zurückgekehrt sind – darunter dürften auch Männer im wehrdienstfähigen Alter sein - Zweifel daran begründet, dass beachtlich wahrscheinlich eine Inhaftierung einer beachtlichen Zahl von Rückkehrern im wehrdienstfähigen Alter erfolgen wird.
- 131
b) Den Erkenntnisquellen lassen sich zur Überzeugung des Senats auch keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Wehrdienstverweigern beachtlich wahrscheinlich durch das Assad-Regime eine regimefeindliche Haltung unterstellt wird und ihnen daher in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgung droht.
- 132
aa) Den Erkenntnisquellen lassen sich keine hinreichenden Fakten für die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Zuschreibung einer Regimegegnerschaft entnehmen.
- 133
(1) Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet, dass die Bestrafung von Wehrdienstverweigerern häufig von der Position und dem Rang des Betreffenden, aber auch von dem Bedarf an der Front abhängt (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 10). Ebenfalls wird berichtet, dass einige der Festgenommenen zwar zu Haftstrafen verurteilt und dann eingezogen würden, andere aber lediglich verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt würden (SFH, 28.3.2015, G 9/15; DRC 9/2015, G 11/15, S. 18). An anderer Stelle weist die Schweizerische Flüchtlingshilfe (v. 21.3.2017, G 5/17, S. 10) darauf hin, dass prinzipiell davon ausgegangen werden müsse, dass jede Person, die nach Syrien zurückkehre, verhaftet und misshandelt werden könne. Die Willkür zeige sich auch darin, dass sich einzelne mit Bestechung freikaufen könnten. Amnesty International beschreibe den weit verbreiteten Opportunismus der syrischen Sicherheitsbeamten, die entweder aus Profitgier oder aus persönlicher Rache Menschen verhaften und verschwinden ließen. Auch seien viele Menschen in Haft, weil sie aus persönlichen Gründen von Informanten diffamiert worden seien. Diese Willkür spiegelt sich auch in der Struktur der Sicherheitsdienste wieder (s.o. S. 10).
- 134
(2) Hingegen geht der UNHCR davon aus, dass nach Stellungnahmen unabhängiger Beobachter Wehrdienstentziehung „wahrscheinlich“ als politischer Akt gegen die Regierung aufgefasst werde, was die Behandlung, der Wehrdienstentzieher ausgesetzt seien, ganz oder teilweise motivieren könne (11/2017, G 35/17, S. 39 mit Fn. 224; 30.5.2017, G 9/17, S. 3 mit Fn. 13 und 14, S. 6 f.). Allerdings führt der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 3) weiter aus, dass „oft nicht zu unterscheiden und festzustellen“ sei, ob die gegen die Betroffenen angewandten Sanktionen als Antwort auf die Straftat der Wehrdienstentziehung oder auf die unterstellten oppositionellen Überzeugungen erfolgten. Die vom UNHCR angeführten Referenzquellen lassen nicht erkennen, auf welcher Faktenlage diese zu der Einschätzung der Unterstellung einer regimefeindlichen Haltung gelangt sind; der Senat sieht sich angesichts der dargelegten Stellungnahmen, die von willkürlichen Behandlungen ausgehen, der dargelegten Interessenlage, der Vielzahl von Wehr- und Militärdienstentziehern nicht in der Lage, diese Einschätzung zu teilen und Inhaftierung und Misshandlung wegen einer (unterstellten) regimefeindlichen Haltung als beachtlich wahrscheinlich anzusehen:
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Der vom UNHCR als Referenzquelle genannte Herr Kozak hat erklärt (UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 3, Fn. 14, E-Mail von C. Kozak v. 18.5.2017), er habe gehört, dass das Verhalten von bereits einberufenen Wehrdienstverweigerern von Militäroffizieren und anderen Beamten als verräterisch und regierungsfeindlich angesehen werde könne. In der Stellungnahme des UNHCR vom November 2017 (G 35/17, S. 39, Fn. 224) wird Herr Kozak dahingehend zitiert (E-Mail v. 6.10.2017), dass nach seiner Einschätzung die Regierung Sanktionen gegen Wehrdienstentzieher verhänge als strafrechtliche Ahndung, aber auch weil sie die Wehrdienstentziehung als politische oder regierungsfeindliche Tätigkeit ansehe.
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Die in der Stellungnahme des UNHCR vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 6) aufgeführten weiteren Referenzquellen (J. Landes, R. Davis und L. Fakih) geben z.T. ihre subjektive Einschätzung wieder. Für den Senat ist nicht erkennbar, auf Grundlage welcher Fakten (genannt werden von R. Davis „Interviews“) diese Einschätzung erlangt worden ist.
- 137
(3) Die Unabhängige Untersuchungskommission für Syrien führt im Bericht vom 11. August 2016 (A/HRC/33/55, G 14/16, S. 13 Rn. 75) aus, dass Zivilisten, hauptsächlich Männer im kampffähigen Alter, weiterhin von den Straßen Syriens verschwinden würden. Zehntausende von Syrern würden vermisst, viele unter Umständen, die vermuten ließen, dass sie gewaltsam verschwunden seien. Nicht näher referiert ist, ob es sich um (Zwangs-)Rekrutierungen oder Inhaftierungen handelt und aus welchen Gründen diese erfolgen.
- 138
bb) Auch allgemeine Erwägungen lassen zweifeln, ob Wehr- bzw. Militärdienstentziehern beachtlich wahrscheinlich eine regimefeindliche Haltung unterstellt werden wird. Hierfür spricht insbesondere der Umstand, dass berichtet wird, im Rahmen von Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, werde verlangt, dass die jungen Männer in die syrische Armee eintreten, und sogar Häftlinge unter Druck gesetzt werden, in die Armee einzutreten (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 7; HRC COI, 2.2.2017, G 14/17, S. 18 zu Ost-Aleppo). Das Verhalten des Assad-Regimes scheint insoweit primär durch Überlegungen zur Erhaltung seiner Macht gekennzeichnet zu sein. In diesem Kontext fehlen hinreichend verdichtete Erkenntnisse darüber, wie das Assad-Regime mit einer Vielzahl zurückkehrender Männer, die sich der Einberufung zum Wehrdienst oder dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland entzogen haben, umgehen würde.
- 139
Ergänzend nimmt der Senat auf die im Urteil des Verwaltungsgerichts (S. 17 ff. UA) angeführten Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 16. Dezember 2016 (1 A 10922/16, juris Rn. 150 ff.) Bezug.
- 140
c) Nach Ansicht des Senats lässt sich den Erkenntnisquellen nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass dem Kläger beachtlich wahrscheinlich andere Verfolgungshandlungen wie ein unmittelbarer Fronteinsatz aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründen, insbesondere wegen einer unterstellten Regimegegnerschaft, droht.
- 141
Insoweit wird - wie ausgeführt - berichtet, dass die Ausbildungszeit der Wehrpflichtigen oft kurz (45 Tage) sei (BFA, 08/2017, G 11/17, S. 18) und die Betreffenden häufig unverzüglich an die Front geschickt würden (UNHCR, April 2017, G 7/17, S. 25 f.). Es ist für den Senat angesichts der Schilderungen, dass dies alle Wehrpflichtigen und Reservisten treffe (vgl. UNHCR, April 2017, G 7/17, S. 25 und Fn. 122), nicht hinreichend belastbar erkennbar, dass dies nur Wehrdienstverweigerer oder Reservisten trifft, die sich der Einberufung entzogen haben. Für den Senat ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dies in Anknüpfung an eine aufgrund der Wehrdienstentziehung dem Kläger zugeschriebene regimefeindliche Haltung erfolgt.
- 142
d) Insgesamt erscheint es dem Gericht zwar beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger nach seiner Rückkehr nach Syrien - wie er es befürchtet - rekrutiert würde. Die Heranziehung zur Wehrpflicht bzw. Rekrutierung volljähriger Männer stellt aber keine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar, weil diese nicht wegen eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale erfolgt, sondern alle Männer trifft, die Wehrdienst abzuleisten haben oder als Reservist wieder eingezogen werden könnten (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.8.1986, 9 C 322/85, DVBl. 1987, 47, juris Rn. 11; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris Rn. 63). Es kann daher offen bleiben, ob vorliegend die Rekrutierung eine Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG darstellt. Jedenfalls fehlt es in Bezug auf die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft daran, dass die Rekrutierung zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt wird, die durch die Maßnahmen gerade wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe getroffen werden sollen. Insbesondere ist die Gruppe der Männer, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, keine soziale Gruppe i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Insoweit fehlt es jedenfalls daran, dass die Gruppe dieser Männer in Syrien eine abgegrenzte Identität hat; es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die syrische Gesellschaft die Männer, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, als soziale Gruppe wahrnimmt. Auch liegt insoweit keine Anknüpfung an das (männliche) Geschlecht vor. Da in Syrien nur Männer wehrdienstpflichtig sind, ist es selbstverständlich, dass sich Sanktionen wegen Verletzung dieser Pflicht nur gegen Männer richten.
- 143
4. Andere Obergerichte (vgl. VGH München, Urt. v. 14.2.2017, 21 B 16.31001, juris; VGH Mannheim, Urt. v. 28.6.2017, A 11 S 664/17, Asylmagazin 2017, 349, juris; VGH Kassel, Urt. v. 6.6.2017, 3 A 3040/16.A, juris - für rückkehrende Wehrdienstentzieher, die aus einem regierungsfeindlichen Gebiet stammen) sind zu der Überzeugung gelangt, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nach Syrien zurückkehrenden Männern eine Inhaftierung und menschenrechtswidrige Misshandlung droht, weil das Assad-Regime ihnen eine regimefeindliche Haltung zuschreiben werde. Da keine Erkenntnisse über nach Syrien zurückkehrende Männer vorlägen, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst durch Flucht ins Ausland entzogen haben, wird dies zum Teil aus der Brutalität des Vorgehens des Assad-Regimes gegenüber Regimegegnern, insbesondere aus dem Vorgehen der Geheimdienste, geschlossen sowie aus dem Charakter des um seine Existenz kämpfenden Staates zur Wiederherstellung seines Herrschaftsmonopols abgeleitet (vgl. VGH München, a.a.O., Rn. 83). Zugleich wird angenommen, dass eine harte und menschenrechtswidrige Bestrafung von Männern, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, belegt sei, und von der erforderlichen Gerichtetheit auf Merkmale i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG im Hinblick auf den gegen die Zivilbevölkerung geführten Vernichtungskrieg, das dominierende Freund/Feind-Schema und wegen der Intensität der Verfolgungsmaßnahmen auszugehen sei (VGH Mannheim, Urt. v. 28.6.2017, A 11 S 664/17, Rn. 59 ff.). Zum Teil werden die vom UNHCR genannten Referenzquellen als hinreichende tatsächliche Faktenlage angesehen.
- 144
Dem folgt der Senat nicht. Wie ausgeführt ist nach Auffassung des Senats den Erkenntnisquellen eher zu entnehmen, dass Rückkehrer im wehrdienstfähigen Alter allein rekrutiert und dem Militärdienst zugeführt werden; zudem fehlt es an einer hinreichend verlässlichen Faktenlage, auch im Hinblick auf die Frage, aus welchen Gründen eine Inhaftierung erfolgt. Der erkennende Senat gründet seine Ansicht, dass insoweit schon nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgungshandlung ausgegangen werden kann, darauf, dass in den Erkenntnisquellen gewichtige Hinweise vorhanden sind, dass Personen, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, im ausgeführten Gesamtkontext und angesichts des Bedarfs an Soldaten in das Militär eingezogen werden. Die fehlende beachtliche Wahrscheinlichkeit eines an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal anknüpfenden Verfolgungsgrundes beruht auf einer anderen Bewertung des Assad-Regimes und auf insoweit nicht in hinreichender Dichte vorhandenen Referenzfällen. Als handlungsleitendes Muster des Assad-Regimes vermag der Senat ein Freund/Feind-Schema nur bedingt zu erkennen; neben der Willkür einzelner handelnder Akteure dürften die Handlungen des Assad-Regimes vor allem dadurch bestimmt sein, was der Machterhaltung bzw. dem Vorteil des Regimes dient. Der z.T. menschenrechtswidrige und mit großer Härte geführte Krieg gegen die Zivilbevölkerung in Gebieten, die von Oppositionellen gehalten werden, zielt nach Überzeugung des Senats im Wesentlichen auf die Vernichtung des im Schutz der Zivilbevölkerung kämpfenden Gegners. Auch wenn die jeweilige Zivilbevölkerung dafür bestraft werden sollte, dass diese dem kämpfenden Gegner „Schutz bietet“, so würde auch dieser Umstand keinen Schluss darauf zulassen, wie das Assad-Regime mit Personen umgeht, die sich dem Wehr- bzw. Kriegsdienst entzogen haben. In diesem spezifischen Gesamtkontext kann die Intensität möglicher Verfolgungshandlungen nicht die Gerichtetheit der Verfolgung indizieren.
V.
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Dem Kläger ist nicht deshalb der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, weil ihm in Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG eine Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes droht, der Verstöße gegen das Völkerstrafrecht i.S.d. § 3 Abs. 2 AsylG umfassen würde. Insbesondere kann er sich nicht auf § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG berufen.
- 146
1. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG lautet:
- 147
„Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 148
(...)
5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 fallen,...“
- 149
Der in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG in Bezug genommene § 3 Abs. 2 AsylG lautet:
- 150
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling (...), wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 151
1. ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2. vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3. den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
- 152
a) § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG setzt die Vorgaben aus Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) um. Aus den Materialien zur Entstehung der Qualifikationsrichtlinie ist dabei ersichtlich, dass die Richtlinie grundsätzlich das Recht der Staaten auf Durchsetzung einer Wehrpflicht bzw. eines Militärdienstes respektiert. Denn ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, wie ihn die EU-Kommission im Entwurf der Qualifikationsrichtlinie vorgeschlagen hatte, ist in Art. 9 Abs. 2 lit. e) RL 2011/95/EU nicht übernommen worden (vgl. Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 3a Rn. 36 f.). Hiervon macht Art. 9 Abs. 2 Buchst. e) RL 2011/95/EU (bzw. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG) eine Ausnahme und privilegiert die Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG) fallen, also im Rahmen des Militärdienstes Kriegsverbrechen i.S.d. § 3 Abs. 2 AsylG begangen werden würden.
- 153
Auch bei Vorliegen einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist es nach § 3 Abs. 3 AsylG erforderlich, dass die Verfolgungshandlung - vorliegend eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes - wegen einer der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründe besteht (vgl. OVG Münster, Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A, NVwZ 2017, 1218, juris Rn. 100; offen gelassen: OVG Lüneburg, Urt. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris Rn. 70 ff.).
- 154
Da die Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG an die (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes anknüpft, wird insoweit regelmäßig eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen einer politischen Überzeugung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG vorliegen. Denn die Verweigerung des Militärdienstes, um nicht an Kriegsverbrechen i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG mitzuwirken oder diese zu unterstützen, dürfte regelmäßig Ausdruck einer politischen Überzeugung sein (vgl. Treiber in: GK-AufenthG, Stand April 2011, § 60 AufenthG Rn. 169).
- 155
Die gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG privilegierte Verfolgungshandlung knüpft an eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes an, wenn der Militärdienst die Begehung von Kriegsverbrechen i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG umfassen würde. Unter den Anwendungsbereich der Regelung fallen Ausländer, die ihrer gesetzlich angeordneten Wehrpflicht folgen, freiwillig Wehrdienst oder als Berufssoldaten Militärdienst leisten (Marx, Handbuch zum Flüchtlingsrecht, 2. Auflage 2012, § 14 Rn. 176), sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Nicht jeder Dienst von Wehrpflichtigen umfasst dabei auch Militärdienst (vgl. zu den unterschiedlichen Begriffen: UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 10 vom 12.11.2014, S. 3, unter II. Terminologie). Im Hinblick auf Wortlaut und Zielrichtung der Norm liegt ein „Militärdienst“ nicht vor, wenn und solange nur eine militärische Ausbildung erfolgt, in der der Soldat nicht in Teile des Militärs eingebunden ist, die an einer militärischen Auseinandersetzung beteiligt sind.
- 156
Der Europäische Gerichtshof (Urt. v. 26.2.2015, C-472/13, Shepherd, EuGRZ 2015, 160, juris Rn. 34; dem folgend: OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 102 ff.; vgl. auch: OVG Münster, Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A, NVwZ 2017, 1218, juris Rn. 95 ff.) hat zum persönlichen Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2004/83/EG, der identisch ist mit Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU, entschieden, dass in Anbetracht des Ziels der Qualifikationsrichtlinie, die Personen zu bestimmen, die wegen besonderer Umstände tatsächlich internationalen Schutz benötigten und rechtmäßig in der Union darum ersuchten, „die Eigenschaft als Militärangehöriger eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung“ (Unterstreichung nur hier) darstelle, um den Schutz zu genießen, der mit den Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie verbunden sei. Dabei sei die Inanspruchnahme des internationalen Schutzes nicht allein denjenigen vorbehalten, die persönlich als Kriegsverbrechen einzustufende Handlungen begehen müssten, insbesondere den Kampftruppen. Dieser Schutz könne auf andere Personen aber nur dann ausgedehnt werden, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheine, dass der Betroffene durch die Ausübung seiner Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Kriegsverbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würde (Tenor 2. Spiegelstrich) bzw. er sich in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müsse (Rn. 38; vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 102 ff.; s. auch: Treiber, GK-AufenthG, April 2011, § 60 Rn. 169). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Begehung von Kriegsverbrechen erfordert dabei nicht, dass der Internationale Strafgerichtshof bereits Handlungen der Einheit, der der Antragsteller angehört, geahndet hat oder feststeht, dass Kriegsverbrechen begangen wurden (ebenso: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 192 ff.; Treiber, GK-AufenthG, § 60 Rn. 265 S. 215); insoweit ist vielmehr hinreichend, dass der Antragsteller darzulegen vermag, dass solche Verbrechen mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Einheit, der er angehört, begangen wurden oder werden (EuGH, Urt. v. 26.2.2015, C-472/13, Shepherd, EuGRZ 2015, 160, juris Rn. 43).
- 157
Diesem Ansatz folgt der erkennende Senat und wendet diese Grundsätze auf die Auslegung der vorliegend maßgeblichen Regelungen in Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU bzw. §§ 3a Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG an. Demnach ist nicht Voraussetzung, dass dem Kläger eine persönliche Verantwortung für die Teilnahme an Kriegsverbrechen nachgewiesen wird, wie es der Fall sein müsste, wenn dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft im Hinblick auf die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylG versagt werden würde (Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 201 ff.; UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 10, vom 12.11.2014, S. 12 Ziffer 23); vielmehr handelt es sich um eine präventive Norm, die diejenigen Militärangehörigen schützen will, die Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht nicht begehen wollen.
- 158
b) Voraussetzung für die Anwendung von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist jedoch, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Kläger entweder Militärangehöriger ist bzw. vor seiner Flucht war, und sich dem Militärdienst durch Flucht entzogen hat bzw. entzieht. Dies setzt jedenfalls eine Einberufung zum Militärdienst voraus, da nur dann der Kläger im weitesten Sinne als Militärangehöriger angesehen werden könnte und der persönliche Anwendungsbereich der Regelung eröffnet wäre. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
- 159
2. Selbst wenn man § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG - entgegen der Ansicht des Senats - darüber hinaus dahingehend auslegen wollte, dass es hinreichend wäre, dass bei Rückkehr nach Syrien beachtlich wahrscheinlich eine Rekrutierung drohen und sodann eine Verweigerung des Militärdienstes erfolgen würde, so würde auch dann dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft im Hinblick auf diese Vorschrift nicht zuzusprechen sein.
- 160
Denn es ist nicht beachtlich wahrscheinlich davon auszugehen, dass der Kläger sich einer Rekrutierung durch Verweigerung des Militärdienstes widersetzen würde. Der Kläger hat ausgeführt, dass er sich wie alle syrischen Männer einer Rekrutierung nicht entziehen könnte, weil dies dazu führen würde, dass die syrischen Organe ihn inhaftieren und in diesem Zusammenhang misshandeln und/oder der Folter unterwerfen oder ihn töten würden. Würde er rekrutiert werden, sähe er sich gezwungen, dem zu folgen. Damit droht ihm auch bei einer gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien keine Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes.
- 161
Soweit der Kläger demgegenüber unter Berufung auf Literatur und Rechtsprechung ausländischer Gerichte vorbringt, dass eine präventive Entziehung vor der Rekrutierung und Teilnahme an Kriegsverbrechen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründe, folgt der Senat dem nicht. Wie ausgeführt erfolgt die Rekrutierung durch das Assad-Regime nicht beachtlich wahrscheinlich wegen eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erfolgten Merkmale; ihm fehlt die im Sinne dieser Regelung notwendige (politische) Gerichtetheit. Dem dennoch bestehenden Schutzbedürfnis des Klägers - auch wegen der geltend gemachten drohenden Rekrutierung und ggf. Teilnahme an Kriegsverbrechen - hat die Beklagte durch die Zuerkennung subsidiären Schutzes umfassend Rechnung getragen.
- 162
3. Es kann daher offen bleiben, ob der Kläger hinreichend plausibel dargelegt hat, dass er, wenn er rekrutiert würde, in einer Einheit Dienst leisten müsste, in der er hinreichend unmittelbar an Kriegsverbrechen beteiligt wäre.
C.
- 163
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt; insbesondere kann eine grundsätzlich klärungsbedürftige Tatsachenfrage die Zulassung der Revision nicht begründen (BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017, 1 B 22.17, NVwZ 2017, 1204, juris).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. März 2013 – 23 K 6544/10.A – wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die am 17. August 1990 geborene Klägerin ist angolanische Staatsangehörige katholischen Glaubens. Sie reiste nach ihren Angaben auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und meldete sich am 29. Februar 2008 als Asylsuchende.
3In der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) trug sie im Wesentlichen vor: Ihre Mutter sei bei ihrer Geburt gestorben, ihr Vater neun Jahre später. Seitdem habe sie bei ihrem Onkel, einem einfachen Berufssoldaten, in M. gelebt. Ihre Ausbildung an einer Fachhochschule für Gesundheit habe sie im Jahre 2006 abbrechen müssen, weil ihr Onkel diese nicht weiter habe finanzieren können. Zu ihrem 16. Geburtstag habe ihr Onkel ihre Verlobung mit dem General P. I. arrangiert. Da sie damit nicht einverstanden gewesen sei, sei sie im Juni oder Juli 2007 in die Sekte „D. F. “ geschickt worden, um ihren Widerstand zu brechen und ihre Beschneidung vorzubereiten. In einem unbeobachteten Moment habe sie durch eine geöffnete Tür fliehen können. Sie sei weglaufen und später von Unbekannten zu einer Mission gebracht worden. In katholischen Missionen sei sie versteckt mit Auto und Flugzeug über I1. nach M1. gebracht worden. Von dort sei sie nach Deutschland geflogen.
4Das Bundesamt lehnte es mit Bescheid vom 18. Januar 2010 ab, der Klägerin Asyl zu gewähren sowie die Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) festzustellen. Außerdem forderte es die Klägerin auf auszureisen und drohte ihr die Abschiebung nach Angola an. Der Bescheid wurde der Klägerin am 20. September 2010 zugestellt.
5Am 1. Oktober 2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat ergänzend vorgetragen, sie habe vergeblich von Deutschland aus versucht, Kontakt zu ihrem Zwillingsbruder aufzunehmen. In Angola habe sie niemanden mehr.
6Die Klägerin hat beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Januar 2010 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen sowie ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz vorliegen,
8hilfsweise, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 Aufenthaltsgesetz besteht,
9weiter hilfsweise, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz besteht.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom 3. Juli 2013 zugelassen. Zur Begründung hat die Klägerin im Wesentlichen auf ihren bisherigen Vortrag Bezug genommen und ergänzt, die Zwangsverlobung habe von vornherein nicht in eine Ehe münden sollen. Ziel sei nur gewesen, sie dem General zur Verfügung zu stellen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie ihre Angaben weiter vertieft.
13Die Klägerin beantragt,
14das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Januar 2010 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen,
15hilfsweise, ihr subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
16weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gemäß § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheiden.
22Die zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte sie als Asylberechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 GG anerkennt (dazu I.) und ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zuerkennt (dazu II.). Daher kann auch die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides keinen Bestand haben.
23Maßgebliche Rechtslage für die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltende. Dies sind u. a. die seit dem 1. Dezember 2013 geltenden §§ 3 ff. AsylVfG, welche die Richtlinie 2011/95/EU ins deutsche Recht umsetzen.
24I. Die Klägerin ist als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG anzuerkennen.
251. Nach dieser Vorschrift genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Voraussetzungen und Umfang des politischen Asyls sind wesentlich bestimmt von der Unverletzlichkeit der Menschenwürde.
26Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Dezember 2012 – 2 BvR 2954/09 –, NVwZ 2013, 500 = juris, Rn. 24, vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 38 ff., und vom 2. Juli 1980 – 1 BvR 147/80 u. a. –, BVerfGE 54, 341 = NJW 1980, 2641 = juris, Rn. 46.
27Zu den unverfügbaren Merkmalen im eben genannten Sinne zählt auch die Geschlechtszugehörigkeit.
28Vgl. VG Kassel, Urteil vom 26. März 2012 – 4 K 782/10.KS.A –, juris (Zwangsverheiratung); VG Stuttgart, Urteil vom 9. März 2006 – A 11 K 11112/04 –, juris, Rn. 26 f. (Verfolgung durch einen gewalttätigen Ehemann); VG Frankfurt, Urteil vom 23. August 2005 – 12 E 194/05.A –, juris, Rn. 12 (drohender Ehrenmord); VG Berlin, Urteil vom 3. September 2003 – 1 X 23.03 –, juris, Rn. 22 f. (Genitalverstümmelung); VG Aachen, Urteil vom 12. August 2003 – 2 K 1924/00.A –, juris, Rn. 49 (Genitalverstümmelung); VG Frankfurt, Urteil vom 29. August 2001 – 3 E 30495/98.A (2) –, NVwZ-RR 2002, 460 = juris, Rn. 41 (Genitalverstümmelung); VG München, Urteil vom 20. Juni 2001 – M 21 K 98.50394 –, juris, Rn. 92 ff. (Genitalverstümmelung).
29Die Rechtsverletzung, aus der der Asylbewerber seine Asylberechtigung herleitet, muss ihm gezielt, d. h. gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale zugefügt worden sein. Hieran fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsstaat zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen. Die in diesem Sinne gezielt zugefügte Rechtsverletzung muss von einer Intensität sein, die sich nicht nur als Beeinträchtigung, sondern als ausgrenzende Verfolgung darstellt, so dass der davon Betroffene gezwungen war, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen.
30Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 43 ff. m. w. N.
31Politische Verfolgung gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung. "Private" Handlungen können jedoch dann als "politische" Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG anzusehen sein, wenn der Staat Einzelne oder Gruppen zu Verfolgungsmaßnahmen anregt oder derartige Handlungen unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit dem Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt, weil er hierzu nicht willens oder nicht in der Lage ist. Anders liegt es, wenn die Schutzgewährung die Kräfte eines konkreten Staates übersteigt; jenseits der ihm an sich zur Verfügung stehenden Mittel endet seine asylrechtliche Verantwortlichkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass keine staatliche Ordnungsmacht einen lückenlosen Schutz vor Unrecht und Gewalt zu garantieren vermag.
32Vgl. BVerfG, Urteile vom 23. Januar 1991 – 2 BvR 902/85 u. a. – BVerfGE 83, 216 = NVwZ 1991, 768 = juris, Rn. 44, vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 40, 46 f., und vom 2. Juli 1980 – 1 BvR 147/80 u.a. –, BVerfGE 54, 341 = NJW 1980, 2641 = juris, Rn. 48.
33Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schutzsuchender asylberechtigt ist, gelten unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist. Im erstgenannten Fall ist Asyl schon dann zu gewähren, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann. Hat der Ausländer sein Heimatland jedoch unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von Nachfluchttatbeständen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht.
34Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. –, BVerfGE 80, 315 = DVBl. 1990, 102 = juris, Rn. 67 ff.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2011 – 10 C 29.10 –, BVerwGE 141, 161 = NVwZ 2012, 1042 = juris, Rn. 24.
35Asyl nach Art. 16 a Abs. 1 GG wird nicht gewährt, wenn für den Betroffenen eine inländische Fluchtalternative in anderen Landesteilen existiert. Dies setzt voraus, dass er in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und am Herkunftsort so nicht bestünden. Der Asylsuchende kann auch dann auf eine inländische Fluchtalternative verwiesen werden, wenn er dort in anderer Weise als durch politische Verfolgung existenziell gefährdet wäre und eine gleichartige existenzielle Gefährdung auch am Herkunftsort bestände. In einem solchen Fall liegt nämlich nicht in einer am Herkunftsort drohenden politischen Verfolgung, sondern in der auch in anderen Landesteilen drohenden sonstigen existenziellen Gefährdung der eigentliche Grund dafür, dass außerhalb des für die Schutzgewährung in erster Linie zuständigen Herkunftsstaates Schutz gesucht wird. Das Fehlen des wirtschaftlichen Existenzminimums am Ort einer inländischen Fluchtalternative ist also nur asylerheblich, wenn es verfolgungsbedingt ist.
36Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003 – 2 BvR 32/03 –, DVBl. 2004, 111 = juris, Rn. 2 f.; BVerwG, Urteil vom 9. September 1997 – 9 C 43.96 –, BVerwGE 105, 204 = DVBl. 1998, 274 = juris, Rn. 26.
37Es ist Sache des Asylbewerbers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, so schildert, dass der behauptete Asylanspruch davon lückenlos getragen wird. Das Gericht muss beurteilen, ob eine solche Aussage des Asylbewerbers glaubhaft ist. Dies gehört zum Wesen der richterlichen Rechtsfindung, vor allem der freien Beweiswürdigung. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts sind u. a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Asylbewerbers zu berücksichtigen.
38Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. August 1990– 9 B 45.90 –, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 225 = juris, Rn. 2, vom 26. Oktober 1989– 9 B 405.89 –, InfAuslR 1990, 38 = juris, Rn. 8, und vom 21. Juli 1989 – 9 B 239.89 –, InfAuslR 1989, 349 = juris, Rn. 3 f.
392. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Klägerin aufgrund der besonderen Umstände ihres Einzelfalls als Asylberechtigte anzuerkennen. Das Gericht glaubt der Klägerin ihr Vorbringen (dazu a)). Sie ist wegen ihres Geschlechts von Privaten verfolgt worden und ihr droht bei einer Rückkehr erneut politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG (dazu b)). Diese Verfolgung ist dem angolanischen Staat zuzurechnen (dazu c)). Der Klägerin stand keine inländische Fluchtalternative in Angola zur Verfügung (dazu d)). Art. 16 a Abs. 2 GG steht dem Asylanspruch nicht entgegen (dazu e)).
40a) Das Gericht hält den Vortrag der Klägerin für insgesamt glaubhaft. Diese hat in der mündlichen Verhandlung detailliert, in sich schlüssig und sichtlich emotional berührt ihr Schicksal geschildert. Ihre Aussagen passen in den wesentlichen Punkten zu ihren bisherigen Angaben in der Anhörung vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sowie zu den Erkenntnissen des Senats über Angola.
41Der Senat geht von folgendem Sachverhalt aus: Zunächst wurde die Klägerin an ihrem 16. Geburtstag ohne ihre Zustimmung von ihrem Onkel, einem einfachen Berufssoldaten, nach einer sogenannten Verlobungsfeier dem General P. I. , dem Vorgesetzten des Onkels, der Sache nach überlassen, blieb aber weiter bei ihrem Onkel wohnen. Der General wollte die Klägerin nicht heiraten. Die angebliche Verlobung diente ihm vielmehr als Vorwand, sie gegen ihren Willen immer wieder, auch über Nacht, mitzunehmen und nach Belieben über sie zu verfügen.
42Die Angaben der Klägerin über ihre sogenannte Verlobung decken sich mit den Erkenntnissen des Senats zu Angola. Dort werden innerhalb des Landes Frauen und Mädchen zum Zwecke der gewerbsmäßigen sexuellen Ausbeutung gehandelt.
43Vgl. Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 52.
44Die Klägerin sollte zwar keiner gewerbsmäßigen Prostitution nachgehen, aber dem General persönlich zu sexuellen Zwecken zur Verfügung stehen. Unabhängig davon, ob das Ansinnen, die Klägerin dem General zu überlassen, vom General oder vom Onkel der Klägerin ausging, erscheint plausibel, dass ein einfacher Berufssoldat mit Geldnöten sich seinem Vorgesetzten insoweit nicht widersetzt, zumal es nicht um seine eigene Tochter ging und er offenbar keine Skrupel hatte, seine Nichte zu verkaufen.
45Die Klägerin, die regelmäßig den katholischen Gottesdienst besuchte, erzählte dem Priester ihrer Gemeinde von den Vorfällen. Nachdem dieser ihren Onkel zur Rede gestellt hatte, verbot der Onkel der Klägerin, weiter zur Kirche zu gehen. Als der General die Abneigung der Klägerin gegen ihn bemerkte, ließ er sie in eine geschlossene Sekte außerhalb der Stadt verbringen. Die Klägerin sollte dort zunächst durch „Beten“ gefügig gemacht werden. Außerdem war geplant, sie nach Ablauf einiger Monate zu beschneiden. Berücksichtigt man, dass eine Heirat ohnehin nicht beabsichtigt war, der General sie immer wieder abgeholt hat, wenn er in M. war, und sie dann einige Zeit, auch über Nacht, mit ihm verbringen musste, erklärt sich auch ihre Aussage in der Anhörung vor dem Bundesamt (Seite 5 des Protokolls), die Beschneidung habe verhindern sollen, dass sie mit einem anderen Mann schlafe, wenn der General nicht in M. gewesen sei: Der General wollte die Klägerin wie einen persönlichen Besitz für sich allein beanspruchen und drohte mit einer Genitalverstümmelung, um dieses Ziel durchzusetzen. Außerdem bedrohte er sie mit dem Tod, sollte sie sich weigern, sich auf ihn einzulassen.
46Die Aussagen der Klägerin zur geplanten Genitalverstümmelung stimmen mit den Berichten überein, nach denen in seltenen Fällen weibliche Genitalverstümmelung in den östlichen Provinzen von Angola bzw. in abgelegenen Gegenden praktiziert wird.
47Vgl. United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2012, zu Angola, S. 30; United Kingdom Border Agency, Country of Origin Information Report, Angola, 1. September 2010, S. 50.
48M. , der Wohnsitz des Onkels der Klägerin und der Ort der Sekte, liegt im Osten von Angola.
49Die Klägerin wurde während des Aufenthaltes bei der Sekte krank. Da sie geschwächt war, wurde sie nicht mehr so streng bewacht wie vorher. Dabei gelang ihr in einem unbeobachteten Moment die Flucht. Da sie einen speziellen Kittel der Sekte trug, war sie ohne Weiteres als Sektenangehörige erkennbar. Menschen, die der Klägerin außerhalb des Areals der Sekte begegneten, brachten sie auf ihren Wunsch zu einer katholischen Gemeinde. Dort traf sie den Priester ihrer Heimatgemeinde, der bereits nach ihr gesucht hatte, nachdem sie nicht mehr zur Kirche gekommen war. Er organisierte eine Fahrt mit dem Auto und Begleitern nach I1. , von wo aus die Klägerin nach M1. flog. Dort wurde sie von den dortigen katholischen Missionen aufgenommen, die schließlich den Flug der Klägerin nach Deutschland organisierten. Auf diesem Flug begleitete sie eine angolanische Familie.
50Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin sprechen insbesondere nicht ihre Aussagen zum Zeitablauf ihres Schulbesuchs. Die Klägerin hat in der Anhörung erklärt, sie sei mit 6 Jahren eingeschult worden. Da die Schule nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Januar beginnt und da die Klägerin im August 1996 6 Jahre alt geworden ist, muss ihr Schulbesuch im Januar 1997 begonnen haben. Sie hat in der Anhörung vor dem Bundesamt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und in der mündlichen Verhandlung des Senats angegeben, sie sei 8 Jahre lang zur Schule gegangen. Dies muss etwa bis zum Januar 2006 gewesen sein. Damals war die Klägerin 15 Jahre alt. Anschließend hat sie die gesundheitstechnische Schule in M. etwa drei Monate lang besucht, bis ihr Onkel nicht mehr gezahlt hat. Dies kann zeitlich ohne Weiteres vor ihrem 16. Geburtstag am 17. August 2006 erfolgt sein, an dem ihr Onkel sie aus finanziellen Gründen verkauft hat. Soweit im Erstgespräch beim Jugendamt der Stadt E. am 7. März 2008 protokolliert wurde, die Klägerin habe 11 Jahre lang eine Schule besucht, hat die Klägerin dies mit einem Missverständnis erklärt. Im Hinblick darauf, dass ihre Angaben glaubhaft sind und die Klägerin damals erst kurz in Deutschland war, so dass sie die deutschen Angaben mangels Sprachkenntnissen nicht selbst überprüfen konnte, ist dies plausibel, zumal damals ausweislich des Protokolls keine Rückübersetzung erfolgte.
51b) Die Klägerin ist wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit verfolgt worden. Ihre Menschenwürde ist grob missachtet worden, indem sie als Frau zum Handelsobjekt herabgewürdigt worden ist. Außerdem ist mit der angekündigten Genitalverstümmelung auch ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit bedroht worden. Beides erfolgte in Anknüpfung an ihre Geschlechtszugehörigkeit. Der General, der nach den Angaben der Klägerin immer junge Frauen suchte, nur eine Zeitlang mit einer Frau zusammen war und ihrer dann wohl überdrüssig wurde, war an der Klägerin nur interessiert, weil sie eine Frau war und weil sie jung war. Auf diese Weise wurde die Klägerin als sozial minderwertiges Wesen ohne eigene Rechte behandelt und aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgegrenzt. Indem der General ihr die Genitalverstümmelung ankündigte und diese plante, um zu verhindern, dass sie mit anderen Männern als mit ihm schläft, reduzierte er sie auf ein bloßes Sexualobjekt.
52Vgl. zur drohenden Beschneidung bei Männern als asylrelevanter Verfolgung BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 – 9 C 118.90 –, BVerwGE 89, 162 = NVwZ 1992, 582 = juris, Rn. 10: „…ergibt sich in rechtlicher Hinsicht, dass der Kläger politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ist, weil ihm bei einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr droht, während des Wehrdienstes zwangsbeschnitten zu werden.“ und Rn. 13: „Es kann weiterhin auch nicht zweifelhaft sein, dass eine gegen den Willen des Betroffenen durchgeführte Beschneidung ihrer Intensität nach einen asylrechtlich erheblichen Eingriff in seine physische und psychische Integrität darstellt. Das Berufungsgericht führt in dieser Hinsicht zu Recht aus, dass - abgesehen von dem körperlichen Eingriff - der von einer Zwangsbeschneidung Betroffene unter Missachtung seines religiösen und personalen Selbstbestimmungsrechts zum bloßen Objekt erniedrigt wird.“
53Durch die Bedrohung mit dem Tod war auch das Recht der Klägerin auf Leben gefährdet. Auch dies hängt unmittelbar mit ihrer Verfolgung als Frau zusammen. Der General nahm es der Klägerin nach ihren glaubhaften Angaben persönlich übel, dass sie ihn ablehnte, und drohte ihr deshalb mit dem Tod. Dabei handelte es sich nicht nur um einen privaten kriminellen Racheakt ohne politische Motive. Die Todesdrohung ist hier vielmehr vor dem Hintergrund der sie begleitenden politischen Verfolgung wegen des Geschlechts zu sehen. Ohne diese hätte der General die Klägerin nicht mit dem Tod bedroht. Bei lebensnaher Betrachtung ist davon auszugehen, dass die Todesdrohung sich nicht durch die Ausreise der Klägerin und eine mehrjährige Abwesenheit im Ausland erledigt hat. Denn der General hatte bereits nach der Klägerin suchen lassen, nachdem sie aus der Sekte entkommen war. Er hatte für sie bezahlt und wollte sich die Gegenleistung nicht entgehen lassen. Außerdem dürfte er es in seiner Stellung als hoher Vertreter des Militärs gewohnt sein, seine Interessen und Ziele durchzusetzen, und war beleidigt wegen der Flucht der Klägerin. Es erscheint plausibel, dass er seine Rache auch aus Gründen der Machtdemonstration in jedem Fall durchzusetzen versucht. Die vorverfolgt ausgereiste Klägerin wäre bei einer Rückkehr nach Angola aus diesen Gründen nicht hinreichend sicher vor erneuter Verfolgung wegen ihres Geschlechts, zumindest in Form der Bedrohung mit dem Tod.
54c) Diese Verfolgung ist dem angolanischen Staat zuzurechnen. Dieser ist entweder nicht in der Lage oder nicht willens, der Klägerin Schutz zu bieten. Wenn die Klägerin sich an die Polizei oder Gerichte gewandt hätte, wäre nicht zu erwarten gewesen, dass sie als Waise von dort effektive Hilfe gegen ihren Onkel als ihren Betreuer und gegen den General als einen hohen Vertreter des Militärs, dem als solchen wesentlich mehr gesellschaftliche und finanzielle Einflussmöglichkeiten zustehen dürften als der Klägerin, erhält. Dies ergibt sich aus Folgendem:
55Kindesmissbrauch („child abuse“) ist weit verbreitet und von den angolanischen Behörden weitgehend toleriert. Insbesondere schutzbedürftige Kinder („vulnerable children“) wie Waisen laufen Gefahr, von ihren Betreuern missbraucht zu werden. Die angolanische Regierung verfügt über keine Strategie, um solche Kinder zu schützen. Sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern zwischen 12 und 18 Jahren sind zwar als sexueller Missbrauch strafbewehrt. Eingeschränkte Ermittlungsmöglichkeiten und ein unzureichendes Justizsystem verhindern jedoch in den meisten Fällen eine Strafverfolgung.
56Vgl. United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2012, zu Angola, S. 32 f.; Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 51.
57Häusliche Gewalt gegenüber Frauen ist verbreitet und allgegenwärtig. Sie ist nicht illegal. Trotzdem wird sie gelegentlich als Vergewaltigung, Beleidigung oder Körperverletzung verfolgt.
58Vgl. Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 51; UK Border Agency, Country of Origin Information Report, Angola, 1. September 2010, S. 49.
59Die meisten Fälle häuslicher Gewalt werden von den betroffenen Frauen jedoch nicht angezeigt. Dies geschieht wegen des den Behörden grundsätzlich entgegengebrachten starken Misstrauens und der unangemessenen Einstellung der Polizei zu Fällen häuslicher Gewalt. Die Anzeige eines solchen Falles würde für die betreffende Frau einen sie frustrierenden, beschämenden und zeitraubenden Vorgang darstellen. Zudem sind Richter häufig nachsichtig, wenn es um die Verurteilung eines Mannes geht, der sich der Gewalt gegenüber einer Frau schuldig gemacht hat.
60Vgl. Bundesamt, Geschlechtsspezifische Verfolgung in ausgewählten Herkunftsländern, April 2010, S. 51 f.
61Verfahrensrechte laufen aufgrund des materiell schlecht ausgestatteten, langsam arbeitenden und korruptionsanfälligen Justizsystems vielfach leer. Der Justizweg ist allenfalls eingeschränkt gewährleistet. Ermittlungsbehörden und Polizei sind überlastet, unterbezahlt, ineffektiv und korruptionsanfällig.
62Vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Angola vom 26. Juni 2007, S. 6; United States Department of State, Country Reports on Human Rights Practices for 2012, zu Angola, S. 9; United Kingdom Border Agency, Country of Origin Information Report, Angola, 1. September 2010, S. 28; nach den Informationen von Dalichau, Angola: Ungelöste innenpolitische Herausforderungen, Juni 2011, S. 4, gehört der Perzeptionsindex für Korruption zu den höchsten der Welt.
63Da der angolanische Staat nach diesen Auskünften schon für den Regelfall einer Misshandlung einer jungen Frau durch ihre Familie bzw. einen hohen Militärangehörigen keinen wirksamen Schutz zur Verfügung stellt, entlastet es ihn nicht, dass kein Staat der Welt lückenlosen Schutz vor politischer Verfolgung durch Private bieten kann.
64d) Der Klägerin stand keine inländische Fluchtalternative in anderen Landesteilen von Angola zur Verfügung. Es ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass der General als hoher Vertreter des Militärs im Hinblick auf seine gesellschaftliche Stellung und die allgegenwärtige Korruption im Land die Möglichkeit hat und diese nutzen würde, die Klägerin mit Hilfe des Militärs oder anderer Beziehungen auch in anderen Teilen von Angola ausfindig zu machen, um sich an ihr zu rächen. Er hatte bereits nach ihr suchen lassen, während sie in M1. bei den katholischen Missionen versteckt war.
65Unabhängig davon könnte die Klägerin als alleinstehende Frau ohne Unterstützung einer Familie ihren Lebensunterhalt nicht in zumutbarer Weise sichern. Der größere Teil der angolanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.
66Vgl. Die Zeit: „Auf nach Afrika!“ vom 18. April 2013: über die Hälfte; taz: „Je reicher das Land, desto mächtiger der Chef“ vom 5. April 2012: Zwei Drittel leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von 2 Dollar am Tag; ebenso Dalichau: „Angola: Ungelöste innenpolitische Herausforderungen“ von Juni 2011, S. 3; Der Spiegel: „Die Revolution ist beerdigt“ vom 15. Juni 2009; Spiegel online: „Mit Hühnern gegen Raubtierkapitalismus“ vom 29. März 2009; Le Monde diplomatique: „Reiches Land mit armen Leuten“ vom 9. Mai 2008.
67Die Lebenshaltungskosten in Angola und insbesondere in der Hauptstadt M1. sind extrem hoch. Insbesondere, wenn kein familiärer Rückhalt besteht, der zumindest für den Beginn Unterstützung gewährt, ist es zum Teil äußerst schwierig, wenn nicht sogar ausgeschlossen (abhängig von den persönlichen Fähigkeiten/Verhältnissen), „Fuß zu fassen“.
68So die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 22. September 2009.
69Das Fehlen des wirtschaftlichen Existenzminimums in anderen Landesteilen von Angola ist hier auch asylerheblich, weil es verfolgungsbedingt ist. Die asylrechtlich relevante Verfolgung der Klägerin hatte ihren Ursprung darin, dass ihr Onkel sie dem General zur Verfügung stellte, u. a. zur sexuellen Ausbeutung. Daher ist es ihr unzumutbar, zu ihrem Onkel zurückzukehren. Zu dem einzigen anderen Familienangehörigen der Klägerin in Angola, ihrem Zwillingsbruder, hat sie keinen Kontakt mehr, weil sie seinen Aufenthalt nicht mehr kennt. Die Klägerin verfügt zwar über eine 8-jährige angolanische Schulbildung und ist nach ihren Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dabei, ihren Realschulabschluss zu erwerben. Auch spricht sie ziemlich gut Deutsch. Allerdings verfügt sie nicht über eine Berufsausbildung. Wenn sie nach Angola zurückkehrte, ist ohne familiäre Unterstützung und ohne gesicherte Anlaufstelle nicht ersichtlich, wie sie in ihrem besonderen Einzelfall ihren Lebensunterhalt, gerade in der ersten Zeit nach der Rückkehr, in zumutbarer Weise sichern könnte.
70e) Art. 16 a Abs. 2 GG, § 26 a AsylVfG stehen dem Asylanspruch der Klägerin nicht entgegen. Danach erhält kein Asyl, wer aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist. Dazu zählen alle an Deutschland angrenzenden Staaten, so dass Asyl für diejenigen ausgeschlossen ist, die auf dem Landweg einreisen.
71Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin auf dem Luftweg nach Deutschland gekommen ist. Sie hat glaubhaft geschildert, wie sie von M1. mit einer südafrikanischen Fluglinie und einem Zwischenstopp in Afrika nach Deutschland geflogen ist. Dass der Zwischenstopp in Afrika stattfand, ergibt sich für das Gericht aufgrund der glaubhaften Angaben der Klägerin, dass die Menschen auf diesem Flughafen afrikanisch gewesen seien. Aufgrund der hier vorliegenden besonderen Umstände des Einzelfalles macht es ihr Vorbringen nicht unglaubhaft, dass sie ihren Pass, den Namen, auf den dieser Pass ausgestellt war, und die Sitznummer im Flugzeug nicht kannte. Ebenso wenig ist ihr vorzuhalten, dass sie nicht bereits auf dem deutschen Ankunftsflughafen Asyl beantragt hat. Denn die Klägerin war wegen ihrer persönlichen Situation damals kaum in der Lage, die konkrete Ausgestaltung der Flucht nach Deutschland selbst in die Hand zu nehmen. Sie verließ sich vielmehr auf ihre erwachsenen Reisebegleiter: Die Klägerin war bei der Ausreise aus Angola 17 Jahre alt. Sie hatte bis zu ihrer Flucht nie ohne ihre Familie gelebt und ihr Leben nie völlig selbstständig organisiert. Sie reiste zum ersten Mal aus Angola aus. Sie war ganz auf sich allein gestellt, nachdem ihr Onkel sie verkauft und sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Zwillingsbruder hatte. Sie war von den vorangegangenen Ereignissen emotional beeinträchtigt. Die katholische Mission hatte ihre Ausreise zusammen mit einer Familie organisiert, an die sie sich halten sollte. Ihren Pass hatte der Vater dieser Familie, der sie sich angeschlossen hatte. Sie folgte daher deren Anweisungen, als sie am Flughafen von einem Mann mit einem Auto abgeholt wurden und als sie sich in C. in einem bestimmten Büro melden sollte. Dabei ging sie davon aus, dass die Familie, wie angekündigt, folgen würde, und wartete vergeblich auf diese. In einer solchen Situation ist es nachvollziehbar, dass die Klägerin nicht alle Einzelheiten ihrer Ausreise wiedergeben konnte.
72II. Der Klägerin steht auch Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 1 AsylVfG zu.
731. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.
74Gemäß § 3 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG gelten Handlungen als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3 a Abs. 2 AsylVfG können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 u. a. folgende Handlungen gelten: die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (Nr. 1) sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen (Nr. 6). Nach § 3 b Abs. 1 Nr. 4 Teilsatz 1 AsylVfG gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe u. a. angeborene Merkmale gemein haben und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der die umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht anknüpft (§ 3 b Abs. 1 Nr. 4 Teilsatz 4 AsylVfG).
75Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind gemäß § 3 c AsylVfG der Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatliche Akteure, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Schutz vor Verfolgung kann nach § 3 d Abs. 1 AsylVfG nur geboten werden vom Staat (Nr. 1) oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten (Nr. 2). Nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift muss der Schutz vor Verfolgung wirksam und nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat (§ 3 d Abs. 2 Satz 2 AsylVfG).
76Gemäß § 3 e Abs. 1 AsylVfG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).
77Bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen, unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Die Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU, nicht durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen. Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
78Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2011– 10 C 29.10 –, BVerwGE 141, 161 = NVwZ 2012, 1042 = juris, Rn. 23 ff.; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, juris, Rn. 35 ff. m. w. N. (jeweils zur entsprechenden Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG).
792. Die Klägerin ist aus den unter I. 2. genannten Gründen aufgrund der Besonderheiten ihres Einzelfalls als junge, unverheiratete und elternlose Minderjährige wegen ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht verfolgt worden. Ihr „Verkauf“ an den General ist unauflöslich mit sexueller Gewalt und Ausbeutung verbunden. Er zielt auf den Genderstatus der Frau, ihr Alter, Geschlecht, ihre wirtschaftliche und soziale Stellung wie auch ihre sexuelle Verwertbarkeit zu wirtschaftlichen Zwecken.
80Vgl. Marx, Furcht vor Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Art. 10 I Bst. d RL 2004/83/EG), ZAR 2005, 177 (184); zur geschlechtsspezifischen Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG; Hess. VGH, Urteil vom 23. März 2005 – 3 UE 3457/04.A –, NVwZ-RR 2006, 504 = juris, Rn. 38 ff., 43 ff. (Genitalverstümmelung); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. Juli 2013 – 5a K 4418/11.A –, juris, Rn. 62 ff. (Zwangsverheiratung); VG Magdeburg, Urteil vom 18. September 2012 – 5 A 182/11 MD –, juris (Zwangsverheiratung); VG Kassel, Urteil vom 26. März 2012 – 4 K 782/10.KS.A –, juris, (Zwangsverheiratung); VG Würzburg, Urteil vom 19. September 2005 – W 8 K 04.30919 –, juris, Rn. 13 (Zwangsprostitution); Ziffer 60.1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 nennt als Beispiele für an das Geschlecht anknüpfende Verfolgungshandlungen drohende Genitalverstümmelung und Fälle schwerer häuslicher Gewalt; siehe auch Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Jan. 2014, § 60 Rn. 187, nach dem die Gruppe der minderjährigen oder der unverheirateten Frauen eine soziale Gruppe darstellen kann.
81Unter Berücksichtigung der oben angeführten Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU für Vorverfolgte droht der Klägerin bei einer Rückkehr nach Angola mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneute Verfolgung, zumindest in Form der Bedrohung mit dem Tod durch den General. Stichhaltige Anhaltspunkte dafür, dass der General von seiner angekündigten Rache gegenüber der Klägerin Abstand nehmen könnte, sind nicht ersichtlich.
82Schutz vor dieser Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 3 c Nr. 3 AsylVfG ist vom angolanischen Staat nicht zu erwarten. Aus den oben genannten Gründen bietet der angolanische Staat keinen wirksamen und dauerhaften Schutz vor der Verfolgung im Sinne des § 3 d AsylVfG. Ein interner Schutz in anderen Teilen von Angola im Sinne von § 3 e AsylVfG besteht ebenfalls nicht, weil der General die Klägerin dort finden würde und – unabhängig davon – weil die Klägerin als alleinstehende Frau ohne Familienangehörige ihren Lebensunterhalt nicht in zumutbarer Weise sichern könnte.
83III. Die Feststellung in Nr. 3 des angefochtenen Bescheides, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, ist aufzuheben. Einer Entscheidung über die mit den Hilfsanträgen geltend gemachten Abschiebungsverbote bedarf es nach der Asylanerkennung und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG).
84Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010– 8 A 4063/06.A –, juris, Rn. 117 ff.
85IV. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides war aufzuheben. Da die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen ist und ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, darf eine Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht ergehen.
86Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 83 b AsylVfG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
87Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger, nach eigenen Angaben ein am ... Januar 1998 in Khan Amaba/Region Qunaitra geborener Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, tscherkessischer Volkszugehörigkeit und moslemischen (sunnitischen) Glaubens, begehrt über den gewährten subsidiären Schutz hinaus die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
- 2
Der Kläger reiste nach eigenen Angaben am 14. Januar 2016 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, meldete sich am 29. Januar 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und beantragte am 13. Mai 2016 die Gewährung von Asyl. Er legte einen Reisepass der Arabischen Republik Syrien vor, der am 30. Dezember 2015 im „Qunaitra-Center“ mit einer Gültigkeitsdauer von 2 Jahren ausgestellt worden ist und als Geburtsort „Qunaitra“ angibt. Zugleich legte er einen vom Innenministerium der Arabischen Republik Syrien am 3. Oktober 2012 ausgestellten Personalausweis vor, wonach er in Khan Amaba geboren und in Bariqa wohnhaft ist.
- 3
In seiner Anhörung am 28. Juli 2016 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gab der Kläger an, Syrien am 6. Januar 2016 auf dem Luftweg von Damaskus über Beirut verlassen zu haben und über Istanbul, Griechenland, die Balkanroute und Österreich in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Die Reise habe 1 Mio. syrische Lira gekostet. Das Geld stamme von seinen Eltern. Er habe Syrien legal verlassen. Am Flughafen habe eine Kontrolle stattgefunden. Er habe seinen Reisepass vorgelegt. Es habe keine Probleme gegeben. Er habe zuletzt in Damaskus mit seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt. Seine Schwester sei mit ihm ausgereist und befinde sich im Bundesgebiet. Sein Bruder lebe bei seinen Eltern in Damaskus. Er selbst habe die 11. Schulklasse abgeschlossen, die Schule aber ohne Abitur verlassen, weil er Angst gehabt habe, ggf. Wehrdienst verrichten zu müssen. Im Dezember 2015 sei eine Regelung in Kraft getreten, wonach der Geburtsjahrgang 1998 zum Wehrdienst eingezogen werden könne. Er habe eine Zwangsrekrutierung an einer Kontrollstelle beobachtet, sich selbst aber noch schnell entfernen können. Vertreter des Militärs hätten ihn weder aufgesucht noch schriftlich kontaktiert. Er hätte aber sein Wehrdienstbuch am 2. Januar 2016 abholen sollen. Dies habe er nicht getan. Bei der Ausreise sei er am Flughafen gefragt worden, ob er abhauen wolle. Er habe gesagt, er begleite seine Schwester. Er habe zu keinem Zeitpunkt in Syrien Probleme mit Behörden oder offiziellen Stellen gehabt und habe sich nie politisch engagiert. Er befürchte, bei seiner Rückkehr willkürliches Opfer des Krieges zu werden und zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Im Falle einer Rückkehr würde man ihn unverzüglich inhaftieren.
- 4
Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 30. August 2016 wurde dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt und im Übrigen der Asylantrag abgelehnt (Ziffer 2. des Bescheids). Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, der Kläger habe eine Furcht vor einer Einberufung zum Wehrdienst weder konkret noch substantiiert dargelegt. Er habe auch keine geeigneten Beweismittel vorgelegt, die eine begründete Furcht unterstreichen würden. Der Bescheid ist dem Kläger am 8. September 2016 zugestellt worden.
- 5
Am 21. September 2016 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er macht geltend, ihm drohe eine die Flüchtlingseigenschaft begründende Bestrafung, weil er sich dem Wehrdienst entzogen habe. Zudem sei beachtlich wahrscheinlich, dass er im Falle einer Rückkehr nach Syrien allein wegen der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung sowie des längeren Auslandsaufenthalts verfolgt werde; es würde vermutet werden, dass er gegen das Assad-Regime eingestellt sei. Insoweit sei die Flüchtlingseigenschaft auch ohne individuelle Verfolgungsgeschichte zuzuerkennen. Diese Gefährdungslage sei für wehrpflichtige Männer erhöht. Jedenfalls sei beachtlich wahrscheinlich, dass er nach Rückkehr zum Militärdienst eingezogen und damit gezwungen werde, sich in eine Armee einzufügen, aus deren Reihen heraus im aktuell herrschenden Bürgerkrieg Kriegsverbrechen und Folter begangen würden. Zudem weise er nochmals vorsichtshalber darauf hin, dass er Tscherkesse sei.
- 6
Ergänzend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er nicht zum Militär wolle, weil er niemanden umbringen und nicht getötet werden wolle. Sein Wehrbuch habe er nicht abholen können. An Kriegsverbrechen wolle er nicht teilnehmen, würde aber wohl dazu gezwungen werden. Das Militär habe sich nach seiner Ausreise nicht an seine Eltern gewandt. Er sei Tscherkesse und werde als solcher in Syrien nicht gemocht. Er habe in Syrien viele Sachen verloren. Seine Familie sei derzeit in Syrien.
- 7
Der Kläger hat beantragt,
- 8
unter Aufhebung des Bescheids vom 30. August 2016 in Ziffer 2 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen.
- 9
Die Beklagte hat beantragt,
- 10
die Klage abzuweisen.
- 11
Mit Urteil vom 15. März 2017 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Dem Kläger drohe im Falle einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien nicht beachtlich wahrscheinlich Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG. Der Kläger habe vor seiner Ausreise keine Verfolgung in Syrien erlitten. Dem Kläger drohe auch nicht wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längeren Auslandsaufenthalts beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgung. Es gebe keine zureichenden tatsächlichen Erkenntnisse, dass die syrischen Sicherheitsbehörden letztlich jedem Rückkehrer, der Syrien (illegal) verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten habe, der Opposition zurechnen würden. Dies erscheine lebensfremd, da angesichts von fast 5 Millionen Flüchtlingen auch aus der Sicht des syrischen Staates erkennbar sein dürfte, dass der Großteil der Ausgereisten das Land nicht als Ausdruck politischer Gegnerschaft zum Staat und seiner Regierung, sondern aus Angst vor dem Bürgerkrieg verlassen habe. Obwohl in den Jahren 2013 bis 2015 ca. 127.800 Syrer nach erfolgter Ausreise in ihr Heimatland zurückgekehrt seien und trotz der engagierten und intensiven Beobachtung durch oppositionelle Gruppen, internationale Helfer und Hilfsorganisationen fehle es an Informationen, die eine Gefahrenlage für rückkehrende Syrer wegen ihres Asylantrages und Aufenthalts im Bundesgebiet und wegen illegalen Verlassens Syriens belegen würden. Vor diesem Hintergrund könnten Berichte über Einzelvorkommnisse nicht von ausschlaggebender Bedeutung für die Begründung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit sein. Dem Kläger drohe auch nicht in Bezug auf eine mögliche Wehrdienstentziehung, die er begangen haben könnte, weil er Syrien ohne die notwendige Ausreisegenehmigung verlassen habe, beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgung. Es bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ihm eine erhebliche Verfolgungshandlung wegen einer aufgrund der Wehrdienstentziehung vermuteten oppositionellen Einstellung drohen würden. Denn unter den 4,9 Millionen Flüchtlingen, die Syrien bis Ende 2015 verlassen hätten, dürften sich Hunderttausende junge Männer befinden, die noch nicht einberufen worden seien. Jedenfalls hinsichtlich dieser Personen dürfte es dem syrischen Staat vor allem darum gehen, die Betroffenen schnellstmöglich dem Militärdienst zuzuführen. Auch die Zahl der Rückkehrer, unter denen sich auch Militärdienstpflichtige befinden dürften, spreche gegen eine solche Gefahr. Schließlich stelle der mögliche Umstand, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr zum Militär einberufen würde und an Kriegshandlungen teilnehmen müsste, die sich als Kriegsverbrechen darstellen könnten, keine geschlechtsspezifische Verfolgung der Gruppe der Männer im wehrpflichtigen Alter dar. Eine Verfolgungswahrscheinlichkeit ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger eigenen Angaben zufolge vor der Ausreise in Damaskus gelebt habe und dem sunnitischen Glauben angehöre. Das Urteil ist der Klägervertreterin am 24. März 2017 zugestellt worden.
- 12
Auf den klägerischen Antrag vom 24. April 2017 hat der Senat mit Beschluss vom 19. Juli 2017 die Berufung zugelassen. Der Beschluss ist dem Kläger am 24. Juli 2017 zugestellt worden. Auf den klägerischen Antrag vom selben Tag ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 11. September 2017 verlängert worden. Mit am 11. September 2017 eingegangenem Schriftsatz trägt der Kläger vor, die Klage sei begründet. Ihm stehe ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu, da ihm bei Rückkehr nach Syrien begründete Furcht vor Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG drohe. Es sei beachtlich wahrscheinlich, dass ihm Strafverfolgung oder Bestrafung drohe wegen der Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, in dem der Militärdienst Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylG umfassen würde. Angesichts der fehlenden Möglichkeit, den Wehrdienst in Syrien zu verweigern und einen zivilen Ersatzdienst zu leisten sowie der damit drohenden möglichen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung im Falle einer Verweigerung eines militärischen Einsatzes, sei die Flucht die einzig sichere Möglichkeit, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Eine aktive Wehrdienstverweigerung gegenüber der syrischen Armee könne unter diesen Umständen nicht verlangt werden. Dies entspreche den Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutz (Nr. 10), nach welchen auch Personen, die sich vorsorglich, also vor Einberufung, dem Wehrdienst entziehen würden, unter die Schutzvorschrift fallen würden. Nach der Shepherd-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes sei die Inanspruchnahme des internationalen Schutzes nicht nur denjenigen vorbehalten, die persönlich die als Kriegsverbrechen einzustufenden Handlungen begehen müssten, insbesondere den Kampftruppen. Vielmehr sei der Schutz auch auf andere Personen auszudehnen, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheine, dass sie sich bei der Ausübung ihrer Funktionen in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müssten bzw. dass sie durch die Ausübung ihrer Funktion eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Verbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würden. Verübe wie in Syrien die gesamte Armee und nicht nur einzelne Einheiten Kriegsverbrechen, so sei es hinreichend, dass das „Militär als solches“ Kriegsverbrechen begehe. Insoweit unterscheide sich die syrische Armee von den US-Streitkräften, zu der die Shepherd-Entscheidung ergangen sei. Vor dem Hintergrund, dass die gesamte syrische Armee Kriegsverbrechen verübe, sei es offenkundig „hinreichend plausibel“, dass jeder Militärdienst, der bei der syrischen Armee abgeleistet werde, die Vorbereitung oder Durchführung der Handlungen nach § 3 Abs. 2 AsylG unerlässlich unterstütze. Hierzu zähle auch die Rekrutierung und Ausbildung neuer Streitkräfte, auch wenn noch nicht bekannt sei, welcher Einheit der Wehrpflichtige angehören werde. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass der Nachweis der sicheren eigenen Teilnahme an Verbrechen oder systematischen Rechtsverstößen der Einsatzeinheit nicht erforderlich sei, da dies den Prognosemaßstab der begründeten Furcht überdehnen würde. Entsprechendes ergebe sich auch aus den Zurechnungsmaßstäben des Bundesgerichtshofes zur strafrechtlichen Beihilfe an staatlich organisierten Massenverbrechen. In Bezug auf die syrische Armee sei insoweit maßgeblich zu berücksichtigen, dass die gesamte Armee als Apparat staatlich organisierte Kriegsverbrechen begehe und nicht nur bestimmte Einheiten oder gar Personen an diesen beteiligt seien. Sei eine Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG beachtlich wahrscheinlich, so bedürfe es keiner Verknüpfung mit einem Anknüpfungsmerkmal i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Insoweit finde die Verpflichtung aus dem humanitären Völkerrecht und dem internationalen Strafrecht, bestimmte Handlungen in bewaffneten Konflikten zu unterlassen, ihre Entsprechung im internationalen Flüchtlingsrecht im Fall von Personen, die eine Bestrafung zu gewärtigen hätten, weil sie die von ihnen gemäß Völkerrechts erwartete Zurückhaltung geübt hätten. Selbst wenn man jedoch die Erfüllung eines Anknüpfungsmerkmales im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG verlangen würde, so läge ein solches in der sozialen Gruppe von Männern, die sich der Einberufung oder Mobilisierung entzogen hätten. Den diversen sachverständigen Berichten, Auskünften und Stellungnahmen könne auch nicht die eigene „Lebenserfahrung“ entgegengehalten werden. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe insoweit zutreffend ausgeführt, dass der syrische Staat in Anbetracht der unbeschreiblichen Menschenrechtsverstöße ein willkürlich handelndes Unrechtssystem darstelle, das sich der Messung an Maßstäben wie der Lebenserfahrung entziehe. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass der UNHCR von Gerichten weltweit als maßgebliche Instanz zitiert werde und ihm unstreitig eine Aufsichtsfunktion über die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention zukomme. Auch ein internationaler Rechtsvergleich ergebe, dass der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen sei, wenn der Flüchtling den Wehrdienst verweigere, um derzeit oder in einem späteren Kriegsfall keine Kriegsverbrechen begehen zu müssen. Ergänzend wird auf den Schriftsatz der Klägervertreterin vom 2. Januar 2018 Bezug genommen.
- 13
Der Kläger beantragt,
- 14
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15. März 2017 (Az: 16 A 5081/16) und des Bescheides vom 30. August 2016 - soweit dieser entgegensteht - die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
- 15
Die Beklagte beantragt,
- 16
die Berufung zurückzuweisen.
- 17
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, aus der Quellenlage lasse sich nicht tragfähig ableiten, dass im Rahmen der Einreisekontrollen oder in der Folgezeit wehrdienstpflichtige Rückkehrer, die bislang noch keinen Einberufungsbefehl erhalten hätten, deshalb mit dem Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen befürchten müssten, weil sie nun im militärpflichtigen Alter zurückkehrten. In den vom Kläger angeführten Erkenntnisquellen werde insoweit letztlich übereinstimmend nur ausgeführt, dass Verfolgungsfälle überwiegend im Zusammenhang mit oppositionellen Aktivitäten oder einem nicht abgeleisteten Wehrdienst stünden. Den Quellen fehle jede nähere zahlenmäßige Konkretisierung. Dabei sprächen andere Quellen erkennbar gegen eine hinreichende Gefährdung. Denn laut Schätzungen der Vereinten Nationen und der Regierungen der Länder, die Flüchtlinge aufgenommen hätten, reisten jedes Jahr Hunderttausende von Flüchtlingen nach Syrien, die meisten, um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in benachbarte Länder einreisen würden. Eine solch umfangreiche Reisetätigkeit zeige, dass die in den benachbarten Ländern lebenden syrischen Flüchtlinge trotz des extrem repressiven Charakters des syrischen Staates davon ausgingen, im Rahmen der auch an den übrigen Grenzübergängen zu Syrien strengen Grenzkontrollen keiner besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein. Es liege dabei nahe, dass solche zeitweisen Rückreisen nicht nur Frauen und nicht bzw. nicht mehr wehrdienstpflichtige Männer unternähmen, sondern dass sich unter diesen zeitweisen Rückkehrern auch ein erheblicher Anteil an grundsätzlich wehrdienstpflichtigen Männern befinde, jedenfalls soweit diese noch nicht einberufen worden seien. Aus den klägerischen Ausführungen sei zudem nicht erkennbar, dass die Ableistung des Militärdienstes zwangsläufig als Teilnahme an Kriegsverbrechen und anderen völkerrechtswidrigen Handlungen einzustufen sei. Die Einberufung zu einer bestimmten Einheit, deren Angehörige allesamt durch die Ausübung ihrer Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung von Kriegsverbrechen zumindest unerlässliche Unterstützung leisten würden, sei weder behauptet noch nach den Umständen des Einzelfalls naheliegend. Trotz der Berichte über völkerrechtswidrige Handlungen zeige sich nach der Auskunftslage kein Bild von einem landesweit in solchem Ausmaß praktizierten Vorgehen, dass jedweder Militärangehörige bereits durch seinen Dienst zwangsläufig eine unerlässliche Unterstützung für die Vorbereitung oder für die Durchführung dieser Verbrechen leisten müsste bzw. würde. Auch nach der vom Kläger zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes sei es erforderlich, dass bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheine, dass der Betreffende durch die Ausübung seiner Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Verbrechen unerlässliche Unterstützung leiste. Nicht zu teilen sei die Auffassung des Klägers, dass es bei einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG keines festzustellenden Verfolgungsgrundes bedürfe, mit dem die Verfolgungshandlung verknüpft sei. Das Gegenteil ergebe sich ohne weiteres aus der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 3a Abs. 3 AsylG. Im Übrigen erfordere die tragfähige Prognoseerstellung, dass eine wenngleich notwendig hypothetische, so doch möglichst realitätsnahe Rückkehrsituation zugrunde gelegt werde. Von daher könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass dem Kläger bereits der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt sei, er daher allein dann einer Einreiseüberprüfung durch die syrischen Sicherheitskräfte ausgesetzt sein könne, wenn er freiwillig zurückkehre. Es sei nicht anzunehmen, dass die syrischen Sicherheitskräfte dem (hypothetisch) freiwillig zurückkehrenden Kläger eine oppositionelle Gesinnung unterstellen würden.
- 18
Hinsichtlich des Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung, insbesondere in Bezug auf die Anhörung des Klägers, wird ergänzend auf das Protokoll Bezug genommen. Das Gericht hat u.a. die das Asylverfahren der Schwester des Klägers betreffende Akte beigezogen. Die vom Gericht beigezogenen Akten sowie die im Protokoll der mündlichen Verhandlung näher genannten Erkenntnisquellen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige, insbesondere fristgerecht begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
A.
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Die Klage ist zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die auf Gewährung des Flüchtlingsstatus gerichtete Verpflichtungsklage bei vorhandenem subsidiärem Schutzstatus ist im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung des nachfolgenden Aufenthaltsstatus (vgl. Aufenthaltsstatus nach § 25 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. [Flüchtling] oder 2. Alt. [subsidiärer Schutz] AufenthG; § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG) sowie dessen Verfestigungsmöglichkeiten (vgl. § 26 Abs. 3 und 4 AufenthG) unzweifelhaft gegeben (vgl. auch: OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 24).
B.
- 21
Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 1 AsylG zu.
- 22
In großen Teilen Syriens herrscht ein komplexer Bürgerkrieg (vgl. insgesamt: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - nachfolgend: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw. BFA -, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, v. 5.1.2017, G 26/17; IFK [das Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement - IFK - ist eine Forschungsabteilung der Landesverteidigungsakademie, der höchsten Lehr- und Bildungsstätte des Österreichischen Bundesheeres], Fact Sheet Syrien, Nr. 59 – 65 v. 10.02.2017, 27.03.2017, 28.04.2017, 09.06.2017, 25.07,2017, 15.09.2017, 13.10.2017). Daran beteiligt sind eskalierend seit 2011 neben einer sehr großen Anzahl kleinerer Gruppierungen nach derzeitigem Erkenntnisstand folgende größere Machtblöcke:
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- der syrische Staat mit verschiedenen z.T. selbständig agierenden regierungsfreundlichen syrischen Milizen; diese werden durch Russland und den Iran sowie dem Iran nahestehende bzw. von diesem finanzierte überwiegend schiitische Milizen gestützt,
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- unterschiedlich ausgeprägte islamistische Gruppierungen, die u.a. die Rebellenallianz der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) gebildet haben, von denen ein Teil mit der Unterstützung der Türkei im Nordwesten Syriens agiert,
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- der Islamische Staat (Al-Dalls al-Islamiyaa -DAISH; nachfolgend: IS), sowie
- 26
- die Volksverteidigungseinheiten der kurdischen Partiya Yekitiya Demokrat (Partei der demokratischen Union, PYD), die durch die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützt werden.
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Diese Akteure stehen wieder in Allianzen mit anderen kleineren Verbänden. Die „Frontlinien“ sind nicht scharf abtrennbar, jede Gruppe verfolgt ihre eigenen Interessen, die sich teilweise mit denen anderer Gruppierungen überlappen können (vgl. Gerlach, „Was geschieht in Syrien“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2016 S. 6 ff.). Die örtlichen Grenzverläufe unterliegen bisher einem ständigen Wandel (vgl. auch: Auswärtiges Amt [AA] v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, Az.508-9-516.80/48808, zu 5 K 7480/16.A, 2017/1; Deutsches Orient-Institut [DOI] v. 22.2.2017 an VGH Baden-Württemberg, G 1/2017; DOI, v. 1.2.2017 an Hessischen VGH, G 6/17). Im Mai 2017 wurden unter der Vermittlung Russlands, des Irans und der Türkei vier Deeskalationszonen eingerichtet (Idlib, Nord-Hama, Nord-Damaskus, Südsyrien), in denen die Kampfhandlungen zunächst für sechs Monate eingestellt werden sollten. Dennoch kam es in einigen Deeskalationszonen weiterhin zu deutlichen Kampfeinsätzen. Im Laufe des Jahres 2017 ist der Einflussbereich des durch den IS kontrollierten Gebiets erheblich zurückgedrängt worden. Nach Pressemeldungen hat Russland den Krieg gegen den IS Anfang Dezember 2017 für beendet erklärt; kurz darauf erklärte der Irak den IS für besiegt. Seitdem scheint es zu einer Konsolidierung der Machtbereiche des syrischen Regimes und der durch die Volksverteidigungseinheiten der kurdischen PYD kontrollierten Gebiete zu kommen (Truppendienst - herausgegeben vom Bundesminister für Landesverteidigung, Österreich -, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017). Der UNHCR (Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien von Februar 2017, Deutsche Version April 2017, G 7/17) spricht u.a. davon, dass „Regierungskräfte und ISIS ... weiterhin Verbrechen gegen die Menschlichkeit (begehen). Es werden hemmungslos Kriegsverbrechen begangen“ (vgl. Fn. 102). Diese Einschätzung ist im Wesentlichen gestützt auf die Berichte der im August 2011 von der vom Menschenrechtsrat der Generalversammlung der Vereinten Nationen (Human Rights Council der UN-Generalversammlung, UNHRC, nachfolgend: HRC) eingesetzten unabhängigen Untersuchungskommission betreffend die Arabische Republik Syrien (Independant International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic; nachfolgend: COI; u.a. Berichte vom 8.8.2017 - Fassung 6.9.2017 -, A/HCR/36/55, G 25/17; v. 10.3.2017, A/HRC/34/CRP.3, G 24/17; v. 2.2.2017, A/HRC/34/64, G 14/17; v. 11.8.2016, A HRC/33/55, G 14/16).
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Der Machtbereich des Assad-Regimes ist gekennzeichnet durch ein System von Geheimdiensten, die versuchen, vom Assad-Regime abweichende Stimmen zu unterdrücken. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führt zu diesen aus (BFA v. 5.1.2017, G 26/17, S. 17):
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„Syrien verfügt über eine Myriade von Sicherheits- und Geheimdiensten mit überlappenden Mandaten zur Sammlung von Informationen über die innere Sicherheit. Diese Einheiten können Gegner des Regimes festnehmen und neutralisieren (...). Die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden arbeiten autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen (...).
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Es gibt vier Hauptzweige der Sicherheits- und Nachrichtendienste. Der Militärische Nachrichtendienst, der Luftwaffennachrichtendienst und das Direktorat für Politische Sicherheit unterstehen dem Innenministerium. Das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat ist eine alleinstehende Organisation und untersteht direkt dem Präsidenten. Diese vier Dienste arbeiten unabhängig voneinander und größtenteils außerhalb des Justizsystems, überwachen einzelne Staatsbürger und unterdrücken Stimmen innerhalb Syriens, die vom Regime abweichen (...). Der Staatssicherheitsapparat wird verwendet, um den Aufstand zu unterdrücken (...). Die größeren Organisationen haben ihre eigenen Gefängniszellen und Verhörzentren (...).“
- 31
Eine homogene bürgerliche Zivilgesellschaft und ein Verständnis von Staat als Solidaritätsgemeinschaft gibt es in Syrien eher nicht. Im Vordergrund steht regelmäßig der Zusammenhalt über den Clan/den Stamm. Besonders riskant ist diese Situation jeweils für diejenigen, die in ihrem Aufenthaltsbereich von Bevölkerungsgruppen mit anderen Merkmalen dominiert werden, und für diejenigen, die ohnehin im Verhältnis zu ihren Mitbürgern „schwach“ sind. Hinzu kommt, dass die Eingruppierung als Täter bzw. als Opfer in einer solchen Bürgerkriegssituation schwankend sein kann, je nachdem, in welchem Umfeld sich der Betreffende gerade behaupten muss.
- 32
In diesem Gesamtkontext hat die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG zuerkannt, da davon auszugehen sei, dass dem Kläger bei Rückkehr nach Syrien ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG drohe, d.h. eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vorliege.
- 33
Vorliegend ist allein die davon zu trennende Frage der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 1 AsylG Streitgegenstand. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt über die zuvor bestehende Gefahr hinausgehend voraus, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Syrien beachtlich wahrscheinlich eine zielgerichtete Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht; aufgrund des dem Kläger gewährten subsidiären Schutzstatus ist eine Rückkehr dabei nur gedanklich - hypothetisch - zu unterstellen.
- 34
Zur Überzeugung des Gerichts sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus (nachfolgend I.) nicht erfüllt. Der Kläger ist unverfolgt aus Syrien ausgereist (nachfolgend II.). Ihm droht bei einer gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien nach der Erkenntnislage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung keine Verfolgungshandlung - Inhaftierung oder Rekrutierung - wegen eines die Flüchtlingseigenschaft begründenden Verfolgungsgrundes, weil er sich dem Wehrdienst entzogen hat (nachfolgend IV.), oder wegen anderer Anknüpfungspunkte, wie u.a. seines sunnitischen Glaubens (nachfolgend III.). Ihm ist auch nicht der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, weil ihm aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG beschriebenen flüchtlingsrelevanten Anknüpfungsmerkmalen Bestrafung oder Strafverfolgung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt droht, in dem der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 2 AsylG ausschließen würden (wie z.B. Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit), vgl. §§ 3 Abs. 1 i.V.m. 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG (nachfolgend V.).
I.
- 35
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftslands) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt demnach die begründete Furcht vor einer Verfolgungshandlung voraus, die wegen eines für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft relevanten Verfolgungsgrundes erfolgt.
- 36
Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG sind Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, u. a. der Staat oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen.
- 37
Zwischen den Verfolgungsgründen und Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Dabei ist unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich z.B. die religiösen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). Für den Bereich des Asylrechts hat das Bundesverfassungsgericht diese Verknüpfung von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund dahingehend konkretisiert, dass es für eine politische Verfolgung ausreiche, wenn der Ausländer der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet wird, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist. Unerheblich ist dabei, ob der Betreffende aufgrund der ihm zugeschriebenen Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung (überhaupt) tätig geworden ist (BVerfG, Beschl. v. 22.11.1996, 2 BvR 1753/96, juris, Rn. 5; BVerwG, Beschl. v. 27.4.2017, 1 B 63.17, 1 PKH 21 PKH 23.17, juris Rn. 11). Maßgebend ist im Sinne einer objektiven Gerichtetheit die Zielrichtung, die der Maßnahme unter den jeweiligen Umständen ihrem Charakter nach zukommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.1.2009, 10 C 52.07, BVerwGE 133, 55, Rn. 22, 24; Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 3a Rn. 50 ff.).
- 38
Eine „begründete Furcht“ vor Verfolgung liegt vor, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23.12, BVerwGE 146, 67, juris Rn. 19). Der danach maßgebliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Zu bewerten ist letztlich, ob aus Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in das Herkunftsland als unzumutbar erscheint; insoweit geht es also um die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat (BVerwG, Urt. v. 6.3.1990, 9 C 14.89, BVerwGE 85, 12, juris Rn. 13). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. Ergeben die Gesamtumstände die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung, wird ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert (BVerwG, Urt. v. 5.11.1991, 9 C 118.90, BVerwGE 89, 162, juris Rn. 17). Auch in solchen Fällen müssen aber die festgestellten Verfolgungsfälle nach Intensität und Häufigkeit zur Größe der Zahl der Verfolgten als ins Gewicht fallend angesehen werden können, wenn das Anknüpfungsmerkmal für eine mögliche Verfolgung auf eine Vielzahl von Personen zutrifft (hier: Entziehung vor Einberufung bzw. Wehrdienstverweigerung); es muss dann also - vergleichbar einer Gruppenverfolgung - eine entsprechende Verfolgungsdichte vorliegen. Hiervon kann nur dann abgesehen werden, wenn ein staatliches Verfolgungsprogramm besteht, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht und das deshalb hinreichend wahrscheinlich eine Verfolgung erwarten lässt (vgl. Berlit, ZAR 2017, 110, 115 m.w.N.; vgl. zur Gruppenverfolgung, Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit und gruppengerichteter Verfolgung: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Auflage 2012, § 30 Rn. 8 ff. ). Die Schwere des befürchteten Eingriffs kann dabei je nach Einzelfall, insbesondere im Zusammenhang mit willkürlich handelnden Staatsmächten, nur bedingt Erkenntnisse zur Gerichtetheit der Verfolgung geben. Dabei entspricht die zunächst zum nationalen Recht entwickelte Rechtsdogmatik zur Frage der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ auch dem neueren europäischen Recht, welches hierfür den Begriff des „real risk“ verwendet (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.6.2011, 10 C 25.10, BVerwGE 140, 22, juris Rn. 22; Berlit, ZAR 2017, 110, 117).
- 39
Bei der Bewertung, ob die im Einzelfall festgestellten Umstände eine die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG rechtfertigende Verfolgungsgefahr begründen, ist zwischen der Frage, ob dem Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungshandlung gemäß den §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG droht, und der Frage einer ebenfalls beachtlich wahrscheinlichen Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund zu unterscheiden.
- 40
Beim Flüchtlingsschutz gilt für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das gilt unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Die Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU, nicht (mehr) durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.6.2011, 10 C 25.10, BVerwGE 140, 22, juris Rn. 21 f.; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A, NVwZ 2017, 1218, juris Rn. 21 f., OVG Saarlouis, Urt. v. 11.3.2017, 2 A 215/17, NVwZ-RR 2017, 588, juris Rn. 19; Berlit, ZAR 2017, 110 ff.)
- 41
Hinsichtlich der Anforderungen an den Klägervortrag muss unterschieden werden zwischen den in die eigene Sphäre des Asylsuchenden (bzw. hier: des um Flüchtlingsschutz Nachsuchenden) fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, und den in den allgemeinen Verhältnissen seines Herkunftslandes liegenden Umständen, die seine Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen.
- 42
Lediglich in Bezug auf erstere muss er eine Schilderung geben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen. Dabei ist die besondere Beweisnot des nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsprozessrechts mit der materiellen Beweislast beschwerten Klägers zu berücksichtigen, dem häufig die üblichen Beweismittel fehlen. Insbesondere können in der Regel unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Daher kann den eigenen Erklärungen des Klägers größere Bedeutung beizumessen sein, als dies meist sonst in der Prozesspraxis bei Bekundungen einer Partei der Fall ist. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu. Zur Anerkennung kann schon allein sein Tatsachenvortrag führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne "glaubhaft" sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. Dem Klagebegehren darf jedenfalls nicht mit der Begründung der Erfolg versagt werden, dass neben der Einlassung des Schutzsuchenden keine Beweismittel zur Verfügung stehen. Der Richter ist aus Rechtsgründen schon allgemein nicht daran gehindert, eine Parteibehauptung ohne Beweisaufnahme als wahr anzusehen; das gilt für Asylverfahren (bzw. wie hier in Verfahren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) mit seinen typischen Schwierigkeiten, für das individuelle Schicksal des Antragstellers auf andere Beweismittel zurückzugreifen, in besonderem Maße. Einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO wird der Richter hierdurch jedoch nicht enthoben. Das Fehlen von Beweismitteln mag die Meinungsbildung des Tatsachengerichts erschweren, entbindet es aber nicht davon, sich eine feste Überzeugung vom Vorhandensein des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu bilden. Dies muss - wenn nicht anders möglich - in der Weise geschehen, dass sich der Richter schlüssig wird, ob er dem Kläger glaubt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1981, 9 C 251.81, InfAuslR 1982, 156; Urt. v. 22.3.1983, 9 C 68.81, juris Rn. 5; Urt. v. 16.4.1985, 9 C 109.84, BVerwGE 71, 180, juris Rn. 16; OVG Koblenz, Urt. v. 16.12.2016, 1 A 10922/16, juris Rn. 32; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Auflage, S. 289).
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Hinsichtlich der allgemeinen politischen Verhältnisse im Herkunftsland reicht es hingegen wegen seiner zumeist auf einen engeren Lebenskreis beschränkten Erfahrungen und Kenntnisse aus, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung für den Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland ergeben (BVerwG, Urt. v. 24.11.1981, 9 C 251.81, InfAuslR 1982, 156; Urt. v. 22.3.1983, 9 C 68.81, juris; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Auflage, S. 288 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 3/2017, B 1 Rn. 255). Hier ist es Aufgabe der Beklagten und der Gerichte, unter vollständiger Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen, die Gegebenheiten im Herkunftsstaat aufzuklären und darauf aufbauend eine von Rationalität und Plausibilität getragene Prognose zu treffen (Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, aaO., S. 295 f.).
- 44
In Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsland sind die Gerichte regelmäßig darauf angewiesen, sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Erkenntnisse gleichsam mosaikartig ein Bild zu machen. Da Abschiebungen nach Syrien jedenfalls seit 2012 nicht mehr erfolgen, hat die Prognose, ob bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG droht, - wie oben dargelegt - aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Umstände zu erfolgen.
- 45
Führt diese Betrachtung zu keinem für den Schutzsuchenden günstigen Ergebnis, verbleibt es bei allgemeinen Beweislastregeln. Die humanitäre Schutzrichtung des Asyl- und Flüchtlingsrechts gebietet weder eine Umkehr der objektiven Beweislast noch eine Folgenabwägung im Sinne eines „better safe than sorry“ (vgl. hierzu Ellerbrok/Hartmann, NVwZ 2017, 522, 523). Diesem Ansatz kann vorliegend auch deshalb nicht gefolgt werden, weil es allein um die genaue Ausprägung des Schutzstatus, nicht aber um das Ob der Schutzgewährung geht. Eine denkbare gerichtliche Fehlbeurteilung bei der Frage der Gewährung des Flüchtlingsstatus birgt kein persönliches Risiko für den Schutzsuchenden, weil er infolge des zuerkannten subsidiären Schutzes nachhaltigen Schutz genießt und nicht in Gefahr ist, nach Syrien zurückkehren zu müssen. Die hypothetische Rückkehr ist vielmehr im Rahmen der vorzunehmenden rechtlichen Bewertung ein allein gedanklicher Ansatz, der der Sicherstellung eines einheitlichen Prüfungsmaßstabs geschuldet ist. Gefahrenperpetuierende Auswirkungen kann eine fehlerhafte Verneinung einer politischen Verfolgung allerdings für Angehörige des Schutzsuchenden haben, die derzeit befristet von einem Nachzug ausgeschlossen sind.
- 46
Nach Auffassung des Senats ist der dargelegte Wahrscheinlichkeitsmaßstab auch dann anzuwenden, wenn ein effektiver Menschenrechtsschutz bereits durch die Gewährung des subsidiären Schutzstatus gewährleistet ist (zweifelnd, aber offen gelassen: VGH Mannheim, Urt. v. 21.8.2017, A 11 S 513/17, S. 13 UA, juris).
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Unter Anwendung dieser Maßstäbe steht dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsstatus zu.
II.
- 48
Der Kläger ist nicht vorverfolgt aus Syrien ausgereist. Nach seinen eigenen Angaben hat er Syrien über den Flughafen Damaskus offiziell und ohne Probleme verlassen.
- 49
Eine beachtliche Verfolgung wegen seiner tscherkessischen Volkszugehörigkeit ist nicht vorgetragen. In seiner Anhörung beim Bundesamt hat der Kläger vorgebracht, dass er wegen seiner Volkszugehörigkeit nicht wirklich Probleme gehabt habe. Er sei schon einmal angesprochen worden, was er denn in Syrien wolle, das seien aber keine Probleme gewesen (Bl. 81 Beiakte A). In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er ausgeführt, im „Dorf“ seien die Leute nicht nett zu den Tscherkessen gewesen. Militär und Zivilleute hätten sie für Verräter gehalten. Auch diesem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ist keine beachtliche Verfolgungshandlung zu entnehmen. Zudem steht dem entgegen, dass der Vater des Klägers Beamter war und die Familie nach Angaben des Klägers im Jahr 2013 nach Damaskus gezogen ist und dort vom Assad-Regime unbehelligt gelebt hat; sie ist damit aus dem von der Freien Syrischen Armee gehaltenen Gebiet weggezogen in ein Gebiet, das durch das Assad-Regime gehalten wird. Seine Eltern und sein Bruder leben weiterhin in Damaskus. Von aktuellen Verfolgungshandlungen gegen seine in Damaskus lebenden Familienangehörigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht berichtet.
III.
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Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dem Kläger bei einer gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrechtlich erhebliche Merkmale wegen seiner Ausreise, der erfolgten Asylantragstellung, seines längeren Aufenthalts im westlichen Ausland, seiner Zugehörigkeit zum sunnitischen Glauben, seiner tscherkessischen Volkszugehörigkeit oder/und seiner Abstammung aus der Region Qunaitra - einer seit ca. 2012 von der Freien Syrischen Armee gehaltenen Region - droht. Der Senat sieht es nicht als beachtlich wahrscheinlich an, dass dem Kläger wegen der zuvor genannten Umstände - einzeln oder in ihrer Gesamtheit - durch staatliche Stellen eine regimefeindliche Haltung unterstellt wird.
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Dass Rückkehrer (gegenwärtig nur aus dem arabischen Raum, zu dem noch Flugverbindungen bestehen) am Flughafen von Damaskus und ggfls. Latakia intensiven Kontrollen ausgesetzt werden und dass Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass diese gegen das Assad-Regime eingestellt sind oder sich oppositionell betätigt haben, den Flughafen nicht wie beabsichtigt wieder verlassen können und ihnen Folter und schlimmste Misshandlungen drohen, wird allgemein angenommen und dürfte hinreichend gesichert sein (vgl. Amnesty International - AI -, Report 2017, Syrien, v. 19.2.2017, G 16/17; AI, Human Slaughterhouse, v. Februar 2017, G 15/17; AI, It breaks the human – torture, disease and death in Syria’s prisons, v. August 2016, G 13/16; Human Rights Watch – HRW -: Syrien: Die Geschichten hinter den Fotos getöteter Gefangener - Opfer auf den „Ceasar“-Fotos -, Dezember 2015, G 21/16; ECCHR, Sondernewsletter Menschenrechtsverbrechen in Syrien, Teil I: Folter unter Assad, Strafanzeige in Deutschland gegen hochrangige Angehörige der syrischen Geheimdienste, Oktober 2017, G 48/17; ECCHR, Portraits, Strafanzeige von syrischen Folterüberlebenden zu Folter durch Syriens Luftwaffengeheimdienst, November 2017, G 47/17).
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1. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dem Kläger im Hinblick auf seine Ausreise, die erfolgte Asylantragstellung, seinen längeren Aufenthalt im westlichen Ausland, seine Zugehörigkeit zum sunnitischen Glauben und/oder seine Abstammung aus einer Region, die von regierungsfeindlichen Gruppen gehalten wird (hier: Qunaitra), bei Rückkehr nach Syrien eine (Verfolgungs-)Handlung i.S.d. § 3a AsylG - hier: Befragung mit der konkreten Gefahr einer Verhaftung und/oder einer schwerwiegenden Misshandlung bis hin zur Folter und willkürlichen Tötung - beachtlich wahrscheinlich droht (die Gefahr einerVerfolgungshandlung mit beachtlichen Gründen verneinend: OVG Münster, Urt. v. 21.2.2017, 14 A 2316/16, DVBl. 2017, 639, juris, Rn. 35 ff.; aufgrund der Zweifel eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung verneinend: OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 44; Beschl. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris Rn. 40; zweifelnd, aber offenlassend: OVG Koblenz, Urt. v. 16.12.2016, 1 A 10922/16, juris Rn. 48 ff., OVG Saarlouis, Urt. v. 2.2.2017, 2 A 515/16, juris Rn. 22; zuletzt v. 17.10.2017, 2 A 365/17, juris Rn. 22; offen gelassen zur einer rückkehrenden Syrerin: VGH Mannheim, Urt. v. 21.8.2017, A 11 S 513/17, S. 13 Urteilsabdruck - UA- in juris).
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Dem Senat liegt keine hinreichend dichte Erkenntnislage vor, auf die die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Verfolgungshandlung gestützt werden könnte. Über die Behandlung von Rückkehrern nach Syrien liegen dem UNHCR (Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien, von Februar 2017, deutsche Übersetzung von April 2017, G 7/17, S. 5) „kaum konkrete Informationen“ vor. Dem Auswärtigen Amt (Auskunft v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, zu 5 K 7221/16.A, Az.: 508-9-516.80/48840, 2017/2; v. 7.11.2016 an das OVG Schleswig, 2016/4) liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass unverfolgt Ausgereiste nach Rückkehr systematisch befragt werden.
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Der UNHCR (April 2017, G 7/17, S. 15 ff.) sieht Personen, die aus einem Ort stammen, der in einem Gebiet liegt, das sich derzeit oder vormals unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen befindet oder befand, in der Gefahr, Opfer von Verfolgung durch das Assad-Regime zu werden. Die dort benannten Referenzfälle (vgl. Fn. 75, 78 - 83) beziehen sich überwiegend auf Angriffe auf die Zivilbevölkerung im Rahmen von Rückeroberungen von Gebieten durch die Regierungstruppen - wie z.B. die Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Ost-Aleppo oder Ar Raqqah während der Belagerung -, auf die Rückführung von Bevölkerung aus belagerten Gebieten aus von Regierungstruppen eingenommenen Nachbarorten sowie auf Personen, die regierungsfeindlichen Gruppen Schutz geboten oder die Informationen über regierungsfeindliche Personen haben könnten, etwa im Rahmen von Verhaftungswellen unmittelbar nach der Rückeroberung von Gebieten durch die Regierungstruppen. In einer ähnlichen Situation befindet sich der ins Ausland geflüchteten Kläger, der sich seit ca. 2 Jahre außerhalb Syriens aufhält, nicht. Gegen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung allein in Anknüpfung an den sunnitischen Glauben sowie die Herkunft aus einer Region, die von regierungsfeindlichen Gruppen gehalten wird, spricht auch die Vielzahl von Binnenvertriebenen. Bei Beginn des Bürgerkrieges waren ca. drei Viertel der syrischen Bevölkerung sunnitischen Glaubens (AA, Lagebericht vom 27.9.2010, 2010/4). Angesichts dessen dürfte eine Vielzahl der 6,3 Millionen binnenvertriebenen Syrer (UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic, update V, HCR/PC/SYR/17/01, November 2017, G 35/17, S. 7) sunnitischen Glaubens sein und ursprünglich aus Regionen stammen, die derzeit oder zeitweise während des Bürgerkrieges in der Hand regierungsfeindlicher Gruppen sind bzw. waren. Von diesen sind im 1. Halbjahr 2017 ca. 440.000 in ehemals von regierungsfeindlichen Gruppen gehaltene Gebiete zurückgekehrt, insbesondere nach Aleppo, Hama, Homs und Damaskus (UNHCR, „UNHCR meldet Anstieg bei Rückkehrern nach Syrien“, v. 30.6.2017, G 21/17, S. 2).
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Zweifel an einer Verfolgung von aus dem Ausland zurückkehrenden Asylbewerbern sunnitischen Glaubens, die aus Gebieten stammen, die derzeit oder ehemals unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen Gruppen stehen oder standen, ergeben sich zudem angesichts der ständig gestiegenen Zahl - derzeit insgesamt ca. 6,4 Millionen - der in den letzten Jahren aus Syrien Geflohenen (Ende 2011: 19.900; Ende 2012: rund 728.000; Ende 2015: rund 4.800.000; zitiert nach OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 44; Ende 2017 - rund 5,44 Mio. in die Nachbarstaaten der Region und zusätzlich ca. 1 Mio. in Staaten des westlichen Europas, vgl. UNHCR, Syria, Regional Refugee Response, abgerufen am 13.12.2017, G 36/17). Dies ist mehr als ein Viertel der Bevölkerung von rd. 22 Millionen Einwohnern Syriens bei Beginn des Bürgerkrieges (vgl. AA, Länderinformation Syrien, August 2016, 2016/1). Auf die weit überwiegende Zahl der ins Ausland Geflüchteten werden die oben genannten Kriterien zutreffen.
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Des Weiteren ergeben sich Zweifel an einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung jedes Rückkehrers bzw. einer beachtlichen Größenordnung von Rückkehrern aus der nicht geringen Zahl freiwilliger Rückkehrer aus dem Ausland. So sollen im August 2015 mehrere tausend Personen über die syrisch-jordanische Grenze zurückgekehrt sein und im Juli 2015 rd. 2300 aus dem Irak (vgl. SFH, Syrien: Rückkehr, v. 21.3.2017, G 5/17, S. 4; DOI, v. 22.2.2017, G 1/17; DOI, Auskunft an VGH Kassel v. 1.2.2017, G 6/17, S. 1). Andere Berichte (vgl. Immigration and Refugee Board of Canada - IRB -, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, v. 19.01.2016, G 5/16, S. 2 - zitiert nach der deutschen Übersetzung -) gehen davon aus, dass „Hunderttausende von Flüchtlingen jedes Jahr nach Syrien reisen, meistens um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in benachbarte Länder einreisen“. Nach Angaben des UNHCR (v. 30.6.2017, G 21/17) sind seit 2015 insgesamt 260.000 syrische Flüchtlinge aus den angrenzenden Nachbarländern nach Syrien zurückgekehrt, davon die meisten aus der Türkei in den Norden Syriens; im 1. Halbjahr 2017 sind 31.000 Syrer aus den angrenzenden Nachbarländern nach Syrien zurückgekehrt. Die vielfach beobachtete Land-Einreise über die Staatsgrenzen (u.a. aus Jordanien, Irak, Türkei) lässt zwar keine zwingenden Rückschlüsse auf die Umstände einer Einreise über den für Rückkehrer derzeit vor allem in Betracht zu ziehenden Flughafen Damaskus, ggfls. auch den Flughafen Latakia (vgl. SFH v. 21.3.2017, G 5/17, S. 6) zu, sie zeigt aber, dass diese Personen trotz der vorherigen Flucht das Risiko einer Rückkehr auf sich genommen haben.
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Das Auswärtige Amt (v. 2.1.2017, 2017/2) führt ebenfalls aus, dass ihm Fälle bekannt sind, in denen syrische Staatsangehörige nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus dem Bundesgebiet für mehrere Monate nach Syrien zurückgekehrt sind.
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Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das vorstehend Ausgeführte noch in verstärktem Maße gelten würde, wenn im Rahmen einer gedanklichen Rückkehrsituation zu berücksichtigen wäre, dass die Situation, in der sich der Kläger befindet, auf eine Vielzahl von ins Ausland geflüchteten Syrern zutrifft und daher gedanklich die Rückkehr einer Vielzahl dieser Personen zu unterstellen wäre.
- 59
2. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dem Kläger bei Rückkehr nach Syrien im Hinblick auf seine tscherkessische Volkszugehörigkeit eine (Verfolgungs-)Handlung i.S.d. § 3a AsylG beachtlich wahrscheinlich droht.
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Hiergegen spricht bereits, dass der Kläger unverfolgt ausgereist ist, die Familie des Klägers weiterhin in Damaskus lebt und der Kläger auch in Bezug auf diese nicht von Verfolgung berichtet hat. Aus der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingereichten Anfragebeantwortung von ACCORD vom 21. Mai 2014 ergeben sich für den Senat keine anderen Erkenntnisse. Diese lässt eher den Schluss zu, dass dem Kläger durch das Assad-Regime aufgrund der tscherkessischen Volkszugehörigkeit keine Regimegegnerschaft zugeschrieben wird. Dort wird die Einschätzung wiedergegeben, dass sich das Assad-Regime auf die Loyalität der Minderheiten in Syrien habe verlassen können, zu denen auch das Volk der Tscherkessen zähle. Unter Baschar al-Assad habe es sogar einen tscherkessischen General gegeben, der zum Innenminister ernannt worden sei. Die Unterstützung des Assad-Regimes durch die Tscherkessen schwinde aber im Laufe des Bürgerkrieges. Auch die Tscherkessen müssten im Bürgerkrieg u.a. durch die Kriegshandlungen im Bereich der von Tscherkessen besiedelten Golanhöhen Partei ergreifen und sich auf die Seite des Assad-Regimes oder die Seite anderer Bürgerkriegsparteien stellen. Über die Lage von nach Syrien zurückkehrenden Tscherkessen lägen keine Informationen vor.
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In Übereinstimmung mit der so beschriebenen Situation der Tscherkessen ist die Familie des Klägers wegen der Kriegshandlungen in der Region Qunaitra nach Angaben des Klägers im Jahr 2013 von dort nach Damaskus verzogen. Sie haben sich damit in ein Gebiet begeben, das durch das Assad-Regime gehalten wird und damit - wenn überhaupt - zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht auf Seiten der regimefeindlichen Kräfte stehen. Dass sich nach Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Familie des Klägers nicht umgemeldet habe, ändert daran nach Einschätzung des Senats nichts. Zudem bestehen an der Richtigkeit dieser Einlassung des Klägers durchgreifende Zweifel. Insoweit wird auf die Ausführungen hierzu unter IV. 2. c) Bezug genommen.
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3. Selbst wenn das Gericht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG bei Rückkehr bejahte, fehlt es an der beachtlichen Wahrscheinlichkeit bezüglich der nach § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG. Um als Flüchtling anerkannt zu werden, müsste zu einer Verfolgungshandlung hinzukommen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit diese Verfolgungshandlung aus flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgründen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erfolgt. Die dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lassen einen solchen hinreichend verlässlichen Schluss auf das Bestehen der notwendigen Verknüpfung nicht zu.
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a) Es lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass das Assad-Regime mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jedem unverfolgt für längere Zeit ausgereisten syrischen Staatsbürger, der im Ausland ein Asylverfahren betrieben hatte und wieder zurückkehrt, pauschal unterstellt, ein Regimegegner zu sein bzw. in Verbindung mit oppositionellen Kreisen im Exil zu stehen, sofern nicht besondere, individuelle gefahrerhöhende Merkmale vorliegen (wie hier auch: OVG Münster, Urt. v. 21.2.2017, 14 A 2316/16.A, DVBl. 2017, 639, juris; Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A., NVwZ 2017, 1218, juris; OVG Koblenz, Urt. v. 16.12.2016, 1 A 10922/16, juris; OVG Saarlouis, Urt. v. 2.2.2017, 2 A 515/16, juris; Urt. v. 17.10.2017, 2 A 365/17, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris; zu einer Syrerin: VGH Mannheim, Urt. v. 21.8.2017, A 11 S 513/17, S. 13 UA, juris; OVG Schleswig, Urt. v. 23.11.2016, 3 LB 17/16, juris; VGH München, Urt. v. 12.12.2016, 21 B 16.30338, juris; a.A. UNHCR, v. 04/2017, G 7/17, S. 30; allerdings führt der UNHCR diese Gruppe im Bericht vom November 2017, G 35/17, S. 35 f. -, nicht mehr auf).
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Allerdings entsprach es für die Zeit vor Ausbruch der Unruhen in Syrien und bis in die Anfangszeit des Bürgerkriegs hinein wohl weitgehend gesicherter Erkenntnis, dass nach der ständigen Praxis der syrischen Sicherheitskräfte (im weitesten Sinn) bei der offiziellen Wiedereinreise nach einem längeren Auslandsaufenthalt Rückkehrer regelmäßig einem intensiven Verhör unterzogen wurden, das je nach den Umständen auch Stunden dauern konnte. Insbesondere im Falle einer Verbringung der Betreffenden in ein Haft- oder Verhörzentrum der (vier) syrischen Geheimdienste drohte zudem konkret die Anwendung von Folter und menschenrechtswidriger Behandlung, wobei hiermit regelmäßig auch Informationen über eventuelle eigene regimekritische Handlungen im Ausland, aber auch über die Exilszene im Allgemeinen herausgepresst werden sollten. Diese Gefahr wurde etwa vom Auswärtigen Amt als sehr hoch eingeschätzt (vgl. Lagebericht vom 27.9.2010, 2010/4, S. 16). In der Rechtsprechung wurde deshalb z.T. angenommen, dass den staatlichen Maßnahmen auch die erforderliche Gerichtetheit zukam (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 19.6.2013, A 11 S 927/13, juris; a.A. aber etwa OVG Münster, Beschl. v. 7.5.2013, 14 A 1008/13.A, juris).
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Im Laufe des Bürgerkriegs haben sich jedoch in verschiedener Hinsicht Veränderungen in Syrien ergeben. So kann insbesondere aus verschiedenen Berichten von Amnesty International eine endemische Zunahme von Misshandlungen und Folter einschließlich Verschwindenlassen der Betroffenen entnommen werden (vgl. AI, 8/2016, G 13/16, S. 12 ff.; AI, v. 2/2017, G 15/17; AI, Report 2016/2017, v. 22.2.2017, G 17/17 – vgl. auch dt. Übersetzung v. 19.2.2017, G 16/17, S. 9 f.). Es handelt sich um Praktiken, die von Seiten des syrischen Regimes im Grundsatz schon seit vielen Jahren systematisch eingesetzt werden, um jede Opposition und jeden Widerstand zu unterdrücken bzw. zu zerschlagen (vgl. BFA, v. 5.1.2017, S. 19 f., G 26/17). Zudem ist die Zahl der im Ausland lebenden syrischen Flüchtlinge seit dem Beginn des Bürgerkriegs auf ca. 6,4 Millionen gestiegen ist (s.o.; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 21.02.2017, 14 A 2316/16.A, DVBl. 2017, 639).
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Bei dieser Ausgangslage kann der Senat nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnisquellen nicht die Überzeugung gewinnen, dass syrische Sicherheitskräfte unterschiedslos jedem rückkehrenden Asylbewerber unterstellen, (vermeintlich) ein Regimegegner zu sein, sofern nicht besondere, individuelle gefahrerhöhende Merkmale vorliegen. Vor diesem Hintergrund ist ein Rückschluss von vor Beginn oder zu Anfang des Bürgerkriegs vermutlich stattgefundenen flüchtlingsrelevanten Eingriffen im Kontext der Einreise auf die heutigen Verhältnisse nicht tragfähig und kann die weitgehend fehlenden Erkenntnisse nicht ersetzen. Aus diesem Grund bestehen auch keine weiteren erfolgversprechenden Ermittlungsansätze.
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Wie ausgeführt liegen nur wenige Dokumente vor, die die hier interessierende Fragestellung der aktuellen Behandlung von Rückkehrern erörtern. Ihnen lassen sich ausnahmslos keine konkreten und nachvollziehbaren Gesichtspunkte entnehmen, die einen verlässlichen Schluss auf die erforderliche Gerichtetheit zulassen. Hierzu führt das OVG Lüneburg in einem die Rückkehr eines Syrers betreffenden Verfahren nach Ansicht des Senats zutreffend aus (Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 53 - 67):
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„Der vom UNHCR 4/2017 gezogenen Folgerung, sein Bericht belege eine politische Verfolgung durch staatliche Kräfte bei Rückkehr nach Syrien (vgl. S. 30 unter 5. mit Fußn. 146), vermag der Senat nicht zu folgen. Belastbare Erkenntnisse, dass die syrischen Sicherheitsbehörden dem Grunde nach diesen Rückkehrern eine oppositionelle Haltung zuschreiben, sind dem Bericht nicht zu entnehmen. Zum einen beruhen die vom UNHCR 4/2017 wiedergegebenen - teilweise lediglich telefonisch (vgl. hierzu IRB Canada v. 19.1.2016) erfolgten - Einschätzungen nur auf Berichten/ Wertungen einzelner Personen und dabei wiederum vor allem auf „Hörensagen“, nicht aber auf zurechenbaren Äußerungen von Personen, die aus eigener Erfahrung Mitteilung über verschiedene Einzelfälle machen können; Einzelschicksale sind danach nicht nachprüfbar. So wird - unter Hinweis auf das Immigration and Refugee Board of Canada (IRB Canada v. 19.1.2016) - eine emeritierte Professorin für Anthropologie und erzwungener Migration an der Oxford Universität, vormals Leiterin des Refugee Studies Centre in Oxford erwähnt, die ihre Einschätzung wiedergibt, aber keine konkreten Fälle benennt. Auch der Executive Direktor des Syria Justice and Accountability Center benennt keine konkreten, nachprüfbaren Einzelfälle, sondern teilt seine Bewertung der Lage mit, wobei er einerseits darauf hinweist, ein rückkehrender Asylantragsteller gelte als regierungsfeindlich, was als Zuschreibung eines Verfolgungsgrundes zu bewerten wäre, andererseits aber auch ausführt, Rückkehrer würden gefoltert, weil der Staat über andere Asylbewerber/Oppositionelle Informationen gewinnen wolle - was auf ein lediglich wahllos routiniertes Zugreifen mit dem Ziel, möglicherweise verwertbaren Informationen über regimegegnerische Bestrebungen überhaupt erst zu erlangen („fischen“) weist und als solches keine auf einen Verfolgungsgrund „gerichtete“ Maßnahme darstellen würde (vgl. dazu unten). Die dritte genannte Quelle, ein Gastwissenschaftler des Kings College London, der Spezialist für Syrien sei und Sachverständigenaussagen in Asylverfahren von Syrern in Großbritannien gemacht haben soll, trägt die Folgerung des UNHCR schon deswegen nicht, weil diese Quelle lediglich erklärt hat, ein rückkehrender Asylbewerber könne festgenommen werden, dies geschehe aber nicht automatisch; einige Regierungsmitarbeiter betrachteten Rückkehrer als Regierungskritiker, andere Regierungsmitarbeiter würden dagegen anerkennen, dass es auch andere Gründe gebe, das Land zu verlassen (vgl. Fußn. 146). Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des IRB Canada (v. 19.1.2016) hat bereits das OVG NW (Urt. v. 21.2.2016 - 14 A 2316/16 -, juris Rnr. 51 ff) festgehalten, dass der dort unter Nr. 3 geschilderten Fall eines aus Australien rückkehrenden Asylbewerbers besonders liege, weil dieser wegen des mitgeführten Geldes in den Verdacht eines Revolutionsfinanciers gekommen war (vgl. auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16.OVG Rnr. 91) und weiter zutreffend ausgeführt:
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„Weitere Meldungen über Festnahmen bei Einreise (die Rede ist in der genannten Antwort von etwa 35 nach Ägypten geflohenen Palästinensern) lassen mangels Kenntnis der Einzelumstände keinen Rückschluss auf den Anlass der Festnahmen zu. Das Immigration and Refugee Board of Canada zitiert im Weiteren lediglich die Meinung eines Oxford-Professors, eines Forschers am Londoner King's College und eines Funktionärs einer Menschenrechtsorganisation (Syria Justice and Accountability Centre, vgl. die Selbstdarstellung im Internet unter https://syriaaccountability.org/about/), dass abgelehnte Asylbewerber wegen ihres Asylantrags verfolgt würden, ohne dass dafür tatsächliche Anhaltspunkte aufgezeigt würden. Daher kann dies nicht als relevante tatsächliche Erkenntnis, sondern als nicht weiter begründete Meinung gewertet werden.“
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Das vom UNHCR 4/2017 weiter zitierte US Departement of State führt in seinem „Country Report on Human Rights Practices for 2015“ für Syrien (S. 34, ebenso Country Report on Human Rights Practices for 2016, S. 36) zwar aus, dass Personen, die erfolglos Asyl in anderen Ländern beantragt hätten, verfolgt worden seien, jedoch ohne Nennung konkreter Vorfälle. Zudem verweist der Bericht auf ein Gesetz, dass denjenigen mit Verfolgung bedroht, der in einem anderen Land Zuflucht sucht, um einer Strafe in Syrien zu entgehen. Auch aus dieser Fundstelle kann daher nicht die Erkenntnis gewonnen werden, dass dem Grunde nach jeder rückkehrende Asylbewerber als vermeintlicher Oppositioneller vom syrischen Staat Verfolgungshandlungen zu befürchten hat (so zutreffend OVG NW, Urt. v. 21.2.2017, aaO., Rnr 54 f).
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Soweit UNHCR 4/2017 (Fußnote146) zum anderen auf Quellen aus der Zeit vor 2011 verweist, die die Gleichstellung einer illegalen Ausreise und Asylantragstellung mit einer regimefeindlichen Gesinnung belegten (vgl. dazu OVG Sachsen-Anh., Urt. v. 18.7.2012 - 3 L 147/12 -, juris; kritisch zu dieser Einschätzung Bay. VGH, Urt. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30371 -, juris, OVG Rheinl-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris), kann auf diese Einschätzungen aus jener Zeit schon aufgrund der gravierenden Veränderung der politischen Situation und des infolgedessen - ohne die rd. 6,6 Mio. Binnenflüchtlinge (vgl. AI, Report 2016/2017, Syrien) - auf rd. 4,8 Mio. angewachsenen Flüchtlingsstroms (Ende 2011 waren es lediglich rd. 19.900, s.o.) nicht mehr zurückgegriffen werden (vgl. nunmehr auch OVG Sachsen-Anh., Beschl. v. 29.3.2017 - 3 L 249/16 -, juris).
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Der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH v. 21.3.2017 Syrien: Rückkehr) sind ebenfalls keine konkreten individualisierbaren Einzelfälle zur Behandlung von Rückkehrern zu entnehmen. Die SFH verweist vielmehr ihrerseits u.a. auf das IRB Canada (v. 19.1.2016) und auf die darin erwähnten Informationen sowie auf die Stellungnahme des US Department of State (s.o.). Letztlich beziehen sich mithin eine Vielzahl von Quellen aufeinander, ohne den Erkenntnishorizont durch neue belastbare Erkenntnisse erweitern zu können.
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Ein erhebliches Indiz dafür, dass Rückkehrer vom syrischen Staat nicht ohne weiteres als Regimegegner eingeschätzt werden, ergibt sich für den Senat aus der genannten Stellungnahme des IRB Canada unter Nr. 1 „Overwiew“, wonach Hunderttausende Flüchtlinge aus den Anrainerstaaten jedes Jahr nach Syrien einreisen sollen, um dort persönliche Angelegenheiten zu regeln, meistens um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in die benachbarten Länder zurückkehren. Eine solche umfangreiche Reisetätigkeit zeigt, dass die in die benachbarten Ländern Geflohenen trotz des (extrem) repressiven Charakters des syrischen Staates davon ausgehen, im Rahmen der Grenzübergänge zu Syrien keiner gravierenden Gefährdung ausgesetzt zu sein (vgl. auch OVG NW, Urt. 21.2.2017, aaO., Rnr. 53, Bay VGH, Urt. v. 12.12.2016, aaO, Rnr. 78).
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Die Annahme, erfolglose Asylbewerber aus dem westlichen Ausland würden - im Gegensatz zu den in die Anrainerstaaten Syriens Geflüchteten - deshalb (unterschiedslos) als Oppositionelle betrachtet, weil die syrische Regierung eine von außen organisierte und finanzierte Verschwörung gegen das Land für den Ursprung des Bürgerkriegs verantwortlich mache, ist eine bloße Vermutung, die angesichts der hohen Zahl in das westliche Ausland geflüchteter und hypothetisch zurückkehrender Syrer dem Senat nicht plausibel erscheint. Mag es bei einer überschaubaren Anzahl von Flüchtlingen wie vor 2011 noch nachvollziehbar gewesen sein, dass diese vom syrischen Regime durchweg als potentielle Gegner angesehen werden könnten, kann dies nicht mehr bei den heutigen Zahlen gelten. Im Gegensatz zur damaligen Lage ist die Zahl derer, die Syrien verlassen haben, heute nicht mehr relativ gering. Zudem ist es mittlerweile nicht mehr erforderlich, eine etwaige von außen organisierte Verschwörung aufzudecken. Die Beteiligung zahlreicher anderer (Groß-)Mächte an den Auseinandersetzungen, die jeweils eigene unterschiedliche Ziele verfolgen, steht vielmehr fest (vgl. oben).
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Den Verfassungsschutzberichten (zitiert bei OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rnr. 121) lässt sich eine systematische Beobachtung aller mittlerweile im Bundesgebiet lebenden Syrer ebenfalls nicht entnehmen. Ihre Beobachtung gilt in erster Linie oppositionellen Tätigkeiten. Eine umfassende Beobachtung wäre angesichts der großen Zahl hier aufhältiger Personen aus Syrien schon faktisch ausgeschlossen (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 - juris, Rnr. 121).
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Die generell nicht auszuschließende Anwendung von Misshandlung oder Folter bei Rückkehr stellt als solche schließlich kein wesentliches Indiz für eine politische Motiviertheit der Verfolgung dar; denn es ist zu bedenken, dass dieses Verhalten nicht erst anlässlich der aktuellen bürgerkriegsähnlichen Situation seit 2011 entstanden ist, sondern in Syrien die Sicherheitsdienste aufgrund des seit 1963 bestehenden Ausnahmezustandes in der Praxis immer schon weder parlamentarischen noch gerichtlichen Kontrollmechanismen unterworfen und auch in der Vergangenheit verantwortlich für willkürliche Verhaftungen, Folter und Isolationshaft waren. Polizei, Justizvollzugsorgane und Sicherheitsdienste hatten schon in der Vergangenheit systematisch Gewalt angewandt, ohne dass die Möglichkeit effektiver strafrechtlicher Abwehr bestand. Schon unter Hafis al-Assad wurde jegliche Opposition brutal unterdrückt und es verschwanden Personen, so sollen seit 1980 bis 2010 rd. 17.000 Personen verschwunden sein (AA, Lagebericht v. 27.9.2010; allg. vgl. Lange „Ein historischer Überblick“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2013 S. 37, 42 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 - juris, Rnr. 154; zur langjährigen Praxis von Misshandlungen und Folter vgl. auch VGH Bad.-Württb., Urt. v. 2.5.2017 - A 11 S 562/17 -, juris Rnr. 48).
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Soweit Rückkehrer unter Drangsalierungen bis hin zur Folter befragt werden sollten, würde sich dies daher in Anlehnung an die Ausführungen des OVG Rheinland-Pfalz auch nach Auffassung des Senats um ein willkürliches, von keiner irgendwie gearteten Gerichtetheit bestimmtes Verhalten der in rechtsfreien Räumen agierenden verschiedenen Sicherheitskräfte handeln, möglicherweise auch um ein wahllos-routiniertes Fischen nach Informationen, wodurch einen konkreten Verdacht überhaupt erst begründende Hinweise gewonnen werden sollen, aufgrund derer sodann eine Zuschreibung von Verfolgungsgründen erfolgen könnte (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016, aaO. Rnr. 121, vgl. auch OVG d. Saarl. v. 11.3.2017 - 2 A 215/17 -, juris).
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Schon das Auswärtige Amt (Ad-hoc-Bericht v. 17.2.2012) hat auf willkürliche Verhaftungen und darauf hingewiesen, dass die Sicherheitskräfte im Zuge der Bekämpfung der Opposition von dem syrischen Regime eine „carte blanche“ erhalten hätten, jeder agiere für sich im rechtsfreien Raum.
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Dieses willkürlich-wahllose Verhalten bei etwaigen Rückkehrer-Befragungen wird auch durch den UNHCR-Bericht 4/2017 selbst deutlich. So heißt es dort, dass Personen „ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und des Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt“ werden (S. 6), das System sei „äußerst unvorhersehbar“, es seien „alle Personen“ einem Misshandlungsrisiko durch Grenzbehörden ausgesetzt (Fußnote 32), die einzelnen regierungstreuen Sicherheitsbereiche hätte gleichsam freie Hand erhalten, es erfolgten Übergriffe auf Einwohner Syriens, die tatsächliche oder vermeintliche regierungskritische politische Ansichten „im weitesten Sinn“ verträten, es seien „zahlreiche Protesteilnehmer, Aktivisten, Wehrdienstentzieher, Deserteure, Laienjournalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, willkürlich verhaftet worden“. Ein unterschiedsloses Vorgehen belegt auch der Hinweis, dass die International Crisis Group (ICG) den Einsatz von Luftschlägen durch die syrische Regierung als „Teil einer Strategie der verbrannten Erde und der kollektiven Bestrafung“ bezeichnet habe (S. 18).
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Die SFH sprich in ihrer Stellungnahme ebenfalls von „Willkür“ (vgl. Überschrift Punkt 5.2) und weist unter Bezugnahme auf AI (Between Prison and the Grave, v. 5.11.2015) auf den „verbreiteten Opportunismus der syrischen Sicherheitsbeamten (hin), die entweder aus Profitgier oder aus persönlicher Rache Menschen verhaften und verschwinden lassen“. Der Verweis auf die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Bestechung zu arrangieren (im Korruptionswahrnehmungsindex steht Syrien an 173. Stelle von 176 untersuchten Ländern, UNHCR Fußnote 9), bestätigt die Annahme rein willkürlichen/wahllosen Verhaltens.
- 81
Gleiches ergibt sich aus dem vom IRB (v. 19.1.2016, S. 5) zitierten OHCHR-Report 2014, der zwar zunächst verschiedene, möglicherweise noch unterscheidbare in das Blickfeld des syrischen Staates geratene Gruppierungen nennt (u.a. activists, students, humanitarian workers), letztlich aber die Bedrohung unterschiedslos ausdehnt auf „those who were in the wrong place at the wrong time“.
- 82
Erfolgen etwaige Übergriffe aber unterschiedslos, so geschehen sie letztlich wahllos, mithin ohne Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund (vgl. hierzu, BVerwG, Beschl. v. 27.4.2017 - 1 B 63.17 -, juris, vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris, OVG d. Saarl., Urt. v. 11.3.2017 - 2 A 215/17 -, juris).“
- 83
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der UNHCR in seinem Bericht von November 2017 (G 35/17, insbesondere S. 35 ff.) nicht mehr erwähnt, dass aus dem Ausland zurückkehrenden syrischen Asylbewerbern allein aufgrund des im Ausland betriebenen Asylverfahrens beachtlich wahrscheinlich eine oppositionelle Haltung zugeschrieben werde. Auch das Auswärtige Amt spricht in seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2017 (Auskunft an VG Magdeburg, 2017/10) davon, dass die Willkür von Inhaftierungen, auch zum Erpressen von Lösegeld etc. extrem hoch sei.
- 84
b) Die Zugehörigkeit zum sunnitischen Glauben stellt zur Überzeugung des Senats keinen risikoerhöhenden Faktor dar, aufgrund dessen dem Kläger bei einer Rückkehr nach Damaskus beachtlich wahrscheinlich die Gefahr einer Verfolgung drohen würde, weil ihm deshalb eine regimefeindliche Haltung zugeschrieben werden würde.
- 85
Soweit der UNHCR in seiner Stellungnahme von November 2015 (Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, G 15/15, S. 26) davon ausgeht, dass die Mitgliedschaft in religiösen Gruppen - darunter auch die Sunniten - ein gefahrerhöhendes Moment sein könne, kann dieses nicht generell gelten, sondern muss jeweils im regionalen Kontext und in der ggf. spezifischen Konfliktsituation beurteilt werden. Dies gilt zur Überzeugung des Senats gerade in Bezug auf Personen sunnitischen Glaubens, da knapp drei Viertel der syrischen Bevölkerung bei Ausbruch des Bürgerkriegs sunnitischen Glaubens waren und Angehörige des sunnitischen Glaubens innerhalb des Assad-Regimes hohe Stellungen einnehmen.
- 86
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der UNHCR in seiner Stellungnahme von November 2017 (G 35/17, S. 54 ff.) die Angehörigkeit zum sunnitischen Glauben nicht mehr als per se risikoerhöhenden Faktor ansieht und auch nicht als ein Merkmal, aufgrund dessen der Person regierungsfeindliche Absichten unterstellt werden (ebenso: VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2017, A 11 S 710/17, DVBl. 2017, 1317, juris Rn. 48). Vielmehr geht der UNHCR davon aus, dass die Verfolgungsgefahr für Mitglieder religiöser und ethnischer Gruppen von Region zu Region variiert und von den spezifischen Konfliktbedingungen der jeweiligen Region abhänge. Eine Verfolgungsgefahr ergebe sich insbesondere für Angehörige religiöser und ethnischer Gruppen, die aus Gebieten stammten, die von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden würden, so dass diesen abhängig von den individuellen Umständen des Einzelfalles der Flüchtlingsschutz zu gewähren sei. Hierunter fällt der Kläger als Sunnit nicht. Zu berücksichtigen ist dabei zudem, dass der Kläger seit 2013 bis zu seiner Ausreise in Damaskus gelebt hat. Dafür dass Sunniten in Damaskus wegen ihrer Religionszugehörigkeit durch das Assad-Regime verfolgt werden, liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor.
- 87
c) Der Senat hat keine belastbaren Erkenntnisse, dass die tscherkessische Volkszugehörigkeit Anknüpfungspunkt für eine Verfolgung durch das Assad-Regime ist. Insoweit wird ergänzend auf die vorstehenden Ausführungen unter 2. Bezug genommen.
- 88
d) Das Gericht hat auch keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Herkunft des Klägers aus der Region Qunaitra, die ca. seit 2012 von der Freien Syrischen Armee gehalten wird, beachtlich wahrscheinlich Anknüpfungspunkt für eine Verfolgung durch das Assad-Regime ist, weil ihm deshalb eine regimefeindliche Haltung zugeschrieben werden würde. Hiergegen spricht bereits, dass die Familie des Klägers nach seinen eigenen Angaben 2013 nach Damaskus umgezogen ist und seitdem dort lebt, ohne in Schwierigkeiten mit dem Assad-Regime gekommen zu sein. Der Kläger ist nach seinem eigenen Vorbringen bis zu seiner (offiziellen) Ausreise über den Flughafen Damaskus zur Schule gegangen; insoweit geht das Gericht davon aus, dass er in Damaskus zur Schule gegangen ist (vgl. zur Herkunft aus Aleppo: VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2017, A 11 S 710/17, DVBl. 2017, 1317, juris Rn. 49). Auch seine Schwester hat in Damaskus gelebt und dort von 2013 - Mitte 2015 studiert.
- 89
e) Nach Ansicht des Senats begründet auch die Gesamtheit dieser Umstände keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung in Anknüpfung an die aufgeführten Umstände; insbesondere liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass beachtlich wahrscheinlich dem Kläger bei Rückkehr in Anknüpfung daran eine regimefeindliche Haltung unterstellt werden würde.
IV.
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Eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung des Klägers in Anknüpfung an asylrechtlich erhebliche Merkmale wegen seines Auslandsaufenthalts im wehrdienstfähigen Alter konnte - auch in Verbindung mit den vorgenannten Umständen - zur Überzeugung des Senats nicht ermittelt werden. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu den Regelungen über den Wehr- und Militärdienst und die Praxis deren Umsetzung (1.) geht der Senat davon aus, dass der Kläger bisher nicht gegen Vorschriften des syrischen Rechts im Zusammenhang mit der Wehrpflicht verstoßen hat (2.). Aber auch wenn der Senat unterstellt, dass das Assad-Regime den Kläger aufgrund des längeren Aufenthalts im wehrdienstfähigen Alter bei einer hypothetischen Rückkehr wie einen Wehr- bzw. Militärdienstentziehber bzw. -verweigerer behandeln würde, bestehen zur Überzeugung des Senats keine hinreichenden Erkenntnisse, dass dem Kläger bei Rückkehr in Anknüpfung daran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen (3.) wegen flüchtlingsrechtlich erheblicher Merkmale (4.) drohen würden.
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1. Zum Wehr- bzw. Militärdienst geht der Senat von Folgendem aus (soweit nicht besonders aufgeführt, liegen der Einschätzung folgende Erkenntnisquellen zugrunde: AA, v. 2.1.2017, 2017/1; Dt. Botschaft Beirut, Auskunft an das BAMF v. 3.2.2016, 2016/1; BFA, v. 5.1.2017, G 26/17; BFA, Fact Finding Mission Report Syrien v. August 2017, G 11/17; DOI, v. 1.2.2017, G 6/17; DOI, Auskunft an das OVG Schleswig v. 8.11.2016, G 3/16; Danish Refugee Council - DRC -, Syria v. August 2017, G 23/17; SFH, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion v. 23.3.2017, G 19/17; SFH v. 21.3.2017, G 5/17; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee v. 28.3.2015, G 8/15; SFH, Syrien: Die National Defense Forces v. 28.3.2015, G 9/15; SFH, Syrien: Umsetzung der Amnestien v. 14.4.2015, G 10/15; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, v. 30.7.2014, G 3/14; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse zu Syrien: Umsetzung der Freistellung vom Militärdienst als „einziger Sohn“ v. 20.10.2015, G 13/15; Finnische Einwanderungsbehörde, Syria: Military Service, National Defense Forces, armed groups supporting Syrian Regime and armed opposition, v. 23.08.2016, G 15/16; UNHCR, April 2017, G 7/17; UNHCR, November 2017, G 35/17):
- 92
In Syrien besteht allgemeine Wehrpflicht, die grundsätzlich für alle syrischen Männer unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund wie auch für Palästinenser, die in Syrien leben, gilt; auch Oppositionelle werden einberufen. Die Registrierung für die Wehrpflicht erfolgt im Alter von 18 Jahren. Nach Auskunft des BFA (08/2017, G 11/17, S. 18) sind junge Männer im Alter von 17 Jahren aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von mindestens 18 Jahren werden die Männer per Einberufungsbescheid zum Ableisten des Wehrdienstes aufgefordert. Zudem werden junge Männer an Kontrollstellen oder bei Razzien auf öffentlichen Plätzen (zwangs)rekrutiert (AA, 2.1.2017, 2017/1; BFA, 08/2017, G 11/17,S. 18; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13,). Jeder Mann im Alter zwischen 18 und 42 Jahren ist verpflichtet, einen zweijährigen Militärdienst abzuleisten. Allerdings weisen einzelne Quellen darauf hin, wonach die Wehrpflicht in der Praxis in Einzelfällen bis zum 50. bzw. sogar bis zum 60. Lebensjahr ausgeweitet wird bzw. jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter rekrutiert werden kann; daneben soll es auch zu Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen kommen (BFA, 08/2017, G 11/17, S. 18; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 5 ff.).
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Ausnahmen von der Wehrpflicht werden - von Bestechungen abgesehen - bei Personen jüdischen Glaubens oder bei Untauglichkeit gemacht. Zudem bestehen Regelungen über Ansprüche auf Aufschub vom Antritt des Grundwehrdienstes etwa für Einzelkinder oder Studenten - hier je nach Art des Studiums gestaffelt, regelmäßig höchstens bis 27 Jahre. Diese Regelungen gelten zwar formal weiter, in der Praxis finden sie allerdings aufgrund des stark zunehmenden Personalbedarfs nur eingeschränkt und zunehmend willkürlich Anwendung. Für im Ausland lebende Männer gibt es z.T. die Möglichkeit, sich gegen Zahlung einer Geldkompensation vom Militärdienst zu befreien (vgl. BFA, 08/2017, G 11/17, S. 19 f.; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8 f.; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 8).
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Es besteht keine Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern bzw. zivilen Ersatzdienst zu leisten. Entlassungen aus dem Militärdienst sind nach den verwerteten Erkenntnisquellen seit dem Jahre 2011, dem Beginn der militärischen Auseinandersetzung, eher zur Ausnahme geworden; viele Wehrpflichtige sind über Jahre hinweg in der Armee tätig und oftmals wäre Desertion die einzige Möglichkeit, den Militärdienst zu beenden.
- 95
Gediente Wehrpflichtige müssen nach Beendigung des Wehrdienstes als Reservisten jederzeit abrufbar sein. In der Vergangenheit wurden alle Männer bis zum Alter von 42 Jahren als Reservisten geführt; aufgrund der prekären Personalsituation gibt es gegenwärtig kein festgesetztes Höchstalter für die Aktivierung von Reservisten mehr, vielmehr werden nach den vorliegenden Auskünften im Einzelfall - je nach Ausbildung und bisheriger Tätigkeiten für die Armee - Männer im Alter von bis zu 50 oder sogar 60 Jahren erneut zum Dienst verpflichtet.
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Über die aktuelle Praxis der Rekrutierung wird berichtet (vgl. insgesamt zum Nachfolgenden: BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 23; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8, 13), dass es im Zeitraum von März 2016 bis März 2017 keine Generalmobilmachung gegeben hat. Jedoch wurden offenbar in verschiedenen Wellen die Bemühungen intensiviert, Wehrpflichtige und Reservisten einzuziehen; nach einigen Quellenangaben erfolgte dies deshalb, weil nur wenige Männer auf die Einberufung reagiert und sich zum Dienst eingefunden haben (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8). Die regulären Rekrutierungsmethoden würden immer noch angewendet werden, weil das Regime zeigen wolle, dass sich nichts verändert habe. So würden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Es gebe aber auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien lebten (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 23). Insgesamt sei schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee tatsächlich durchgesetzt werde. In der syrischen Armee herrsche zunehmende Willkür und die Situation könne sich von einer Person zur anderen unterscheiden (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 22). So wird über die im Land errichteten Kontrollstellen beispielsweise berichtet (UNHCR, April 2017, G 7/17, S. 24 ff.; UNHCR, Auskunft an VGH Kassel v. 30.5.2017, G 9/17, S. 2), dass an diesen in großem Maße Männer im wehrdienstfähigen Alter, die einen Einberufungsbescheid erhalten hätten, aber auch solche, bei denen dies noch nicht der Fall gewesen sei, eingezogen würden, während an anderer Stelle berichtet wird, an diesen würden massenhaft Bestechungsgelder verlangt (vgl. zur finanziellen Lage: Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7, und Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 15 07 2017, S. 3, ca. 2000 Kontrollstellen; Truppendienst, Streitkräfte des Assad-Regimes, Februar 2017, S. 2: „... während die Armee Bestechungsgelder an Kontrollpunkten kassiert ...“).
- 97
Männer im Alter zwischen 18 und 42 Jahren dürfen seit März 2012 nur mit einer offiziellen Beglaubigung des Militärs, mit der bescheinigt wird, dass sie von der Wehrpflicht bzw. vom Militärdienst freigestellt sind, das Land verlassen; seit Herbst 2014 besteht darüber hinaus für Männer, die zwischen 1985 und 1991 geboren sind, ein generelles Ausreiseverbot. Jungen Männern vor Erreichen des 18. Lebensjahres wird die Ausreise erschwert, indem Reisepässe nur für eine kurze Gültigkeitsdauer ausgestellt werden (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 24).
- 98
Neben den Streitkräften des Assad-Regimes, der Syrisch-Arabischen Armee (nachfolgend: syrische Armee), besteht eine Vielzahl von dem Assad-Regime treuen Milizen und Kampfverbänden, die vom Assad-Regime unterstützt werden. Sie werden von politischen Akteuren wie der Syrisch Arabischen Baath Partei, von Palästinensern, reichen Geschäftsmännern oder ethnischen Akteuren angeführt. Auch die verschiedenen Geheimdienste rekrutieren ihre eigenen paramilitärischen Gruppen. Die lokalen Verteidigungsmilizen sind oft nach Konfession organisiert und kämpfen, um ihre Herkunftsregion zu verteidigen (SFH v. 23.3.2017, G 19/17, S. 3). Das Assad-Regime hat mit der Unterstützung des Irans versucht, diese Milizen in den 2013 gegründeten Nationalen Verteidigungskräften (National Defense Forces, NDF) zu bündeln und unter die Kontrolle der syrischen Armee zu bringen. Dabei scheint es so zu sein, dass die NDF als Dachorganisation konzipiert wurde, unter dem regimefreundliche Milizen unter der Kontrolle der syrischen Armee organisiert wurden (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 15; BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 25). Die genaue Mannstärke der NDF ist nicht bekannt, Schätzungen reichen von 60.000 bis 100.000 Mitglieder. Kämpfer der NDF gelten als dem Regime loyaler als die Wehrdienstleistenden in der Armee. Indem man der NDF beitrete, könne man den Wehr- bzw. Militärdienst bei der syrischen Armee vermeiden und den Einsatzort besser beeinflussen. Der Beitritt zu den NDF sei grundsätzlich freiwillig, allerdings solle es auch Zwangsrekrutierungen gegeben haben. Daneben gibt es auch Hinweise, dass das Assad-Regime versucht, Männer in den Militärdienst einzuziehen, die sich gemäß ihrem Versprechen anstelle des Militärdienstes bereits einer lokalen Miliz angeschlossen haben (vgl. BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 25 f.; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 3, 6). Die NDF unter der Führung des Assad-Regimes sollen 2016 weitgehend auseinandergebrochen sein. Da die paramilitärischen Gruppen von unterschiedlichen Geldgebern mit eigenen Zielen geführt wurden, ist es auch zu direkten Konfrontationen mit dem Assad-Regime gekommen (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 3; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 15). Aktuell wird berichtet, dass den Milizen der NDF etwa 100.000 Männer angehören, die mit der syrischen Armee kämpfen, diese Milizen jedoch inzwischen durch den Iran bezahlt werden und unter deren Befehlsgewalt eingegliedert sind (vgl. Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7). Hinzu kommen Lokale Verteidigungskräfte (LDF), die Teil der vom Iran finanzierten und kontrollierten Hisbollah/Syrien sein sollen, die vom Assad-Regime als „Mitglieder der syrischen Streitkräfte“ angesehen werden, obwohl diese nicht unter dem Kommando des Assad-Regimes stehen (vgl. Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7).
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Wehrdienstverweigerung wird nach dem Military Penal Code geahndet (vgl. AA, 2.1.2017, 2017/1; Dt. Botschaft Beirut, 3.2.2016, 2016/1; SFH, 30.07.2014, G 3/14; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 8 f.). Nach dessen Artikel 98 wird, wer sich der Einberufung entzieht, mit Haft zwischen einem und sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft. Wer das Land verlässt, ohne eine Adresse zu hinterlassen, unter der er immer erreichbar ist, und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Für Desertion im eigentlichen Sinn werden in Artikel 101 fünf Jahre Haft angedroht bzw. fünf bis zehn Jahre, wenn der Deserteur das Land verlässt. Erfolgt die Desertion in Kriegszeiten oder während des Kampfes, beträgt die Haftstrafe 15 Jahre; Desertion im Angesicht des Feindes wird gemäß Artikel 102 mit lebenslanger Haft bzw. bei Überlaufen zum Feind mit Exekution bestraft. Berichten zufolge kann auch ein Wehrdienstentzug durch illegale Ausreise von nicht gemusterten bzw. nicht einberufenen Wehrpflichtigen mit Geldbuße oder Gefängnis bestraft werden (AA, 02.01.2017, 2017/1, S. 5).
- 100
Die Umsetzung der Bestrafung scheint willkürlich zu sein (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 10 f.). Insoweit gibt es einerseits Stellungnahmen, dass zurückkehrenden Wehrdienstpflichtigen Haft, Folter, Misshandlungen, Einsatz an der Front sowie dauerhaftes Verschwinden bzw. Tod drohe (vgl. DOI, 8.11.2016, G 3/16, wonach bei Wehrdienstentziehung eine harte Strafe bis hin zu Todesstrafe, aber oft auch Folter drohe; Dt. Botschaft Beirut, 3.2.2016, 2016/1, wonach im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst Fälle von Haft oder dauerndem Verschwinden bekannt geworden seien; IRB Canada, 19.1.2016, G 5/16, wonach Wehrdienstpflichtige eine sehr vulnerable Gruppe darstellen; Danish Refugee Council, SYRIA, Update on Military Service, September 2015, G 11/15, S. 18, wonach das syrische Regime bei Wehrdienstentziehung mit Einberufung nach Arrest, Einsatz an der Front, Bestrafung, Misshandlung reagiert; SFH v. 28.3.2015, G 8/15, wonach es bei ergriffenen Wehrdienstverweigerern in der Haft zu Folter komme). Andererseits wird aber auch berichtet, dass die Bestrafung häufig von der Position und dem Rang des Betreffenden, seinem Profil, aber auch dem Bedarf an der Front abhänge (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 10). Weiter wird ausgeführt, dass einige der Verhafteten zwar zu Haftstrafen verurteilt und dann eingezogen würden, andere aber lediglich verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt würden (SFH, 28.3.2015, G 8/15; BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 27). Das DRC berichtet unter Berufung auf verschiedene Quellen, u.a. C. Kozak (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13 f., Fn. 62), dass Wehrdienstentzieher, wenn sie aufgegriffen werden, riskieren in den Militärdienst gesandt zu werden, während Deserteuren härtere Strafen drohten, wie z.B. Haft oder Todesstrafe. Der UNHCR (11/2017, G 35/17, S. 39 unten/S. 40 oben) führt hierzu aus, dass unabhängige Beobachter bemerken, dass Wehrdienstentziehung von der Regierung wahrscheinlich als politischer, gegen die Regierung gerichteter Akt betrachtet werde, der zu einer Bestrafung führen könne, die über die strafrechtlich vorgesehenen Sanktionen hinausgehe, einschließlich härterer Behandlung bei der Inhaftierung, während der Haft und Befragungen sowie während des militärischen Einsatzes, wenn sie wieder eingesetzt werden. In der Praxis würden Berichten zufolge Wehrdienstentzieher aber eher, als dass sie nach dem Militärstrafgesetzbuch bestraft würden, innerhalb von Tagen oder Wochen nach ihrer Verhaftung an die Front geschickt, oft nach nur minimaler Ausbildung. Nach anderen Berichten gebe es aber auch Deserteure, die nachdem sie wieder aufgegriffen worden seien, in den Militärdienst bzw. an die Front geschickt worden seien (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 14 mit Fn. 67 - 69). Insgesamt ist die Zahl der Wehr- bzw. Militärdienstverweigerer sehr hoch (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13; UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 2; UNHCR, April 2017, G 7/17, Fn. 117). Nicht in jedem Einzelfall würden Nachforschungen betrieben (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13).
- 101
2. Der Kläger konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass er durch seine Ausreise und seinen Auslandsaufenthalt gegen Vorschriften des syrischen Strafrechts verstoßen hat, weil er sich dem Militärdienst entzogen habe.
- 102
a) Eine Entziehung von der Wehrpflicht setzt nach den vorstehenden Ausführungen voraus, dass der Kläger einen Einberufungsbescheid erhalten hat. Der Umstand, dass der Kläger sein Wehrbuch nicht abgeholt hat, ist insoweit nicht ausreichend. Nach seinem Vorbringen hat der Kläger bis zu seiner Ausreise keinen Einberufungsbescheid erhalten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger erklärt, seinen Eltern sei nach seiner Ausreise kein Einberufungsbescheid zugegangen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat er dies nicht weiter ergänzt.
- 103
b) Angesichts des Umstandes, dass der Kläger am 6. Januar 2016 Syrien über den Flughafen Damaskus legal verlassen hat, geht der Senat zudem davon aus, dass der Kläger vom Militärdienst freigestellt war. Zum Zeitpunkt der Ausreise war der Kläger bereits 18 Jahre alt. Nach den vorstehend genannten Quellen ist eine legale Ausreise für Männer ab 18 Jahren nur mit Genehmigung der Militärbehörden möglich. Am Flughafen Damaskus finden umfangreiche Personen- und Grenzkontrollen statt, so dass eine illegale Ausreise nahezu unmöglich sein dürfte (vgl. AA, Auskunft an VG Trier v. 12.10.2016, 2016/5). Soweit der Kläger in der Befragung bei dem Bundesamt berichtet hat, dass er am Flughafen in Damaskus von Kontrollbeamten befragt worden sei, ob er sich der Wehrpflicht entziehen wolle, und er dies verneint habe und man ihn dann habe passieren lassen, ist dies für das Gericht nicht glaubhaft. Die Schilderung ist detailarm und erfolgte erst auf Nachfrage, obwohl dies für den Kläger auch angesichts der drohenden Verhaftung eine sehr prekäre Situation gewesen sein muss. Soweit der Kläger seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bekräftigt und ergänzt sowie mit der Aussage seiner Schwester harmonisiert hat, die erklärt hat, der Kläger habe sich am Flughafen nicht geäußert, ist auch diese Aussage zur Überzeugung des Berufungsgerichts nicht glaubhaft. Hinsichtlich der Frage, wann der Reisepass von den syrischen Beamten gestempelt worden ist, ist sie zudem in sich widersprüchlich und auch deshalb unglaubhaft. Beide Aussagen widersprechen der oben ausgeführten Faktenlage, wonach bei der Ausreisekontrolle - gerade auch am Flughafen Damaskus - gezielt überprüft wird, ob eine ggf. notwendige Genehmigung der Militärbehörden vorliegt.
- 104
Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zudem erklärt hat, dass er keine Bestechungsgelder für seine Ausreise geleistet hat, geht der Senat davon aus, dass der Kläger von der Wehrpflicht freigestellt war, da er nur so Syrien legal verlassen konnte. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Gegenteiliges behauptet hat, hält der Senat dies angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht für glaubhaft.
- 105
c) Es ist auch nicht zu erkennen, dass der Kläger das Land entgegen den gesetzlichen Bestimmungen verlassen hat, ohne eine Adresse hinterlassen zu haben, unter der er erreichbar ist, und sich so der Einberufung entzogen hat. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass der Kläger bis zu seiner Ausreise bei seinen Eltern in Damaskus wohnhaft und den syrischen Militärbehörden dies auch bekannt war. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger dort offiziell gemeldet war, haben die syrischen Behörden mit dem Kläger in Hinblick auf die Abholung seines Wehrbuches Kontakt gehabt. Dass der Kläger hierbei nicht seine Wohnadresse in Damaskus genannt haben will, erscheint nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die gesamte Familie Anfang 2016 seit mehr als zwei Jahren in Damaskus gelebt hat. Zudem ist der Kläger dort zur Schule gegangen, seine Schwester hat nach ihren Angaben in der Anhörung vor dem Bundesamt dort am 10. November 2013 ihr Studium aufgenommen sowie ca. 18 Monate in Damaskus studiert und sein im Ruhestand befindlicher Vater wird dort seine Rente bezogen haben. Dies legt es nahe, dass die Familie des Klägers sich dort auch offiziell angemeldet hat und der Kläger in der Anhörung vor dem Bundesamt zutreffend erklärt hat, seine letzte offizielle Wohnanschrift sei die in Damaskus benannte Anschrift gewesen, wie dies im Protokoll der Anhörung niedergelegt ist. Soweit der Kläger demgegenüber in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt hat, bei der Anhörung vor dem Bundesamt sei nur nach der letzten Wohnanschrift, nicht aber nach der letzten offiziellen Anschrift gefragt worden, erscheint dies nicht glaubhaft. Hiergegen sprechen die zuvor genannten Umstände.
- 106
3. Aber auch wenn der Senat unterstellt, dass das Assad-Regime den Kläger aufgrund des längeren Auslandsaufenthalts im wehrdienstfähigen Alter bei einer hypothetischen Rückkehr wie einen Wehr- bzw. Militärdienstentzieher behandeln würde, der der Einberufung nicht gefolgt ist, ohne Genehmigung des Militärs das Land verlassen hat und keine Adresse hinterlassen hat, unter der er für die Militärbehörden erreichbar ist, lässt sich nach Ansicht des Senats den vorliegenden Erkenntnisquellen nicht hinreichend verlässlich entnehmen, dass dem Kläger beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgungshandlung aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründen, insbesondere wegen einer unterstellten Regimegegnerschaft, droht. Insoweit kann nicht beachtlich wahrscheinlich festgestellt werden, dass dem Kläger eine Bestrafung bzw. Inhaftierung (nachfolgend a)) droht und ihm insoweit eine regimefeindliche Haltung unterstellt werden würde (nachfolgend b)). Ebenso liegen keine hinreichenden Erkenntnisse dazu vor, dass dem Kläger sonstige Verfolgungshandlungen wie eine härtere Behandlung während des Militärdienstes oder ein unmittelbarer Fronteinsatz aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründen droht (nachfolgend c)). Die dem Kläger drohende Rekrutierung erfolgt ebenfalls nicht in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe.
- 107
a) Den Erkenntnisquellen lassen sich zur Überzeugung des Senats keine Anhaltspunkte in hinreichender Dichte dafür entnehmen, dass der Kläger bei der gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien bestraft bzw. inhaftiert werden würde, selbst wenn das Assad-Regime dem Kläger die Erfüllung der Straftatbestände der Wehrdienst- bzw. Militärdienstentziehung unterstellen würde. Insoweit liegen uneinheitliche Erkenntnisse darüber vor, ob einem Wehrdienst- bzw. Militärdienstentzieher allein eine Einziehung zum Wehrdienst und ein Militäreinsatz oder allein oder zusätzlich eine Inhaftierung bzw. ein Strafverfahren droht; es scheint eher wahrscheinlich zu sein, dass diesen Personen allein eine Einziehung zum Wehr- bzw. Militärdienst droht. Gleichzeitig lassen sich den Erkenntnisquellen nicht in hinreichender Dichte Verfolgungsfälle - d.h. konkrete Berichte über Fälle und Anzahl von Inhaftierung und ggf. Misshandlungen aufgrund von Wehr- bzw. Militärdienstentziehung - entnehmen, die im Verhältnis zu den erheblichen Rekrutierungsanstrengungen des Assad-Regimes z.B. an im Land errichteten Kontrollpunkten als ins Gewicht fallend angesehen werden können.
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aa) Die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen beurteilen die Folgen einer Entziehung vor dem Wehrdienst bzw. Militärdienst uneinheitlich. Ihnen lassen sich zudem keine hinreichenden Fakten dafür entnehmen, dass (ggf. zurückkehrenden) Wehr- bzw. Militärdienstdienstverweigerern beachtlich wahrscheinlich eine Bestrafung und/oder Inhaftierung droht, sofern keine weiteren individuellen Anhaltspunkte auf eine Regimegegnerschaft hindeuten.
- 109
Berichte zu aus dem Ausland zurückkehrenden Personen, die sich durch Ausreise dem Wehrdienst bzw. dem Militärdienst entzogen haben, liegen nicht vor. Auch aufgrund der Erkenntnisse zu den in Syrien aufgegriffenen Wehr- bzw. Militärdienstentziehern hat der Senat keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass diesen beachtlich wahrscheinlich Inhaftierung und Misshandlung droht.
- 110
(1) Der UNHCR führt in seiner Stellungnahme von November 2017 (G 35/17, S. 40, Fn. 227 unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des UNHCR von Februar 2017) sowie vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 2) aus, dass Berichten zufolge in der Praxis Wehr- bzw. Militärdienstentziehern eher als strafrechtliche Sanktionen (Inhaftierung) nach dem Militärstrafgesetz innerhalb von Tagen bzw. Wochen nach ihrer Festnahme ein Einsatz an vorderster Front droht, oft nur mit einer minimalen Ausbildung. In der deutschen Übersetzung von April 2017 (G 7/17, S. 23 und Fn. 113) der in Bezug genommenen Stellungnahme vom Februar 2017 heißt es, dass berichtet werde, dass Wehrdienstentzieher in der Praxis festgenommen und unterschiedlich lange inhaftiert würden und danach in ihrer militärischen Einheit Dienst leisten müssten. Aus Berichten gehe hervor, dass sie während der Haft dem Risiko von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt seien. Als Referenz wird eine Anwältin von Human Rights Watch (HRW) mit der Äußerung zitiert, HRW wisse, dass Menschen in Syrien aufgrund ihrer Weigerung, in der Armee zu dienen, inhaftiert seien. Zudem wird ein Bericht von Al Jazeera vom Juni 2016 angeführt, wonach mögliche Folgen für Wehrdienstentzieher umgehende Einziehung nach der Festnahme, Einsatz an vorderster Front, Untersuchung und Folter und/oder Inhaftierung seien. Welche Konsequenz(en) die Wehrdienstentziehung habe, könne vom Profil der betreffenden Person, ihren Verbindungen und dem Gebiet abhängen. Wenn die Behörden die betreffende Person verdächtigten, Verbindungen zu Oppositionsgruppen zu haben, dann würden Ermittlungen und Misshandlungen, einschließlich Folter folgen.
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Der Bericht von Al Jazeera deutet eher darauf hin, dass eine Inhaftierung mit Misshandlung und Folter droht, wenn aufgrund weiterer Umstände von einer oppositionellen Haltung ausgegangen wird. Ob dies auch den von der Anwältin von HRW zitierten Fällen zugrunde liegt, lässt sich dem Zitat nicht entnehmen; dies kann der Senat nicht ausschließen. Dem Bericht ist nicht zu entnehmen, auf welche Faktenlage er gestützt ist. Eine zahlenmäßige Größenordnung, die für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit von Inhaftierung und Folter insbesondere angesichts der Tatsache, dass Wehrdienstentziehung in Syrien weit verbreitet ist, sowie angesichts der nachstehend unter bb) aufgeführten Erwägungen notwendig wäre, kann dem Bericht nicht entnommen werden.
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Soweit ein Einsatz an vorderster Front innerhalb von wenigen Tagen und Wochen nach der Festnahme berichtet wird, führt der UNHCR in seiner Stellungnahme von April 2017 an anderer Stelle (vgl. G 7/17, S. 25 und Fn. 122) aus, dass es gängige Praxis sei, Wehrpflichtige und Reservisten nach begrenzter oder ganz ohne militärische Ausbildung an den Frontlinien einzusetzen. Als Referenz wird in der Fußnote 122 der Syrienexperte des Institute for the Study of War (ISW), Herr Kozak, zitiert, wonach Reservisten fast grundsätzlich an die vorderste Front und neu eingezogene Wehrdienstleistende fast ohne Ausbildung in den Kampf geschickt würden. Angesichts dessen kann nicht beachtlich wahrscheinlich festgestellt werden, dass Militärdienstentzieher nach ihrer Festnahme härter behandelt werden als Personen, die der Einberufung zum Wehrdienst bzw. der Einberufung als Reservist gefolgt sind (vgl. zum sog. Politmalus: BVerfG, Beschl. v. 29.4.2009, 2 BvR 78/08, juris Rn. 18 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017, 1 B 22.17, juris Rn. 14).
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Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Inhaftierung ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme von Herrn Kozak, die in der Stellungnahme des UNHCR von November 2017 sowie vom 30. Mai 2017 wiedergegeben wird (UNHCR, 11/2017, G 35/17, S. 40, Fn. 226 - E-Mail v. C. Kozak v. 6.10.2017; UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 3 Fn. 14 - E-Mail v. C. Kozak v. 18.5.2017 -, vgl. auch S. 6, E-Mail v. 24.5.2017). Herr Kozak wird dahingehend zitiert, er habe Berichte gehört, dass das Verhalten eingezogener Wehrdienstentzieher durch Militäroffiziere und andere Offizielle als verräterisch und regierungsfeindlich angesehen würde. In der Stellungnahme des UNHCR vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 6) wird er dahingehend zitiert, dass die Regierung in der Praxis aufgrund des anhaltenden Bedarfes an Streitkräften ein begrenztes Interesse daran zeige, Wehrdienstentzieher den geltenden rechtlichen Sanktionen zu unterziehen. Anstatt langjähriger Gefängnisstrafen scheine die rasche Einberufung in den Wehrdienst die bevorzugte Reaktion auf Wehrdienstentziehung zu sein und zwar selbst bei Personen, die in Regionen wohnten, die zuvor unter der Kontrolle von Oppositionsgruppen gestanden hätten. Die meisten Wehrdienstentzieher befänden sich daher vermutlich nicht für lange Zeit im Strafverfolgungssystem. Die brutalen Bedingungen der Einziehung zum Militärdienst mit haftähnlicher Internierung auf Militärstützpunkten und minimalem Training vor dem Fronteinsatz blieben jedoch bestehen. Den Äußerungen ist nicht zu entnehmen, auf welcher Faktenlage sie beruhen, ob es sich um eine wertende Einschätzung handelt oder diesen Äußerungen Erkenntnisse über entsprechende Inhaftierungen und ggf. in welcher Größenordnung bzw. unter welchen Umständen zugrunde liegen. Die Angabe einer die Einschätzung stützenden Faktenlage ist zur Überzeugung des Gerichts auch angesichts der nachfolgend unter bb) ausgeführten Erwägungen - insbesondere des hohen Personalbedarfs des Assad-Regimes - notwendig, die dafür sprechen, dass Wehrdienstentzieher nach einer Festnahme ohne vorangegangenes Strafverfahren oder Strafhaft umgehend zum Militärdienst eingezogen werden, d.h. auf Militärbasen verbracht, dort ausgebildet und dann an der Front eingesetzt werden.
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Die weiteren vom UNHCR in der Stellungnahme vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 6 f.) genannten Referenzquellen (J. Landis, R. Davis und L. Fakih) gehen nach ihrem Verständnis des Assad-Regimes bzw. auf der Grundlage von nicht näher genannten Interviews davon aus, dass Wehrdienstverweigerung als regierungsfeindlich angesehen werde. Den Äußerungen lässt sich - soweit es sich nicht nur um Wertungen handelt - keine Faktengrundlage entnehmen.
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Die vom UNHCR genannten zusätzlichen Risikofaktoren knüpfen an eine vermutete Regimegegnerschaft an. Anhaltspunkte ergeben sich insoweit in Bezug auf den Kläger nicht. Aus der Region Qunaitra ist er mit seinen Eltern nach Damaskus und somit in ein von dem Assad-Regime kontrolliertes Gebiet geflohen. Seine Eltern leben dort nach den Angaben des Klägers unbehelligt. Soweit die Stellungnahme des UNHCR dahin zu verstehen sein sollte, dass sich allein die Stellung eines Asylantrages bzw. die Registrierung als Flüchtling risikoerhöhend auswirkt, vermag der Senat dies - wie unter III. ausgeführt sowie angesichts der Zahl von ca. 6,5 Mio. Flüchtlingen - nicht zu teilen. Wie ausgeführt fehlen belastbare Erkenntnisse über den Umgang des Assad-Regimes mit zurückkehrenden syrischen Staatsangehörigen im wehrdienstfähigen Alter.
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(2) Das DRC (08/2017, G 23/17, S. 13 unter Hinweis auf C. Kozak) geht davon aus, dass die individuelle Verfolgung von einzelnen Personen, die sich dem Wehrdienst bzw. dem Militärdienst entzogen hätten, auch angesichts der Vielzahl derjenigen, die der Einberufung nicht gefolgt seien, nicht im Vordergrund stehe. Weiter wird dort (S. 13 f., Fn. 62) unter Berufung auf C. Kozak und andere Quellen ausgeführt, dass Wehrdienstentzieher, wenn sie festgenommen werden, riskieren zum Militärdienst eingezogen zu werden, während Deserteuren eher schwerere Konsequenzen drohen, wie Inhaftierung (imprisonment) oder die Todesstrafe.
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(3) Das Auswärtige Amt (2.1.2017, 2017/2, S. 2 f.) berichtet über Befragungen von Rückkehrern aus dem Ausland durch Sicherheitsdienste sowie, dass die Sicherheitsdienste im rechtsfreien Raum agieren würden; es führt jedoch gleichzeitig aus, dass zu einer systematischen Anwendung von schwerwiegenden Eingriffen bei derartigen Befragungen keine Erkenntnisse vorlägen. Zur speziellen Verfolgungsgefahr für zurückkehrende Wehrdienstentzieher äußert sich das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 13. September 2017 an das VG Köln (2017/9, S. 1). Es führt aus, dass über die Exekution von desertierten Soldaten berichtet werde, sowie über willkürliche Verhaftungen von Männern, die sich nicht ausweisen könnten und aus umkämpften Gebieten geflohen seien. „Dies gilt auch für Männer im wehrpflichtigen Alter, die sich dem Militärdienst entzogen haben“. Selbst wenn sich diese Äußerung nicht nur auf willkürliche Verhaftungen, sondern auch auf die Exekution beziehen sollte, ist diese nicht weiter belegte Äußerung auch angesichts der gegenteiligen Erkenntnisse, dass die Rekrutierung von Wehrpflichtigen im Vordergrund stehe, nicht belastbar.
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In der Auskunft der deutschen Botschaft Beirut (3.2.2016, 2016/1, S. 1) wird von Fällen berichtet, bei denen Rückkehrer befragt, zeitweilig inhaftiert und dauerhaft verschwunden seien. Dies stehe aber überwiegend in Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten. Der erkennende Senat geht - wie nachfolgend unter b. ausgeführt - nicht davon aus, dass Wehrdienstentziehern allein aufgrund der Wehrdienstentziehung eine Regimegegnerschaft zugeschrieben wird.
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(4) Das Deutsche Orient-Institut führt in seiner Auskunft vom 8. November 2016 (G 3/16, S. 1, 2) zwar aus, dass wenn die Ausreise u.a. dem Zweck gedient habe, sich dem Wehrdienst zu entziehen, dies eine harte Bestrafung nach sich ziehe. Dem stehen aber die anders lautenden neueren Stellungnahmen des UNHCR entgegen, wonach derzeit die Einziehung zum Militärdienst im Vordergrund stehe. Zudem führt das DOI aus, dass die ihm zur Verfügung stehende Datenlage aufgrund der aktuellen Lage in Syrien hinsichtlich behördlicher Aktivitäten und Vorgehensweisen des syrischen Staates nicht immer belastbar sei.
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(5) Das Immigration and Refugee Board of Canada (IRB Canada) berichtet in seiner Stellungnahme vom 19. Januar 2016 (G 5/16, S. 8 f. dt. Übersetzung) von einer Gefährdung nicht gedienter Männer bei Einreise über die Flughäfen. Es bleibt aber unklar, auf welcher Faktenlage die benannten Referenzquellen (CIVIC, Executive Direktor, Emeritus Professor) zu der Einschätzung gekommen sind und ob es bei den inhaftierten Personen weitere Anhaltspunkte für eine mögliche oppositionelle Einstellung oder die Zuschreiben einer regimefeindlichen Einstellung gab. An anderer Stelle wird im Bericht ausgeführt (G 5/16, S. 5 dt. Übersetzung), dass es nur „limitierte“ Informationen bezüglich der Behandlung von syrischen Rückkehrern seit 2011 gebe bzw. es „sehr schwer“ sei, Informationen über die Behandlung von Rückkehrern durch Grenzbeamte zu erhalten, da die Presse darüber nicht berichten könne. Jedoch habe man bruchstückhafte Darlegungen von Syrern in Damaskus gehört, von Leuten, die nach Syrien zurückgekehrt und dann verschwunden seien; in manchen Fällen hätten sie auch Verwandten von ihren Plänen zurückzukehren berichtet, sie seien dann aber niemals angekommen und hätten auch nicht mehr erreicht werden können. Eine Frau habe berichtet, dass im Juni 2012 zwei Verwandte verhaftet und verschwunden seien, als sie nach Syrien zurückgekehrt seien. Derartige vereinzelte Referenzfälle können angesichts der Vielzahl von Wehrdienstentziehern nach Ansicht des Senats nicht als ausreichende Faktenlage für die Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung dienen.
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(6) Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (21.3.2017, G 5/17, S. 8) zitiert im Wesentlichen den Bericht des IRB Canada vom 19. Januar 2016 (G 5/16, S. 8 f. dt. Übersetzung), wonach Männer im wehrdienstfähigen Alter besonderes gefährdet seien, Opfer von Misshandlungen zu werden. Auf die vorstehenden Ausführungen unter (5) zu dieser Stellungnahme wird Bezug genommen.
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(7) Das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 27) führt unter Berufung auf den Danish Immigration Service aus, dass ein Wehrdienstverweigerer, der aufgegriffen würde, zum Dienst in der Armee geschickt werden könnte. Die Konsequenzen hingen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gebe, wären die Konsequenzen ernster. Im Bericht des BFA von August 2017 (G 11/17, S. 20 und Fn. 51) geht dieses unter Berufung auf Interviews mit einer europäischen diplomatischen Quelle in Beirut am 18.5.2017 sowie vom selben Tag mit Lama Fakih davon aus, dass bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung die Meinungen der Quellen auseinandergingen. Während die einen darin eine „Foltergarantie“ und ein „Todesurteil“ sähen, würden andere sagen, dass Verweigerer sofort eingezogen würden.
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bb) Zudem begründen die nachfolgenden Erwägungen Zweifel daran, dass zurückkehrenden Wehrdienstverweigerern beachtlich wahrscheinlich eine Bestrafung und/oder Inhaftierung droht, wenn keine individuellen Anhaltspunkte auf eine Regimegegnerschaft hindeuten.
- 124
(1) Die syrische Armee ist personell erheblich geschwächt, so dass ein hoher Personalbedarf an einsatzbereiten Soldaten besteht.
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Die syrische Armee ist durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen deutlich geschwächt und hat einen Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Es wird berichtet (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 23; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8,), dass viele Männer ihrer Einberufung nicht Folge leisten. Berichten zufolge sollen die kampffähigen Truppen der syrischen Armee von ehemals 300.000 Soldaten auf ca. 125.000 bis 175.000, nach einer Angabe sogar auf aktuell 25.000 - 30.000 Soldaten reduziert sein, da sich das Assad-Regime finanziell mehr nicht leisten könne (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2; Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7; vgl. zum Zerfall der Armee auch: Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 15 07 2017, S. 3; Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 19 04 2017, S. 2, 9, 13). Bereits im Jahr 2014 soll das Assad-Regime nur noch über 100.000 Soldaten verfügt haben (UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 2, Fn. 7 unter Verweis auf C. Kozak), von denen nur 30.000 - 40.000 tatsächlich in der Lage gewesen seien, militärische Operationen durchzuführen (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2); im November 2016 soll die syrische Armee nur noch über 50.000 Soldaten verfügt haben (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2). Daneben besteht - wie bereits ausgeführt - eine Vielzahl von regierungstreuen Milizen.
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Russland versucht seit Beginn seiner Intervention in Syrien im September 2015, die syrischen Sicherheitsapparate und die syrische Armee zu stärken. So sollten auf Initiative Russlands mit neuen Kommandostrukturen die paramilitärischen Gruppen unter die Kontrolle der syrischen Armee gebracht werden; dazu sollen im Oktober 2015 bzw. November 2016 das IV. Angriffskorps (Fourth Storming Corps - Latakia) bzw. das V. Angriffskorps (Fifth Storming Corps - Damaskus) gegründet worden sein. Im IV. Angriffskorps sollten lokale Milizen und reguläre syrische Einheiten vereint werden; dieser Ansatz konnte nicht umgesetzt werden. Im V. Angriffskorps sollen Personen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben, Deserteure und Beamte aufgeboten werden, um unter der gemeinsamen Führung der syrischen Armee, der Hisbollah und Russlands zu kämpfen (DRC v. 08/2017, G 23/17, S. 8; SFH v. 23.3.2017, G 19/17, S. 4; Truppendienst, Streitkräfte des Assad-Regimes, v. 15.2.2017).
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Der Zerfall der syrischen Armee scheint sehr weitgehend zu sein; so soll diese im Wesentlichen nur noch aus der Division der Republikanischen Garde und der 4. Panzerdivision bestehen, die beide fast ausschließlich aus Alawiten bestehen, die unterstützt werden durch dem Assad-Regime treue unter verschiedenen Kommandos stehende syrische Milizen. Zugleich berichten verschiedene Quellen, dass inzwischen die syrische Armee in große Militäroperationen nur zu einem Bruchteil involviert sei. In solchen verlasse sich das Assad-Regime auf eine Mischung aus Elite-Einheiten, loyalen Milizen und ausländischer Unterstützung, insbesondere die iranischen „Islamischen Revolutionsgarden“ (IRGC), afghanische und irakische schiitische Milizen und die libanesischen Hisbollah-Milizen. Diejenigen Einheiten, in denen Wehrpflichtige überwiegend eingesetzt würden, seien daran nicht beteiligt (DRC v. 08/2017, G 23/17, S. 9; Truppendienst, Streitkräfte des Assad-Regimes, v. 15.2.2017; vgl. zur Unterstützung durch iranische und russische Kampfverbände sowie von durch den Iran gestützte schiitische Milizen aus dem Irak und Libanon: Gerlach, Herrschaft über Syrien, 2015, S. 215 ff. [zu schiitischen Milizen aus dem Irak], S. 237 ff. [zu libanesischen Hisbollah-Milizen], S. 257 ff. [zu iranischen Truppen und Milizen], S. 282 ff. [zum Einfluss Russlands]; IFK, Fact Sheet Syrien Nr. 63, Internationales Konflikt- und Krisenmanagement sowie Militärische Entwicklungen; IFK, Fact Sheet Syrien Nr. 61, Internationales Konflikt- und Krisenmanagement; IFK, Fact Sheet Syrien & Irak, Jahresrückblick 2016, v. 31.1.2017, Internationales Konflikt- & Krisenmanagement, Syrien; Streitkräfte des Assad-Regimes, v. 15.2.2017; Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 5 ff., Update 15 07 2017, S. 3 f., Update 19 04 2017, S. 2 f., 9, 13, Update 15 02 2017, S. 7 f., Update 15 12 2016, S. 2).
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(2) Gleichzeitig hat das Assad-Regime verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die in der Armee entstandenen Lücken wieder zu schließen. Zum einen werden Verhaftungen von Deserteuren und von Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, sowie Zwangsrekrutierungen berichtet (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2). Darüber hinaus wird berichtet, dass das Assad-Regime bei Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, verlange, dass die jungen Männer der Region in die syrische Armee eintreten. So sollen nach der Eroberung von Ost-Aleppo 5000 Männer in den Wehrdienst eingezogen worden sein. Selbst Häftlinge sollen unter Druck gesetzt werden, in die syrische Armee einzutreten (vgl. SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 7). Andererseits versucht das Assad-Regime, mit Amnestien und der Erhöhung des Soldes Anreize für den Eintritt in den Militärdienst zu schaffen (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 3, 12; BFA, 08/2017, G 11/17, S. 23). Dem Bestreben des Assad-Regimes nach einer Erhöhung der Zahl seiner Militärangehörigen durch Rekrutierung würde es auch angesichts der Berichte darüber, dass den Einberufungen im großem Umfang (nach Angaben der SFH sollen zwischen 70.000 - 110.000 Soldaten desertiert sein oder sich dem Wehrdienst entzogen haben) nicht Folge geleistet wird (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2), zuwider laufen, wenn die so rekrutierten Soldaten zunächst inhaftiert, misshandelt und im schlimmsten Fall getötet würden.
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Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass ein hoher Vertreter des Militärs eine harte Bestrafung der Zurückkehrenden angekündigt hat (Spiegel v. 11.9.2017, Assads Top-General droht Flüchtlingen). Es handelt sich um eine einzelne Äußerung, bei der schon fraglich ist, ob die Person für das Assad-Regime sprechen kann.
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Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach Ansicht des Senats bei der erforderlichen Prognose zudem zu berücksichtigen ist, dass nach Angaben des UNHCR (v. 13.12.2017, G 36/17) insgesamt mehr als 5,4 Millionen Syrer als Flüchtlinge in den Ländern Türkei (3,38 Mio.), Libanon (ca. 1 Mio.), Jordanien (ca. 655 T.), Irak (ca. 247 T.), Ägypten (ca. 126 T.) und in Nordafrika (ca. 30 T.) registriert waren. Hinzu kommen ca. 1 Mio syrische Flüchtlinge, die ins westliche Europa geflüchtet sind. Allein unter den vom UNHCR erfassten 5,4 Mio. Flüchtlingen befinden sich ca. 25 % männliche Flüchtlinge im Alter zwischen 18 und 59 Jahren. Bei der nach Ansicht des Gerichts prognostisch zu unterstellenden Rückkehr einer Vielzahl dieser Flüchtlinge nach Syrien ist nach Auffassung des Gerichts nicht zu prognostizieren, wie das Assad-Regime sich diesen gegenüber verhalten wird. Insbesondere eine Bestrafung auch nur eines beachtlichen Teils dieser mehr als 1,5 Mio. männlichen Rückkehrer ist für das Gericht nicht hinreichend wahrscheinlich. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch der Umstand, dass seit 2015 260.000 Syrer, davon 31.000 im 1. Halbjahr 2017, zumindest zeitweise nach Syrien zurückgekehrt sind – darunter dürften auch Männer im wehrdienstfähigen Alter sein - Zweifel daran begründet, dass beachtlich wahrscheinlich eine Inhaftierung einer beachtlichen Zahl von Rückkehrern im wehrdienstfähigen Alter erfolgen wird.
- 131
b) Den Erkenntnisquellen lassen sich zur Überzeugung des Senats auch keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Wehrdienstverweigern beachtlich wahrscheinlich durch das Assad-Regime eine regimefeindliche Haltung unterstellt wird und ihnen daher in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgung droht.
- 132
aa) Den Erkenntnisquellen lassen sich keine hinreichenden Fakten für die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Zuschreibung einer Regimegegnerschaft entnehmen.
- 133
(1) Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet, dass die Bestrafung von Wehrdienstverweigerern häufig von der Position und dem Rang des Betreffenden, aber auch von dem Bedarf an der Front abhängt (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 10). Ebenfalls wird berichtet, dass einige der Festgenommenen zwar zu Haftstrafen verurteilt und dann eingezogen würden, andere aber lediglich verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt würden (SFH, 28.3.2015, G 9/15; DRC 9/2015, G 11/15, S. 18). An anderer Stelle weist die Schweizerische Flüchtlingshilfe (v. 21.3.2017, G 5/17, S. 10) darauf hin, dass prinzipiell davon ausgegangen werden müsse, dass jede Person, die nach Syrien zurückkehre, verhaftet und misshandelt werden könne. Die Willkür zeige sich auch darin, dass sich einzelne mit Bestechung freikaufen könnten. Amnesty International beschreibe den weit verbreiteten Opportunismus der syrischen Sicherheitsbeamten, die entweder aus Profitgier oder aus persönlicher Rache Menschen verhaften und verschwinden ließen. Auch seien viele Menschen in Haft, weil sie aus persönlichen Gründen von Informanten diffamiert worden seien. Diese Willkür spiegelt sich auch in der Struktur der Sicherheitsdienste wieder (s.o. S. 10).
- 134
(2) Hingegen geht der UNHCR davon aus, dass nach Stellungnahmen unabhängiger Beobachter Wehrdienstentziehung „wahrscheinlich“ als politischer Akt gegen die Regierung aufgefasst werde, was die Behandlung, der Wehrdienstentzieher ausgesetzt seien, ganz oder teilweise motivieren könne (11/2017, G 35/17, S. 39 mit Fn. 224; 30.5.2017, G 9/17, S. 3 mit Fn. 13 und 14, S. 6 f.). Allerdings führt der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 3) weiter aus, dass „oft nicht zu unterscheiden und festzustellen“ sei, ob die gegen die Betroffenen angewandten Sanktionen als Antwort auf die Straftat der Wehrdienstentziehung oder auf die unterstellten oppositionellen Überzeugungen erfolgten. Die vom UNHCR angeführten Referenzquellen lassen nicht erkennen, auf welcher Faktenlage diese zu der Einschätzung der Unterstellung einer regimefeindlichen Haltung gelangt sind; der Senat sieht sich angesichts der dargelegten Stellungnahmen, die von willkürlichen Behandlungen ausgehen, der dargelegten Interessenlage, der Vielzahl von Wehr- und Militärdienstentziehern nicht in der Lage, diese Einschätzung zu teilen und Inhaftierung und Misshandlung wegen einer (unterstellten) regimefeindlichen Haltung als beachtlich wahrscheinlich anzusehen:
- 135
Der vom UNHCR als Referenzquelle genannte Herr Kozak hat erklärt (UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 3, Fn. 14, E-Mail von C. Kozak v. 18.5.2017), er habe gehört, dass das Verhalten von bereits einberufenen Wehrdienstverweigerern von Militäroffizieren und anderen Beamten als verräterisch und regierungsfeindlich angesehen werde könne. In der Stellungnahme des UNHCR vom November 2017 (G 35/17, S. 39, Fn. 224) wird Herr Kozak dahingehend zitiert (E-Mail v. 6.10.2017), dass nach seiner Einschätzung die Regierung Sanktionen gegen Wehrdienstentzieher verhänge als strafrechtliche Ahndung, aber auch weil sie die Wehrdienstentziehung als politische oder regierungsfeindliche Tätigkeit ansehe.
- 136
Die in der Stellungnahme des UNHCR vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 6) aufgeführten weiteren Referenzquellen (J. Landes, R. Davis und L. Fakih) geben z.T. ihre subjektive Einschätzung wieder. Für den Senat ist nicht erkennbar, auf Grundlage welcher Fakten (genannt werden von R. Davis „Interviews“) diese Einschätzung erlangt worden ist.
- 137
(3) Die Unabhängige Untersuchungskommission für Syrien führt im Bericht vom 11. August 2016 (A/HRC/33/55, G 14/16, S. 13 Rn. 75) aus, dass Zivilisten, hauptsächlich Männer im kampffähigen Alter, weiterhin von den Straßen Syriens verschwinden würden. Zehntausende von Syrern würden vermisst, viele unter Umständen, die vermuten ließen, dass sie gewaltsam verschwunden seien. Nicht näher referiert ist, ob es sich um (Zwangs-)Rekrutierungen oder Inhaftierungen handelt und aus welchen Gründen diese erfolgen.
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bb) Auch allgemeine Erwägungen lassen zweifeln, ob Wehr- bzw. Militärdienstentziehern beachtlich wahrscheinlich eine regimefeindliche Haltung unterstellt werden wird. Hierfür spricht insbesondere der Umstand, dass berichtet wird, im Rahmen von Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, werde verlangt, dass die jungen Männer in die syrische Armee eintreten, und sogar Häftlinge unter Druck gesetzt werden, in die Armee einzutreten (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 7; HRC COI, 2.2.2017, G 14/17, S. 18 zu Ost-Aleppo). Das Verhalten des Assad-Regimes scheint insoweit primär durch Überlegungen zur Erhaltung seiner Macht gekennzeichnet zu sein. In diesem Kontext fehlen hinreichend verdichtete Erkenntnisse darüber, wie das Assad-Regime mit einer Vielzahl zurückkehrender Männer, die sich der Einberufung zum Wehrdienst oder dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland entzogen haben, umgehen würde.
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Ergänzend nimmt der Senat auf die im Urteil des Verwaltungsgerichts (S. 17 ff. UA) angeführten Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 16. Dezember 2016 (1 A 10922/16, juris Rn. 150 ff.) Bezug.
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c) Nach Ansicht des Senats lässt sich den Erkenntnisquellen nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass dem Kläger beachtlich wahrscheinlich andere Verfolgungshandlungen wie ein unmittelbarer Fronteinsatz aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründen, insbesondere wegen einer unterstellten Regimegegnerschaft, droht.
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Insoweit wird - wie ausgeführt - berichtet, dass die Ausbildungszeit der Wehrpflichtigen oft kurz (45 Tage) sei (BFA, 08/2017, G 11/17, S. 18) und die Betreffenden häufig unverzüglich an die Front geschickt würden (UNHCR, April 2017, G 7/17, S. 25 f.). Es ist für den Senat angesichts der Schilderungen, dass dies alle Wehrpflichtigen und Reservisten treffe (vgl. UNHCR, April 2017, G 7/17, S. 25 und Fn. 122), nicht hinreichend belastbar erkennbar, dass dies nur Wehrdienstverweigerer oder Reservisten trifft, die sich der Einberufung entzogen haben. Für den Senat ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dies in Anknüpfung an eine aufgrund der Wehrdienstentziehung dem Kläger zugeschriebene regimefeindliche Haltung erfolgt.
- 142
d) Insgesamt erscheint es dem Gericht zwar beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger nach seiner Rückkehr nach Syrien - wie er es befürchtet - rekrutiert würde. Die Heranziehung zur Wehrpflicht bzw. Rekrutierung volljähriger Männer stellt aber keine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar, weil diese nicht wegen eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale erfolgt, sondern alle Männer trifft, die Wehrdienst abzuleisten haben oder als Reservist wieder eingezogen werden könnten (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.8.1986, 9 C 322/85, DVBl. 1987, 47, juris Rn. 11; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris Rn. 63). Es kann daher offen bleiben, ob vorliegend die Rekrutierung eine Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG darstellt. Jedenfalls fehlt es in Bezug auf die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft daran, dass die Rekrutierung zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt wird, die durch die Maßnahmen gerade wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe getroffen werden sollen. Insbesondere ist die Gruppe der Männer, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, keine soziale Gruppe i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Insoweit fehlt es jedenfalls daran, dass die Gruppe dieser Männer in Syrien eine abgegrenzte Identität hat; es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die syrische Gesellschaft die Männer, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, als soziale Gruppe wahrnimmt. Auch liegt insoweit keine Anknüpfung an das (männliche) Geschlecht vor. Da in Syrien nur Männer wehrdienstpflichtig sind, ist es selbstverständlich, dass sich Sanktionen wegen Verletzung dieser Pflicht nur gegen Männer richten.
- 143
4. Andere Obergerichte (vgl. VGH München, Urt. v. 14.2.2017, 21 B 16.31001, juris; VGH Mannheim, Urt. v. 28.6.2017, A 11 S 664/17, Asylmagazin 2017, 349, juris; VGH Kassel, Urt. v. 6.6.2017, 3 A 3040/16.A, juris - für rückkehrende Wehrdienstentzieher, die aus einem regierungsfeindlichen Gebiet stammen) sind zu der Überzeugung gelangt, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nach Syrien zurückkehrenden Männern eine Inhaftierung und menschenrechtswidrige Misshandlung droht, weil das Assad-Regime ihnen eine regimefeindliche Haltung zuschreiben werde. Da keine Erkenntnisse über nach Syrien zurückkehrende Männer vorlägen, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst durch Flucht ins Ausland entzogen haben, wird dies zum Teil aus der Brutalität des Vorgehens des Assad-Regimes gegenüber Regimegegnern, insbesondere aus dem Vorgehen der Geheimdienste, geschlossen sowie aus dem Charakter des um seine Existenz kämpfenden Staates zur Wiederherstellung seines Herrschaftsmonopols abgeleitet (vgl. VGH München, a.a.O., Rn. 83). Zugleich wird angenommen, dass eine harte und menschenrechtswidrige Bestrafung von Männern, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, belegt sei, und von der erforderlichen Gerichtetheit auf Merkmale i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG im Hinblick auf den gegen die Zivilbevölkerung geführten Vernichtungskrieg, das dominierende Freund/Feind-Schema und wegen der Intensität der Verfolgungsmaßnahmen auszugehen sei (VGH Mannheim, Urt. v. 28.6.2017, A 11 S 664/17, Rn. 59 ff.). Zum Teil werden die vom UNHCR genannten Referenzquellen als hinreichende tatsächliche Faktenlage angesehen.
- 144
Dem folgt der Senat nicht. Wie ausgeführt ist nach Auffassung des Senats den Erkenntnisquellen eher zu entnehmen, dass Rückkehrer im wehrdienstfähigen Alter allein rekrutiert und dem Militärdienst zugeführt werden; zudem fehlt es an einer hinreichend verlässlichen Faktenlage, auch im Hinblick auf die Frage, aus welchen Gründen eine Inhaftierung erfolgt. Der erkennende Senat gründet seine Ansicht, dass insoweit schon nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgungshandlung ausgegangen werden kann, darauf, dass in den Erkenntnisquellen gewichtige Hinweise vorhanden sind, dass Personen, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, im ausgeführten Gesamtkontext und angesichts des Bedarfs an Soldaten in das Militär eingezogen werden. Die fehlende beachtliche Wahrscheinlichkeit eines an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal anknüpfenden Verfolgungsgrundes beruht auf einer anderen Bewertung des Assad-Regimes und auf insoweit nicht in hinreichender Dichte vorhandenen Referenzfällen. Als handlungsleitendes Muster des Assad-Regimes vermag der Senat ein Freund/Feind-Schema nur bedingt zu erkennen; neben der Willkür einzelner handelnder Akteure dürften die Handlungen des Assad-Regimes vor allem dadurch bestimmt sein, was der Machterhaltung bzw. dem Vorteil des Regimes dient. Der z.T. menschenrechtswidrige und mit großer Härte geführte Krieg gegen die Zivilbevölkerung in Gebieten, die von Oppositionellen gehalten werden, zielt nach Überzeugung des Senats im Wesentlichen auf die Vernichtung des im Schutz der Zivilbevölkerung kämpfenden Gegners. Auch wenn die jeweilige Zivilbevölkerung dafür bestraft werden sollte, dass diese dem kämpfenden Gegner „Schutz bietet“, so würde auch dieser Umstand keinen Schluss darauf zulassen, wie das Assad-Regime mit Personen umgeht, die sich dem Wehr- bzw. Kriegsdienst entzogen haben. In diesem spezifischen Gesamtkontext kann die Intensität möglicher Verfolgungshandlungen nicht die Gerichtetheit der Verfolgung indizieren.
V.
- 145
Dem Kläger ist nicht deshalb der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, weil ihm in Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG eine Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes droht, der Verstöße gegen das Völkerstrafrecht i.S.d. § 3 Abs. 2 AsylG umfassen würde. Insbesondere kann er sich nicht auf § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG berufen.
- 146
1. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG lautet:
- 147
„Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 148
(...)
5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 fallen,...“
- 149
Der in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG in Bezug genommene § 3 Abs. 2 AsylG lautet:
- 150
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling (...), wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 151
1. ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2. vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3. den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
- 152
a) § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG setzt die Vorgaben aus Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) um. Aus den Materialien zur Entstehung der Qualifikationsrichtlinie ist dabei ersichtlich, dass die Richtlinie grundsätzlich das Recht der Staaten auf Durchsetzung einer Wehrpflicht bzw. eines Militärdienstes respektiert. Denn ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, wie ihn die EU-Kommission im Entwurf der Qualifikationsrichtlinie vorgeschlagen hatte, ist in Art. 9 Abs. 2 lit. e) RL 2011/95/EU nicht übernommen worden (vgl. Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 3a Rn. 36 f.). Hiervon macht Art. 9 Abs. 2 Buchst. e) RL 2011/95/EU (bzw. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG) eine Ausnahme und privilegiert die Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG) fallen, also im Rahmen des Militärdienstes Kriegsverbrechen i.S.d. § 3 Abs. 2 AsylG begangen werden würden.
- 153
Auch bei Vorliegen einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist es nach § 3 Abs. 3 AsylG erforderlich, dass die Verfolgungshandlung - vorliegend eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes - wegen einer der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründe besteht (vgl. OVG Münster, Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A, NVwZ 2017, 1218, juris Rn. 100; offen gelassen: OVG Lüneburg, Urt. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris Rn. 70 ff.).
- 154
Da die Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG an die (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes anknüpft, wird insoweit regelmäßig eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen einer politischen Überzeugung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG vorliegen. Denn die Verweigerung des Militärdienstes, um nicht an Kriegsverbrechen i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG mitzuwirken oder diese zu unterstützen, dürfte regelmäßig Ausdruck einer politischen Überzeugung sein (vgl. Treiber in: GK-AufenthG, Stand April 2011, § 60 AufenthG Rn. 169).
- 155
Die gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG privilegierte Verfolgungshandlung knüpft an eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes an, wenn der Militärdienst die Begehung von Kriegsverbrechen i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG umfassen würde. Unter den Anwendungsbereich der Regelung fallen Ausländer, die ihrer gesetzlich angeordneten Wehrpflicht folgen, freiwillig Wehrdienst oder als Berufssoldaten Militärdienst leisten (Marx, Handbuch zum Flüchtlingsrecht, 2. Auflage 2012, § 14 Rn. 176), sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Nicht jeder Dienst von Wehrpflichtigen umfasst dabei auch Militärdienst (vgl. zu den unterschiedlichen Begriffen: UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 10 vom 12.11.2014, S. 3, unter II. Terminologie). Im Hinblick auf Wortlaut und Zielrichtung der Norm liegt ein „Militärdienst“ nicht vor, wenn und solange nur eine militärische Ausbildung erfolgt, in der der Soldat nicht in Teile des Militärs eingebunden ist, die an einer militärischen Auseinandersetzung beteiligt sind.
- 156
Der Europäische Gerichtshof (Urt. v. 26.2.2015, C-472/13, Shepherd, EuGRZ 2015, 160, juris Rn. 34; dem folgend: OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 102 ff.; vgl. auch: OVG Münster, Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A, NVwZ 2017, 1218, juris Rn. 95 ff.) hat zum persönlichen Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2004/83/EG, der identisch ist mit Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU, entschieden, dass in Anbetracht des Ziels der Qualifikationsrichtlinie, die Personen zu bestimmen, die wegen besonderer Umstände tatsächlich internationalen Schutz benötigten und rechtmäßig in der Union darum ersuchten, „die Eigenschaft als Militärangehöriger eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung“ (Unterstreichung nur hier) darstelle, um den Schutz zu genießen, der mit den Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie verbunden sei. Dabei sei die Inanspruchnahme des internationalen Schutzes nicht allein denjenigen vorbehalten, die persönlich als Kriegsverbrechen einzustufende Handlungen begehen müssten, insbesondere den Kampftruppen. Dieser Schutz könne auf andere Personen aber nur dann ausgedehnt werden, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheine, dass der Betroffene durch die Ausübung seiner Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Kriegsverbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würde (Tenor 2. Spiegelstrich) bzw. er sich in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müsse (Rn. 38; vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 102 ff.; s. auch: Treiber, GK-AufenthG, April 2011, § 60 Rn. 169). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Begehung von Kriegsverbrechen erfordert dabei nicht, dass der Internationale Strafgerichtshof bereits Handlungen der Einheit, der der Antragsteller angehört, geahndet hat oder feststeht, dass Kriegsverbrechen begangen wurden (ebenso: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 192 ff.; Treiber, GK-AufenthG, § 60 Rn. 265 S. 215); insoweit ist vielmehr hinreichend, dass der Antragsteller darzulegen vermag, dass solche Verbrechen mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Einheit, der er angehört, begangen wurden oder werden (EuGH, Urt. v. 26.2.2015, C-472/13, Shepherd, EuGRZ 2015, 160, juris Rn. 43).
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Diesem Ansatz folgt der erkennende Senat und wendet diese Grundsätze auf die Auslegung der vorliegend maßgeblichen Regelungen in Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU bzw. §§ 3a Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG an. Demnach ist nicht Voraussetzung, dass dem Kläger eine persönliche Verantwortung für die Teilnahme an Kriegsverbrechen nachgewiesen wird, wie es der Fall sein müsste, wenn dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft im Hinblick auf die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylG versagt werden würde (Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 201 ff.; UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 10, vom 12.11.2014, S. 12 Ziffer 23); vielmehr handelt es sich um eine präventive Norm, die diejenigen Militärangehörigen schützen will, die Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht nicht begehen wollen.
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b) Voraussetzung für die Anwendung von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist jedoch, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Kläger entweder Militärangehöriger ist bzw. vor seiner Flucht war, und sich dem Militärdienst durch Flucht entzogen hat bzw. entzieht. Dies setzt jedenfalls eine Einberufung zum Militärdienst voraus, da nur dann der Kläger im weitesten Sinne als Militärangehöriger angesehen werden könnte und der persönliche Anwendungsbereich der Regelung eröffnet wäre. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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2. Selbst wenn man § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG - entgegen der Ansicht des Senats - darüber hinaus dahingehend auslegen wollte, dass es hinreichend wäre, dass bei Rückkehr nach Syrien beachtlich wahrscheinlich eine Rekrutierung drohen und sodann eine Verweigerung des Militärdienstes erfolgen würde, so würde auch dann dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft im Hinblick auf diese Vorschrift nicht zuzusprechen sein.
- 160
Denn es ist nicht beachtlich wahrscheinlich davon auszugehen, dass der Kläger sich einer Rekrutierung durch Verweigerung des Militärdienstes widersetzen würde. Der Kläger hat ausgeführt, dass er sich wie alle syrischen Männer einer Rekrutierung nicht entziehen könnte, weil dies dazu führen würde, dass die syrischen Organe ihn inhaftieren und in diesem Zusammenhang misshandeln und/oder der Folter unterwerfen oder ihn töten würden. Würde er rekrutiert werden, sähe er sich gezwungen, dem zu folgen. Damit droht ihm auch bei einer gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien keine Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes.
- 161
Soweit der Kläger demgegenüber unter Berufung auf Literatur und Rechtsprechung ausländischer Gerichte vorbringt, dass eine präventive Entziehung vor der Rekrutierung und Teilnahme an Kriegsverbrechen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründe, folgt der Senat dem nicht. Wie ausgeführt erfolgt die Rekrutierung durch das Assad-Regime nicht beachtlich wahrscheinlich wegen eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erfolgten Merkmale; ihm fehlt die im Sinne dieser Regelung notwendige (politische) Gerichtetheit. Dem dennoch bestehenden Schutzbedürfnis des Klägers - auch wegen der geltend gemachten drohenden Rekrutierung und ggf. Teilnahme an Kriegsverbrechen - hat die Beklagte durch die Zuerkennung subsidiären Schutzes umfassend Rechnung getragen.
- 162
3. Es kann daher offen bleiben, ob der Kläger hinreichend plausibel dargelegt hat, dass er, wenn er rekrutiert würde, in einer Einheit Dienst leisten müsste, in der er hinreichend unmittelbar an Kriegsverbrechen beteiligt wäre.
C.
- 163
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt; insbesondere kann eine grundsätzlich klärungsbedürftige Tatsachenfrage die Zulassung der Revision nicht begründen (BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017, 1 B 22.17, NVwZ 2017, 1204, juris).
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger, nach eigenen Angaben ein am ... Januar 1998 in Khan Amaba/Region Qunaitra geborener Staatsangehöriger der Arabischen Republik Syrien, tscherkessischer Volkszugehörigkeit und moslemischen (sunnitischen) Glaubens, begehrt über den gewährten subsidiären Schutz hinaus die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
- 2
Der Kläger reiste nach eigenen Angaben am 14. Januar 2016 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, meldete sich am 29. Januar 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und beantragte am 13. Mai 2016 die Gewährung von Asyl. Er legte einen Reisepass der Arabischen Republik Syrien vor, der am 30. Dezember 2015 im „Qunaitra-Center“ mit einer Gültigkeitsdauer von 2 Jahren ausgestellt worden ist und als Geburtsort „Qunaitra“ angibt. Zugleich legte er einen vom Innenministerium der Arabischen Republik Syrien am 3. Oktober 2012 ausgestellten Personalausweis vor, wonach er in Khan Amaba geboren und in Bariqa wohnhaft ist.
- 3
In seiner Anhörung am 28. Juli 2016 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gab der Kläger an, Syrien am 6. Januar 2016 auf dem Luftweg von Damaskus über Beirut verlassen zu haben und über Istanbul, Griechenland, die Balkanroute und Österreich in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Die Reise habe 1 Mio. syrische Lira gekostet. Das Geld stamme von seinen Eltern. Er habe Syrien legal verlassen. Am Flughafen habe eine Kontrolle stattgefunden. Er habe seinen Reisepass vorgelegt. Es habe keine Probleme gegeben. Er habe zuletzt in Damaskus mit seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt. Seine Schwester sei mit ihm ausgereist und befinde sich im Bundesgebiet. Sein Bruder lebe bei seinen Eltern in Damaskus. Er selbst habe die 11. Schulklasse abgeschlossen, die Schule aber ohne Abitur verlassen, weil er Angst gehabt habe, ggf. Wehrdienst verrichten zu müssen. Im Dezember 2015 sei eine Regelung in Kraft getreten, wonach der Geburtsjahrgang 1998 zum Wehrdienst eingezogen werden könne. Er habe eine Zwangsrekrutierung an einer Kontrollstelle beobachtet, sich selbst aber noch schnell entfernen können. Vertreter des Militärs hätten ihn weder aufgesucht noch schriftlich kontaktiert. Er hätte aber sein Wehrdienstbuch am 2. Januar 2016 abholen sollen. Dies habe er nicht getan. Bei der Ausreise sei er am Flughafen gefragt worden, ob er abhauen wolle. Er habe gesagt, er begleite seine Schwester. Er habe zu keinem Zeitpunkt in Syrien Probleme mit Behörden oder offiziellen Stellen gehabt und habe sich nie politisch engagiert. Er befürchte, bei seiner Rückkehr willkürliches Opfer des Krieges zu werden und zum Wehrdienst eingezogen zu werden. Im Falle einer Rückkehr würde man ihn unverzüglich inhaftieren.
- 4
Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 30. August 2016 wurde dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt und im Übrigen der Asylantrag abgelehnt (Ziffer 2. des Bescheids). Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, der Kläger habe eine Furcht vor einer Einberufung zum Wehrdienst weder konkret noch substantiiert dargelegt. Er habe auch keine geeigneten Beweismittel vorgelegt, die eine begründete Furcht unterstreichen würden. Der Bescheid ist dem Kläger am 8. September 2016 zugestellt worden.
- 5
Am 21. September 2016 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er macht geltend, ihm drohe eine die Flüchtlingseigenschaft begründende Bestrafung, weil er sich dem Wehrdienst entzogen habe. Zudem sei beachtlich wahrscheinlich, dass er im Falle einer Rückkehr nach Syrien allein wegen der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung sowie des längeren Auslandsaufenthalts verfolgt werde; es würde vermutet werden, dass er gegen das Assad-Regime eingestellt sei. Insoweit sei die Flüchtlingseigenschaft auch ohne individuelle Verfolgungsgeschichte zuzuerkennen. Diese Gefährdungslage sei für wehrpflichtige Männer erhöht. Jedenfalls sei beachtlich wahrscheinlich, dass er nach Rückkehr zum Militärdienst eingezogen und damit gezwungen werde, sich in eine Armee einzufügen, aus deren Reihen heraus im aktuell herrschenden Bürgerkrieg Kriegsverbrechen und Folter begangen würden. Zudem weise er nochmals vorsichtshalber darauf hin, dass er Tscherkesse sei.
- 6
Ergänzend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er nicht zum Militär wolle, weil er niemanden umbringen und nicht getötet werden wolle. Sein Wehrbuch habe er nicht abholen können. An Kriegsverbrechen wolle er nicht teilnehmen, würde aber wohl dazu gezwungen werden. Das Militär habe sich nach seiner Ausreise nicht an seine Eltern gewandt. Er sei Tscherkesse und werde als solcher in Syrien nicht gemocht. Er habe in Syrien viele Sachen verloren. Seine Familie sei derzeit in Syrien.
- 7
Der Kläger hat beantragt,
- 8
unter Aufhebung des Bescheids vom 30. August 2016 in Ziffer 2 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen.
- 9
Die Beklagte hat beantragt,
- 10
die Klage abzuweisen.
- 11
Mit Urteil vom 15. März 2017 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Dem Kläger drohe im Falle einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien nicht beachtlich wahrscheinlich Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG. Der Kläger habe vor seiner Ausreise keine Verfolgung in Syrien erlitten. Dem Kläger drohe auch nicht wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung sowie längeren Auslandsaufenthalts beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgung. Es gebe keine zureichenden tatsächlichen Erkenntnisse, dass die syrischen Sicherheitsbehörden letztlich jedem Rückkehrer, der Syrien (illegal) verlassen, einen Asylantrag gestellt und sich längere Zeit im Ausland aufgehalten habe, der Opposition zurechnen würden. Dies erscheine lebensfremd, da angesichts von fast 5 Millionen Flüchtlingen auch aus der Sicht des syrischen Staates erkennbar sein dürfte, dass der Großteil der Ausgereisten das Land nicht als Ausdruck politischer Gegnerschaft zum Staat und seiner Regierung, sondern aus Angst vor dem Bürgerkrieg verlassen habe. Obwohl in den Jahren 2013 bis 2015 ca. 127.800 Syrer nach erfolgter Ausreise in ihr Heimatland zurückgekehrt seien und trotz der engagierten und intensiven Beobachtung durch oppositionelle Gruppen, internationale Helfer und Hilfsorganisationen fehle es an Informationen, die eine Gefahrenlage für rückkehrende Syrer wegen ihres Asylantrages und Aufenthalts im Bundesgebiet und wegen illegalen Verlassens Syriens belegen würden. Vor diesem Hintergrund könnten Berichte über Einzelvorkommnisse nicht von ausschlaggebender Bedeutung für die Begründung einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit sein. Dem Kläger drohe auch nicht in Bezug auf eine mögliche Wehrdienstentziehung, die er begangen haben könnte, weil er Syrien ohne die notwendige Ausreisegenehmigung verlassen habe, beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgung. Es bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ihm eine erhebliche Verfolgungshandlung wegen einer aufgrund der Wehrdienstentziehung vermuteten oppositionellen Einstellung drohen würden. Denn unter den 4,9 Millionen Flüchtlingen, die Syrien bis Ende 2015 verlassen hätten, dürften sich Hunderttausende junge Männer befinden, die noch nicht einberufen worden seien. Jedenfalls hinsichtlich dieser Personen dürfte es dem syrischen Staat vor allem darum gehen, die Betroffenen schnellstmöglich dem Militärdienst zuzuführen. Auch die Zahl der Rückkehrer, unter denen sich auch Militärdienstpflichtige befinden dürften, spreche gegen eine solche Gefahr. Schließlich stelle der mögliche Umstand, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr zum Militär einberufen würde und an Kriegshandlungen teilnehmen müsste, die sich als Kriegsverbrechen darstellen könnten, keine geschlechtsspezifische Verfolgung der Gruppe der Männer im wehrpflichtigen Alter dar. Eine Verfolgungswahrscheinlichkeit ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger eigenen Angaben zufolge vor der Ausreise in Damaskus gelebt habe und dem sunnitischen Glauben angehöre. Das Urteil ist der Klägervertreterin am 24. März 2017 zugestellt worden.
- 12
Auf den klägerischen Antrag vom 24. April 2017 hat der Senat mit Beschluss vom 19. Juli 2017 die Berufung zugelassen. Der Beschluss ist dem Kläger am 24. Juli 2017 zugestellt worden. Auf den klägerischen Antrag vom selben Tag ist die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 11. September 2017 verlängert worden. Mit am 11. September 2017 eingegangenem Schriftsatz trägt der Kläger vor, die Klage sei begründet. Ihm stehe ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu, da ihm bei Rückkehr nach Syrien begründete Furcht vor Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG drohe. Es sei beachtlich wahrscheinlich, dass ihm Strafverfolgung oder Bestrafung drohe wegen der Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, in dem der Militärdienst Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylG umfassen würde. Angesichts der fehlenden Möglichkeit, den Wehrdienst in Syrien zu verweigern und einen zivilen Ersatzdienst zu leisten sowie der damit drohenden möglichen Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung im Falle einer Verweigerung eines militärischen Einsatzes, sei die Flucht die einzig sichere Möglichkeit, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Eine aktive Wehrdienstverweigerung gegenüber der syrischen Armee könne unter diesen Umständen nicht verlangt werden. Dies entspreche den Richtlinien des UNHCR zum internationalen Schutz (Nr. 10), nach welchen auch Personen, die sich vorsorglich, also vor Einberufung, dem Wehrdienst entziehen würden, unter die Schutzvorschrift fallen würden. Nach der Shepherd-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes sei die Inanspruchnahme des internationalen Schutzes nicht nur denjenigen vorbehalten, die persönlich die als Kriegsverbrechen einzustufenden Handlungen begehen müssten, insbesondere den Kampftruppen. Vielmehr sei der Schutz auch auf andere Personen auszudehnen, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheine, dass sie sich bei der Ausübung ihrer Funktionen in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müssten bzw. dass sie durch die Ausübung ihrer Funktion eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Verbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würden. Verübe wie in Syrien die gesamte Armee und nicht nur einzelne Einheiten Kriegsverbrechen, so sei es hinreichend, dass das „Militär als solches“ Kriegsverbrechen begehe. Insoweit unterscheide sich die syrische Armee von den US-Streitkräften, zu der die Shepherd-Entscheidung ergangen sei. Vor dem Hintergrund, dass die gesamte syrische Armee Kriegsverbrechen verübe, sei es offenkundig „hinreichend plausibel“, dass jeder Militärdienst, der bei der syrischen Armee abgeleistet werde, die Vorbereitung oder Durchführung der Handlungen nach § 3 Abs. 2 AsylG unerlässlich unterstütze. Hierzu zähle auch die Rekrutierung und Ausbildung neuer Streitkräfte, auch wenn noch nicht bekannt sei, welcher Einheit der Wehrpflichtige angehören werde. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass der Nachweis der sicheren eigenen Teilnahme an Verbrechen oder systematischen Rechtsverstößen der Einsatzeinheit nicht erforderlich sei, da dies den Prognosemaßstab der begründeten Furcht überdehnen würde. Entsprechendes ergebe sich auch aus den Zurechnungsmaßstäben des Bundesgerichtshofes zur strafrechtlichen Beihilfe an staatlich organisierten Massenverbrechen. In Bezug auf die syrische Armee sei insoweit maßgeblich zu berücksichtigen, dass die gesamte Armee als Apparat staatlich organisierte Kriegsverbrechen begehe und nicht nur bestimmte Einheiten oder gar Personen an diesen beteiligt seien. Sei eine Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG beachtlich wahrscheinlich, so bedürfe es keiner Verknüpfung mit einem Anknüpfungsmerkmal i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Insoweit finde die Verpflichtung aus dem humanitären Völkerrecht und dem internationalen Strafrecht, bestimmte Handlungen in bewaffneten Konflikten zu unterlassen, ihre Entsprechung im internationalen Flüchtlingsrecht im Fall von Personen, die eine Bestrafung zu gewärtigen hätten, weil sie die von ihnen gemäß Völkerrechts erwartete Zurückhaltung geübt hätten. Selbst wenn man jedoch die Erfüllung eines Anknüpfungsmerkmales im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG verlangen würde, so läge ein solches in der sozialen Gruppe von Männern, die sich der Einberufung oder Mobilisierung entzogen hätten. Den diversen sachverständigen Berichten, Auskünften und Stellungnahmen könne auch nicht die eigene „Lebenserfahrung“ entgegengehalten werden. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe insoweit zutreffend ausgeführt, dass der syrische Staat in Anbetracht der unbeschreiblichen Menschenrechtsverstöße ein willkürlich handelndes Unrechtssystem darstelle, das sich der Messung an Maßstäben wie der Lebenserfahrung entziehe. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass der UNHCR von Gerichten weltweit als maßgebliche Instanz zitiert werde und ihm unstreitig eine Aufsichtsfunktion über die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention zukomme. Auch ein internationaler Rechtsvergleich ergebe, dass der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen sei, wenn der Flüchtling den Wehrdienst verweigere, um derzeit oder in einem späteren Kriegsfall keine Kriegsverbrechen begehen zu müssen. Ergänzend wird auf den Schriftsatz der Klägervertreterin vom 2. Januar 2018 Bezug genommen.
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Der Kläger beantragt,
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unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15. März 2017 (Az: 16 A 5081/16) und des Bescheides vom 30. August 2016 - soweit dieser entgegensteht - die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, aus der Quellenlage lasse sich nicht tragfähig ableiten, dass im Rahmen der Einreisekontrollen oder in der Folgezeit wehrdienstpflichtige Rückkehrer, die bislang noch keinen Einberufungsbefehl erhalten hätten, deshalb mit dem Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen befürchten müssten, weil sie nun im militärpflichtigen Alter zurückkehrten. In den vom Kläger angeführten Erkenntnisquellen werde insoweit letztlich übereinstimmend nur ausgeführt, dass Verfolgungsfälle überwiegend im Zusammenhang mit oppositionellen Aktivitäten oder einem nicht abgeleisteten Wehrdienst stünden. Den Quellen fehle jede nähere zahlenmäßige Konkretisierung. Dabei sprächen andere Quellen erkennbar gegen eine hinreichende Gefährdung. Denn laut Schätzungen der Vereinten Nationen und der Regierungen der Länder, die Flüchtlinge aufgenommen hätten, reisten jedes Jahr Hunderttausende von Flüchtlingen nach Syrien, die meisten, um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in benachbarte Länder einreisen würden. Eine solch umfangreiche Reisetätigkeit zeige, dass die in den benachbarten Ländern lebenden syrischen Flüchtlinge trotz des extrem repressiven Charakters des syrischen Staates davon ausgingen, im Rahmen der auch an den übrigen Grenzübergängen zu Syrien strengen Grenzkontrollen keiner besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein. Es liege dabei nahe, dass solche zeitweisen Rückreisen nicht nur Frauen und nicht bzw. nicht mehr wehrdienstpflichtige Männer unternähmen, sondern dass sich unter diesen zeitweisen Rückkehrern auch ein erheblicher Anteil an grundsätzlich wehrdienstpflichtigen Männern befinde, jedenfalls soweit diese noch nicht einberufen worden seien. Aus den klägerischen Ausführungen sei zudem nicht erkennbar, dass die Ableistung des Militärdienstes zwangsläufig als Teilnahme an Kriegsverbrechen und anderen völkerrechtswidrigen Handlungen einzustufen sei. Die Einberufung zu einer bestimmten Einheit, deren Angehörige allesamt durch die Ausübung ihrer Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung von Kriegsverbrechen zumindest unerlässliche Unterstützung leisten würden, sei weder behauptet noch nach den Umständen des Einzelfalls naheliegend. Trotz der Berichte über völkerrechtswidrige Handlungen zeige sich nach der Auskunftslage kein Bild von einem landesweit in solchem Ausmaß praktizierten Vorgehen, dass jedweder Militärangehörige bereits durch seinen Dienst zwangsläufig eine unerlässliche Unterstützung für die Vorbereitung oder für die Durchführung dieser Verbrechen leisten müsste bzw. würde. Auch nach der vom Kläger zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes sei es erforderlich, dass bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheine, dass der Betreffende durch die Ausübung seiner Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Verbrechen unerlässliche Unterstützung leiste. Nicht zu teilen sei die Auffassung des Klägers, dass es bei einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG keines festzustellenden Verfolgungsgrundes bedürfe, mit dem die Verfolgungshandlung verknüpft sei. Das Gegenteil ergebe sich ohne weiteres aus der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 3a Abs. 3 AsylG. Im Übrigen erfordere die tragfähige Prognoseerstellung, dass eine wenngleich notwendig hypothetische, so doch möglichst realitätsnahe Rückkehrsituation zugrunde gelegt werde. Von daher könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass dem Kläger bereits der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt sei, er daher allein dann einer Einreiseüberprüfung durch die syrischen Sicherheitskräfte ausgesetzt sein könne, wenn er freiwillig zurückkehre. Es sei nicht anzunehmen, dass die syrischen Sicherheitskräfte dem (hypothetisch) freiwillig zurückkehrenden Kläger eine oppositionelle Gesinnung unterstellen würden.
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Hinsichtlich des Vortrags der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung, insbesondere in Bezug auf die Anhörung des Klägers, wird ergänzend auf das Protokoll Bezug genommen. Das Gericht hat u.a. die das Asylverfahren der Schwester des Klägers betreffende Akte beigezogen. Die vom Gericht beigezogenen Akten sowie die im Protokoll der mündlichen Verhandlung näher genannten Erkenntnisquellen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige, insbesondere fristgerecht begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
A.
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Die Klage ist zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die auf Gewährung des Flüchtlingsstatus gerichtete Verpflichtungsklage bei vorhandenem subsidiärem Schutzstatus ist im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung des nachfolgenden Aufenthaltsstatus (vgl. Aufenthaltsstatus nach § 25 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. [Flüchtling] oder 2. Alt. [subsidiärer Schutz] AufenthG; § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG) sowie dessen Verfestigungsmöglichkeiten (vgl. § 26 Abs. 3 und 4 AufenthG) unzweifelhaft gegeben (vgl. auch: OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 24).
B.
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Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 1 AsylG zu.
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In großen Teilen Syriens herrscht ein komplexer Bürgerkrieg (vgl. insgesamt: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich - nachfolgend: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bzw. BFA -, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, v. 5.1.2017, G 26/17; IFK [das Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement - IFK - ist eine Forschungsabteilung der Landesverteidigungsakademie, der höchsten Lehr- und Bildungsstätte des Österreichischen Bundesheeres], Fact Sheet Syrien, Nr. 59 – 65 v. 10.02.2017, 27.03.2017, 28.04.2017, 09.06.2017, 25.07,2017, 15.09.2017, 13.10.2017). Daran beteiligt sind eskalierend seit 2011 neben einer sehr großen Anzahl kleinerer Gruppierungen nach derzeitigem Erkenntnisstand folgende größere Machtblöcke:
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- der syrische Staat mit verschiedenen z.T. selbständig agierenden regierungsfreundlichen syrischen Milizen; diese werden durch Russland und den Iran sowie dem Iran nahestehende bzw. von diesem finanzierte überwiegend schiitische Milizen gestützt,
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- unterschiedlich ausgeprägte islamistische Gruppierungen, die u.a. die Rebellenallianz der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) gebildet haben, von denen ein Teil mit der Unterstützung der Türkei im Nordwesten Syriens agiert,
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- der Islamische Staat (Al-Dalls al-Islamiyaa -DAISH; nachfolgend: IS), sowie
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- die Volksverteidigungseinheiten der kurdischen Partiya Yekitiya Demokrat (Partei der demokratischen Union, PYD), die durch die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützt werden.
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Diese Akteure stehen wieder in Allianzen mit anderen kleineren Verbänden. Die „Frontlinien“ sind nicht scharf abtrennbar, jede Gruppe verfolgt ihre eigenen Interessen, die sich teilweise mit denen anderer Gruppierungen überlappen können (vgl. Gerlach, „Was geschieht in Syrien“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2016 S. 6 ff.). Die örtlichen Grenzverläufe unterliegen bisher einem ständigen Wandel (vgl. auch: Auswärtiges Amt [AA] v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, Az.508-9-516.80/48808, zu 5 K 7480/16.A, 2017/1; Deutsches Orient-Institut [DOI] v. 22.2.2017 an VGH Baden-Württemberg, G 1/2017; DOI, v. 1.2.2017 an Hessischen VGH, G 6/17). Im Mai 2017 wurden unter der Vermittlung Russlands, des Irans und der Türkei vier Deeskalationszonen eingerichtet (Idlib, Nord-Hama, Nord-Damaskus, Südsyrien), in denen die Kampfhandlungen zunächst für sechs Monate eingestellt werden sollten. Dennoch kam es in einigen Deeskalationszonen weiterhin zu deutlichen Kampfeinsätzen. Im Laufe des Jahres 2017 ist der Einflussbereich des durch den IS kontrollierten Gebiets erheblich zurückgedrängt worden. Nach Pressemeldungen hat Russland den Krieg gegen den IS Anfang Dezember 2017 für beendet erklärt; kurz darauf erklärte der Irak den IS für besiegt. Seitdem scheint es zu einer Konsolidierung der Machtbereiche des syrischen Regimes und der durch die Volksverteidigungseinheiten der kurdischen PYD kontrollierten Gebiete zu kommen (Truppendienst - herausgegeben vom Bundesminister für Landesverteidigung, Österreich -, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017). Der UNHCR (Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien von Februar 2017, Deutsche Version April 2017, G 7/17) spricht u.a. davon, dass „Regierungskräfte und ISIS ... weiterhin Verbrechen gegen die Menschlichkeit (begehen). Es werden hemmungslos Kriegsverbrechen begangen“ (vgl. Fn. 102). Diese Einschätzung ist im Wesentlichen gestützt auf die Berichte der im August 2011 von der vom Menschenrechtsrat der Generalversammlung der Vereinten Nationen (Human Rights Council der UN-Generalversammlung, UNHRC, nachfolgend: HRC) eingesetzten unabhängigen Untersuchungskommission betreffend die Arabische Republik Syrien (Independant International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic; nachfolgend: COI; u.a. Berichte vom 8.8.2017 - Fassung 6.9.2017 -, A/HCR/36/55, G 25/17; v. 10.3.2017, A/HRC/34/CRP.3, G 24/17; v. 2.2.2017, A/HRC/34/64, G 14/17; v. 11.8.2016, A HRC/33/55, G 14/16).
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Der Machtbereich des Assad-Regimes ist gekennzeichnet durch ein System von Geheimdiensten, die versuchen, vom Assad-Regime abweichende Stimmen zu unterdrücken. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führt zu diesen aus (BFA v. 5.1.2017, G 26/17, S. 17):
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„Syrien verfügt über eine Myriade von Sicherheits- und Geheimdiensten mit überlappenden Mandaten zur Sammlung von Informationen über die innere Sicherheit. Diese Einheiten können Gegner des Regimes festnehmen und neutralisieren (...). Die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden arbeiten autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen (...).
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Es gibt vier Hauptzweige der Sicherheits- und Nachrichtendienste. Der Militärische Nachrichtendienst, der Luftwaffennachrichtendienst und das Direktorat für Politische Sicherheit unterstehen dem Innenministerium. Das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat ist eine alleinstehende Organisation und untersteht direkt dem Präsidenten. Diese vier Dienste arbeiten unabhängig voneinander und größtenteils außerhalb des Justizsystems, überwachen einzelne Staatsbürger und unterdrücken Stimmen innerhalb Syriens, die vom Regime abweichen (...). Der Staatssicherheitsapparat wird verwendet, um den Aufstand zu unterdrücken (...). Die größeren Organisationen haben ihre eigenen Gefängniszellen und Verhörzentren (...).“
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Eine homogene bürgerliche Zivilgesellschaft und ein Verständnis von Staat als Solidaritätsgemeinschaft gibt es in Syrien eher nicht. Im Vordergrund steht regelmäßig der Zusammenhalt über den Clan/den Stamm. Besonders riskant ist diese Situation jeweils für diejenigen, die in ihrem Aufenthaltsbereich von Bevölkerungsgruppen mit anderen Merkmalen dominiert werden, und für diejenigen, die ohnehin im Verhältnis zu ihren Mitbürgern „schwach“ sind. Hinzu kommt, dass die Eingruppierung als Täter bzw. als Opfer in einer solchen Bürgerkriegssituation schwankend sein kann, je nachdem, in welchem Umfeld sich der Betreffende gerade behaupten muss.
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In diesem Gesamtkontext hat die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG zuerkannt, da davon auszugehen sei, dass dem Kläger bei Rückkehr nach Syrien ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG drohe, d.h. eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vorliege.
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Vorliegend ist allein die davon zu trennende Frage der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 1 AsylG Streitgegenstand. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt über die zuvor bestehende Gefahr hinausgehend voraus, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Syrien beachtlich wahrscheinlich eine zielgerichtete Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht; aufgrund des dem Kläger gewährten subsidiären Schutzstatus ist eine Rückkehr dabei nur gedanklich - hypothetisch - zu unterstellen.
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Zur Überzeugung des Gerichts sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus (nachfolgend I.) nicht erfüllt. Der Kläger ist unverfolgt aus Syrien ausgereist (nachfolgend II.). Ihm droht bei einer gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien nach der Erkenntnislage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung keine Verfolgungshandlung - Inhaftierung oder Rekrutierung - wegen eines die Flüchtlingseigenschaft begründenden Verfolgungsgrundes, weil er sich dem Wehrdienst entzogen hat (nachfolgend IV.), oder wegen anderer Anknüpfungspunkte, wie u.a. seines sunnitischen Glaubens (nachfolgend III.). Ihm ist auch nicht der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, weil ihm aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG beschriebenen flüchtlingsrelevanten Anknüpfungsmerkmalen Bestrafung oder Strafverfolgung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt droht, in dem der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 2 AsylG ausschließen würden (wie z.B. Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit), vgl. §§ 3 Abs. 1 i.V.m. 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG (nachfolgend V.).
I.
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Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftslands) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt demnach die begründete Furcht vor einer Verfolgungshandlung voraus, die wegen eines für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft relevanten Verfolgungsgrundes erfolgt.
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Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2 AsylG gelten Handlungen als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Gemäß § 3c Nr. 1 und 2 AsylG sind Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, u. a. der Staat oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen.
- 37
Zwischen den Verfolgungsgründen und Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Dabei ist unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich z.B. die religiösen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG). Für den Bereich des Asylrechts hat das Bundesverfassungsgericht diese Verknüpfung von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund dahingehend konkretisiert, dass es für eine politische Verfolgung ausreiche, wenn der Ausländer der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet wird, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist. Unerheblich ist dabei, ob der Betreffende aufgrund der ihm zugeschriebenen Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung (überhaupt) tätig geworden ist (BVerfG, Beschl. v. 22.11.1996, 2 BvR 1753/96, juris, Rn. 5; BVerwG, Beschl. v. 27.4.2017, 1 B 63.17, 1 PKH 21 PKH 23.17, juris Rn. 11). Maßgebend ist im Sinne einer objektiven Gerichtetheit die Zielrichtung, die der Maßnahme unter den jeweiligen Umständen ihrem Charakter nach zukommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.1.2009, 10 C 52.07, BVerwGE 133, 55, Rn. 22, 24; Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 3a Rn. 50 ff.).
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Eine „begründete Furcht“ vor Verfolgung liegt vor, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23.12, BVerwGE 146, 67, juris Rn. 19). Der danach maßgebliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Zu bewerten ist letztlich, ob aus Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in das Herkunftsland als unzumutbar erscheint; insoweit geht es also um die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat (BVerwG, Urt. v. 6.3.1990, 9 C 14.89, BVerwGE 85, 12, juris Rn. 13). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. Ergeben die Gesamtumstände die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung, wird ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert (BVerwG, Urt. v. 5.11.1991, 9 C 118.90, BVerwGE 89, 162, juris Rn. 17). Auch in solchen Fällen müssen aber die festgestellten Verfolgungsfälle nach Intensität und Häufigkeit zur Größe der Zahl der Verfolgten als ins Gewicht fallend angesehen werden können, wenn das Anknüpfungsmerkmal für eine mögliche Verfolgung auf eine Vielzahl von Personen zutrifft (hier: Entziehung vor Einberufung bzw. Wehrdienstverweigerung); es muss dann also - vergleichbar einer Gruppenverfolgung - eine entsprechende Verfolgungsdichte vorliegen. Hiervon kann nur dann abgesehen werden, wenn ein staatliches Verfolgungsprogramm besteht, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht und das deshalb hinreichend wahrscheinlich eine Verfolgung erwarten lässt (vgl. Berlit, ZAR 2017, 110, 115 m.w.N.; vgl. zur Gruppenverfolgung, Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit und gruppengerichteter Verfolgung: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Auflage 2012, § 30 Rn. 8 ff. ). Die Schwere des befürchteten Eingriffs kann dabei je nach Einzelfall, insbesondere im Zusammenhang mit willkürlich handelnden Staatsmächten, nur bedingt Erkenntnisse zur Gerichtetheit der Verfolgung geben. Dabei entspricht die zunächst zum nationalen Recht entwickelte Rechtsdogmatik zur Frage der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ auch dem neueren europäischen Recht, welches hierfür den Begriff des „real risk“ verwendet (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.6.2011, 10 C 25.10, BVerwGE 140, 22, juris Rn. 22; Berlit, ZAR 2017, 110, 117).
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Bei der Bewertung, ob die im Einzelfall festgestellten Umstände eine die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG rechtfertigende Verfolgungsgefahr begründen, ist zwischen der Frage, ob dem Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungshandlung gemäß den §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG droht, und der Frage einer ebenfalls beachtlich wahrscheinlichen Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund zu unterscheiden.
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Beim Flüchtlingsschutz gilt für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das gilt unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Die Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU, nicht (mehr) durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.6.2011, 10 C 25.10, BVerwGE 140, 22, juris Rn. 21 f.; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A, NVwZ 2017, 1218, juris Rn. 21 f., OVG Saarlouis, Urt. v. 11.3.2017, 2 A 215/17, NVwZ-RR 2017, 588, juris Rn. 19; Berlit, ZAR 2017, 110 ff.)
- 41
Hinsichtlich der Anforderungen an den Klägervortrag muss unterschieden werden zwischen den in die eigene Sphäre des Asylsuchenden (bzw. hier: des um Flüchtlingsschutz Nachsuchenden) fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, und den in den allgemeinen Verhältnissen seines Herkunftslandes liegenden Umständen, die seine Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen.
- 42
Lediglich in Bezug auf erstere muss er eine Schilderung geben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen. Dabei ist die besondere Beweisnot des nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsprozessrechts mit der materiellen Beweislast beschwerten Klägers zu berücksichtigen, dem häufig die üblichen Beweismittel fehlen. Insbesondere können in der Regel unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Daher kann den eigenen Erklärungen des Klägers größere Bedeutung beizumessen sein, als dies meist sonst in der Prozesspraxis bei Bekundungen einer Partei der Fall ist. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Klägers und dessen Würdigung gesteigerte Bedeutung zu. Zur Anerkennung kann schon allein sein Tatsachenvortrag führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne "glaubhaft" sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. Dem Klagebegehren darf jedenfalls nicht mit der Begründung der Erfolg versagt werden, dass neben der Einlassung des Schutzsuchenden keine Beweismittel zur Verfügung stehen. Der Richter ist aus Rechtsgründen schon allgemein nicht daran gehindert, eine Parteibehauptung ohne Beweisaufnahme als wahr anzusehen; das gilt für Asylverfahren (bzw. wie hier in Verfahren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft) mit seinen typischen Schwierigkeiten, für das individuelle Schicksal des Antragstellers auf andere Beweismittel zurückzugreifen, in besonderem Maße. Einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO wird der Richter hierdurch jedoch nicht enthoben. Das Fehlen von Beweismitteln mag die Meinungsbildung des Tatsachengerichts erschweren, entbindet es aber nicht davon, sich eine feste Überzeugung vom Vorhandensein des entscheidungserheblichen Sachverhalts zu bilden. Dies muss - wenn nicht anders möglich - in der Weise geschehen, dass sich der Richter schlüssig wird, ob er dem Kläger glaubt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1981, 9 C 251.81, InfAuslR 1982, 156; Urt. v. 22.3.1983, 9 C 68.81, juris Rn. 5; Urt. v. 16.4.1985, 9 C 109.84, BVerwGE 71, 180, juris Rn. 16; OVG Koblenz, Urt. v. 16.12.2016, 1 A 10922/16, juris Rn. 32; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Auflage, S. 289).
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Hinsichtlich der allgemeinen politischen Verhältnisse im Herkunftsland reicht es hingegen wegen seiner zumeist auf einen engeren Lebenskreis beschränkten Erfahrungen und Kenntnisse aus, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung für den Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland ergeben (BVerwG, Urt. v. 24.11.1981, 9 C 251.81, InfAuslR 1982, 156; Urt. v. 22.3.1983, 9 C 68.81, juris; Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Auflage, S. 288 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 3/2017, B 1 Rn. 255). Hier ist es Aufgabe der Beklagten und der Gerichte, unter vollständiger Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen, die Gegebenheiten im Herkunftsstaat aufzuklären und darauf aufbauend eine von Rationalität und Plausibilität getragene Prognose zu treffen (Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, aaO., S. 295 f.).
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In Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsland sind die Gerichte regelmäßig darauf angewiesen, sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Erkenntnisse gleichsam mosaikartig ein Bild zu machen. Da Abschiebungen nach Syrien jedenfalls seit 2012 nicht mehr erfolgen, hat die Prognose, ob bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG droht, - wie oben dargelegt - aufgrund einer wertenden Gesamtschau aller Umstände zu erfolgen.
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Führt diese Betrachtung zu keinem für den Schutzsuchenden günstigen Ergebnis, verbleibt es bei allgemeinen Beweislastregeln. Die humanitäre Schutzrichtung des Asyl- und Flüchtlingsrechts gebietet weder eine Umkehr der objektiven Beweislast noch eine Folgenabwägung im Sinne eines „better safe than sorry“ (vgl. hierzu Ellerbrok/Hartmann, NVwZ 2017, 522, 523). Diesem Ansatz kann vorliegend auch deshalb nicht gefolgt werden, weil es allein um die genaue Ausprägung des Schutzstatus, nicht aber um das Ob der Schutzgewährung geht. Eine denkbare gerichtliche Fehlbeurteilung bei der Frage der Gewährung des Flüchtlingsstatus birgt kein persönliches Risiko für den Schutzsuchenden, weil er infolge des zuerkannten subsidiären Schutzes nachhaltigen Schutz genießt und nicht in Gefahr ist, nach Syrien zurückkehren zu müssen. Die hypothetische Rückkehr ist vielmehr im Rahmen der vorzunehmenden rechtlichen Bewertung ein allein gedanklicher Ansatz, der der Sicherstellung eines einheitlichen Prüfungsmaßstabs geschuldet ist. Gefahrenperpetuierende Auswirkungen kann eine fehlerhafte Verneinung einer politischen Verfolgung allerdings für Angehörige des Schutzsuchenden haben, die derzeit befristet von einem Nachzug ausgeschlossen sind.
- 46
Nach Auffassung des Senats ist der dargelegte Wahrscheinlichkeitsmaßstab auch dann anzuwenden, wenn ein effektiver Menschenrechtsschutz bereits durch die Gewährung des subsidiären Schutzstatus gewährleistet ist (zweifelnd, aber offen gelassen: VGH Mannheim, Urt. v. 21.8.2017, A 11 S 513/17, S. 13 UA, juris).
- 47
Unter Anwendung dieser Maßstäbe steht dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsstatus zu.
II.
- 48
Der Kläger ist nicht vorverfolgt aus Syrien ausgereist. Nach seinen eigenen Angaben hat er Syrien über den Flughafen Damaskus offiziell und ohne Probleme verlassen.
- 49
Eine beachtliche Verfolgung wegen seiner tscherkessischen Volkszugehörigkeit ist nicht vorgetragen. In seiner Anhörung beim Bundesamt hat der Kläger vorgebracht, dass er wegen seiner Volkszugehörigkeit nicht wirklich Probleme gehabt habe. Er sei schon einmal angesprochen worden, was er denn in Syrien wolle, das seien aber keine Probleme gewesen (Bl. 81 Beiakte A). In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er ausgeführt, im „Dorf“ seien die Leute nicht nett zu den Tscherkessen gewesen. Militär und Zivilleute hätten sie für Verräter gehalten. Auch diesem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung ist keine beachtliche Verfolgungshandlung zu entnehmen. Zudem steht dem entgegen, dass der Vater des Klägers Beamter war und die Familie nach Angaben des Klägers im Jahr 2013 nach Damaskus gezogen ist und dort vom Assad-Regime unbehelligt gelebt hat; sie ist damit aus dem von der Freien Syrischen Armee gehaltenen Gebiet weggezogen in ein Gebiet, das durch das Assad-Regime gehalten wird. Seine Eltern und sein Bruder leben weiterhin in Damaskus. Von aktuellen Verfolgungshandlungen gegen seine in Damaskus lebenden Familienangehörigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht berichtet.
III.
- 50
Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dem Kläger bei einer gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung in Anknüpfung an flüchtlingsrechtlich erhebliche Merkmale wegen seiner Ausreise, der erfolgten Asylantragstellung, seines längeren Aufenthalts im westlichen Ausland, seiner Zugehörigkeit zum sunnitischen Glauben, seiner tscherkessischen Volkszugehörigkeit oder/und seiner Abstammung aus der Region Qunaitra - einer seit ca. 2012 von der Freien Syrischen Armee gehaltenen Region - droht. Der Senat sieht es nicht als beachtlich wahrscheinlich an, dass dem Kläger wegen der zuvor genannten Umstände - einzeln oder in ihrer Gesamtheit - durch staatliche Stellen eine regimefeindliche Haltung unterstellt wird.
- 51
Dass Rückkehrer (gegenwärtig nur aus dem arabischen Raum, zu dem noch Flugverbindungen bestehen) am Flughafen von Damaskus und ggfls. Latakia intensiven Kontrollen ausgesetzt werden und dass Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass diese gegen das Assad-Regime eingestellt sind oder sich oppositionell betätigt haben, den Flughafen nicht wie beabsichtigt wieder verlassen können und ihnen Folter und schlimmste Misshandlungen drohen, wird allgemein angenommen und dürfte hinreichend gesichert sein (vgl. Amnesty International - AI -, Report 2017, Syrien, v. 19.2.2017, G 16/17; AI, Human Slaughterhouse, v. Februar 2017, G 15/17; AI, It breaks the human – torture, disease and death in Syria’s prisons, v. August 2016, G 13/16; Human Rights Watch – HRW -: Syrien: Die Geschichten hinter den Fotos getöteter Gefangener - Opfer auf den „Ceasar“-Fotos -, Dezember 2015, G 21/16; ECCHR, Sondernewsletter Menschenrechtsverbrechen in Syrien, Teil I: Folter unter Assad, Strafanzeige in Deutschland gegen hochrangige Angehörige der syrischen Geheimdienste, Oktober 2017, G 48/17; ECCHR, Portraits, Strafanzeige von syrischen Folterüberlebenden zu Folter durch Syriens Luftwaffengeheimdienst, November 2017, G 47/17).
- 52
1. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dem Kläger im Hinblick auf seine Ausreise, die erfolgte Asylantragstellung, seinen längeren Aufenthalt im westlichen Ausland, seine Zugehörigkeit zum sunnitischen Glauben und/oder seine Abstammung aus einer Region, die von regierungsfeindlichen Gruppen gehalten wird (hier: Qunaitra), bei Rückkehr nach Syrien eine (Verfolgungs-)Handlung i.S.d. § 3a AsylG - hier: Befragung mit der konkreten Gefahr einer Verhaftung und/oder einer schwerwiegenden Misshandlung bis hin zur Folter und willkürlichen Tötung - beachtlich wahrscheinlich droht (die Gefahr einerVerfolgungshandlung mit beachtlichen Gründen verneinend: OVG Münster, Urt. v. 21.2.2017, 14 A 2316/16, DVBl. 2017, 639, juris, Rn. 35 ff.; aufgrund der Zweifel eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungshandlung verneinend: OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 44; Beschl. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris Rn. 40; zweifelnd, aber offenlassend: OVG Koblenz, Urt. v. 16.12.2016, 1 A 10922/16, juris Rn. 48 ff., OVG Saarlouis, Urt. v. 2.2.2017, 2 A 515/16, juris Rn. 22; zuletzt v. 17.10.2017, 2 A 365/17, juris Rn. 22; offen gelassen zur einer rückkehrenden Syrerin: VGH Mannheim, Urt. v. 21.8.2017, A 11 S 513/17, S. 13 Urteilsabdruck - UA- in juris).
- 53
Dem Senat liegt keine hinreichend dichte Erkenntnislage vor, auf die die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Verfolgungshandlung gestützt werden könnte. Über die Behandlung von Rückkehrern nach Syrien liegen dem UNHCR (Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien, von Februar 2017, deutsche Übersetzung von April 2017, G 7/17, S. 5) „kaum konkrete Informationen“ vor. Dem Auswärtigen Amt (Auskunft v. 2.1.2017 an VG Düsseldorf, zu 5 K 7221/16.A, Az.: 508-9-516.80/48840, 2017/2; v. 7.11.2016 an das OVG Schleswig, 2016/4) liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass unverfolgt Ausgereiste nach Rückkehr systematisch befragt werden.
- 54
Der UNHCR (April 2017, G 7/17, S. 15 ff.) sieht Personen, die aus einem Ort stammen, der in einem Gebiet liegt, das sich derzeit oder vormals unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen befindet oder befand, in der Gefahr, Opfer von Verfolgung durch das Assad-Regime zu werden. Die dort benannten Referenzfälle (vgl. Fn. 75, 78 - 83) beziehen sich überwiegend auf Angriffe auf die Zivilbevölkerung im Rahmen von Rückeroberungen von Gebieten durch die Regierungstruppen - wie z.B. die Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Ost-Aleppo oder Ar Raqqah während der Belagerung -, auf die Rückführung von Bevölkerung aus belagerten Gebieten aus von Regierungstruppen eingenommenen Nachbarorten sowie auf Personen, die regierungsfeindlichen Gruppen Schutz geboten oder die Informationen über regierungsfeindliche Personen haben könnten, etwa im Rahmen von Verhaftungswellen unmittelbar nach der Rückeroberung von Gebieten durch die Regierungstruppen. In einer ähnlichen Situation befindet sich der ins Ausland geflüchteten Kläger, der sich seit ca. 2 Jahre außerhalb Syriens aufhält, nicht. Gegen eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung allein in Anknüpfung an den sunnitischen Glauben sowie die Herkunft aus einer Region, die von regierungsfeindlichen Gruppen gehalten wird, spricht auch die Vielzahl von Binnenvertriebenen. Bei Beginn des Bürgerkrieges waren ca. drei Viertel der syrischen Bevölkerung sunnitischen Glaubens (AA, Lagebericht vom 27.9.2010, 2010/4). Angesichts dessen dürfte eine Vielzahl der 6,3 Millionen binnenvertriebenen Syrer (UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic, update V, HCR/PC/SYR/17/01, November 2017, G 35/17, S. 7) sunnitischen Glaubens sein und ursprünglich aus Regionen stammen, die derzeit oder zeitweise während des Bürgerkrieges in der Hand regierungsfeindlicher Gruppen sind bzw. waren. Von diesen sind im 1. Halbjahr 2017 ca. 440.000 in ehemals von regierungsfeindlichen Gruppen gehaltene Gebiete zurückgekehrt, insbesondere nach Aleppo, Hama, Homs und Damaskus (UNHCR, „UNHCR meldet Anstieg bei Rückkehrern nach Syrien“, v. 30.6.2017, G 21/17, S. 2).
- 55
Zweifel an einer Verfolgung von aus dem Ausland zurückkehrenden Asylbewerbern sunnitischen Glaubens, die aus Gebieten stammen, die derzeit oder ehemals unter der Kontrolle von regierungsfeindlichen Gruppen stehen oder standen, ergeben sich zudem angesichts der ständig gestiegenen Zahl - derzeit insgesamt ca. 6,4 Millionen - der in den letzten Jahren aus Syrien Geflohenen (Ende 2011: 19.900; Ende 2012: rund 728.000; Ende 2015: rund 4.800.000; zitiert nach OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 44; Ende 2017 - rund 5,44 Mio. in die Nachbarstaaten der Region und zusätzlich ca. 1 Mio. in Staaten des westlichen Europas, vgl. UNHCR, Syria, Regional Refugee Response, abgerufen am 13.12.2017, G 36/17). Dies ist mehr als ein Viertel der Bevölkerung von rd. 22 Millionen Einwohnern Syriens bei Beginn des Bürgerkrieges (vgl. AA, Länderinformation Syrien, August 2016, 2016/1). Auf die weit überwiegende Zahl der ins Ausland Geflüchteten werden die oben genannten Kriterien zutreffen.
- 56
Des Weiteren ergeben sich Zweifel an einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung jedes Rückkehrers bzw. einer beachtlichen Größenordnung von Rückkehrern aus der nicht geringen Zahl freiwilliger Rückkehrer aus dem Ausland. So sollen im August 2015 mehrere tausend Personen über die syrisch-jordanische Grenze zurückgekehrt sein und im Juli 2015 rd. 2300 aus dem Irak (vgl. SFH, Syrien: Rückkehr, v. 21.3.2017, G 5/17, S. 4; DOI, v. 22.2.2017, G 1/17; DOI, Auskunft an VGH Kassel v. 1.2.2017, G 6/17, S. 1). Andere Berichte (vgl. Immigration and Refugee Board of Canada - IRB -, Syria: Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, v. 19.01.2016, G 5/16, S. 2 - zitiert nach der deutschen Übersetzung -) gehen davon aus, dass „Hunderttausende von Flüchtlingen jedes Jahr nach Syrien reisen, meistens um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in benachbarte Länder einreisen“. Nach Angaben des UNHCR (v. 30.6.2017, G 21/17) sind seit 2015 insgesamt 260.000 syrische Flüchtlinge aus den angrenzenden Nachbarländern nach Syrien zurückgekehrt, davon die meisten aus der Türkei in den Norden Syriens; im 1. Halbjahr 2017 sind 31.000 Syrer aus den angrenzenden Nachbarländern nach Syrien zurückgekehrt. Die vielfach beobachtete Land-Einreise über die Staatsgrenzen (u.a. aus Jordanien, Irak, Türkei) lässt zwar keine zwingenden Rückschlüsse auf die Umstände einer Einreise über den für Rückkehrer derzeit vor allem in Betracht zu ziehenden Flughafen Damaskus, ggfls. auch den Flughafen Latakia (vgl. SFH v. 21.3.2017, G 5/17, S. 6) zu, sie zeigt aber, dass diese Personen trotz der vorherigen Flucht das Risiko einer Rückkehr auf sich genommen haben.
- 57
Das Auswärtige Amt (v. 2.1.2017, 2017/2) führt ebenfalls aus, dass ihm Fälle bekannt sind, in denen syrische Staatsangehörige nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus dem Bundesgebiet für mehrere Monate nach Syrien zurückgekehrt sind.
- 58
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das vorstehend Ausgeführte noch in verstärktem Maße gelten würde, wenn im Rahmen einer gedanklichen Rückkehrsituation zu berücksichtigen wäre, dass die Situation, in der sich der Kläger befindet, auf eine Vielzahl von ins Ausland geflüchteten Syrern zutrifft und daher gedanklich die Rückkehr einer Vielzahl dieser Personen zu unterstellen wäre.
- 59
2. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass dem Kläger bei Rückkehr nach Syrien im Hinblick auf seine tscherkessische Volkszugehörigkeit eine (Verfolgungs-)Handlung i.S.d. § 3a AsylG beachtlich wahrscheinlich droht.
- 60
Hiergegen spricht bereits, dass der Kläger unverfolgt ausgereist ist, die Familie des Klägers weiterhin in Damaskus lebt und der Kläger auch in Bezug auf diese nicht von Verfolgung berichtet hat. Aus der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht eingereichten Anfragebeantwortung von ACCORD vom 21. Mai 2014 ergeben sich für den Senat keine anderen Erkenntnisse. Diese lässt eher den Schluss zu, dass dem Kläger durch das Assad-Regime aufgrund der tscherkessischen Volkszugehörigkeit keine Regimegegnerschaft zugeschrieben wird. Dort wird die Einschätzung wiedergegeben, dass sich das Assad-Regime auf die Loyalität der Minderheiten in Syrien habe verlassen können, zu denen auch das Volk der Tscherkessen zähle. Unter Baschar al-Assad habe es sogar einen tscherkessischen General gegeben, der zum Innenminister ernannt worden sei. Die Unterstützung des Assad-Regimes durch die Tscherkessen schwinde aber im Laufe des Bürgerkrieges. Auch die Tscherkessen müssten im Bürgerkrieg u.a. durch die Kriegshandlungen im Bereich der von Tscherkessen besiedelten Golanhöhen Partei ergreifen und sich auf die Seite des Assad-Regimes oder die Seite anderer Bürgerkriegsparteien stellen. Über die Lage von nach Syrien zurückkehrenden Tscherkessen lägen keine Informationen vor.
- 61
In Übereinstimmung mit der so beschriebenen Situation der Tscherkessen ist die Familie des Klägers wegen der Kriegshandlungen in der Region Qunaitra nach Angaben des Klägers im Jahr 2013 von dort nach Damaskus verzogen. Sie haben sich damit in ein Gebiet begeben, das durch das Assad-Regime gehalten wird und damit - wenn überhaupt - zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht auf Seiten der regimefeindlichen Kräfte stehen. Dass sich nach Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Familie des Klägers nicht umgemeldet habe, ändert daran nach Einschätzung des Senats nichts. Zudem bestehen an der Richtigkeit dieser Einlassung des Klägers durchgreifende Zweifel. Insoweit wird auf die Ausführungen hierzu unter IV. 2. c) Bezug genommen.
- 62
3. Selbst wenn das Gericht die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG bei Rückkehr bejahte, fehlt es an der beachtlichen Wahrscheinlichkeit bezüglich der nach § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG. Um als Flüchtling anerkannt zu werden, müsste zu einer Verfolgungshandlung hinzukommen, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit diese Verfolgungshandlung aus flüchtlingsrelevanten Verfolgungsgründen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erfolgt. Die dem Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lassen einen solchen hinreichend verlässlichen Schluss auf das Bestehen der notwendigen Verknüpfung nicht zu.
- 63
a) Es lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass das Assad-Regime mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jedem unverfolgt für längere Zeit ausgereisten syrischen Staatsbürger, der im Ausland ein Asylverfahren betrieben hatte und wieder zurückkehrt, pauschal unterstellt, ein Regimegegner zu sein bzw. in Verbindung mit oppositionellen Kreisen im Exil zu stehen, sofern nicht besondere, individuelle gefahrerhöhende Merkmale vorliegen (wie hier auch: OVG Münster, Urt. v. 21.2.2017, 14 A 2316/16.A, DVBl. 2017, 639, juris; Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A., NVwZ 2017, 1218, juris; OVG Koblenz, Urt. v. 16.12.2016, 1 A 10922/16, juris; OVG Saarlouis, Urt. v. 2.2.2017, 2 A 515/16, juris; Urt. v. 17.10.2017, 2 A 365/17, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris; zu einer Syrerin: VGH Mannheim, Urt. v. 21.8.2017, A 11 S 513/17, S. 13 UA, juris; OVG Schleswig, Urt. v. 23.11.2016, 3 LB 17/16, juris; VGH München, Urt. v. 12.12.2016, 21 B 16.30338, juris; a.A. UNHCR, v. 04/2017, G 7/17, S. 30; allerdings führt der UNHCR diese Gruppe im Bericht vom November 2017, G 35/17, S. 35 f. -, nicht mehr auf).
- 64
Allerdings entsprach es für die Zeit vor Ausbruch der Unruhen in Syrien und bis in die Anfangszeit des Bürgerkriegs hinein wohl weitgehend gesicherter Erkenntnis, dass nach der ständigen Praxis der syrischen Sicherheitskräfte (im weitesten Sinn) bei der offiziellen Wiedereinreise nach einem längeren Auslandsaufenthalt Rückkehrer regelmäßig einem intensiven Verhör unterzogen wurden, das je nach den Umständen auch Stunden dauern konnte. Insbesondere im Falle einer Verbringung der Betreffenden in ein Haft- oder Verhörzentrum der (vier) syrischen Geheimdienste drohte zudem konkret die Anwendung von Folter und menschenrechtswidriger Behandlung, wobei hiermit regelmäßig auch Informationen über eventuelle eigene regimekritische Handlungen im Ausland, aber auch über die Exilszene im Allgemeinen herausgepresst werden sollten. Diese Gefahr wurde etwa vom Auswärtigen Amt als sehr hoch eingeschätzt (vgl. Lagebericht vom 27.9.2010, 2010/4, S. 16). In der Rechtsprechung wurde deshalb z.T. angenommen, dass den staatlichen Maßnahmen auch die erforderliche Gerichtetheit zukam (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 19.6.2013, A 11 S 927/13, juris; a.A. aber etwa OVG Münster, Beschl. v. 7.5.2013, 14 A 1008/13.A, juris).
- 65
Im Laufe des Bürgerkriegs haben sich jedoch in verschiedener Hinsicht Veränderungen in Syrien ergeben. So kann insbesondere aus verschiedenen Berichten von Amnesty International eine endemische Zunahme von Misshandlungen und Folter einschließlich Verschwindenlassen der Betroffenen entnommen werden (vgl. AI, 8/2016, G 13/16, S. 12 ff.; AI, v. 2/2017, G 15/17; AI, Report 2016/2017, v. 22.2.2017, G 17/17 – vgl. auch dt. Übersetzung v. 19.2.2017, G 16/17, S. 9 f.). Es handelt sich um Praktiken, die von Seiten des syrischen Regimes im Grundsatz schon seit vielen Jahren systematisch eingesetzt werden, um jede Opposition und jeden Widerstand zu unterdrücken bzw. zu zerschlagen (vgl. BFA, v. 5.1.2017, S. 19 f., G 26/17). Zudem ist die Zahl der im Ausland lebenden syrischen Flüchtlinge seit dem Beginn des Bürgerkriegs auf ca. 6,4 Millionen gestiegen ist (s.o.; vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 21.02.2017, 14 A 2316/16.A, DVBl. 2017, 639).
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Bei dieser Ausgangslage kann der Senat nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnisquellen nicht die Überzeugung gewinnen, dass syrische Sicherheitskräfte unterschiedslos jedem rückkehrenden Asylbewerber unterstellen, (vermeintlich) ein Regimegegner zu sein, sofern nicht besondere, individuelle gefahrerhöhende Merkmale vorliegen. Vor diesem Hintergrund ist ein Rückschluss von vor Beginn oder zu Anfang des Bürgerkriegs vermutlich stattgefundenen flüchtlingsrelevanten Eingriffen im Kontext der Einreise auf die heutigen Verhältnisse nicht tragfähig und kann die weitgehend fehlenden Erkenntnisse nicht ersetzen. Aus diesem Grund bestehen auch keine weiteren erfolgversprechenden Ermittlungsansätze.
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Wie ausgeführt liegen nur wenige Dokumente vor, die die hier interessierende Fragestellung der aktuellen Behandlung von Rückkehrern erörtern. Ihnen lassen sich ausnahmslos keine konkreten und nachvollziehbaren Gesichtspunkte entnehmen, die einen verlässlichen Schluss auf die erforderliche Gerichtetheit zulassen. Hierzu führt das OVG Lüneburg in einem die Rückkehr eines Syrers betreffenden Verfahren nach Ansicht des Senats zutreffend aus (Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 53 - 67):
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„Der vom UNHCR 4/2017 gezogenen Folgerung, sein Bericht belege eine politische Verfolgung durch staatliche Kräfte bei Rückkehr nach Syrien (vgl. S. 30 unter 5. mit Fußn. 146), vermag der Senat nicht zu folgen. Belastbare Erkenntnisse, dass die syrischen Sicherheitsbehörden dem Grunde nach diesen Rückkehrern eine oppositionelle Haltung zuschreiben, sind dem Bericht nicht zu entnehmen. Zum einen beruhen die vom UNHCR 4/2017 wiedergegebenen - teilweise lediglich telefonisch (vgl. hierzu IRB Canada v. 19.1.2016) erfolgten - Einschätzungen nur auf Berichten/ Wertungen einzelner Personen und dabei wiederum vor allem auf „Hörensagen“, nicht aber auf zurechenbaren Äußerungen von Personen, die aus eigener Erfahrung Mitteilung über verschiedene Einzelfälle machen können; Einzelschicksale sind danach nicht nachprüfbar. So wird - unter Hinweis auf das Immigration and Refugee Board of Canada (IRB Canada v. 19.1.2016) - eine emeritierte Professorin für Anthropologie und erzwungener Migration an der Oxford Universität, vormals Leiterin des Refugee Studies Centre in Oxford erwähnt, die ihre Einschätzung wiedergibt, aber keine konkreten Fälle benennt. Auch der Executive Direktor des Syria Justice and Accountability Center benennt keine konkreten, nachprüfbaren Einzelfälle, sondern teilt seine Bewertung der Lage mit, wobei er einerseits darauf hinweist, ein rückkehrender Asylantragsteller gelte als regierungsfeindlich, was als Zuschreibung eines Verfolgungsgrundes zu bewerten wäre, andererseits aber auch ausführt, Rückkehrer würden gefoltert, weil der Staat über andere Asylbewerber/Oppositionelle Informationen gewinnen wolle - was auf ein lediglich wahllos routiniertes Zugreifen mit dem Ziel, möglicherweise verwertbaren Informationen über regimegegnerische Bestrebungen überhaupt erst zu erlangen („fischen“) weist und als solches keine auf einen Verfolgungsgrund „gerichtete“ Maßnahme darstellen würde (vgl. dazu unten). Die dritte genannte Quelle, ein Gastwissenschaftler des Kings College London, der Spezialist für Syrien sei und Sachverständigenaussagen in Asylverfahren von Syrern in Großbritannien gemacht haben soll, trägt die Folgerung des UNHCR schon deswegen nicht, weil diese Quelle lediglich erklärt hat, ein rückkehrender Asylbewerber könne festgenommen werden, dies geschehe aber nicht automatisch; einige Regierungsmitarbeiter betrachteten Rückkehrer als Regierungskritiker, andere Regierungsmitarbeiter würden dagegen anerkennen, dass es auch andere Gründe gebe, das Land zu verlassen (vgl. Fußn. 146). Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des IRB Canada (v. 19.1.2016) hat bereits das OVG NW (Urt. v. 21.2.2016 - 14 A 2316/16 -, juris Rnr. 51 ff) festgehalten, dass der dort unter Nr. 3 geschilderten Fall eines aus Australien rückkehrenden Asylbewerbers besonders liege, weil dieser wegen des mitgeführten Geldes in den Verdacht eines Revolutionsfinanciers gekommen war (vgl. auch OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16.OVG Rnr. 91) und weiter zutreffend ausgeführt:
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„Weitere Meldungen über Festnahmen bei Einreise (die Rede ist in der genannten Antwort von etwa 35 nach Ägypten geflohenen Palästinensern) lassen mangels Kenntnis der Einzelumstände keinen Rückschluss auf den Anlass der Festnahmen zu. Das Immigration and Refugee Board of Canada zitiert im Weiteren lediglich die Meinung eines Oxford-Professors, eines Forschers am Londoner King's College und eines Funktionärs einer Menschenrechtsorganisation (Syria Justice and Accountability Centre, vgl. die Selbstdarstellung im Internet unter https://syriaaccountability.org/about/), dass abgelehnte Asylbewerber wegen ihres Asylantrags verfolgt würden, ohne dass dafür tatsächliche Anhaltspunkte aufgezeigt würden. Daher kann dies nicht als relevante tatsächliche Erkenntnis, sondern als nicht weiter begründete Meinung gewertet werden.“
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Das vom UNHCR 4/2017 weiter zitierte US Departement of State führt in seinem „Country Report on Human Rights Practices for 2015“ für Syrien (S. 34, ebenso Country Report on Human Rights Practices for 2016, S. 36) zwar aus, dass Personen, die erfolglos Asyl in anderen Ländern beantragt hätten, verfolgt worden seien, jedoch ohne Nennung konkreter Vorfälle. Zudem verweist der Bericht auf ein Gesetz, dass denjenigen mit Verfolgung bedroht, der in einem anderen Land Zuflucht sucht, um einer Strafe in Syrien zu entgehen. Auch aus dieser Fundstelle kann daher nicht die Erkenntnis gewonnen werden, dass dem Grunde nach jeder rückkehrende Asylbewerber als vermeintlicher Oppositioneller vom syrischen Staat Verfolgungshandlungen zu befürchten hat (so zutreffend OVG NW, Urt. v. 21.2.2017, aaO., Rnr 54 f).
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Soweit UNHCR 4/2017 (Fußnote146) zum anderen auf Quellen aus der Zeit vor 2011 verweist, die die Gleichstellung einer illegalen Ausreise und Asylantragstellung mit einer regimefeindlichen Gesinnung belegten (vgl. dazu OVG Sachsen-Anh., Urt. v. 18.7.2012 - 3 L 147/12 -, juris; kritisch zu dieser Einschätzung Bay. VGH, Urt. v. 12.12.2016 - 21 B 16.30371 -, juris, OVG Rheinl-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris), kann auf diese Einschätzungen aus jener Zeit schon aufgrund der gravierenden Veränderung der politischen Situation und des infolgedessen - ohne die rd. 6,6 Mio. Binnenflüchtlinge (vgl. AI, Report 2016/2017, Syrien) - auf rd. 4,8 Mio. angewachsenen Flüchtlingsstroms (Ende 2011 waren es lediglich rd. 19.900, s.o.) nicht mehr zurückgegriffen werden (vgl. nunmehr auch OVG Sachsen-Anh., Beschl. v. 29.3.2017 - 3 L 249/16 -, juris).
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Der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH v. 21.3.2017 Syrien: Rückkehr) sind ebenfalls keine konkreten individualisierbaren Einzelfälle zur Behandlung von Rückkehrern zu entnehmen. Die SFH verweist vielmehr ihrerseits u.a. auf das IRB Canada (v. 19.1.2016) und auf die darin erwähnten Informationen sowie auf die Stellungnahme des US Department of State (s.o.). Letztlich beziehen sich mithin eine Vielzahl von Quellen aufeinander, ohne den Erkenntnishorizont durch neue belastbare Erkenntnisse erweitern zu können.
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Ein erhebliches Indiz dafür, dass Rückkehrer vom syrischen Staat nicht ohne weiteres als Regimegegner eingeschätzt werden, ergibt sich für den Senat aus der genannten Stellungnahme des IRB Canada unter Nr. 1 „Overwiew“, wonach Hunderttausende Flüchtlinge aus den Anrainerstaaten jedes Jahr nach Syrien einreisen sollen, um dort persönliche Angelegenheiten zu regeln, meistens um nach ihrem Hab und Gut zu schauen, Dokumente einzuholen oder zu erneuern oder um Familienmitgliedern und Freunden lebenswichtige Hilfe zu geben, bevor sie wieder in die benachbarten Länder zurückkehren. Eine solche umfangreiche Reisetätigkeit zeigt, dass die in die benachbarten Ländern Geflohenen trotz des (extrem) repressiven Charakters des syrischen Staates davon ausgehen, im Rahmen der Grenzübergänge zu Syrien keiner gravierenden Gefährdung ausgesetzt zu sein (vgl. auch OVG NW, Urt. 21.2.2017, aaO., Rnr. 53, Bay VGH, Urt. v. 12.12.2016, aaO, Rnr. 78).
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Die Annahme, erfolglose Asylbewerber aus dem westlichen Ausland würden - im Gegensatz zu den in die Anrainerstaaten Syriens Geflüchteten - deshalb (unterschiedslos) als Oppositionelle betrachtet, weil die syrische Regierung eine von außen organisierte und finanzierte Verschwörung gegen das Land für den Ursprung des Bürgerkriegs verantwortlich mache, ist eine bloße Vermutung, die angesichts der hohen Zahl in das westliche Ausland geflüchteter und hypothetisch zurückkehrender Syrer dem Senat nicht plausibel erscheint. Mag es bei einer überschaubaren Anzahl von Flüchtlingen wie vor 2011 noch nachvollziehbar gewesen sein, dass diese vom syrischen Regime durchweg als potentielle Gegner angesehen werden könnten, kann dies nicht mehr bei den heutigen Zahlen gelten. Im Gegensatz zur damaligen Lage ist die Zahl derer, die Syrien verlassen haben, heute nicht mehr relativ gering. Zudem ist es mittlerweile nicht mehr erforderlich, eine etwaige von außen organisierte Verschwörung aufzudecken. Die Beteiligung zahlreicher anderer (Groß-)Mächte an den Auseinandersetzungen, die jeweils eigene unterschiedliche Ziele verfolgen, steht vielmehr fest (vgl. oben).
- 75
Den Verfassungsschutzberichten (zitiert bei OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris Rnr. 121) lässt sich eine systematische Beobachtung aller mittlerweile im Bundesgebiet lebenden Syrer ebenfalls nicht entnehmen. Ihre Beobachtung gilt in erster Linie oppositionellen Tätigkeiten. Eine umfassende Beobachtung wäre angesichts der großen Zahl hier aufhältiger Personen aus Syrien schon faktisch ausgeschlossen (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 - juris, Rnr. 121).
- 76
Die generell nicht auszuschließende Anwendung von Misshandlung oder Folter bei Rückkehr stellt als solche schließlich kein wesentliches Indiz für eine politische Motiviertheit der Verfolgung dar; denn es ist zu bedenken, dass dieses Verhalten nicht erst anlässlich der aktuellen bürgerkriegsähnlichen Situation seit 2011 entstanden ist, sondern in Syrien die Sicherheitsdienste aufgrund des seit 1963 bestehenden Ausnahmezustandes in der Praxis immer schon weder parlamentarischen noch gerichtlichen Kontrollmechanismen unterworfen und auch in der Vergangenheit verantwortlich für willkürliche Verhaftungen, Folter und Isolationshaft waren. Polizei, Justizvollzugsorgane und Sicherheitsdienste hatten schon in der Vergangenheit systematisch Gewalt angewandt, ohne dass die Möglichkeit effektiver strafrechtlicher Abwehr bestand. Schon unter Hafis al-Assad wurde jegliche Opposition brutal unterdrückt und es verschwanden Personen, so sollen seit 1980 bis 2010 rd. 17.000 Personen verschwunden sein (AA, Lagebericht v. 27.9.2010; allg. vgl. Lange „Ein historischer Überblick“, Bundeszentrale für politische Bildung, Aus Politik und Zeitgeschichte, 8/2013 S. 37, 42 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 - juris, Rnr. 154; zur langjährigen Praxis von Misshandlungen und Folter vgl. auch VGH Bad.-Württb., Urt. v. 2.5.2017 - A 11 S 562/17 -, juris Rnr. 48).
- 77
Soweit Rückkehrer unter Drangsalierungen bis hin zur Folter befragt werden sollten, würde sich dies daher in Anlehnung an die Ausführungen des OVG Rheinland-Pfalz auch nach Auffassung des Senats um ein willkürliches, von keiner irgendwie gearteten Gerichtetheit bestimmtes Verhalten der in rechtsfreien Räumen agierenden verschiedenen Sicherheitskräfte handeln, möglicherweise auch um ein wahllos-routiniertes Fischen nach Informationen, wodurch einen konkreten Verdacht überhaupt erst begründende Hinweise gewonnen werden sollen, aufgrund derer sodann eine Zuschreibung von Verfolgungsgründen erfolgen könnte (vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016, aaO. Rnr. 121, vgl. auch OVG d. Saarl. v. 11.3.2017 - 2 A 215/17 -, juris).
- 78
Schon das Auswärtige Amt (Ad-hoc-Bericht v. 17.2.2012) hat auf willkürliche Verhaftungen und darauf hingewiesen, dass die Sicherheitskräfte im Zuge der Bekämpfung der Opposition von dem syrischen Regime eine „carte blanche“ erhalten hätten, jeder agiere für sich im rechtsfreien Raum.
- 79
Dieses willkürlich-wahllose Verhalten bei etwaigen Rückkehrer-Befragungen wird auch durch den UNHCR-Bericht 4/2017 selbst deutlich. So heißt es dort, dass Personen „ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und des Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt“ werden (S. 6), das System sei „äußerst unvorhersehbar“, es seien „alle Personen“ einem Misshandlungsrisiko durch Grenzbehörden ausgesetzt (Fußnote 32), die einzelnen regierungstreuen Sicherheitsbereiche hätte gleichsam freie Hand erhalten, es erfolgten Übergriffe auf Einwohner Syriens, die tatsächliche oder vermeintliche regierungskritische politische Ansichten „im weitesten Sinn“ verträten, es seien „zahlreiche Protesteilnehmer, Aktivisten, Wehrdienstentzieher, Deserteure, Laienjournalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, willkürlich verhaftet worden“. Ein unterschiedsloses Vorgehen belegt auch der Hinweis, dass die International Crisis Group (ICG) den Einsatz von Luftschlägen durch die syrische Regierung als „Teil einer Strategie der verbrannten Erde und der kollektiven Bestrafung“ bezeichnet habe (S. 18).
- 80
Die SFH sprich in ihrer Stellungnahme ebenfalls von „Willkür“ (vgl. Überschrift Punkt 5.2) und weist unter Bezugnahme auf AI (Between Prison and the Grave, v. 5.11.2015) auf den „verbreiteten Opportunismus der syrischen Sicherheitsbeamten (hin), die entweder aus Profitgier oder aus persönlicher Rache Menschen verhaften und verschwinden lassen“. Der Verweis auf die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Bestechung zu arrangieren (im Korruptionswahrnehmungsindex steht Syrien an 173. Stelle von 176 untersuchten Ländern, UNHCR Fußnote 9), bestätigt die Annahme rein willkürlichen/wahllosen Verhaltens.
- 81
Gleiches ergibt sich aus dem vom IRB (v. 19.1.2016, S. 5) zitierten OHCHR-Report 2014, der zwar zunächst verschiedene, möglicherweise noch unterscheidbare in das Blickfeld des syrischen Staates geratene Gruppierungen nennt (u.a. activists, students, humanitarian workers), letztlich aber die Bedrohung unterschiedslos ausdehnt auf „those who were in the wrong place at the wrong time“.
- 82
Erfolgen etwaige Übergriffe aber unterschiedslos, so geschehen sie letztlich wahllos, mithin ohne Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund (vgl. hierzu, BVerwG, Beschl. v. 27.4.2017 - 1 B 63.17 -, juris, vgl. OVG Rheinl.-Pfalz, Urt. v. 16.12.2016 - 1 A 10922/16 -, juris, OVG d. Saarl., Urt. v. 11.3.2017 - 2 A 215/17 -, juris).“
- 83
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der UNHCR in seinem Bericht von November 2017 (G 35/17, insbesondere S. 35 ff.) nicht mehr erwähnt, dass aus dem Ausland zurückkehrenden syrischen Asylbewerbern allein aufgrund des im Ausland betriebenen Asylverfahrens beachtlich wahrscheinlich eine oppositionelle Haltung zugeschrieben werde. Auch das Auswärtige Amt spricht in seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2017 (Auskunft an VG Magdeburg, 2017/10) davon, dass die Willkür von Inhaftierungen, auch zum Erpressen von Lösegeld etc. extrem hoch sei.
- 84
b) Die Zugehörigkeit zum sunnitischen Glauben stellt zur Überzeugung des Senats keinen risikoerhöhenden Faktor dar, aufgrund dessen dem Kläger bei einer Rückkehr nach Damaskus beachtlich wahrscheinlich die Gefahr einer Verfolgung drohen würde, weil ihm deshalb eine regimefeindliche Haltung zugeschrieben werden würde.
- 85
Soweit der UNHCR in seiner Stellungnahme von November 2015 (Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, G 15/15, S. 26) davon ausgeht, dass die Mitgliedschaft in religiösen Gruppen - darunter auch die Sunniten - ein gefahrerhöhendes Moment sein könne, kann dieses nicht generell gelten, sondern muss jeweils im regionalen Kontext und in der ggf. spezifischen Konfliktsituation beurteilt werden. Dies gilt zur Überzeugung des Senats gerade in Bezug auf Personen sunnitischen Glaubens, da knapp drei Viertel der syrischen Bevölkerung bei Ausbruch des Bürgerkriegs sunnitischen Glaubens waren und Angehörige des sunnitischen Glaubens innerhalb des Assad-Regimes hohe Stellungen einnehmen.
- 86
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der UNHCR in seiner Stellungnahme von November 2017 (G 35/17, S. 54 ff.) die Angehörigkeit zum sunnitischen Glauben nicht mehr als per se risikoerhöhenden Faktor ansieht und auch nicht als ein Merkmal, aufgrund dessen der Person regierungsfeindliche Absichten unterstellt werden (ebenso: VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2017, A 11 S 710/17, DVBl. 2017, 1317, juris Rn. 48). Vielmehr geht der UNHCR davon aus, dass die Verfolgungsgefahr für Mitglieder religiöser und ethnischer Gruppen von Region zu Region variiert und von den spezifischen Konfliktbedingungen der jeweiligen Region abhänge. Eine Verfolgungsgefahr ergebe sich insbesondere für Angehörige religiöser und ethnischer Gruppen, die aus Gebieten stammten, die von regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden würden, so dass diesen abhängig von den individuellen Umständen des Einzelfalles der Flüchtlingsschutz zu gewähren sei. Hierunter fällt der Kläger als Sunnit nicht. Zu berücksichtigen ist dabei zudem, dass der Kläger seit 2013 bis zu seiner Ausreise in Damaskus gelebt hat. Dafür dass Sunniten in Damaskus wegen ihrer Religionszugehörigkeit durch das Assad-Regime verfolgt werden, liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor.
- 87
c) Der Senat hat keine belastbaren Erkenntnisse, dass die tscherkessische Volkszugehörigkeit Anknüpfungspunkt für eine Verfolgung durch das Assad-Regime ist. Insoweit wird ergänzend auf die vorstehenden Ausführungen unter 2. Bezug genommen.
- 88
d) Das Gericht hat auch keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Herkunft des Klägers aus der Region Qunaitra, die ca. seit 2012 von der Freien Syrischen Armee gehalten wird, beachtlich wahrscheinlich Anknüpfungspunkt für eine Verfolgung durch das Assad-Regime ist, weil ihm deshalb eine regimefeindliche Haltung zugeschrieben werden würde. Hiergegen spricht bereits, dass die Familie des Klägers nach seinen eigenen Angaben 2013 nach Damaskus umgezogen ist und seitdem dort lebt, ohne in Schwierigkeiten mit dem Assad-Regime gekommen zu sein. Der Kläger ist nach seinem eigenen Vorbringen bis zu seiner (offiziellen) Ausreise über den Flughafen Damaskus zur Schule gegangen; insoweit geht das Gericht davon aus, dass er in Damaskus zur Schule gegangen ist (vgl. zur Herkunft aus Aleppo: VGH Mannheim, Urt. v. 9.8.2017, A 11 S 710/17, DVBl. 2017, 1317, juris Rn. 49). Auch seine Schwester hat in Damaskus gelebt und dort von 2013 - Mitte 2015 studiert.
- 89
e) Nach Ansicht des Senats begründet auch die Gesamtheit dieser Umstände keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungshandlung in Anknüpfung an die aufgeführten Umstände; insbesondere liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass beachtlich wahrscheinlich dem Kläger bei Rückkehr in Anknüpfung daran eine regimefeindliche Haltung unterstellt werden würde.
IV.
- 90
Eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung des Klägers in Anknüpfung an asylrechtlich erhebliche Merkmale wegen seines Auslandsaufenthalts im wehrdienstfähigen Alter konnte - auch in Verbindung mit den vorgenannten Umständen - zur Überzeugung des Senats nicht ermittelt werden. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu den Regelungen über den Wehr- und Militärdienst und die Praxis deren Umsetzung (1.) geht der Senat davon aus, dass der Kläger bisher nicht gegen Vorschriften des syrischen Rechts im Zusammenhang mit der Wehrpflicht verstoßen hat (2.). Aber auch wenn der Senat unterstellt, dass das Assad-Regime den Kläger aufgrund des längeren Aufenthalts im wehrdienstfähigen Alter bei einer hypothetischen Rückkehr wie einen Wehr- bzw. Militärdienstentziehber bzw. -verweigerer behandeln würde, bestehen zur Überzeugung des Senats keine hinreichenden Erkenntnisse, dass dem Kläger bei Rückkehr in Anknüpfung daran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen (3.) wegen flüchtlingsrechtlich erheblicher Merkmale (4.) drohen würden.
- 91
1. Zum Wehr- bzw. Militärdienst geht der Senat von Folgendem aus (soweit nicht besonders aufgeführt, liegen der Einschätzung folgende Erkenntnisquellen zugrunde: AA, v. 2.1.2017, 2017/1; Dt. Botschaft Beirut, Auskunft an das BAMF v. 3.2.2016, 2016/1; BFA, v. 5.1.2017, G 26/17; BFA, Fact Finding Mission Report Syrien v. August 2017, G 11/17; DOI, v. 1.2.2017, G 6/17; DOI, Auskunft an das OVG Schleswig v. 8.11.2016, G 3/16; Danish Refugee Council - DRC -, Syria v. August 2017, G 23/17; SFH, Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion v. 23.3.2017, G 19/17; SFH v. 21.3.2017, G 5/17; SFH, Syrien: Mobilisierung in die syrische Armee v. 28.3.2015, G 8/15; SFH, Syrien: Die National Defense Forces v. 28.3.2015, G 9/15; SFH, Syrien: Umsetzung der Amnestien v. 14.4.2015, G 10/15; SFH, Syrien: Rekrutierung durch die Syrische Armee, v. 30.7.2014, G 3/14; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse zu Syrien: Umsetzung der Freistellung vom Militärdienst als „einziger Sohn“ v. 20.10.2015, G 13/15; Finnische Einwanderungsbehörde, Syria: Military Service, National Defense Forces, armed groups supporting Syrian Regime and armed opposition, v. 23.08.2016, G 15/16; UNHCR, April 2017, G 7/17; UNHCR, November 2017, G 35/17):
- 92
In Syrien besteht allgemeine Wehrpflicht, die grundsätzlich für alle syrischen Männer unabhängig von ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund wie auch für Palästinenser, die in Syrien leben, gilt; auch Oppositionelle werden einberufen. Die Registrierung für die Wehrpflicht erfolgt im Alter von 18 Jahren. Nach Auskunft des BFA (08/2017, G 11/17, S. 18) sind junge Männer im Alter von 17 Jahren aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von mindestens 18 Jahren werden die Männer per Einberufungsbescheid zum Ableisten des Wehrdienstes aufgefordert. Zudem werden junge Männer an Kontrollstellen oder bei Razzien auf öffentlichen Plätzen (zwangs)rekrutiert (AA, 2.1.2017, 2017/1; BFA, 08/2017, G 11/17,S. 18; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13,). Jeder Mann im Alter zwischen 18 und 42 Jahren ist verpflichtet, einen zweijährigen Militärdienst abzuleisten. Allerdings weisen einzelne Quellen darauf hin, wonach die Wehrpflicht in der Praxis in Einzelfällen bis zum 50. bzw. sogar bis zum 60. Lebensjahr ausgeweitet wird bzw. jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter rekrutiert werden kann; daneben soll es auch zu Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen kommen (BFA, 08/2017, G 11/17, S. 18; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 5 ff.).
- 93
Ausnahmen von der Wehrpflicht werden - von Bestechungen abgesehen - bei Personen jüdischen Glaubens oder bei Untauglichkeit gemacht. Zudem bestehen Regelungen über Ansprüche auf Aufschub vom Antritt des Grundwehrdienstes etwa für Einzelkinder oder Studenten - hier je nach Art des Studiums gestaffelt, regelmäßig höchstens bis 27 Jahre. Diese Regelungen gelten zwar formal weiter, in der Praxis finden sie allerdings aufgrund des stark zunehmenden Personalbedarfs nur eingeschränkt und zunehmend willkürlich Anwendung. Für im Ausland lebende Männer gibt es z.T. die Möglichkeit, sich gegen Zahlung einer Geldkompensation vom Militärdienst zu befreien (vgl. BFA, 08/2017, G 11/17, S. 19 f.; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8 f.; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 8).
- 94
Es besteht keine Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern bzw. zivilen Ersatzdienst zu leisten. Entlassungen aus dem Militärdienst sind nach den verwerteten Erkenntnisquellen seit dem Jahre 2011, dem Beginn der militärischen Auseinandersetzung, eher zur Ausnahme geworden; viele Wehrpflichtige sind über Jahre hinweg in der Armee tätig und oftmals wäre Desertion die einzige Möglichkeit, den Militärdienst zu beenden.
- 95
Gediente Wehrpflichtige müssen nach Beendigung des Wehrdienstes als Reservisten jederzeit abrufbar sein. In der Vergangenheit wurden alle Männer bis zum Alter von 42 Jahren als Reservisten geführt; aufgrund der prekären Personalsituation gibt es gegenwärtig kein festgesetztes Höchstalter für die Aktivierung von Reservisten mehr, vielmehr werden nach den vorliegenden Auskünften im Einzelfall - je nach Ausbildung und bisheriger Tätigkeiten für die Armee - Männer im Alter von bis zu 50 oder sogar 60 Jahren erneut zum Dienst verpflichtet.
- 96
Über die aktuelle Praxis der Rekrutierung wird berichtet (vgl. insgesamt zum Nachfolgenden: BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 23; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8, 13), dass es im Zeitraum von März 2016 bis März 2017 keine Generalmobilmachung gegeben hat. Jedoch wurden offenbar in verschiedenen Wellen die Bemühungen intensiviert, Wehrpflichtige und Reservisten einzuziehen; nach einigen Quellenangaben erfolgte dies deshalb, weil nur wenige Männer auf die Einberufung reagiert und sich zum Dienst eingefunden haben (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8). Die regulären Rekrutierungsmethoden würden immer noch angewendet werden, weil das Regime zeigen wolle, dass sich nichts verändert habe. So würden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Es gebe aber auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien lebten (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 23). Insgesamt sei schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee tatsächlich durchgesetzt werde. In der syrischen Armee herrsche zunehmende Willkür und die Situation könne sich von einer Person zur anderen unterscheiden (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 22). So wird über die im Land errichteten Kontrollstellen beispielsweise berichtet (UNHCR, April 2017, G 7/17, S. 24 ff.; UNHCR, Auskunft an VGH Kassel v. 30.5.2017, G 9/17, S. 2), dass an diesen in großem Maße Männer im wehrdienstfähigen Alter, die einen Einberufungsbescheid erhalten hätten, aber auch solche, bei denen dies noch nicht der Fall gewesen sei, eingezogen würden, während an anderer Stelle berichtet wird, an diesen würden massenhaft Bestechungsgelder verlangt (vgl. zur finanziellen Lage: Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7, und Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 15 07 2017, S. 3, ca. 2000 Kontrollstellen; Truppendienst, Streitkräfte des Assad-Regimes, Februar 2017, S. 2: „... während die Armee Bestechungsgelder an Kontrollpunkten kassiert ...“).
- 97
Männer im Alter zwischen 18 und 42 Jahren dürfen seit März 2012 nur mit einer offiziellen Beglaubigung des Militärs, mit der bescheinigt wird, dass sie von der Wehrpflicht bzw. vom Militärdienst freigestellt sind, das Land verlassen; seit Herbst 2014 besteht darüber hinaus für Männer, die zwischen 1985 und 1991 geboren sind, ein generelles Ausreiseverbot. Jungen Männern vor Erreichen des 18. Lebensjahres wird die Ausreise erschwert, indem Reisepässe nur für eine kurze Gültigkeitsdauer ausgestellt werden (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 24).
- 98
Neben den Streitkräften des Assad-Regimes, der Syrisch-Arabischen Armee (nachfolgend: syrische Armee), besteht eine Vielzahl von dem Assad-Regime treuen Milizen und Kampfverbänden, die vom Assad-Regime unterstützt werden. Sie werden von politischen Akteuren wie der Syrisch Arabischen Baath Partei, von Palästinensern, reichen Geschäftsmännern oder ethnischen Akteuren angeführt. Auch die verschiedenen Geheimdienste rekrutieren ihre eigenen paramilitärischen Gruppen. Die lokalen Verteidigungsmilizen sind oft nach Konfession organisiert und kämpfen, um ihre Herkunftsregion zu verteidigen (SFH v. 23.3.2017, G 19/17, S. 3). Das Assad-Regime hat mit der Unterstützung des Irans versucht, diese Milizen in den 2013 gegründeten Nationalen Verteidigungskräften (National Defense Forces, NDF) zu bündeln und unter die Kontrolle der syrischen Armee zu bringen. Dabei scheint es so zu sein, dass die NDF als Dachorganisation konzipiert wurde, unter dem regimefreundliche Milizen unter der Kontrolle der syrischen Armee organisiert wurden (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 15; BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 25). Die genaue Mannstärke der NDF ist nicht bekannt, Schätzungen reichen von 60.000 bis 100.000 Mitglieder. Kämpfer der NDF gelten als dem Regime loyaler als die Wehrdienstleistenden in der Armee. Indem man der NDF beitrete, könne man den Wehr- bzw. Militärdienst bei der syrischen Armee vermeiden und den Einsatzort besser beeinflussen. Der Beitritt zu den NDF sei grundsätzlich freiwillig, allerdings solle es auch Zwangsrekrutierungen gegeben haben. Daneben gibt es auch Hinweise, dass das Assad-Regime versucht, Männer in den Militärdienst einzuziehen, die sich gemäß ihrem Versprechen anstelle des Militärdienstes bereits einer lokalen Miliz angeschlossen haben (vgl. BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 25 f.; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 3, 6). Die NDF unter der Führung des Assad-Regimes sollen 2016 weitgehend auseinandergebrochen sein. Da die paramilitärischen Gruppen von unterschiedlichen Geldgebern mit eigenen Zielen geführt wurden, ist es auch zu direkten Konfrontationen mit dem Assad-Regime gekommen (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 3; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 15). Aktuell wird berichtet, dass den Milizen der NDF etwa 100.000 Männer angehören, die mit der syrischen Armee kämpfen, diese Milizen jedoch inzwischen durch den Iran bezahlt werden und unter deren Befehlsgewalt eingegliedert sind (vgl. Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7). Hinzu kommen Lokale Verteidigungskräfte (LDF), die Teil der vom Iran finanzierten und kontrollierten Hisbollah/Syrien sein sollen, die vom Assad-Regime als „Mitglieder der syrischen Streitkräfte“ angesehen werden, obwohl diese nicht unter dem Kommando des Assad-Regimes stehen (vgl. Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7).
- 99
Wehrdienstverweigerung wird nach dem Military Penal Code geahndet (vgl. AA, 2.1.2017, 2017/1; Dt. Botschaft Beirut, 3.2.2016, 2016/1; SFH, 30.07.2014, G 3/14; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 8 f.). Nach dessen Artikel 98 wird, wer sich der Einberufung entzieht, mit Haft zwischen einem und sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft. Wer das Land verlässt, ohne eine Adresse zu hinterlassen, unter der er immer erreichbar ist, und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Für Desertion im eigentlichen Sinn werden in Artikel 101 fünf Jahre Haft angedroht bzw. fünf bis zehn Jahre, wenn der Deserteur das Land verlässt. Erfolgt die Desertion in Kriegszeiten oder während des Kampfes, beträgt die Haftstrafe 15 Jahre; Desertion im Angesicht des Feindes wird gemäß Artikel 102 mit lebenslanger Haft bzw. bei Überlaufen zum Feind mit Exekution bestraft. Berichten zufolge kann auch ein Wehrdienstentzug durch illegale Ausreise von nicht gemusterten bzw. nicht einberufenen Wehrpflichtigen mit Geldbuße oder Gefängnis bestraft werden (AA, 02.01.2017, 2017/1, S. 5).
- 100
Die Umsetzung der Bestrafung scheint willkürlich zu sein (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 10 f.). Insoweit gibt es einerseits Stellungnahmen, dass zurückkehrenden Wehrdienstpflichtigen Haft, Folter, Misshandlungen, Einsatz an der Front sowie dauerhaftes Verschwinden bzw. Tod drohe (vgl. DOI, 8.11.2016, G 3/16, wonach bei Wehrdienstentziehung eine harte Strafe bis hin zu Todesstrafe, aber oft auch Folter drohe; Dt. Botschaft Beirut, 3.2.2016, 2016/1, wonach im Zusammenhang mit einem nicht abgeleisteten Militärdienst Fälle von Haft oder dauerndem Verschwinden bekannt geworden seien; IRB Canada, 19.1.2016, G 5/16, wonach Wehrdienstpflichtige eine sehr vulnerable Gruppe darstellen; Danish Refugee Council, SYRIA, Update on Military Service, September 2015, G 11/15, S. 18, wonach das syrische Regime bei Wehrdienstentziehung mit Einberufung nach Arrest, Einsatz an der Front, Bestrafung, Misshandlung reagiert; SFH v. 28.3.2015, G 8/15, wonach es bei ergriffenen Wehrdienstverweigerern in der Haft zu Folter komme). Andererseits wird aber auch berichtet, dass die Bestrafung häufig von der Position und dem Rang des Betreffenden, seinem Profil, aber auch dem Bedarf an der Front abhänge (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 10). Weiter wird ausgeführt, dass einige der Verhafteten zwar zu Haftstrafen verurteilt und dann eingezogen würden, andere aber lediglich verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt würden (SFH, 28.3.2015, G 8/15; BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 27). Das DRC berichtet unter Berufung auf verschiedene Quellen, u.a. C. Kozak (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13 f., Fn. 62), dass Wehrdienstentzieher, wenn sie aufgegriffen werden, riskieren in den Militärdienst gesandt zu werden, während Deserteuren härtere Strafen drohten, wie z.B. Haft oder Todesstrafe. Der UNHCR (11/2017, G 35/17, S. 39 unten/S. 40 oben) führt hierzu aus, dass unabhängige Beobachter bemerken, dass Wehrdienstentziehung von der Regierung wahrscheinlich als politischer, gegen die Regierung gerichteter Akt betrachtet werde, der zu einer Bestrafung führen könne, die über die strafrechtlich vorgesehenen Sanktionen hinausgehe, einschließlich härterer Behandlung bei der Inhaftierung, während der Haft und Befragungen sowie während des militärischen Einsatzes, wenn sie wieder eingesetzt werden. In der Praxis würden Berichten zufolge Wehrdienstentzieher aber eher, als dass sie nach dem Militärstrafgesetzbuch bestraft würden, innerhalb von Tagen oder Wochen nach ihrer Verhaftung an die Front geschickt, oft nach nur minimaler Ausbildung. Nach anderen Berichten gebe es aber auch Deserteure, die nachdem sie wieder aufgegriffen worden seien, in den Militärdienst bzw. an die Front geschickt worden seien (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 14 mit Fn. 67 - 69). Insgesamt ist die Zahl der Wehr- bzw. Militärdienstverweigerer sehr hoch (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13; UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 2; UNHCR, April 2017, G 7/17, Fn. 117). Nicht in jedem Einzelfall würden Nachforschungen betrieben (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 13).
- 101
2. Der Kläger konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass er durch seine Ausreise und seinen Auslandsaufenthalt gegen Vorschriften des syrischen Strafrechts verstoßen hat, weil er sich dem Militärdienst entzogen habe.
- 102
a) Eine Entziehung von der Wehrpflicht setzt nach den vorstehenden Ausführungen voraus, dass der Kläger einen Einberufungsbescheid erhalten hat. Der Umstand, dass der Kläger sein Wehrbuch nicht abgeholt hat, ist insoweit nicht ausreichend. Nach seinem Vorbringen hat der Kläger bis zu seiner Ausreise keinen Einberufungsbescheid erhalten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger erklärt, seinen Eltern sei nach seiner Ausreise kein Einberufungsbescheid zugegangen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat er dies nicht weiter ergänzt.
- 103
b) Angesichts des Umstandes, dass der Kläger am 6. Januar 2016 Syrien über den Flughafen Damaskus legal verlassen hat, geht der Senat zudem davon aus, dass der Kläger vom Militärdienst freigestellt war. Zum Zeitpunkt der Ausreise war der Kläger bereits 18 Jahre alt. Nach den vorstehend genannten Quellen ist eine legale Ausreise für Männer ab 18 Jahren nur mit Genehmigung der Militärbehörden möglich. Am Flughafen Damaskus finden umfangreiche Personen- und Grenzkontrollen statt, so dass eine illegale Ausreise nahezu unmöglich sein dürfte (vgl. AA, Auskunft an VG Trier v. 12.10.2016, 2016/5). Soweit der Kläger in der Befragung bei dem Bundesamt berichtet hat, dass er am Flughafen in Damaskus von Kontrollbeamten befragt worden sei, ob er sich der Wehrpflicht entziehen wolle, und er dies verneint habe und man ihn dann habe passieren lassen, ist dies für das Gericht nicht glaubhaft. Die Schilderung ist detailarm und erfolgte erst auf Nachfrage, obwohl dies für den Kläger auch angesichts der drohenden Verhaftung eine sehr prekäre Situation gewesen sein muss. Soweit der Kläger seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bekräftigt und ergänzt sowie mit der Aussage seiner Schwester harmonisiert hat, die erklärt hat, der Kläger habe sich am Flughafen nicht geäußert, ist auch diese Aussage zur Überzeugung des Berufungsgerichts nicht glaubhaft. Hinsichtlich der Frage, wann der Reisepass von den syrischen Beamten gestempelt worden ist, ist sie zudem in sich widersprüchlich und auch deshalb unglaubhaft. Beide Aussagen widersprechen der oben ausgeführten Faktenlage, wonach bei der Ausreisekontrolle - gerade auch am Flughafen Damaskus - gezielt überprüft wird, ob eine ggf. notwendige Genehmigung der Militärbehörden vorliegt.
- 104
Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zudem erklärt hat, dass er keine Bestechungsgelder für seine Ausreise geleistet hat, geht der Senat davon aus, dass der Kläger von der Wehrpflicht freigestellt war, da er nur so Syrien legal verlassen konnte. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Gegenteiliges behauptet hat, hält der Senat dies angesichts der vorstehenden Ausführungen nicht für glaubhaft.
- 105
c) Es ist auch nicht zu erkennen, dass der Kläger das Land entgegen den gesetzlichen Bestimmungen verlassen hat, ohne eine Adresse hinterlassen zu haben, unter der er erreichbar ist, und sich so der Einberufung entzogen hat. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass der Kläger bis zu seiner Ausreise bei seinen Eltern in Damaskus wohnhaft und den syrischen Militärbehörden dies auch bekannt war. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger dort offiziell gemeldet war, haben die syrischen Behörden mit dem Kläger in Hinblick auf die Abholung seines Wehrbuches Kontakt gehabt. Dass der Kläger hierbei nicht seine Wohnadresse in Damaskus genannt haben will, erscheint nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die gesamte Familie Anfang 2016 seit mehr als zwei Jahren in Damaskus gelebt hat. Zudem ist der Kläger dort zur Schule gegangen, seine Schwester hat nach ihren Angaben in der Anhörung vor dem Bundesamt dort am 10. November 2013 ihr Studium aufgenommen sowie ca. 18 Monate in Damaskus studiert und sein im Ruhestand befindlicher Vater wird dort seine Rente bezogen haben. Dies legt es nahe, dass die Familie des Klägers sich dort auch offiziell angemeldet hat und der Kläger in der Anhörung vor dem Bundesamt zutreffend erklärt hat, seine letzte offizielle Wohnanschrift sei die in Damaskus benannte Anschrift gewesen, wie dies im Protokoll der Anhörung niedergelegt ist. Soweit der Kläger demgegenüber in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt hat, bei der Anhörung vor dem Bundesamt sei nur nach der letzten Wohnanschrift, nicht aber nach der letzten offiziellen Anschrift gefragt worden, erscheint dies nicht glaubhaft. Hiergegen sprechen die zuvor genannten Umstände.
- 106
3. Aber auch wenn der Senat unterstellt, dass das Assad-Regime den Kläger aufgrund des längeren Auslandsaufenthalts im wehrdienstfähigen Alter bei einer hypothetischen Rückkehr wie einen Wehr- bzw. Militärdienstentzieher behandeln würde, der der Einberufung nicht gefolgt ist, ohne Genehmigung des Militärs das Land verlassen hat und keine Adresse hinterlassen hat, unter der er für die Militärbehörden erreichbar ist, lässt sich nach Ansicht des Senats den vorliegenden Erkenntnisquellen nicht hinreichend verlässlich entnehmen, dass dem Kläger beachtlich wahrscheinlich eine Verfolgungshandlung aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründen, insbesondere wegen einer unterstellten Regimegegnerschaft, droht. Insoweit kann nicht beachtlich wahrscheinlich festgestellt werden, dass dem Kläger eine Bestrafung bzw. Inhaftierung (nachfolgend a)) droht und ihm insoweit eine regimefeindliche Haltung unterstellt werden würde (nachfolgend b)). Ebenso liegen keine hinreichenden Erkenntnisse dazu vor, dass dem Kläger sonstige Verfolgungshandlungen wie eine härtere Behandlung während des Militärdienstes oder ein unmittelbarer Fronteinsatz aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründen droht (nachfolgend c)). Die dem Kläger drohende Rekrutierung erfolgt ebenfalls nicht in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe.
- 107
a) Den Erkenntnisquellen lassen sich zur Überzeugung des Senats keine Anhaltspunkte in hinreichender Dichte dafür entnehmen, dass der Kläger bei der gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien bestraft bzw. inhaftiert werden würde, selbst wenn das Assad-Regime dem Kläger die Erfüllung der Straftatbestände der Wehrdienst- bzw. Militärdienstentziehung unterstellen würde. Insoweit liegen uneinheitliche Erkenntnisse darüber vor, ob einem Wehrdienst- bzw. Militärdienstentzieher allein eine Einziehung zum Wehrdienst und ein Militäreinsatz oder allein oder zusätzlich eine Inhaftierung bzw. ein Strafverfahren droht; es scheint eher wahrscheinlich zu sein, dass diesen Personen allein eine Einziehung zum Wehr- bzw. Militärdienst droht. Gleichzeitig lassen sich den Erkenntnisquellen nicht in hinreichender Dichte Verfolgungsfälle - d.h. konkrete Berichte über Fälle und Anzahl von Inhaftierung und ggf. Misshandlungen aufgrund von Wehr- bzw. Militärdienstentziehung - entnehmen, die im Verhältnis zu den erheblichen Rekrutierungsanstrengungen des Assad-Regimes z.B. an im Land errichteten Kontrollpunkten als ins Gewicht fallend angesehen werden können.
- 108
aa) Die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen beurteilen die Folgen einer Entziehung vor dem Wehrdienst bzw. Militärdienst uneinheitlich. Ihnen lassen sich zudem keine hinreichenden Fakten dafür entnehmen, dass (ggf. zurückkehrenden) Wehr- bzw. Militärdienstdienstverweigerern beachtlich wahrscheinlich eine Bestrafung und/oder Inhaftierung droht, sofern keine weiteren individuellen Anhaltspunkte auf eine Regimegegnerschaft hindeuten.
- 109
Berichte zu aus dem Ausland zurückkehrenden Personen, die sich durch Ausreise dem Wehrdienst bzw. dem Militärdienst entzogen haben, liegen nicht vor. Auch aufgrund der Erkenntnisse zu den in Syrien aufgegriffenen Wehr- bzw. Militärdienstentziehern hat der Senat keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass diesen beachtlich wahrscheinlich Inhaftierung und Misshandlung droht.
- 110
(1) Der UNHCR führt in seiner Stellungnahme von November 2017 (G 35/17, S. 40, Fn. 227 unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des UNHCR von Februar 2017) sowie vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 2) aus, dass Berichten zufolge in der Praxis Wehr- bzw. Militärdienstentziehern eher als strafrechtliche Sanktionen (Inhaftierung) nach dem Militärstrafgesetz innerhalb von Tagen bzw. Wochen nach ihrer Festnahme ein Einsatz an vorderster Front droht, oft nur mit einer minimalen Ausbildung. In der deutschen Übersetzung von April 2017 (G 7/17, S. 23 und Fn. 113) der in Bezug genommenen Stellungnahme vom Februar 2017 heißt es, dass berichtet werde, dass Wehrdienstentzieher in der Praxis festgenommen und unterschiedlich lange inhaftiert würden und danach in ihrer militärischen Einheit Dienst leisten müssten. Aus Berichten gehe hervor, dass sie während der Haft dem Risiko von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt seien. Als Referenz wird eine Anwältin von Human Rights Watch (HRW) mit der Äußerung zitiert, HRW wisse, dass Menschen in Syrien aufgrund ihrer Weigerung, in der Armee zu dienen, inhaftiert seien. Zudem wird ein Bericht von Al Jazeera vom Juni 2016 angeführt, wonach mögliche Folgen für Wehrdienstentzieher umgehende Einziehung nach der Festnahme, Einsatz an vorderster Front, Untersuchung und Folter und/oder Inhaftierung seien. Welche Konsequenz(en) die Wehrdienstentziehung habe, könne vom Profil der betreffenden Person, ihren Verbindungen und dem Gebiet abhängen. Wenn die Behörden die betreffende Person verdächtigten, Verbindungen zu Oppositionsgruppen zu haben, dann würden Ermittlungen und Misshandlungen, einschließlich Folter folgen.
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Der Bericht von Al Jazeera deutet eher darauf hin, dass eine Inhaftierung mit Misshandlung und Folter droht, wenn aufgrund weiterer Umstände von einer oppositionellen Haltung ausgegangen wird. Ob dies auch den von der Anwältin von HRW zitierten Fällen zugrunde liegt, lässt sich dem Zitat nicht entnehmen; dies kann der Senat nicht ausschließen. Dem Bericht ist nicht zu entnehmen, auf welche Faktenlage er gestützt ist. Eine zahlenmäßige Größenordnung, die für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit von Inhaftierung und Folter insbesondere angesichts der Tatsache, dass Wehrdienstentziehung in Syrien weit verbreitet ist, sowie angesichts der nachstehend unter bb) aufgeführten Erwägungen notwendig wäre, kann dem Bericht nicht entnommen werden.
- 112
Soweit ein Einsatz an vorderster Front innerhalb von wenigen Tagen und Wochen nach der Festnahme berichtet wird, führt der UNHCR in seiner Stellungnahme von April 2017 an anderer Stelle (vgl. G 7/17, S. 25 und Fn. 122) aus, dass es gängige Praxis sei, Wehrpflichtige und Reservisten nach begrenzter oder ganz ohne militärische Ausbildung an den Frontlinien einzusetzen. Als Referenz wird in der Fußnote 122 der Syrienexperte des Institute for the Study of War (ISW), Herr Kozak, zitiert, wonach Reservisten fast grundsätzlich an die vorderste Front und neu eingezogene Wehrdienstleistende fast ohne Ausbildung in den Kampf geschickt würden. Angesichts dessen kann nicht beachtlich wahrscheinlich festgestellt werden, dass Militärdienstentzieher nach ihrer Festnahme härter behandelt werden als Personen, die der Einberufung zum Wehrdienst bzw. der Einberufung als Reservist gefolgt sind (vgl. zum sog. Politmalus: BVerfG, Beschl. v. 29.4.2009, 2 BvR 78/08, juris Rn. 18 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017, 1 B 22.17, juris Rn. 14).
- 113
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Inhaftierung ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme von Herrn Kozak, die in der Stellungnahme des UNHCR von November 2017 sowie vom 30. Mai 2017 wiedergegeben wird (UNHCR, 11/2017, G 35/17, S. 40, Fn. 226 - E-Mail v. C. Kozak v. 6.10.2017; UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 3 Fn. 14 - E-Mail v. C. Kozak v. 18.5.2017 -, vgl. auch S. 6, E-Mail v. 24.5.2017). Herr Kozak wird dahingehend zitiert, er habe Berichte gehört, dass das Verhalten eingezogener Wehrdienstentzieher durch Militäroffiziere und andere Offizielle als verräterisch und regierungsfeindlich angesehen würde. In der Stellungnahme des UNHCR vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 6) wird er dahingehend zitiert, dass die Regierung in der Praxis aufgrund des anhaltenden Bedarfes an Streitkräften ein begrenztes Interesse daran zeige, Wehrdienstentzieher den geltenden rechtlichen Sanktionen zu unterziehen. Anstatt langjähriger Gefängnisstrafen scheine die rasche Einberufung in den Wehrdienst die bevorzugte Reaktion auf Wehrdienstentziehung zu sein und zwar selbst bei Personen, die in Regionen wohnten, die zuvor unter der Kontrolle von Oppositionsgruppen gestanden hätten. Die meisten Wehrdienstentzieher befänden sich daher vermutlich nicht für lange Zeit im Strafverfolgungssystem. Die brutalen Bedingungen der Einziehung zum Militärdienst mit haftähnlicher Internierung auf Militärstützpunkten und minimalem Training vor dem Fronteinsatz blieben jedoch bestehen. Den Äußerungen ist nicht zu entnehmen, auf welcher Faktenlage sie beruhen, ob es sich um eine wertende Einschätzung handelt oder diesen Äußerungen Erkenntnisse über entsprechende Inhaftierungen und ggf. in welcher Größenordnung bzw. unter welchen Umständen zugrunde liegen. Die Angabe einer die Einschätzung stützenden Faktenlage ist zur Überzeugung des Gerichts auch angesichts der nachfolgend unter bb) ausgeführten Erwägungen - insbesondere des hohen Personalbedarfs des Assad-Regimes - notwendig, die dafür sprechen, dass Wehrdienstentzieher nach einer Festnahme ohne vorangegangenes Strafverfahren oder Strafhaft umgehend zum Militärdienst eingezogen werden, d.h. auf Militärbasen verbracht, dort ausgebildet und dann an der Front eingesetzt werden.
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Die weiteren vom UNHCR in der Stellungnahme vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 6 f.) genannten Referenzquellen (J. Landis, R. Davis und L. Fakih) gehen nach ihrem Verständnis des Assad-Regimes bzw. auf der Grundlage von nicht näher genannten Interviews davon aus, dass Wehrdienstverweigerung als regierungsfeindlich angesehen werde. Den Äußerungen lässt sich - soweit es sich nicht nur um Wertungen handelt - keine Faktengrundlage entnehmen.
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Die vom UNHCR genannten zusätzlichen Risikofaktoren knüpfen an eine vermutete Regimegegnerschaft an. Anhaltspunkte ergeben sich insoweit in Bezug auf den Kläger nicht. Aus der Region Qunaitra ist er mit seinen Eltern nach Damaskus und somit in ein von dem Assad-Regime kontrolliertes Gebiet geflohen. Seine Eltern leben dort nach den Angaben des Klägers unbehelligt. Soweit die Stellungnahme des UNHCR dahin zu verstehen sein sollte, dass sich allein die Stellung eines Asylantrages bzw. die Registrierung als Flüchtling risikoerhöhend auswirkt, vermag der Senat dies - wie unter III. ausgeführt sowie angesichts der Zahl von ca. 6,5 Mio. Flüchtlingen - nicht zu teilen. Wie ausgeführt fehlen belastbare Erkenntnisse über den Umgang des Assad-Regimes mit zurückkehrenden syrischen Staatsangehörigen im wehrdienstfähigen Alter.
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(2) Das DRC (08/2017, G 23/17, S. 13 unter Hinweis auf C. Kozak) geht davon aus, dass die individuelle Verfolgung von einzelnen Personen, die sich dem Wehrdienst bzw. dem Militärdienst entzogen hätten, auch angesichts der Vielzahl derjenigen, die der Einberufung nicht gefolgt seien, nicht im Vordergrund stehe. Weiter wird dort (S. 13 f., Fn. 62) unter Berufung auf C. Kozak und andere Quellen ausgeführt, dass Wehrdienstentzieher, wenn sie festgenommen werden, riskieren zum Militärdienst eingezogen zu werden, während Deserteuren eher schwerere Konsequenzen drohen, wie Inhaftierung (imprisonment) oder die Todesstrafe.
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(3) Das Auswärtige Amt (2.1.2017, 2017/2, S. 2 f.) berichtet über Befragungen von Rückkehrern aus dem Ausland durch Sicherheitsdienste sowie, dass die Sicherheitsdienste im rechtsfreien Raum agieren würden; es führt jedoch gleichzeitig aus, dass zu einer systematischen Anwendung von schwerwiegenden Eingriffen bei derartigen Befragungen keine Erkenntnisse vorlägen. Zur speziellen Verfolgungsgefahr für zurückkehrende Wehrdienstentzieher äußert sich das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme vom 13. September 2017 an das VG Köln (2017/9, S. 1). Es führt aus, dass über die Exekution von desertierten Soldaten berichtet werde, sowie über willkürliche Verhaftungen von Männern, die sich nicht ausweisen könnten und aus umkämpften Gebieten geflohen seien. „Dies gilt auch für Männer im wehrpflichtigen Alter, die sich dem Militärdienst entzogen haben“. Selbst wenn sich diese Äußerung nicht nur auf willkürliche Verhaftungen, sondern auch auf die Exekution beziehen sollte, ist diese nicht weiter belegte Äußerung auch angesichts der gegenteiligen Erkenntnisse, dass die Rekrutierung von Wehrpflichtigen im Vordergrund stehe, nicht belastbar.
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In der Auskunft der deutschen Botschaft Beirut (3.2.2016, 2016/1, S. 1) wird von Fällen berichtet, bei denen Rückkehrer befragt, zeitweilig inhaftiert und dauerhaft verschwunden seien. Dies stehe aber überwiegend in Zusammenhang mit oppositionsnahen Aktivitäten. Der erkennende Senat geht - wie nachfolgend unter b. ausgeführt - nicht davon aus, dass Wehrdienstentziehern allein aufgrund der Wehrdienstentziehung eine Regimegegnerschaft zugeschrieben wird.
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(4) Das Deutsche Orient-Institut führt in seiner Auskunft vom 8. November 2016 (G 3/16, S. 1, 2) zwar aus, dass wenn die Ausreise u.a. dem Zweck gedient habe, sich dem Wehrdienst zu entziehen, dies eine harte Bestrafung nach sich ziehe. Dem stehen aber die anders lautenden neueren Stellungnahmen des UNHCR entgegen, wonach derzeit die Einziehung zum Militärdienst im Vordergrund stehe. Zudem führt das DOI aus, dass die ihm zur Verfügung stehende Datenlage aufgrund der aktuellen Lage in Syrien hinsichtlich behördlicher Aktivitäten und Vorgehensweisen des syrischen Staates nicht immer belastbar sei.
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(5) Das Immigration and Refugee Board of Canada (IRB Canada) berichtet in seiner Stellungnahme vom 19. Januar 2016 (G 5/16, S. 8 f. dt. Übersetzung) von einer Gefährdung nicht gedienter Männer bei Einreise über die Flughäfen. Es bleibt aber unklar, auf welcher Faktenlage die benannten Referenzquellen (CIVIC, Executive Direktor, Emeritus Professor) zu der Einschätzung gekommen sind und ob es bei den inhaftierten Personen weitere Anhaltspunkte für eine mögliche oppositionelle Einstellung oder die Zuschreiben einer regimefeindlichen Einstellung gab. An anderer Stelle wird im Bericht ausgeführt (G 5/16, S. 5 dt. Übersetzung), dass es nur „limitierte“ Informationen bezüglich der Behandlung von syrischen Rückkehrern seit 2011 gebe bzw. es „sehr schwer“ sei, Informationen über die Behandlung von Rückkehrern durch Grenzbeamte zu erhalten, da die Presse darüber nicht berichten könne. Jedoch habe man bruchstückhafte Darlegungen von Syrern in Damaskus gehört, von Leuten, die nach Syrien zurückgekehrt und dann verschwunden seien; in manchen Fällen hätten sie auch Verwandten von ihren Plänen zurückzukehren berichtet, sie seien dann aber niemals angekommen und hätten auch nicht mehr erreicht werden können. Eine Frau habe berichtet, dass im Juni 2012 zwei Verwandte verhaftet und verschwunden seien, als sie nach Syrien zurückgekehrt seien. Derartige vereinzelte Referenzfälle können angesichts der Vielzahl von Wehrdienstentziehern nach Ansicht des Senats nicht als ausreichende Faktenlage für die Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgung dienen.
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(6) Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (21.3.2017, G 5/17, S. 8) zitiert im Wesentlichen den Bericht des IRB Canada vom 19. Januar 2016 (G 5/16, S. 8 f. dt. Übersetzung), wonach Männer im wehrdienstfähigen Alter besonderes gefährdet seien, Opfer von Misshandlungen zu werden. Auf die vorstehenden Ausführungen unter (5) zu dieser Stellungnahme wird Bezug genommen.
- 122
(7) Das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 27) führt unter Berufung auf den Danish Immigration Service aus, dass ein Wehrdienstverweigerer, der aufgegriffen würde, zum Dienst in der Armee geschickt werden könnte. Die Konsequenzen hingen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gebe, wären die Konsequenzen ernster. Im Bericht des BFA von August 2017 (G 11/17, S. 20 und Fn. 51) geht dieses unter Berufung auf Interviews mit einer europäischen diplomatischen Quelle in Beirut am 18.5.2017 sowie vom selben Tag mit Lama Fakih davon aus, dass bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung die Meinungen der Quellen auseinandergingen. Während die einen darin eine „Foltergarantie“ und ein „Todesurteil“ sähen, würden andere sagen, dass Verweigerer sofort eingezogen würden.
- 123
bb) Zudem begründen die nachfolgenden Erwägungen Zweifel daran, dass zurückkehrenden Wehrdienstverweigerern beachtlich wahrscheinlich eine Bestrafung und/oder Inhaftierung droht, wenn keine individuellen Anhaltspunkte auf eine Regimegegnerschaft hindeuten.
- 124
(1) Die syrische Armee ist personell erheblich geschwächt, so dass ein hoher Personalbedarf an einsatzbereiten Soldaten besteht.
- 125
Die syrische Armee ist durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen deutlich geschwächt und hat einen Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Es wird berichtet (BFA, 5.1.2017, G 26/17, S. 23; DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8,), dass viele Männer ihrer Einberufung nicht Folge leisten. Berichten zufolge sollen die kampffähigen Truppen der syrischen Armee von ehemals 300.000 Soldaten auf ca. 125.000 bis 175.000, nach einer Angabe sogar auf aktuell 25.000 - 30.000 Soldaten reduziert sein, da sich das Assad-Regime finanziell mehr nicht leisten könne (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2; Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 7; vgl. zum Zerfall der Armee auch: Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 15 07 2017, S. 3; Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 19 04 2017, S. 2, 9, 13). Bereits im Jahr 2014 soll das Assad-Regime nur noch über 100.000 Soldaten verfügt haben (UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 2, Fn. 7 unter Verweis auf C. Kozak), von denen nur 30.000 - 40.000 tatsächlich in der Lage gewesen seien, militärische Operationen durchzuführen (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2); im November 2016 soll die syrische Armee nur noch über 50.000 Soldaten verfügt haben (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2). Daneben besteht - wie bereits ausgeführt - eine Vielzahl von regierungstreuen Milizen.
- 126
Russland versucht seit Beginn seiner Intervention in Syrien im September 2015, die syrischen Sicherheitsapparate und die syrische Armee zu stärken. So sollten auf Initiative Russlands mit neuen Kommandostrukturen die paramilitärischen Gruppen unter die Kontrolle der syrischen Armee gebracht werden; dazu sollen im Oktober 2015 bzw. November 2016 das IV. Angriffskorps (Fourth Storming Corps - Latakia) bzw. das V. Angriffskorps (Fifth Storming Corps - Damaskus) gegründet worden sein. Im IV. Angriffskorps sollten lokale Milizen und reguläre syrische Einheiten vereint werden; dieser Ansatz konnte nicht umgesetzt werden. Im V. Angriffskorps sollen Personen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben, Deserteure und Beamte aufgeboten werden, um unter der gemeinsamen Führung der syrischen Armee, der Hisbollah und Russlands zu kämpfen (DRC v. 08/2017, G 23/17, S. 8; SFH v. 23.3.2017, G 19/17, S. 4; Truppendienst, Streitkräfte des Assad-Regimes, v. 15.2.2017).
- 127
Der Zerfall der syrischen Armee scheint sehr weitgehend zu sein; so soll diese im Wesentlichen nur noch aus der Division der Republikanischen Garde und der 4. Panzerdivision bestehen, die beide fast ausschließlich aus Alawiten bestehen, die unterstützt werden durch dem Assad-Regime treue unter verschiedenen Kommandos stehende syrische Milizen. Zugleich berichten verschiedene Quellen, dass inzwischen die syrische Armee in große Militäroperationen nur zu einem Bruchteil involviert sei. In solchen verlasse sich das Assad-Regime auf eine Mischung aus Elite-Einheiten, loyalen Milizen und ausländischer Unterstützung, insbesondere die iranischen „Islamischen Revolutionsgarden“ (IRGC), afghanische und irakische schiitische Milizen und die libanesischen Hisbollah-Milizen. Diejenigen Einheiten, in denen Wehrpflichtige überwiegend eingesetzt würden, seien daran nicht beteiligt (DRC v. 08/2017, G 23/17, S. 9; Truppendienst, Streitkräfte des Assad-Regimes, v. 15.2.2017; vgl. zur Unterstützung durch iranische und russische Kampfverbände sowie von durch den Iran gestützte schiitische Milizen aus dem Irak und Libanon: Gerlach, Herrschaft über Syrien, 2015, S. 215 ff. [zu schiitischen Milizen aus dem Irak], S. 237 ff. [zu libanesischen Hisbollah-Milizen], S. 257 ff. [zu iranischen Truppen und Milizen], S. 282 ff. [zum Einfluss Russlands]; IFK, Fact Sheet Syrien Nr. 63, Internationales Konflikt- und Krisenmanagement sowie Militärische Entwicklungen; IFK, Fact Sheet Syrien Nr. 61, Internationales Konflikt- und Krisenmanagement; IFK, Fact Sheet Syrien & Irak, Jahresrückblick 2016, v. 31.1.2017, Internationales Konflikt- & Krisenmanagement, Syrien; Streitkräfte des Assad-Regimes, v. 15.2.2017; Truppendienst, Der syrische Bürgerkrieg - Update 06 12 2017, S. 5 ff., Update 15 07 2017, S. 3 f., Update 19 04 2017, S. 2 f., 9, 13, Update 15 02 2017, S. 7 f., Update 15 12 2016, S. 2).
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(2) Gleichzeitig hat das Assad-Regime verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die in der Armee entstandenen Lücken wieder zu schließen. Zum einen werden Verhaftungen von Deserteuren und von Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, sowie Zwangsrekrutierungen berichtet (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2). Darüber hinaus wird berichtet, dass das Assad-Regime bei Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, verlange, dass die jungen Männer der Region in die syrische Armee eintreten. So sollen nach der Eroberung von Ost-Aleppo 5000 Männer in den Wehrdienst eingezogen worden sein. Selbst Häftlinge sollen unter Druck gesetzt werden, in die syrische Armee einzutreten (vgl. SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 7). Andererseits versucht das Assad-Regime, mit Amnestien und der Erhöhung des Soldes Anreize für den Eintritt in den Militärdienst zu schaffen (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 3, 12; BFA, 08/2017, G 11/17, S. 23). Dem Bestreben des Assad-Regimes nach einer Erhöhung der Zahl seiner Militärangehörigen durch Rekrutierung würde es auch angesichts der Berichte darüber, dass den Einberufungen im großem Umfang (nach Angaben der SFH sollen zwischen 70.000 - 110.000 Soldaten desertiert sein oder sich dem Wehrdienst entzogen haben) nicht Folge geleistet wird (DRC, 08/2017, G 23/17, S. 8; SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 2), zuwider laufen, wenn die so rekrutierten Soldaten zunächst inhaftiert, misshandelt und im schlimmsten Fall getötet würden.
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Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass ein hoher Vertreter des Militärs eine harte Bestrafung der Zurückkehrenden angekündigt hat (Spiegel v. 11.9.2017, Assads Top-General droht Flüchtlingen). Es handelt sich um eine einzelne Äußerung, bei der schon fraglich ist, ob die Person für das Assad-Regime sprechen kann.
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Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach Ansicht des Senats bei der erforderlichen Prognose zudem zu berücksichtigen ist, dass nach Angaben des UNHCR (v. 13.12.2017, G 36/17) insgesamt mehr als 5,4 Millionen Syrer als Flüchtlinge in den Ländern Türkei (3,38 Mio.), Libanon (ca. 1 Mio.), Jordanien (ca. 655 T.), Irak (ca. 247 T.), Ägypten (ca. 126 T.) und in Nordafrika (ca. 30 T.) registriert waren. Hinzu kommen ca. 1 Mio syrische Flüchtlinge, die ins westliche Europa geflüchtet sind. Allein unter den vom UNHCR erfassten 5,4 Mio. Flüchtlingen befinden sich ca. 25 % männliche Flüchtlinge im Alter zwischen 18 und 59 Jahren. Bei der nach Ansicht des Gerichts prognostisch zu unterstellenden Rückkehr einer Vielzahl dieser Flüchtlinge nach Syrien ist nach Auffassung des Gerichts nicht zu prognostizieren, wie das Assad-Regime sich diesen gegenüber verhalten wird. Insbesondere eine Bestrafung auch nur eines beachtlichen Teils dieser mehr als 1,5 Mio. männlichen Rückkehrer ist für das Gericht nicht hinreichend wahrscheinlich. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch der Umstand, dass seit 2015 260.000 Syrer, davon 31.000 im 1. Halbjahr 2017, zumindest zeitweise nach Syrien zurückgekehrt sind – darunter dürften auch Männer im wehrdienstfähigen Alter sein - Zweifel daran begründet, dass beachtlich wahrscheinlich eine Inhaftierung einer beachtlichen Zahl von Rückkehrern im wehrdienstfähigen Alter erfolgen wird.
- 131
b) Den Erkenntnisquellen lassen sich zur Überzeugung des Senats auch keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Wehrdienstverweigern beachtlich wahrscheinlich durch das Assad-Regime eine regimefeindliche Haltung unterstellt wird und ihnen daher in Anknüpfung an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine relevante Verfolgung droht.
- 132
aa) Den Erkenntnisquellen lassen sich keine hinreichenden Fakten für die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Zuschreibung einer Regimegegnerschaft entnehmen.
- 133
(1) Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet, dass die Bestrafung von Wehrdienstverweigerern häufig von der Position und dem Rang des Betreffenden, aber auch von dem Bedarf an der Front abhängt (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 10). Ebenfalls wird berichtet, dass einige der Festgenommenen zwar zu Haftstrafen verurteilt und dann eingezogen würden, andere aber lediglich verwarnt und direkt in den Militärdienst geschickt würden (SFH, 28.3.2015, G 9/15; DRC 9/2015, G 11/15, S. 18). An anderer Stelle weist die Schweizerische Flüchtlingshilfe (v. 21.3.2017, G 5/17, S. 10) darauf hin, dass prinzipiell davon ausgegangen werden müsse, dass jede Person, die nach Syrien zurückkehre, verhaftet und misshandelt werden könne. Die Willkür zeige sich auch darin, dass sich einzelne mit Bestechung freikaufen könnten. Amnesty International beschreibe den weit verbreiteten Opportunismus der syrischen Sicherheitsbeamten, die entweder aus Profitgier oder aus persönlicher Rache Menschen verhaften und verschwinden ließen. Auch seien viele Menschen in Haft, weil sie aus persönlichen Gründen von Informanten diffamiert worden seien. Diese Willkür spiegelt sich auch in der Struktur der Sicherheitsdienste wieder (s.o. S. 10).
- 134
(2) Hingegen geht der UNHCR davon aus, dass nach Stellungnahmen unabhängiger Beobachter Wehrdienstentziehung „wahrscheinlich“ als politischer Akt gegen die Regierung aufgefasst werde, was die Behandlung, der Wehrdienstentzieher ausgesetzt seien, ganz oder teilweise motivieren könne (11/2017, G 35/17, S. 39 mit Fn. 224; 30.5.2017, G 9/17, S. 3 mit Fn. 13 und 14, S. 6 f.). Allerdings führt der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 3) weiter aus, dass „oft nicht zu unterscheiden und festzustellen“ sei, ob die gegen die Betroffenen angewandten Sanktionen als Antwort auf die Straftat der Wehrdienstentziehung oder auf die unterstellten oppositionellen Überzeugungen erfolgten. Die vom UNHCR angeführten Referenzquellen lassen nicht erkennen, auf welcher Faktenlage diese zu der Einschätzung der Unterstellung einer regimefeindlichen Haltung gelangt sind; der Senat sieht sich angesichts der dargelegten Stellungnahmen, die von willkürlichen Behandlungen ausgehen, der dargelegten Interessenlage, der Vielzahl von Wehr- und Militärdienstentziehern nicht in der Lage, diese Einschätzung zu teilen und Inhaftierung und Misshandlung wegen einer (unterstellten) regimefeindlichen Haltung als beachtlich wahrscheinlich anzusehen:
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Der vom UNHCR als Referenzquelle genannte Herr Kozak hat erklärt (UNHCR, 30.5.2017, G 9/17, S. 3, Fn. 14, E-Mail von C. Kozak v. 18.5.2017), er habe gehört, dass das Verhalten von bereits einberufenen Wehrdienstverweigerern von Militäroffizieren und anderen Beamten als verräterisch und regierungsfeindlich angesehen werde könne. In der Stellungnahme des UNHCR vom November 2017 (G 35/17, S. 39, Fn. 224) wird Herr Kozak dahingehend zitiert (E-Mail v. 6.10.2017), dass nach seiner Einschätzung die Regierung Sanktionen gegen Wehrdienstentzieher verhänge als strafrechtliche Ahndung, aber auch weil sie die Wehrdienstentziehung als politische oder regierungsfeindliche Tätigkeit ansehe.
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Die in der Stellungnahme des UNHCR vom 30. Mai 2017 (G 9/17, S. 6) aufgeführten weiteren Referenzquellen (J. Landes, R. Davis und L. Fakih) geben z.T. ihre subjektive Einschätzung wieder. Für den Senat ist nicht erkennbar, auf Grundlage welcher Fakten (genannt werden von R. Davis „Interviews“) diese Einschätzung erlangt worden ist.
- 137
(3) Die Unabhängige Untersuchungskommission für Syrien führt im Bericht vom 11. August 2016 (A/HRC/33/55, G 14/16, S. 13 Rn. 75) aus, dass Zivilisten, hauptsächlich Männer im kampffähigen Alter, weiterhin von den Straßen Syriens verschwinden würden. Zehntausende von Syrern würden vermisst, viele unter Umständen, die vermuten ließen, dass sie gewaltsam verschwunden seien. Nicht näher referiert ist, ob es sich um (Zwangs-)Rekrutierungen oder Inhaftierungen handelt und aus welchen Gründen diese erfolgen.
- 138
bb) Auch allgemeine Erwägungen lassen zweifeln, ob Wehr- bzw. Militärdienstentziehern beachtlich wahrscheinlich eine regimefeindliche Haltung unterstellt werden wird. Hierfür spricht insbesondere der Umstand, dass berichtet wird, im Rahmen von Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, werde verlangt, dass die jungen Männer in die syrische Armee eintreten, und sogar Häftlinge unter Druck gesetzt werden, in die Armee einzutreten (SFH, 23.3.2017, G 19/17, S. 7; HRC COI, 2.2.2017, G 14/17, S. 18 zu Ost-Aleppo). Das Verhalten des Assad-Regimes scheint insoweit primär durch Überlegungen zur Erhaltung seiner Macht gekennzeichnet zu sein. In diesem Kontext fehlen hinreichend verdichtete Erkenntnisse darüber, wie das Assad-Regime mit einer Vielzahl zurückkehrender Männer, die sich der Einberufung zum Wehrdienst oder dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland entzogen haben, umgehen würde.
- 139
Ergänzend nimmt der Senat auf die im Urteil des Verwaltungsgerichts (S. 17 ff. UA) angeführten Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Koblenz vom 16. Dezember 2016 (1 A 10922/16, juris Rn. 150 ff.) Bezug.
- 140
c) Nach Ansicht des Senats lässt sich den Erkenntnisquellen nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass dem Kläger beachtlich wahrscheinlich andere Verfolgungshandlungen wie ein unmittelbarer Fronteinsatz aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründen, insbesondere wegen einer unterstellten Regimegegnerschaft, droht.
- 141
Insoweit wird - wie ausgeführt - berichtet, dass die Ausbildungszeit der Wehrpflichtigen oft kurz (45 Tage) sei (BFA, 08/2017, G 11/17, S. 18) und die Betreffenden häufig unverzüglich an die Front geschickt würden (UNHCR, April 2017, G 7/17, S. 25 f.). Es ist für den Senat angesichts der Schilderungen, dass dies alle Wehrpflichtigen und Reservisten treffe (vgl. UNHCR, April 2017, G 7/17, S. 25 und Fn. 122), nicht hinreichend belastbar erkennbar, dass dies nur Wehrdienstverweigerer oder Reservisten trifft, die sich der Einberufung entzogen haben. Für den Senat ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dies in Anknüpfung an eine aufgrund der Wehrdienstentziehung dem Kläger zugeschriebene regimefeindliche Haltung erfolgt.
- 142
d) Insgesamt erscheint es dem Gericht zwar beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger nach seiner Rückkehr nach Syrien - wie er es befürchtet - rekrutiert würde. Die Heranziehung zur Wehrpflicht bzw. Rekrutierung volljähriger Männer stellt aber keine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar, weil diese nicht wegen eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale erfolgt, sondern alle Männer trifft, die Wehrdienst abzuleisten haben oder als Reservist wieder eingezogen werden könnten (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.8.1986, 9 C 322/85, DVBl. 1987, 47, juris Rn. 11; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris Rn. 63). Es kann daher offen bleiben, ob vorliegend die Rekrutierung eine Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a AsylG darstellt. Jedenfalls fehlt es in Bezug auf die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft daran, dass die Rekrutierung zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt wird, die durch die Maßnahmen gerade wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe getroffen werden sollen. Insbesondere ist die Gruppe der Männer, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, keine soziale Gruppe i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG. Insoweit fehlt es jedenfalls daran, dass die Gruppe dieser Männer in Syrien eine abgegrenzte Identität hat; es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die syrische Gesellschaft die Männer, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, als soziale Gruppe wahrnimmt. Auch liegt insoweit keine Anknüpfung an das (männliche) Geschlecht vor. Da in Syrien nur Männer wehrdienstpflichtig sind, ist es selbstverständlich, dass sich Sanktionen wegen Verletzung dieser Pflicht nur gegen Männer richten.
- 143
4. Andere Obergerichte (vgl. VGH München, Urt. v. 14.2.2017, 21 B 16.31001, juris; VGH Mannheim, Urt. v. 28.6.2017, A 11 S 664/17, Asylmagazin 2017, 349, juris; VGH Kassel, Urt. v. 6.6.2017, 3 A 3040/16.A, juris - für rückkehrende Wehrdienstentzieher, die aus einem regierungsfeindlichen Gebiet stammen) sind zu der Überzeugung gelangt, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nach Syrien zurückkehrenden Männern eine Inhaftierung und menschenrechtswidrige Misshandlung droht, weil das Assad-Regime ihnen eine regimefeindliche Haltung zuschreiben werde. Da keine Erkenntnisse über nach Syrien zurückkehrende Männer vorlägen, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst durch Flucht ins Ausland entzogen haben, wird dies zum Teil aus der Brutalität des Vorgehens des Assad-Regimes gegenüber Regimegegnern, insbesondere aus dem Vorgehen der Geheimdienste, geschlossen sowie aus dem Charakter des um seine Existenz kämpfenden Staates zur Wiederherstellung seines Herrschaftsmonopols abgeleitet (vgl. VGH München, a.a.O., Rn. 83). Zugleich wird angenommen, dass eine harte und menschenrechtswidrige Bestrafung von Männern, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, belegt sei, und von der erforderlichen Gerichtetheit auf Merkmale i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG im Hinblick auf den gegen die Zivilbevölkerung geführten Vernichtungskrieg, das dominierende Freund/Feind-Schema und wegen der Intensität der Verfolgungsmaßnahmen auszugehen sei (VGH Mannheim, Urt. v. 28.6.2017, A 11 S 664/17, Rn. 59 ff.). Zum Teil werden die vom UNHCR genannten Referenzquellen als hinreichende tatsächliche Faktenlage angesehen.
- 144
Dem folgt der Senat nicht. Wie ausgeführt ist nach Auffassung des Senats den Erkenntnisquellen eher zu entnehmen, dass Rückkehrer im wehrdienstfähigen Alter allein rekrutiert und dem Militärdienst zugeführt werden; zudem fehlt es an einer hinreichend verlässlichen Faktenlage, auch im Hinblick auf die Frage, aus welchen Gründen eine Inhaftierung erfolgt. Der erkennende Senat gründet seine Ansicht, dass insoweit schon nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgungshandlung ausgegangen werden kann, darauf, dass in den Erkenntnisquellen gewichtige Hinweise vorhanden sind, dass Personen, die sich dem Wehr- bzw. Militärdienst entzogen haben, im ausgeführten Gesamtkontext und angesichts des Bedarfs an Soldaten in das Militär eingezogen werden. Die fehlende beachtliche Wahrscheinlichkeit eines an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal anknüpfenden Verfolgungsgrundes beruht auf einer anderen Bewertung des Assad-Regimes und auf insoweit nicht in hinreichender Dichte vorhandenen Referenzfällen. Als handlungsleitendes Muster des Assad-Regimes vermag der Senat ein Freund/Feind-Schema nur bedingt zu erkennen; neben der Willkür einzelner handelnder Akteure dürften die Handlungen des Assad-Regimes vor allem dadurch bestimmt sein, was der Machterhaltung bzw. dem Vorteil des Regimes dient. Der z.T. menschenrechtswidrige und mit großer Härte geführte Krieg gegen die Zivilbevölkerung in Gebieten, die von Oppositionellen gehalten werden, zielt nach Überzeugung des Senats im Wesentlichen auf die Vernichtung des im Schutz der Zivilbevölkerung kämpfenden Gegners. Auch wenn die jeweilige Zivilbevölkerung dafür bestraft werden sollte, dass diese dem kämpfenden Gegner „Schutz bietet“, so würde auch dieser Umstand keinen Schluss darauf zulassen, wie das Assad-Regime mit Personen umgeht, die sich dem Wehr- bzw. Kriegsdienst entzogen haben. In diesem spezifischen Gesamtkontext kann die Intensität möglicher Verfolgungshandlungen nicht die Gerichtetheit der Verfolgung indizieren.
V.
- 145
Dem Kläger ist nicht deshalb der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, weil ihm in Anknüpfung an einen Verfolgungsgrund nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG eine Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes droht, der Verstöße gegen das Völkerstrafrecht i.S.d. § 3 Abs. 2 AsylG umfassen würde. Insbesondere kann er sich nicht auf § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG berufen.
- 146
1. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG lautet:
- 147
„Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 148
(...)
5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 fallen,...“
- 149
Der in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG in Bezug genommene § 3 Abs. 2 AsylG lautet:
- 150
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling (...), wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 151
1. ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2. vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3. den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
- 152
a) § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG setzt die Vorgaben aus Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) um. Aus den Materialien zur Entstehung der Qualifikationsrichtlinie ist dabei ersichtlich, dass die Richtlinie grundsätzlich das Recht der Staaten auf Durchsetzung einer Wehrpflicht bzw. eines Militärdienstes respektiert. Denn ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, wie ihn die EU-Kommission im Entwurf der Qualifikationsrichtlinie vorgeschlagen hatte, ist in Art. 9 Abs. 2 lit. e) RL 2011/95/EU nicht übernommen worden (vgl. Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 3a Rn. 36 f.). Hiervon macht Art. 9 Abs. 2 Buchst. e) RL 2011/95/EU (bzw. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG) eine Ausnahme und privilegiert die Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG) fallen, also im Rahmen des Militärdienstes Kriegsverbrechen i.S.d. § 3 Abs. 2 AsylG begangen werden würden.
- 153
Auch bei Vorliegen einer Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist es nach § 3 Abs. 3 AsylG erforderlich, dass die Verfolgungshandlung - vorliegend eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes - wegen einer der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Gründe besteht (vgl. OVG Münster, Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A, NVwZ 2017, 1218, juris Rn. 100; offen gelassen: OVG Lüneburg, Urt. v. 12.9.2017, 2 LB 750/17, juris Rn. 70 ff.).
- 154
Da die Verfolgungshandlung i.S.d. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG an die (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes anknüpft, wird insoweit regelmäßig eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen einer politischen Überzeugung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG vorliegen. Denn die Verweigerung des Militärdienstes, um nicht an Kriegsverbrechen i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG mitzuwirken oder diese zu unterstützen, dürfte regelmäßig Ausdruck einer politischen Überzeugung sein (vgl. Treiber in: GK-AufenthG, Stand April 2011, § 60 AufenthG Rn. 169).
- 155
Die gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG privilegierte Verfolgungshandlung knüpft an eine Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes an, wenn der Militärdienst die Begehung von Kriegsverbrechen i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG umfassen würde. Unter den Anwendungsbereich der Regelung fallen Ausländer, die ihrer gesetzlich angeordneten Wehrpflicht folgen, freiwillig Wehrdienst oder als Berufssoldaten Militärdienst leisten (Marx, Handbuch zum Flüchtlingsrecht, 2. Auflage 2012, § 14 Rn. 176), sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Nicht jeder Dienst von Wehrpflichtigen umfasst dabei auch Militärdienst (vgl. zu den unterschiedlichen Begriffen: UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 10 vom 12.11.2014, S. 3, unter II. Terminologie). Im Hinblick auf Wortlaut und Zielrichtung der Norm liegt ein „Militärdienst“ nicht vor, wenn und solange nur eine militärische Ausbildung erfolgt, in der der Soldat nicht in Teile des Militärs eingebunden ist, die an einer militärischen Auseinandersetzung beteiligt sind.
- 156
Der Europäische Gerichtshof (Urt. v. 26.2.2015, C-472/13, Shepherd, EuGRZ 2015, 160, juris Rn. 34; dem folgend: OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 102 ff.; vgl. auch: OVG Münster, Urt. v. 4.5.2017, 14 A 2023/16.A, NVwZ 2017, 1218, juris Rn. 95 ff.) hat zum persönlichen Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2004/83/EG, der identisch ist mit Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU, entschieden, dass in Anbetracht des Ziels der Qualifikationsrichtlinie, die Personen zu bestimmen, die wegen besonderer Umstände tatsächlich internationalen Schutz benötigten und rechtmäßig in der Union darum ersuchten, „die Eigenschaft als Militärangehöriger eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung“ (Unterstreichung nur hier) darstelle, um den Schutz zu genießen, der mit den Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie verbunden sei. Dabei sei die Inanspruchnahme des internationalen Schutzes nicht allein denjenigen vorbehalten, die persönlich als Kriegsverbrechen einzustufende Handlungen begehen müssten, insbesondere den Kampftruppen. Dieser Schutz könne auf andere Personen aber nur dann ausgedehnt werden, wenn es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheine, dass der Betroffene durch die Ausübung seiner Funktionen eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Kriegsverbrechen unerlässliche Unterstützung leisten würde (Tenor 2. Spiegelstrich) bzw. er sich in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müsse (Rn. 38; vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.6.2017, 2 LB 91/17, juris Rn. 102 ff.; s. auch: Treiber, GK-AufenthG, April 2011, § 60 Rn. 169). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Begehung von Kriegsverbrechen erfordert dabei nicht, dass der Internationale Strafgerichtshof bereits Handlungen der Einheit, der der Antragsteller angehört, geahndet hat oder feststeht, dass Kriegsverbrechen begangen wurden (ebenso: Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 192 ff.; Treiber, GK-AufenthG, § 60 Rn. 265 S. 215); insoweit ist vielmehr hinreichend, dass der Antragsteller darzulegen vermag, dass solche Verbrechen mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Einheit, der er angehört, begangen wurden oder werden (EuGH, Urt. v. 26.2.2015, C-472/13, Shepherd, EuGRZ 2015, 160, juris Rn. 43).
- 157
Diesem Ansatz folgt der erkennende Senat und wendet diese Grundsätze auf die Auslegung der vorliegend maßgeblichen Regelungen in Art. 9 Abs. 2 lit. e) i.V.m. Art. 12 Abs. 2 lit. a) RL 2011/95/EU bzw. §§ 3a Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG an. Demnach ist nicht Voraussetzung, dass dem Kläger eine persönliche Verantwortung für die Teilnahme an Kriegsverbrechen nachgewiesen wird, wie es der Fall sein müsste, wenn dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft im Hinblick auf die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 AsylG versagt werden würde (Marx, Handbuch zum Flüchtlingsschutz, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn. 201 ff.; UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 10, vom 12.11.2014, S. 12 Ziffer 23); vielmehr handelt es sich um eine präventive Norm, die diejenigen Militärangehörigen schützen will, die Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht nicht begehen wollen.
- 158
b) Voraussetzung für die Anwendung von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ist jedoch, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Kläger entweder Militärangehöriger ist bzw. vor seiner Flucht war, und sich dem Militärdienst durch Flucht entzogen hat bzw. entzieht. Dies setzt jedenfalls eine Einberufung zum Militärdienst voraus, da nur dann der Kläger im weitesten Sinne als Militärangehöriger angesehen werden könnte und der persönliche Anwendungsbereich der Regelung eröffnet wäre. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
- 159
2. Selbst wenn man § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG - entgegen der Ansicht des Senats - darüber hinaus dahingehend auslegen wollte, dass es hinreichend wäre, dass bei Rückkehr nach Syrien beachtlich wahrscheinlich eine Rekrutierung drohen und sodann eine Verweigerung des Militärdienstes erfolgen würde, so würde auch dann dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft im Hinblick auf diese Vorschrift nicht zuzusprechen sein.
- 160
Denn es ist nicht beachtlich wahrscheinlich davon auszugehen, dass der Kläger sich einer Rekrutierung durch Verweigerung des Militärdienstes widersetzen würde. Der Kläger hat ausgeführt, dass er sich wie alle syrischen Männer einer Rekrutierung nicht entziehen könnte, weil dies dazu führen würde, dass die syrischen Organe ihn inhaftieren und in diesem Zusammenhang misshandeln und/oder der Folter unterwerfen oder ihn töten würden. Würde er rekrutiert werden, sähe er sich gezwungen, dem zu folgen. Damit droht ihm auch bei einer gedanklich zu unterstellenden Rückkehr nach Syrien keine Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes.
- 161
Soweit der Kläger demgegenüber unter Berufung auf Literatur und Rechtsprechung ausländischer Gerichte vorbringt, dass eine präventive Entziehung vor der Rekrutierung und Teilnahme an Kriegsverbrechen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründe, folgt der Senat dem nicht. Wie ausgeführt erfolgt die Rekrutierung durch das Assad-Regime nicht beachtlich wahrscheinlich wegen eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erfolgten Merkmale; ihm fehlt die im Sinne dieser Regelung notwendige (politische) Gerichtetheit. Dem dennoch bestehenden Schutzbedürfnis des Klägers - auch wegen der geltend gemachten drohenden Rekrutierung und ggf. Teilnahme an Kriegsverbrechen - hat die Beklagte durch die Zuerkennung subsidiären Schutzes umfassend Rechnung getragen.
- 162
3. Es kann daher offen bleiben, ob der Kläger hinreichend plausibel dargelegt hat, dass er, wenn er rekrutiert würde, in einer Einheit Dienst leisten müsste, in der er hinreichend unmittelbar an Kriegsverbrechen beteiligt wäre.
C.
- 163
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt; insbesondere kann eine grundsätzlich klärungsbedürftige Tatsachenfrage die Zulassung der Revision nicht begründen (BVerwG, Beschl. v. 24.4.2017, 1 B 22.17, NVwZ 2017, 1204, juris).
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
- 1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, - 2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder - 3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine schwere Straftat begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 12. November 2013 verpflichtet, für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Äthiopien festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der verheiratete amharischsprachige Kläger ist nach eigenen Angaben 1979 in Asmara (heute Eritrea) geboren und seinen Aussagen zufolge eritreischer Staatsangehöriger tigrinischer Volkszugehörigkeit. Nach seiner Darstellung lebte er mit seinen Eltern ab 1980 auf dem Gebiet des heutigen Äthiopien und flüchtete im Mai 2010 zunächst in den Sudan und 2012 in die Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger stellte in der Bundesrepublik Deutschland am 6. Juli 2012 einen Asylantrag.
3Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärte der Kläger im Wesentlichen Folgendes: Seine Eltern – die eritreische Staatsangehörige seien – hätten sich getrennt; sein Vater sei im Jahr 1998 von Äthiopien nach Eritrea deportiert worden, wohingegen seine Mutter in Äthiopien verblieben und dort später gestorben sei. Er – der Kläger – sei nicht deportiert worden, sondern habe sich bis 2010 in Äthiopien aufgehalten. Er habe in Äthiopien an einer Universität Bauwesen studiert und anschließend in Addis Abeba für eine Straßenbaufirma gearbeitet. Schließlich habe Äthiopien ein Gesetz verabschiedet, wonach Eritreern konfisziertes Vermögen zurückzugeben sei. Er sei daraufhin am 10. September 2009 das erste Mal zur Stadtverwaltung von Adama/Nazret gegangen, um konfisziertes Vermögen seines Vaters wiederzuerlangen. Das verabschiedete Gesetz sei nicht angewandt worden; vielmehr sei ihm mitgeteilt worden, er solle froh sein, dass er als Eritreer in Äthiopien leben dürfte. Während des zweiten Termins bei der Stadtverwaltung habe er angekündigt, dass er Klage erheben werde, um das Vermögen seines Vaters zurückzuerlangen. Während des dritten Termins bei der Stadtverwaltung, am 15. September 2009, sei er dann festgenommen worden. Anschließend habe er sich bis Ende November 2009 in Haft befunden; in der Haft sei er geschlagen worden und habe Verletzungen erlitten. Durch Zahlung von Bestechungsgeld sei es ihm gelungen, das Gefängnis zu verlassen. Nach der Flucht habe er sich nach Addis Abeba begeben und zunächst wieder seine vorherige Arbeitsstelle aufgesucht. Er habe jedoch von den Behörden kontinuierlich Drohungen erhalten und sein Arbeitgeber habe ihm schließlich mitgeteilt, dass man sein Arbeitsverhältnis beenden müsse. Aus diesen Gründen habe er im Mai 2010 Äthiopien verlassen.
4Mit Bescheid vom 12. November 2013, am 26. November 2013 als Einschreiben zur Post aufgegeben, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 2.) noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. (Ziffer 3.) vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Äthiopien an (Ziffer 4.). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter scheitere daran, dass der Kläger keine Reiseunterlagen vorgelegt habe, so dass er der ihn treffenden materiellen Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sicheren Drittstaates i. S. v. Art. 16a Abs. 2 GG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein, nicht nachgekommen sei. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehe ebenfalls nicht. Der amharisch sprechende Kläger habe keinerlei Personaldokumente vorgelegt und eine eritreische Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen. Die Inhaftierung des Klägers sei nicht wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit erfolgt. Der Kläger habe in Äthiopien aufwachsen und ungehindert einer beruflichen Tätigkeit nachgehen dürfen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. lägen ebenso wenig vor.
5Der Kläger hat gegen diesen Bescheid am 9. Dezember 2013 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend im Wesentlichen aus: Bei Ausbruch des äthiopisch-eritreischen Krieges seien sein Vater, dessen Grundvermögen in Adama/Nazret, Haus, Werkstatt sowie zwei Lkws konfisziert worden seien, sowie seine Schwester nach Eritrea abgeschoben worden. Er – der Kläger – habe anschließend weiter bei seiner Mutter in Äthiopien gelebt. Seine Mutter sei vermutlich deswegen nicht deportiert worden, weil sie nach der Trennung von seinem Vater einen Äthiopier geheiratet habe. Nach dem Tod seiner Mutter habe er – der Kläger - geheiratet. Nachdem im Laufe des Jahres 2009 in Äthiopien eine Regelung in Kraft getreten sei, nach der eritreischstämmige Personen konfisziertes Vermögen wieder hätten zurückerhalten können, habe er bei der örtlichen Verwaltung in Adama/Nazret drei Mal vorgesprochen, um Vermögen seines Vaters zurückzuerhalten. Im Rahmen der dritten Vorsprache sei er von drei Personen festgenommen und in ein Lager gebracht worden. Er sei mit einem Knüppel geschlagen worden; ein Zeh am linken Fuß sei gebrochen worden. Nach zwei Tagen in einer Einzelzelle sei er in einer Gemeinschaftszelle mit ca. 20 Gefangenen untergebracht worden. Ende November 2009 sei er „auf freien Fuß gesetzt“ worden. Im Januar 2010 habe ihm sein Arbeitgeber gekündigt, da er – der Kläger - ein Problem mit der Regierung habe; die Bedrohungen durch Sicherheitskräfte seien anschließend weiter gegangen. In der Bundesrepublik Deutschland sei er für die Ethiopian People´s Patriotic Front (EPPF) politisch aktiv. Er nehme u.a. an Parteiversammlungen teil, beteilige sich dort an Diskussionen und werbe für die EPPF. Darüber hinaus habe er verschiedentlich regimekritische Beiträge publiziert; seit April 2015 gehöre er zur Redaktion der quartalsmäßig erscheinenden äthiopischen oppositionellen Zeitschrift L. .
6Er – der Kläger – habe einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Eine etwaig über einen sicheren Drittstaat erfolgte Einreise stehe der Asylanerkennung nicht entgegen. Ferner werde er aufgrund seiner teileritreischen Herkunft sowie seines Versuches, Teile des ursprünglichen Vermögens seines eritreischen Vaters zurückzuerhalten, von den äthiopischen Behörden auf unabsehbare Zeit nicht mehr als äthiopischer Staatsbürger, sondern als eritreischer Staatsbürger behandelt und erhalte vor diesem Hintergrund weder einen Pass noch ein anderes Einreisepapier durch die äthiopischen Behörden. Seine Inhaftierung sei auch vor dem Hintergrund seiner teileritreischen Herkunft erfolgt („Eritreer-Malus“); eine Person ohne eritreischen Elternteil würde nach Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche nicht inhaftiert werden. Die äthiopischen Sicherheitskräfte hätten über ihn bereits wegen seiner Herkunft und seiner Versuche zur Rückerlangung des väterlichen Vermögens ein Dossier angelegt. Im Falle der Rückkehr nach Äthiopien drohte ihm darüber hinaus aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten für die EPPF mindestens Haft für unbestimmte Zeit. Die exilpolitische Tätigkeit für die EPPF sei den äthiopischen Behörden aufgrund ihrer Überwachung der äthiopischen Exilopposition auch bekannt geworden.
7Ginge man hingegen davon aus, dass er – der Kläger – eritreischer Staatsangehöriger sei, so drohe ihm aufgrund seines Aufenthalts in Äthiopien und seiner Nichtableistung des Nationalen Dienstes in Eritrea dort Haft und Misshandlung für unbestimmte Zeit. Die eritreische Regierung verfolge in diesem Zusammenhang auch Personen, die sich dadurch, dass sie sich während des wehrpflichtigen Alters niemals in Eritrea, sondern nur im Ausland aufgehalten hätten, dem Nationalen Dienst in Eritrea durch schlichte Abwesenheit entzogen hätten. Schließlich drohe ihm als sog. Pfingstler in Eritrea aufgrund seiner Religion Verfolgung.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 12. November 2013 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
10hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 12. November 2013 zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen,
11äußerst hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 12. November 2013 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Äthiopiens vorliegen.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angegriffenen Bescheids.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, namentlich der Sitzungsniederschrift mit dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Klägers durch das Gericht, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (1 Heft) sowie der vom Kläger mit Schriftsatz vom 20. Mai 2015 übersandten Unterlagen Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17I. Das Gericht konnte über die Klage entscheiden, obwohl kein Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, da bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
18II. Die zulässige Klage ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 12. November 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Äthiopien, den Zielstaat der Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid, abgelehnt hat. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Äthiopien. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 12. November 2013 ist im Übrigen hingegen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
19A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Der Anspruch ist nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG ausgeschlossen. Zur Begründung nimmt das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die insoweit zutreffende Begründung im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten (dort ab Seite 2 zehnter Absatz bis einschließlich Seite 3 sechster Absatz) vom 12. November 2013 Bezug. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt vorliegend auch kein Fall von § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG vor. Andernfalls liefe zum einen Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG regelmäßig leer. Zum anderen lässt sich Art. 3 Abs. 3 der im vorliegenden Fall noch anwendbar gewesenen VO (EG) Nr. 343/2003 (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 der nachfolgenden VO (EU) Nr. 604/2013) entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber nationale Drittstaatenregelungen der Mitgliedstaaten unangetastet lassen wollte.
20B. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG. In Eritrea, dessen Staatsangehöriger er ist (dazu im Einzelnen unter h)), droht ihm nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine landesweite Verfolgung im Sinne dieser Normen (dazu im Einzelnen unter i)).
21a) Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) – GFK - nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder b) in dem er als Staatenloser seiner vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3a Abs. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Gemäß § 3a Abs. 2 AsylVfG gelten als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen: (1.) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (2.) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (3.) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (4.) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (5.) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylVfG fallen, (6.) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Nach § 3b Abs. 2 AsylVfG ist es bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden. Gemäß § 3c AsylVfG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
22Bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft ist – wie auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes - der Maßstab der beachtlichen, d.h. überwiegenden Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Die zum Asylgrundrecht entwickelten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, je nachdem, ob der Ausländer seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist, finden unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU auf die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes keine Anwendung. Nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, lediglich ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis nur durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen. Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5/09 -, juris, Rn. 18 ff.; BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 - 10 C 24/08 -, juris, Rn. 14; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A -, juris, Rn. 35 ff.; jeweils m. w. N (jeweils zur Vorgängernorm des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG).
24b) Ein Asylanspruch besteht nicht, wenn der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Asylsuchende besitzt, bereit und fähig ist, diesen gegen Verfolgungsmaßnahmen auf seinem Territorium zu schützen. Dieser im Rahmen der Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG zu beachtende Grundsatz ist auch im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, § 60 Abs. 1 AufenthG sowie im Rahmen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG, § 60 Abs. 2 AufenthG – wie sich aus der Verwendung des Begriffes „Herkunftsland“ in § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG und der damit in Bezug genommenen Legaldefinition dieses Begriffes in § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG ergibt - zu beachten (wohingegen im Rahmen der Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG auf den in der Abschiebungsandrohung genannten Zielstaat abzustellen ist, vgl. § 34 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 59 Abs. 3 AufenthG). § 3 Abs. 1 AsylVfG normiert – wie bereits ausgeführt - ausdrücklich, dass ein Ausländer nur dann Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) ist, wenn er sich 1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe 2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Personen, die eine Staatsangehörigkeit besitzen, sind danach nur dann Flüchtlinge (bzw. subsidiär Schutzberechtigte), wenn sie des Schutzes desjenigen Staates entbehren, dem sie angehören.
25Vgl. zum Vorstehenden etwa BVerwG, Beschluss vom 28. November 2003 – 1 B 139/03 -, juris, Rn. 3, m. w. N.
26In der Flüchtlingsdefinition des Art. 1 A Nr. 2 Abs. 1 GFK kommt das der Konvention zugrunde liegende Prinzip der Subsidiarität des internationalen Schutzes gegenüber dem Schutz durch den Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - durch den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts ebenfalls zum Ausdruck. Das bedeutet zum einen, dass der internationale Schutz nach der Konvention grundsätzlich nur bei Verfolgung im Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts eingreift, und zum anderen, dass die Schutzgewährung durch den Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - durch den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts die Flüchtlingseigenschaft ausschließt. Die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, § 60 Abs. 1 AufenthG kann deshalb regelmäßig nur zuerkannt werden, wenn die Staatsangehörigkeit des Betroffenen geklärt ist. Offen bleiben kann diese nur, wenn hinsichtlich sämtlicher als Staat der Staatsangehörigkeit in Betracht kommender Staaten die Gefahr politischer Verfolgung entweder bejaht oder verneint werden kann.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2005 – 1 C 29/03 -, juris, Rn. 14 f.
28c) Die Frage, welche Staatsangehörigkeit eine Person innehat, bestimmt sich nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des in Frage kommenden Staates, denn Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit werden grundsätzlich durch innerstaatliche Rechtsvorschriften geregelt.
29Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 24.
30d) Im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit findet der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung Anwendung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dementsprechend existiert eine Beweisregel des Inhalts, dass der Nachweis der Staatsangehörigkeit eines Staates nur durch Vorlage entsprechender Papiere dieses Staates geführt werden kann, nicht. Es ist nämlich gerade Sinn und Zweck der freien richterlichen Beweiswürdigung, das Gericht nicht an starre Regeln zu binden, sondern ihm zu ermöglichen, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2005 – 1 C 29/03 -, juris, Rn. 18.
32e) Im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit verpflichtet § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 ZPO das erkennende Gericht, ausländisches Recht unter Ausnutzung aller ihm zugänglichen Erkenntnisquellen von Amts wegen zu ermitteln. Dabei hat es nicht nur die ausländischen Rechtsnormen, sondern auch ihre Umsetzung in der Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, zu betrachten. In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz der größtmöglichen Annäherung an das ausländische Recht, das grds. in seinem systematischen Kontext, mit Hilfe der im ausländischen Rechtssystem gebräuchlichen Methoden und unter Einbeziehung der ausländischen Rechtsprechung erfasst werden muss. Das Gericht ist grds. gehalten, das ausländische Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Lehre und Rechtsprechung des betreffenden Staates entwickelt hat. Das Gericht darf als deutsches staatliches Gericht aber auch das ausländische Recht für Sonderfallgestaltungen, welche die Gerichte des Staates, dessen Recht anzuwenden ist, (bisher) nicht entschieden haben, fortentwickeln. Hierfür sind der Geist und die Systemzusammenhänge des ausländischen Rechts maßgebend. Mit welchen Erkenntnismitteln das maßgebliche ausländische Recht festzustellen ist, hat das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Eine Beweiserhebung zur Bestimmung des ausländischen Rechts und der maßgeblichen Rechtspraxis ist statthaft, aber nur erforderlich, soweit das ausländische Recht dem Gericht unbekannt ist (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. 293 Satz 1 ZPO).
33Vgl. zum Vorstehenden etwa BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 10 C 2/12 -, juris, Rn. 14 f.; BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 – II ZR 192/13 -, juris, Rn. 15; Geimer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 293 ZPO; jeweils m. w. N.
34Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang ferner, dass ausländische Rechtsnormen für ein deutsches Gericht keine Tatsachen, sondern Rechtssätze sind bzw. Normqualität aufweisen.
35Vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 293 ZPO Rn. 14, 17, m. w. N.
36Dem steht nicht entgegen, dass ausländische Rechtsnormen – wie bereits ausgeführt - unter den Voraussetzungen des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 Satz 1 ZPO einer Beweiserhebung bedürfen und die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht dem Bereich der Rechtserkenntnis zuzuordnen, sondern ungeachtet Besonderheiten „wie“ eine Tatsachenfeststellung zu behandeln ist. Aus letzterem Umstand, der sich nur auf das Revisionsrecht bezieht, folgt nur, dass das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht in den Grenzen des § 137 Abs. 2 VwGO an Feststellungen eines Berufungsgerichts zum ausländischen Recht gebunden ist.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 10 C 2/12 -, juris, Rn. 16.
38f) Voraussetzung der bereits dargestellten Verpflichtung des Gerichts, über die ausländischen Rechtsnormen als solche hinaus auch deren Umsetzung in der Rechtspraxis des jeweiligen Staates zu berücksichtigen, muss jedoch sein, dass die ausländische Rechtspraxis eine zumindest vertretbare Konkretisierung bzw. Auslegung der jeweiligen Rechtsnormen vornimmt. Eine Rechtspraxis, die im eindeutigen Widerspruch zu den gültigen Rechtsnormen des jeweiligen Staates stünde, wäre für das Gericht als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit dahingegen gerade nicht verbindlich. Außerhalb des geltenden Rechts liegende Umstände können nämlich keinen Einfluss haben auf die sich nach objektiven normativen Regelungen richtende Staatsangehörigkeit einer Person. Voluntative Elemente, die von den Behörden des jeweiligen fremden Staates neben dessen geltendem Staatsangehörigkeitsrecht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit herangezogen werden, sind demzufolge für das erkennende Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit unverbindlich. Im Falle eines evidenten Widerspruchs der staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtspraxis zu den staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtsnormen in dem jeweiligen ausländischen Staat sind für das erkennende Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit die Rechtsnormen maßgeblich, da sich die ausländische Rechtspraxis in einem Staat – wie in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) - nach den jeweiligen Normen dieses Staates richten muss. Steht die staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtspraxis in dem jeweiligen ausländischen Staat in einem evidenten Widerspruch zur staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtslage, so könnte allerdings dieser Widerspruch u.U. selbst ggf. eine flüchtlingsschutzrechtlich erhebliche Verfolgungsgefahr in Form einer Ausbürgerung/Aussperrung begründen.
39Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 28. August 2007 – 8 K 1136/06.A -, n.v., Seite 9, das daraus folgerte, dass das Ableisten von Wehrdienst für Eritrea nicht zum Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit führen kann, sondern allenfalls dazu, dass ein äthiopischer Staatsangehöriger von den Behörden Äthiopiens nicht mehr als solcher akzeptiert und ihm infolge dessen die Wiedereinreise nach Äthiopien verweigert wird; vgl. zu den Voraussetzungen einer asylrechtlich erheblichen Ausbürgerung/Aussperrung, insb. zu der erforderlichen Eingriffsintensität, etwa BVerwG, Beschluss vom 30. April 1997 – 9 B 11/97 -, juris, Rn. 3 ff.
40g) Die maßgebliche staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtslage ergibt sich in Äthiopien aus Art. 33 der Verfassung vom 21. August 1995, dem früheren Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1930, das durch Art. 25 des nachfolgenden Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 aufgehoben wurde, und dem erwähnten Staatsangehörigkeitsgesetz vom 23. Dezember 2003, das nach seinem Art. 27 am selben Tag in Kraft trat.
41Zitierung nach Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Äthiopien.
42Darüber hinaus hat die äthiopische Regierung unterhalb der Ebene des formellen Gesetzes einen Erlass zur Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes auf in Äthiopien lebende Eritreer (Direktive der äthiopischen Regierung zur Bestimmung des Aufenthaltsstatus von Eritreern in Äthiopien vom 16. Januar 2004) sowie einen Erlass aus Mai 2009 herausgegeben.
43In Eritrea ergibt sich die maßgebliche staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtslage aus der Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992, die nach ihrem Art. 13 am Tag ihrer Veröffentlichung (6. April 1992) in Kraft treten sollte bzw. am 24. Mai 1993, dem Tag der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas, in Kraft trat.
44Zitierung nach Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Eritrea.
45h) Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Kläger eritreischer Staatsbürger:
46aa) Im Zeitpunkt seiner Geburt in Asmara 1979 war der Kläger äthiopischer Staatsangehöriger. Nach Art. 1 des damals gültigen äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1930 war äthiopischer Staatsbürger, wer als Kind eines äthiopischen Vaters oder einer äthiopischen Mutter in Äthiopien oder außerhalb geboren wird. Das Gericht hat keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Eltern des Klägers im Jahre 1979 äthiopische Staatsangehörige waren. Zu diesem Zeitpunkt existierte eine eritreische Staatsangehörigkeit nämlich noch nicht, da Eritrea als Staat im völkerrechtlichen Sinne damals noch nicht bestand.
47bb) Durch die Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992 in Verbindung mit der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas am 24. Mai 1993 hat der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit erworben. Die Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992 regelt die Frage, ob jemand qua Geburt eritreischer Staatsangehöriger ist, in ihrem Art. 2. Nach ihrem Art. 13 sollte sie am Tag ihrer Veröffentlichung im eritreischen Amtsblatt, das war der 6. April 1992, in Kraft treten. Wirksam konnte sie jedoch erst werden, nachdem Eritrea am 24. Mai 1993 seine (völkerrechtlich anerkannte) Unabhängigkeit erklärte, da es vorher – wie ausgeführt - als Staat im völkerrechtlichen Sinne noch nicht existierte.
48Nach Art. 2 Abs. 1 ist eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt, wer in Eritrea oder im Ausland als Kind eines Vatersoder einer Mutter eritreischer Abstammung geboren ist. „Eritreischer Abstammung“ ist gemäß Art. 2 Abs. 2, wer 1933 seinen Aufenthalt in Eritrea hatte.
49Grund für das Abstellen auf das Jahr 1933 war, dass die damalige Kolonialmacht Italien in jenem Jahr eine umfassende Registrierung der örtlichen Bevölkerung begann, vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Eritrea, Seite 7.
50Der Begriff der "eritreischen Abstammung" in Art. 2 Abs. 2 ist also nicht mit der eritreischen Volkszugehörigkeit identisch, sondern verlangt den Aufenthalt einer Person im Gebiet des heutigen Eritrea im Jahr 1933.
51Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31.
52Nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 müssen Vateroder Mutter zwingend selbst „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 sein bzw. 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea gehabt haben, um ihrem Kind die eritreische Staatsangehörigkeit qua Geburt zu vermitteln („als Kind eines Vaters oder einer Mutter eritreischer Abstammung“). Nach Sinn und Zweck von Art. 2 Abs. 1 und 2 (teleologische Auslegung) muss es jedoch, um einer Person die eritreische Staatsbürgerschaft qua Geburt zu vermitteln, jedenfalls dann, wenn weder deren Vater noch Mutter im Jahre 1933 bereits lebten, auch ausreichen, wenn wiederum Vorfahren von Vateroder Mutter „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 sind bzw. 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass eine Person, deren Elternteile beide erst nach 1933 geboren wurden, niemals eritreischer Staatsangehöriger qua Geburt sein könnte, selbst wenn ihre Großeltern mütter- oder väterlicherseits „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 sind, weil sie 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten. Dies kann nicht überzeugen.
53So der Sache nach wohl auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31: „Danach hat der Kläger nach Nr. 2 Abs. 1 der Verordnung durch Geburt die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt, denn seine Vorfahren lebten 1933 im Gebiet des heutigen Eritrea.“
54Nach Art. 2 Abs. 3 wird, wer in Eritrea als Kind unbekannter Eltern geboren ist, bis zum Beweis des Gegenteils als eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt betrachtet. Gemäß Art. 2 Abs. 4 erhält auf Antrag eine Staatsangehörigkeitsbescheinigung vom Ministerium des Innern, wer durch Abstammung oder Geburt Eritreer ist. Die Erteilung der Staatsangehörigkeitsbescheinigung nach Art. 2 Abs. 4 setzt die eritreische Staatsangehörigkeit voraus. Die Bescheinigung begründet nicht eine ansonsten nicht bestehende Staatsangehörigkeit, sondern dokumentiert nur ihr Vorhandensein. Sie hat also nur deklaratorische Wirkung.
55Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31.
56Nach Art. 2 Abs. 5 hat, wer durch Geburt Eritreer ist, seinen Aufenthalt im Ausland hat und eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, einen Antrag an das Ministerium des Innern zu richten, wenn er förmlich auf seine ausländische Staatsangehörigkeit zu verzichten und die eritreische Staatsangehörigkeit zu erwerben wünscht oder wenn er wünscht, dass nach Vorlage ausreichender Gründe seine eritreische Staatsangehörigkeit anerkannt wird, während er seine fremde Staatsangehörigkeit beibehält. Art. 2 Abs. 5 verleiht – im Unterschied zu Art. 2 Abs. 4 – nach seinem Wortlaut konstitutiv die eritreische Staatsangehörigkeit („wenn er … die eritreische Staatsangehörigkeit zu erwerben wünscht…“).
57Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 39 („…so dass es nicht des konstitutiven Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Abs. 5 der Verordnung bedarf“).
58Eine von Vorfahren eritreischer Abstammung i. S. v. Art. 2 Abs. 2 abstammende Person, die ihren Aufenthalt im Ausland – etwa in Äthiopien – (gehabt) hat, erwirbt die eritreische Staatsangehörigkeit unmittelbar (ipso iure) nach Art. 2 Abs. 1–4, nicht erst durch konstitutive Entscheidung des eritreischen Ministeriums des Innern auf entsprechenden Antrag nach Art. 2 Abs. 5.
59Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31 ff.
60Eine derartige Auslegung des Art. 2 stellt sich einerseits als vertretbar dar bzw. steht nicht in einem Widerspruch zum Wortlaut dieser Norm (dazu aaa)); andererseits entspricht sie nach der Auskunftslage der Handhabung durch die eritreischen Behörden (dazu bbb)).
61aaa) Die vorstehend beschriebene Auslegung des Art. 2 steht mit dessen Wortlaut in Einklang, insb. behält dessen Abs. 5 auch hiernach einen eigenen Regelungsinhalt: Nach Art. 2 Abs. 1 und 2 sind eritreische Staatsangehörige durch Geburt nicht alle Personen, die von eritreischen Volkszugehörigen abstammen, sondern nur solche, die von Personen „eritreischer Abstammung" (die also wiederum 1933 in Eritrea ihren Aufenthalt hatten) abstammen. Solche Personen können sich gemäß Art. 2 Abs. 4 eine deklaratorische Staatsangehörigkeitsbescheinigung vom eritreischen Ministerium des Innern ausstellen lassen. Der Umstand, dass die eritreischen Behörden einen Nachweis der eritreischen Abstammung verlangen, steht dem Innehaben der Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes nicht entgegen. Insoweit ist nämlich zu unterscheiden zwischen dem Bestehen der eritreischen Staatsangehörigkeit und dessen Nachweis. So sind etwa die Teilnahme am eritreischen Unabhängigkeitsreferendum und/oder der Besitz einer eritreischen ID-Karte geeignet, den Nachweis der eritreischen Abstammung und damit der eritreischen Staatsangehörigkeit zu führen; Voraussetzung der eritreischen Staatsangehörigkeit, deren Innehaben auch auf andere Weise – etwa durch die Beibringung von drei Zeugen eritreischer Staatsangehörigkeit, die in der Lage sind zu bestätigen, dass es sich bei der betroffenen Person um einen eritreischen Staatsangehörigen handelt - nachgewiesen werden kann,
62vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 2. Februar 2001 an das VG Gießen (Az.: 508-516.80/36938); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 32; vgl. auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014), Seite 19: Es gibt mehrere Möglichkeiten, die eritreische Staatsangehörigkeit festzustellen, und zwar durch eritreischen Personalausweis, ausgestellt für eine Teilnahme an der Abstimmung über die Unabhängigkeit Eritreas; Geburts- und Taufurkunde; Feststellung durch Gerichtsbeschluss unter Hinzuziehung von drei Zeugen,
63sind sie jedoch nicht.
64Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31, 40 f.
65Wer hingegen „nur" eritreischer Volkszugehöriger ist, jedoch nicht das weitere Merkmal der Abkunft von Personen "eritreischer Abstammung" i. S. v. Art. 2 Abs. 2 erfüllt, kann unter den weiteren Voraussetzungen des Abs. 5 die Option für die eritreische Staatsangehörigkeit ausüben. Mit dem Begriff „durch Geburt Eritreer“ meint Art. 2 Abs. 5 der Verordnung somit nicht Personen, die durch Geburt eritreische Staatsangehörige (i. S. v. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung) sind, denn mit dieser Auslegung würde Art. 2 Abs. 5 in sich widersprüchlich: Sein Regelungsgehalt läge dann im Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit durch Personen, die diese schon innehaben. Damit kann Abs. 5 auch nicht als (abschließende) Spezialregelung für Fälle doppelter Staatsangehörigkeit angesehen werden.
66Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31, 40.
67bbb) Die vorstehend beschriebene Auslegung entspricht nach der Auskunftslage auch der Handhabung durch die eritreischen Behörden. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. November 2001 an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat das für Staatsangehörigkeitsfragen zuständige Department for Immigration and Nationality Eritreas auf mündliche Nachfrage erklärt, dass im Ausland lebende Eritreer, die eine fremde Staatsangehörigkeit innehaben, keinen förmlichen Antrag im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der Verordnung stellen müssen, um als eritreische Staatsangehörige anerkannt zu werden. Faktisch würde jeder im Ausland lebende Eritreer, auch wenn er eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, als eritreischer Staatsangehöriger anerkannt, wenn er seine Abstammung nachweisen oder gegebenenfalls Zeugen für seine Abstammung benennen könne. Es wurde ausdrücklich bestätigt, dass dies auch für Eritreer gilt, die vorher in Äthiopien lebten und möglicherweise die äthiopische Staatsangehörigkeit besitzen bzw. besaßen.
68Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. November 2001 an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az.: 508(514)-516.80/36565); vgl. dazu, dass keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft bestehen, die überzeugenden Ausführungen des VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 34 (Rn. 35 ff. enthalten auch eine Auseinandersetzung mit weiteren Erkenntnismitteln).
69Die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Februar 2001 an das Verwaltungsgericht Gießen, die sich u.a. mit der Verbalnote der eritreischen Regierung vom 30. September 1993 – VN/AA-369/93 – befasst, steht hiermit in Einklang. Mit dieser Verbalnote wurde u.a. bestätigt, dass es hinsichtlich des Erwerbs der eritreischen Staatsangehörigkeit keine Sonderregelungen für im Ausland lebende Personen gibt. Somit findet die Proklamation Nr. 21/1992 auch auf solche eritreischstämmigen Personen Anwendung, die vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in Äthiopien gelebt haben und nicht über eine ID-Karte Eritreas verfügen.
70Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 2. Februar 2001 an das VG Gießen (Az.: 508-516.80/36938).
71Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger, dessen Vorfahren (väterlicherseits) „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Proklamation Nr. 21/1992 sind, die eritreische Staatsangehörigkeit durch diese Proklamation in Verbindung mit der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas am 24. Mai 1993 erworben. Er ist eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt i. S. v. Art. 2 Abs. 1. Jedenfalls die Vorfahren des Klägers väterlicherseits sind nämlich nach der Überzeugung des Gerichts eritreischer Abstammung i. S. v. Art. 2 Abs. 2, da sie 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten. Ob zusätzlich auch die Vorfahren des Klägers mütterlicherseits eritreischer Abstammung im Sinne dieser Norm sind (der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er die Eltern seiner Mutter nicht kenne, da sie vor seiner Geburt gestorben seien), kann auf sich beruhen. Der Kläger, der bereits im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geäußert hatte (Bl. 33/34 BA Heft 1), dass er sowie seine Eltern eritreische Staatsangehörige seien, hat in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht wiederum ausgeführt, er sei eritreischer Staatsangehöriger. Er hat weiter überzeugend dargelegt, dass die Eltern seines Vaters, der nach seinen – des Klägers – Angaben gegenwärtig, sofern er noch lebt, ca. 66 Jahre alt sein müsste, so dass er nach 1933 geboren ist, aus Tesseney (Eritrea) kämen. Folglich ist davon auszugehen, dass die Großeltern des Klägers väterlicherseits 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten.
72cc) Erwirbt nach dem vorstehend Ausgeführten der Kläger als bis dato äthiopischer Staatsangehöriger mit der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas am 24. Mai 1993 die eritreische Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Abs. 1-4 der Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992, so verliert er damit ipso iure gleichzeitig die bis dahin innegehabte äthiopische Staatsangehörigkeit gemäß Art. 11 lit. a) des zum damaligen Zeitpunkt gültigen äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1930. Nach dieser Norm verliert ein äthiopischer Staatsangehöriger die äthiopische Staatsangehörigkeit, wenn er eine andere Staatsangehörigkeit erwirbt.
73Dass die äthiopische Regierung bis zum Ausbruch des äthiopisch-eritreischen Krieges im Mai 1998 ehemalige äthiopische Staatsbürger, die die eritreische Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Proklamation Nr. 21/1992 Eritrea erlangt und dementsprechend die äthiopische Staatsangehörigkeit nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 verloren hatten, u.a. aus (außen)politischen Opportunitätsgründen faktisch weiterhin als äthiopische Staatsbürger behandelte bzw. de facto eine doppelte Staatsangehörigkeit dieses Personenkreises hinnahm,
74vgl. dazu etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gemischt eritreisch-äthiopische Herkunft, 29. Januar 2013, Seite 1 f.: „Bis Mai 1998 akzeptierten die äthiopischen Behörden die faktische Doppelstaatsbürgerschaft bei Eritreern“,
75steht dem Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 nicht entgegen. Die damalige faktische Handhabung durch die äthiopischen Behörden stand nämlich im Widerspruch zum damals geltenden StAG Äthiopien 1930 bzw. dem Wortlaut von dessen Art. 11 lit. a).
76dd) Die ab dem äthiopisch-eritreischen Krieg, der von Mai 1998 bis Juni 2000 (Waffenstillstandsabkommen) andauerte, seitens der äthiopischen Regierung vorgenommenen Deportationen von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit von Äthiopien nach Eritrea änderten den staatsangehörigkeitsrechtlichen Status dieses Personenkreises von Rechts wegen nicht.
77aaa) Insoweit als dieser Personenkreis – wie der Kläger - bereits zeitlich vorhergehend über Art. 2 Proklamation Nr. 21/1992 Eritrea die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt und dementsprechend gemäß Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren hatte, waren die betroffenen Personen bereits vor ihrer Deportation de iure lediglich eritreische Staatsangehörige. Dass die Deportationen auch insoweit gegen rechtsstaatliche und menschenrechtliche Standards verstießen, sei zur Vermeidung von Missverständnissen lediglich klargestellt.
78bbb) Insoweit als dieser Personenkreis – anders als der Kläger - jedoch die eritreische Staatsangehörigkeit noch nicht erlangt und dementsprechend gemäß Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 die äthiopische Staatsangehörigkeit noch nicht verloren hatte, vermochten die Deportationen an dieser staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtslage nichts zu ändern. Insoweit zeigen die Deportationen lediglich, dass der äthiopische Staat äthiopische Staatsangehörige eritreischer Volkszugehörigkeit in eindeutigem Widerspruch zu den eigenen äthiopischen Gesetzen – damals dem StAG Äthiopien 1930 – de facto nicht mehr als äthiopische, sondern als eritreische Staatsangehörige behandelte. Eine in evidentem Widerspruch zu der eigenen Rechtslage stehende Rechtspraxis ist jedoch für das erkennende Gericht nach dem vorstehend Ausgeführten als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit gerade nicht verbindlich.
79ccc) Unabhängig von dem vorstehend Ausgeführten ist der Kläger nach seinem glaubhaften Vortrag von den äthiopischen Behörden nicht nach Eritrea deportiert worden, sondern hat bis zu seiner Flucht in den Sudan in Äthiopien gelebt.
80ee) Dadurch, dass nach seinem Art. 27 das äthiopische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 23. Dezember 2003 am selbigen Tag in Kraft trat, womit es gemäß seinem Art. 25 das frühere äthiopische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1930 aufhob, hat sich der staatsangehörigkeitsrechtliche Status von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit ebenfalls von Rechts wegen nicht geändert.
81aaa) Sofern diese Personen bis dato – anders als der Kläger - noch äthiopische Staatsangehörige waren, so verloren sie durch das StAG Äthiopien 2003 ihre äthiopische Staatsbürgerschaft nicht. Art. 26 StAG Äthiopien 2003 normiert nämlich, dass derjenige, der bis zum Inkrafttreten dieser Proklamation gemäß dem bisherigen Staatsangehörigkeitsgesetz (=StAG Äthiopien 1930) die äthiopische Staatsangehörigkeit innehatte, auch weiterhin äthiopischer Staatsangehöriger bleibt.
82bbb) Sofern diese Personen – wie der Kläger - bereits vor Inkrafttreten des StAG Äthiopien 2003 ihre frühere äthiopische Staatsbürgerschaft nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 verloren hatten, so erhielten sie durch das StAG Äthiopien 2003 die verlorene äthiopische Staatsangehörigkeit nicht ipso iure wieder zurück. Das StAG Äthiopien 2003 enthält – über die Möglichkeiten des Erwerbs der äthiopischen Staatsbürgerschaft nach Art. 5-12 hinaus – lediglich unter den in Art. 22 normierten Voraussetzungen eine Möglichkeit der (konstitutiven) Wiederaufnahme bzw. Wiederzulassung in die äthiopische Staatsangehörigkeit.
83ff) Dadurch, dass die äthiopische Regierung am 19. Januar 2004 einen Erlass zur Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes auf in Äthiopien lebende „Eritreer“ herausgab („directive issued to determine the status of Eritrean citizens residing in Ethiopia“),
84vgl. dazu Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Äthiopien, Seite 14; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gemischt eritreisch-äthiopische Herkunft, 29. Januar 2013, Seite 6; Canada: Immigration and Refugee Board of Canada, Ethiopia: Recent information on the deportation of Eritreans to Eritrea by Ethiopia, including who is considered an Ethiopian (2002-July 2004), abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/41501c062a.html,
85hat sich der staatsangehörigkeitsrechtliche Status von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit ebenfalls von Rechts wegen nicht geändert.
86aaa) Der Erlass ist nur anwendbar auf „Eritreer“, die in Äthiopien sowohl vor der Unabhängigkeit Eritreas als auch danach permanent ihren Wohnsitz hatten; auf – angeblich - eine Gefahr für die nationale Sicherheit des Landes darstellende „Eritreer“, die aus Äthiopien deportiert worden sind, ist der Erlass nicht anwendbar („Another Ethiopian News Agency report adds that the directive only applied to those Eritreans who resided in Ethiopia prior to the independence of Eritrea and „afterwards permanently… and doesn´t include those Eritreans deported from Ethiopia posing [a] threat to the national security of the country“). Der Erlass ist ferner nicht anwendbar auf Inhaber eines eritreischen Reisepasses oder eines anderen Dokuments, das die eritreische Staatsbürgerschaft ausweist, und auch nicht auf Personen, die für die eritreische Regierung gearbeitet haben; diese Personengruppen werden als eritreische Staatsbürger betrachtet („...government officials stated that the directive did not apply to bearers of Eritrean passports or of any other document proving Eritrean citizenship, or those persons who served in the Eritrean government; these persons, according to the government statement, are considered Eritrean citizens“). Der Erlass legt ferner fest, dass Personen, die nicht die eritreische Staatsbürgerschaft gewählt haben, als äthiopische Staatsangehörige betrachtet werden („the directive further states that those who did not choose Eritrean citizenship will be considered Ethiopian citizens“).
87Vgl. Canada: Immigration and Refugee Board of Canada, Ethiopia: Recent information on the deportation of Eritreans to Eritrea by Ethiopia, including who is considered an Ethiopian (2002-July 2004), abrufbar unterhttp://www.refworld.org/docid/41501c062a.html.
88bbb) Personen, die zeitlich vorhergehend über Art. 2 Abs. 1-4 Proklamation Nr. 21/1992 Eritrea qua Gesetzes die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt und dementsprechend gemäß Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren hatten, die jedoch im Sinne des Erlasses nicht „die eritreische Staatsbürgerschaft gewählt“ hatten – sei es dadurch, dass sie einen eritreischen Reisepass oder ein anderes Dokument, das die eritreische Staatsbürgerschaft ausweist, innegehabt hatten, sei es dadurch, dass sie für die eritreische Regierung gearbeitet bzw. ein eritreischen Staatsangehörigen vorbehaltenes öffentliches Amt ausgeübt hatten -, werden danach zwar, sofern auch die soeben beschriebenen weiteren Voraussetzungen des Erlasses vorliegen, von der äthiopischen Regierung als äthiopische Staatsangehörige betrachtet. In einer derartigen Konstellation steht der Erlass der äthiopischen Behörden jedoch im Widerspruch zur (höherrangigen) äthiopischen Gesetzeslage (bis 23. Dezember 2003: StAG 1930; danach StAG 2003) und ist aus diesem Grund für das erkennende Gericht nach dem vorstehend Ausgeführten als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit nicht verbindlich.
89gg) Dadurch, dass die äthiopische Regierung im Mai 2009 einen Erlass herausgab, der „Eritreern“, die aus Äthiopien deportiert worden waren, gestattete, in Äthiopien eine Aufenthaltsbewilligung zu beantragen, ihr Eigentum zurückzuverlangen, zu arbeiten, Geld von Bankkonten abzuheben und sich im Handel zu engagieren,
90vgl. zu diesem Erlass etwa http://nazret.com/blog/index.php/2009/05/24/ethiopia_council_approves_directive_allo?blog=5&disp=single&title=ethiopia_council_approves_directive_allo&more=1&c=1&tb=1&pb=1&redir=no&c_paged=2#comments: “The Council of Ministers has approved a directive that will allow Eritreans who were expelled from Ethiopia on the eve of a border war, to reclaim their property, to work here, to withdraw their money which is in the banks, and to involve themselves in trade and commerce as local investors”; vgl. ferner Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gemischt eritreisch-äthiopische Herkunft, 29. Januar 2013, Seite 6 f. (dort als Direktive von April 2009 bezeichnet),
91hat sich der staatsangehörigkeitsrechtliche Status von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit ebenfalls von Rechts wegen nicht geändert. Diese Direktive verhält sich nicht zur Frage der Staatsangehörigkeit. Die Möglichkeit der Wiederaufnahme bzw. Wiederzulassung in die äthiopische Staatsangehörigkeit nach Art. 22 StAG Äthiopien 2003 steht auf einem anderen Blatt.
92hh) Der Kläger hat durch seine Heirat mit seiner Ehefrau, nach seinen glaubhaften Angaben einer äthiopischen Staatsangehörigen, die verlorene äthiopische Staatsangehörigkeit nicht wieder erworben. Art. 6 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 regelt den (konstitutiven) Erwerb der äthiopischen Staatsangehörigkeit durch Eheschließung. Danach kann ein Ausländer, der mit einem äthiopischen Staatsangehörigen verheiratet ist, die äthiopische Staatsangehörigkeit auf rechtlichem Wege erwerben, wenn 1. die Ehe gemäß äthiopischem Recht geschlossen wurde oder in Übereinstimmung mit dem Ortsrecht des Landes, in dem die Ehe geschlossen wurde, 2. mindestens zwei Jahre seit Eheschließung vergangen sind, 3. er mindestens ein Jahr vor Antragstellung in Äthiopien gelebt hat und 4. er den Voraussetzungen gemäß Art. 5 Nr. 1, 7 und 8 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 genügt. Art. 5 regelt – soweit hier von Belang -, dass, wer den Erwerb der äthiopischen Staatsangehörigkeit auf rechtlichem Wege beantragt, volljährig und geschäftsfähig gemäß äthiopischem Recht sein soll (Nr. 1), in der Lage sein soll darzulegen, dass er aus seiner vorherigen Staatsangehörigkeit entlassen wurde oder dass diese Möglichkeit nach Erwerb der äthiopischen Staatsangehörigkeit besteht oder dass er staatenlos ist (Nr. 7), und dazu angehalten werden soll, den in Art. 12 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 geregelten Treueid abzulegen (Nr. 8). Der Kläger hat die äthiopische Staatsangehörigkeit nicht nach dieser Norm (wieder) erworben. Er erfüllt die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht vollständig. Es fehlt u.a. an dem erforderlichen Antrag, der Voraussetzung des (konstitutiven) Erwerbs der äthiopischen Staatsangehörigkeit durch Heirat ist, sowie an dem – zeitlich auf den Antrag bezogenen - Wohnsitzerfordernis des Art. 6 Abs. 1 Nr. 3 StAG Äthiopien 2003. Ob die anderen kumulativ erforderlichen Voraussetzungen sämtlich vorliegen, kann daher dahinstehen und bedarf keiner weiteren Aufklärung.
93i) Dem Kläger droht in Eritrea, dem Land seiner Staatsangehörigkeit (Herkunftsland), nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit Verfolgung i. S. v. § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG.
94aa) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung aufgrund seiner Nichtableistung des Nationalen Dienstes in Eritrea. Die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz aus diesem Gesichtspunkt scheidet aus mehreren, unabhängig voneinander tragenden Gründen aus:
95aaa) Erstens ist nach der auf die Erkenntnislage gestützten Überzeugung der Kammer von vornherein nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die eritreische Regierung auch Personen, die – wie der Kläger - sich dem Nationalen Dienst lediglich dadurch entzogen haben, dass sie im wehrpflichtigen Alter niemals in Eritrea waren, verfolgt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Personen, die sich dem Nationalen Dienst lediglich dadurch entzogen haben, dass sie im wehrpflichtigen Alter niemals in Eritrea waren, im Falle einer Einreise nach Eritrea nur mit einer Einberufung zum Nationalen Dienst, nicht aber – insoweit anders als Deserteure/Fahnenflüchtige/Wehrdienstverweigerer innerhalb Eritreas - mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder sonstigen Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen.
96Vgl. etwa AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Januar 2008 (508-516.80/45362); anders (die Gefahr weiterer Repressalien bejahend) OVG NRW, Beschluss vom 24. März 2010 – 8 A 4620/05.A -, juris, m. w. N. [Beschluss nach § 161 Abs. 2 VwGO zu § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG a.F.].
97bbb) Zweitens wäre selbst eine ggf. drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine – hier nicht vorliegende - illegale Ausreise nur dann flüchtlingsschutzrechtlich erheblich, wenn sie entweder zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt würde, die durch die Maßnahmen in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten flüchtlingsschutzrechtlich erheblichen persönlichen Merkmale getroffen werden sollen (dazu unter aaaa)), oder wenn sie wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt erginge, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylVfG fallen (dazu unter bbbb)).
98Vgl. dazu etwa Treiber, in: GK-AufenthG, Band 3, § 60 AufenthG Rn. 167 ff., Stand April 2011, m. w. N. aus der Rspr.
99§ 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylVfG bestimmt nämlich, dass als Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylVfG unter anderem Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt gelten kann, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylVfG fallen. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylVfG bezieht sich – in Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 lit. e) RL 2011/95/EU - also auf einen „Konflikt“. Eine Kriegsdienstverweigerung, die – aus welchem Grund auch immer – außerhalb eines solchen Konflikts stattfindet, kann demnach nicht in den Anwendungsbereich der Norm fallen.
100Vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – C-472/13 -, juris, Rn. 35, zur europarechtlichen Vorgängernorm des Art. 9 Abs. 2 lit. e) RL 2004/83/EG.
101Ausgehend von diesen Grundsätzen würde selbst eine in Eritrea ggf. drohende Bestrafung wegen Umgehung der Wehrpflicht durch eine – im vorliegenden Fall nicht in Rede stehende - illegale Ausreise, die ggf. mit inhumanen Umständen der Strafvollstreckung verbunden sein könnte, keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung darstellen (dazu sogleich unter aaaa) und bbbb)). Dies muss dann aber auf der Ebene des Flüchtlingsschutzes erst recht für den vorliegenden Fall einer Umgehung der Wehrpflicht durch bloßen „Nicht-Aufenthalt“ in Eritrea im wehrpflichtigen Alter gelten.
102aaaa) Eine in Eritrea ggf. drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine – hier nicht vorliegende - illegale Ausreise würde zum einen nicht gegenüber bestimmten Personen mit der Zielsetzung, sie durch die Maßnahmen in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten flüchtlingsschutzrechtlich erheblichen persönlichen Merkmale zu treffen, eingesetzt. Bei der Heranziehung zum Militärdienst werden in Eritrea nämlich alle Gruppen der Gesellschaft im Wesentlichen gleich behandelt; eine Unterscheidung nach Rasse, Religion etc. findet nicht statt.
103Vgl. dazu etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 42; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014), Seiten 11 f., 17 f.; Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft [nunmehr ab 1. September 2015: Staatssekretariat für Migration], Factsheet Eritrea Grundlageninformationen, 10. September 2013, Seiten 12 ff., 3. Nationaldienst.
104bbbb) Eine in Eritrea ggf. drohende Bestrafung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine – hier nicht vorliegende - illegale Ausreise erginge zum anderen auch nicht in Zusammenhang mit einem Konflikt i. S. v. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylVfG. Eritrea befindet sich nämlich zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylVfG) in keinem Konflikt im Sinne der Norm – sei es mit anderen Staaten (internationaler Konflikt), sei es mit aufständischen innerstaatlichen Gruppen (innerstaatlicher Konflikt). Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten Äthiopien, Dschibuti und Sudan bestehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht.
105bb) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung in Eritrea aufgrund seiner pfingstchristlichen Religion. Er hat nämlich nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass er eine in Eritrea ggf. unterdrückte religiöse Betätigung seines pfingstchristlichen Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren.
106Vgl. zum rechtlichen Maßstab BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23/12 –, juris, unter Bezugnahme auf das Urteil der Großen Kammer des EuGH vom 5. September 2012 – Rs. C-71/11 u.a. -, juris; zur Lage der Religionsfreiheit in Eritrea in tatsächlicher Hinsicht vgl. etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014), S. 9 f.; Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Factsheet Eritrea, Grundlageninformationen, 10. September 2013, S. 18 f.
107Nähere Ausführungen dazu, welche Bedeutung seine Zugehörigkeit zur pfingstchristlichen Bewegung für seine religiöse Identität hat, hat der Kläger an keiner Stelle gemacht. In der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist der Kläger nicht näher auf seine religiöse Überzeugung eingegangen. Auf die letzte Frage während der Anhörung, ob es noch etwas gebe, was er hier vortragen möchte, entgegnete er, dass er seine wesentlichen Gründe genannt habe (vgl. Bl. 38 BA Heft 1). Im Rahmen der Klagebegründung hat der Kläger – neben allgemeinen Hinweisen auf die Situation von Mitgliedern der Pfingstler in Eritrea - lediglich pauschal ausgeführt, dass ihm als Angehörigen der Pfingstler in Eritrea Verfolgung drohe (Bl. 24 f. GA), und eine Bescheinigung der äthiopischen evangelischen Gemeinde in Frankfurt am Main – Mitglied im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden – vom 00.00.0000 vorgelegt (Bl. 26 GA), nach der er ein wiedergeborener Christ sei, der der genannten christlichen Glaubensgemeinschaft angehöre und, so lange er die Gelegenheit habe, den Gottesdienst besuche. Nähere Ausführungen dazu, was seine vorgetragene pfingstchristliche Überzeugung bzw. deren Ausübung für ihn persönlich bedeutet, finden sich auch in der Klagebegründung nicht. Im Vergleich dazu wird im Rahmen der Klagebegründung hingegen detailliert auf die vorgetragene exilpolitische Tätigkeit des Klägers für die Ethiopian People´s Patriotic Front (EPPF) eingegangen. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht entgegnete der Kläger auf die Frage, was ihn hindern würde, nach Eritrea zu gehen, lediglich allgemein, in Eritrea seien schlimme Verhältnisse, viele Leute verließen dieses Land und auch er habe keinerlei Verhältnis zu diesem Staat, als Pfingstler könne er im Übrigen in Eritrea seine Glaubensrichtung nicht ausüben und werde dort verfolgt.
108cc) Die bloße Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland begründet schließlich ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in Eritrea.
109Vgl. etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014).
110C. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung subsidiären Schutzes. Ihm droht in Eritrea, dem Land seiner Staatsangehörigkeit (Herkunftsland), nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 AsylVfG.
111aa) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung aufgrund seiner Nichtableistung des Nationalen Dienstes in Eritrea. Insoweit wurde oben bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft bereits ausgeführt, dass nach der auf die Erkenntnislage gestützten Überzeugung der Kammer davon auszugehen ist, dass Personen, die sich dem Nationalen Dienst lediglich dadurch entzogen haben, dass sie im wehrpflichtigen Alter niemals in Eritrea waren, im Falle einer Ausreise nach Eritrea nur mit einer Einberufung zum Nationalen Dienst, nicht aber mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder sonstigen Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen. Darauf sei zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
112bb) Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung in Eritrea aufgrund seiner pfingstchristlichen Religion, da er – wie bereits im Rahmen der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt - nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen hat, dass er eine in Eritrea ggf. unterdrückte religiöse Betätigung seines pfingstchristlichen Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren. Diesem Umstand kommt auch im Rahmen der Prüfung subsidiären Schutzes entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
113D. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind in Bezug auf den Zielstaat der Abschiebungsandrohung, der nicht identisch mit dem Herkunftsland i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG sein muss, zu prüfen.
114Vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. September 2007 – 11 S 561/07 -, juris, Rn. 6 ff., m. w. N. aus der höchst- und obergerichtlichen Rspr.
115Die Beklagte hat dem Kläger im streitgegenständlichen Bescheid vom 12. November 2013 die Abschiebung nach Äthiopien angedroht. Ob Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Eritrea vorliegen – dies dürfte im Übrigen aus den bereits genannten Gründen zu verneinen sein -, ist im vorliegenden Fall mithin nicht entscheidungserheblich. In Bezug auf Äthiopien, den Zielstaat der Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid vom 12. November 2013, besteht nach der Überzeugung der Kammer ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bzw. eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und/oder Freiheit des Klägers wegen seiner Vorverfolgung in Äthiopien.
116aa) Die Kammer geht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und nach ausführlicher Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass er in Äthiopien vorverfolgt gewesen ist und ihm im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien aus diesem Grund eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und/oder Freiheit droht. Der Kläger hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass er, nachdem die äthiopische Regierung im Mai 2009 den Erlass herausgegeben hatte, der „Eritreern“, die aus Äthiopien deportiert worden waren, u.a. gestattete, in Äthiopien ihr Eigentum zurückzuverlangen, einen Antrag zur Rückerlangung des väterlichen Vermögens in Adama/Nazret gestellt hatte und er nach seiner dritten Vorsprache inhaftiert worden ist. Es bedarf dabei hier keiner Entscheidung darüber, ob eine derartige Praxis, die im Widerspruch zum genannten Erlass steht, über den vorliegenden Einzelfall des Klägers hinaus generell häufiger vorgekommen sein könnte.
117Vgl. dazu etwa (eine im Widerspruch zum Erlass stehende Praxis verneinend, vielmehr eine Rückgabe konfiszierten Vermögen deportierter Personen nach Nachweis eines entsprechenden Anspruchs bejahend) D-A-CH, Bericht zur D-A-CH Fact Finding Mission Äthiopien/Somaliland 2010, Mai 2010, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/533a78ac6.html, Seiten 50 ff., insb. 52.
118Entscheidend ist, dass die Kammer davon überzeugt ist, dass im vorliegenden Einzelfall des Klägers dieser von einer Inhaftierung aufgrund seines Versuchs zur Rückerlangung des Vermögens seines eritreischstämmigen Vaters betroffen war. Der Kläger hat auch nachvollziehbar dargelegt, wie es ihm gelungen ist, durch Bestechung seine Freilassung zu erreichen, und wie er anschließend erfolglos versuchte, in Addis Abeba wieder an sein früheres (berufliches) Leben anzuknüpfen bzw. seine vorherige Firma aufgrund der Intervention äthiopischer Behörden nicht mehr bereit war, ihn zu beschäftigen. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass der Vorgang zum Antrag des Klägers zur Rückerlangung des väterlichen Vermögens von den äthiopischen Behörden dokumentiert worden ist.
119Vgl. etwa D-A-CH, Bericht zur D-A-CH Fact Finding Mission Äthiopien/Somaliland 2010, Mai 2010, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/533a78ac6.html, Seite 52, wonach die Aktivitäten von Personen, die während des Grenzkries nach Eritrea deportiert worden waren, von den Kebele-Offiziellen aufmerksam verfolgt würden.
120Aufgrund der Dokumentation sowie der Vorverfolgung des Klägers in Äthiopien (Inhaftierung, Entlassung auf der Arbeit aufgrund behördlicher Intervention) besteht im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Äthiopien für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und/oder Freiheit.
121bb) Ob die exilpolitische Tätigkeit des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland für die Ethiopian People´s Patriotic Front (EPPF) ein hinreichendes Gewicht zur Bejahung eines nationalen Abschiebungsverbots aufweist bzw. ob sich der Kläger in einer Gesamtschau des vorliegenden Einzelfalls aus dem Kreis der bloßen Mitläufer der EPPF bereits als ernsthafter Oppositioneller hervorhebt,
122vgl. zu der Frage, unter welchen Umständen die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt, etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, 4. März 2015 (Stand November 2014), Seite 13; D-A-CH, Bericht zur D-A-CH Fact Finding Mission Äthiopien/Somaliland 2010, Mai 2010, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/533a78ac6.html, Seite 49; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A -, juris; vgl. ferner zur EPPF BAMF, Entscheiderbrief 12/2014, Äthiopien: Die EPPF, Seite 3 ff.,
123kann das erkennende Gericht offen lassen, da die Bejahung eines nationalen Abschiebungsverbots unter dem Gesichtspunkt der exilpolitischen Betätigung zu keinem weitergehenden Abschiebungsschutz für den Kläger in Bezug auf Äthiopien führen würde.
124III. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen des Klägers war aus den in der Sitzungsniederschrift des Gerichts festgehaltenen Gründen nicht nachzukommen.
125IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, der nach eigenen Angaben am … 1996 geboren wurde und eritreischer Staatsangehöriger vom Stamm der Tigrinya ist, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Er reiste am
Im Rahmen des Asylverfahrens übergab der Kläger an das Bundesamt einen Taufschein, der ihm nach eigenen Angaben von einem Bekannten aus Eritrea mit dem Flugzeug gebracht worden sei.
Im Rahmen seines persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am
Im Rahmen des Asylverfahrens übersandte das Bundesamt dem Kläger einen Fragebogen, den der Kläger ausfüllte. Er gab darin zu seinen persönlichen Erlebnissen im Herkunftsland an, dass am Anfang alles in Ordnung war, er aber aus gesundheitlichen Gründen die Schule unterbrochen habe. Dann habe er einen Brief mit dem Befehl erhalten, dass er zum Militärdienst müsse. Wegen der drohenden Einberufung zum National Service sei er geflohen. Da er illegal geflohen sei, rechne er mit einer lebenslangen Gefängnisstrafe. Er beschränke seinen Antrag auf die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz. Er wolle daher eine Entscheidung im vereinfachten Verfahren.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am
Mit Bescheid vom
In der Akte des Bundesamtes befinden sich zwei Vermerke. Im Vermerk vom 30.1.2016 wird festgestellt, dass eine positive Entscheidung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG wahrscheinlich scheint. Zur Asyl- und Flüchtlingseigenschaft wird festgehalten, dass sie aufgrund des fehlenden Vortrags zu möglichen individuellen konkreten Verfolgungsgründen abzulehnen war. In einem weiteren Vermerk vom 10.6.2016 wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Entscheidung (§ 4 Abs. 1 AsylG) getroffen worden war, da der Antragssteller nachvollziehbar dargelegt habe, dass er vor dem Nationaldienst in Eritrea geflohen sei und das Land illegal verlassen habe. Aus diesem Grund drohe ihm eine Bestrafung unter unmenschlichen Haftbedingungen. Weiter wird ausgeführt, dass die Bestrafung zudem an asylerhebliche Merkmale anknüpfe, da der Ausländer wegen illegaler Ausreise und Wehrdienstentziehung als Gegner des eritreischen Staatswesens angesehen werde und die Strafe damit politischen Sanktionscharakter habe. Es wird dabei auf das Urteil des VG Frankfurt (U.v. 14.2.2011 - 8 K 4878/10.F.A bzw. den Gerichtsbescheid des VG Wiesbaden (Gerichtsbescheid
Am
Im Antrag bringt die Klägervertreterin im Wesentlichen vor, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet sei, weil ihm im Falle seiner Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen i. S. d. § 3a Abs. 1 und 2 AsylG drohen würden, die an Verfolgungsgründe i. S. d. § 3b Abs. 1 AsylG anknüpfen würden. Art. 37 der Proklamation Nr. 82/1995 sähe für Personen, die sich dem aktiven Wehrdienst bzw. der allgemeinen Dienstpflicht entzögen, eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 Birr und/oder Freiheitstrafen zwischen zwei und fünf Jahren vor. Abhängig vom konkreten Vergehen käme nach allgemeinem Strafrecht auch bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe in Betracht. Tatsächlich würden Personen, die sich dem Nationalen Dienst entzögen, üblicherweise ohne Anklage und gerichtliche Entscheidung für ein bis zwei Jahre inhaftiert (vgl. Amnesty International, Eritrea - 20 Years of Independence, but still no Freedom, Mai 2013, S. 26 f.; UNHCR, Eligibility Guidlines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Eritrea, 20.4.2011, S. 11). Weitere Repressalien bestünden im Entzug von Genehmigungen zum Betrieb eines Gewerbes und Enteignungen. Nach den Eindrücken von Flüchtlingen scheine die Dauer der Inhaftierung im Ermessen des befehlshabenden Offiziers zu liegen (vgl. Amnesty International, Eritrea - 20 Years of Independence, but still no Freedom, Mai 2013). Nach anderen Berichten könne die Dauer und die Bedingungen der Inhaftierung durch Geldzahlung günstig beeinflusst werden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea, 15.10.2014, S. 18). Die vorstehenden Ausführungen würden auch für Personen gelten, die außerhalb des eigentlichen militärischen Bereichs, z. B. bei Baufirmen, ihren Dienst ableisten. Diese Personen würden, sofern sie sich der ihnen zugewiesen Arbeit entziehen, von den eritreischen Behörden ebenfalls als Deserteure angesehen. Ferner seien die Haftbedingungen häufig hart und lebensbedrohlich, insbesondere wegen der massiven Überbelegung der Gefängnisse und unzureichender medizinischer Behandlung. Folter und Misshandlungen seien während der Inhaftierung verbreitet. Der Kläger würde im Falle einer Rückkehr zum Militärdienst einberufen werden und könne sich dem nicht straflos entziehen. Dass er bislang nicht einberufen worden wäre, läge lediglich daran, dass er sich im Ausland aufgehalten habe. Es sei dem Kläger nicht zuzumuten, sich nach Eritrea zu begeben und auf seinen Einberufungsbefehl zu warten, um dann erneut zu fliehen. Durch seine Flucht nach Deutschland und die Stellung eines Asylantrags habe der Kläger gegenüber dem eritreischen Regime zum Ausdruck gebracht, dass er seinen Wehrdienst nicht erbringen wolle. Die Ablehnung der Ableistung des Nationalen Dienstes und auch die Tatsache, dass der Kläger in einem anderen Land Schutz suche, würden vom eritreischen Regime als oppositionelle Handlung bewertet. Darüber hinaus gelte der Kläger als Hochverräter, weil er Eritrea illegal verlassen habe. Im Falle seiner Rückkehr würden dem Kläger Festnahme, willkürliche Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen und Ermordung drohen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts vom
Die Beklagte beantragt im Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung vom
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Bescheid des Bundesamtes vom
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist - unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris). Auch eine kriminelle Verfolgung muss an ein in § 3 AsylG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 11.8.2016 - Au 1 K 16.30744 - juris). Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.
Unter Würdigung dieser Voraussetzungen steht bei Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Eritrea nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallende Gefährdungen drohen.
Der Kläger macht geltend, Eritrea verlassen zu haben, um der drohenden Einberufung zum Nationalen Dienst zu entgehen. Es kann dahinstehen, ob das Vorbringen des Klägers trotz gewisser Widersprüchlichkeiten noch glaubhaft ist. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass der Kläger vor der drohenden Einberufung geflohen ist und sein Heimatland im Wege der illegalen Ausreise verlassen hat, führt dies nicht zu einem Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Die Einberufung zum Nationalen Dienst durch den eritreischen Staat stellt keinen im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG beachtlichen Verfolgungsgrund dar.
Jeder souveräne Staat hat grundsätzlich das Recht, seine Staatsangehörigen zum Wehr- und Militärdienst heranzuziehen (vgl. auch VG Osnabrück, U.v. 18.5.2015 - 5 A 465/14). Ausweislich der Regelung in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG unterfällt die Heranziehung zum Militärdienst grundsätzlich schon nicht dem Schutzversprechen. Denn diese Vorschrift definiert lediglich Verfolgungshandlungen im Zusammenhang mit einer Verweigerung des Militärdienstes nur in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen und Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Kriegsverbrechen, schwere politische Straftaten, Zuwiderhandlungen gegen die Grundsätze der vereinten Nationen) (vgl. hierzu VG München, U.v. 13.7.2016 - M12 K 16.31184 - juris, VG Ansbach, U.v. 26.9.2016 - .AN 3 K 16.30584 - juris). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte, auch wenn zwischen Eritrea und Äthiopien trotz Friedensabkommen von Algier vom 12.12.2000 nach wie vor Spannungen bestehen (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberechtliche Lage in Eritrea, Stand August 2015, vom 14. Dezember 2015 I.1. S. 7).
Die Heranziehung zum Nationen Dienst in Eritrea knüpft auch nicht an Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Denn bei der Heranziehung zum Nationalen Dienst werden in Eritrea alle Gruppen der Gesellschaft im Wesentlichen gleich behandelt; eine Unterscheidung nach Rasse, Religion usw. findet nicht statt (vgl. hierzu etwa VG Potsdam, U.v. 17.2.2016 - 6 K 1995/15.A - juris; VG München, U.v. 13.7.2016 - M 12 K 16.31184 - juris; VGH BW, U.v. 21.1.2003 - A 9 S 297/00 - juris).
Jedoch kann in den Sanktionierungsmaßnahmen einer Wehrpflichtentziehung eine flüchtlingsrelevante Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 2 AsylG liegen.
Das Gericht geht hierbei davon aus, dass auch Personen im dienstpflichtigen Alter, welche den Dienst noch nicht angetreten haben oder dem Aufgebot keine Folge geleistet haben, von den Behörden als Dienstverweigerer angesehen werden und damit bei ihrer Rückkehr - neben der Pflicht zur Ableistung des Nationalen Dienstes - auch Sanktionen, wie z. B. Haft, nicht ausgeschlossen werden können (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Staatssekretariat für Migration (SEM), Sektion Analysen: Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise vom 22.6.2016, S. 40). In der Praxis kann die Bestrafung von einer bloßen Belehrung bis zu einer Haftstrafe reichen (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14.12.2015, Stand: August 2015, S. 18).
Allerdings stellt nicht jede Sanktionierung automatisch eine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar. Denn die Einberufung zum Wehrdienst und die Bestrafung einer gesetzwidrigen Verweigerung der Erfüllung der Wehrpflicht stellen grundsätzlich nicht Maßnahmen politischer Verfolgung dar. Es ist das Recht eines jeden Staates, die Ableistung des Wehrdienstes im Rahmen seiner Gesetze grundsätzlich von allen davon erfassten Bürgern unterschiedslos zu verlangen (vgl. BayVGH, U.v. 24.3.2000 - 9 B 96.35177; vgl. auch EuGH, U.v. 26.2.2015 - Shepherd, C-472/13
Aber auch wenn man hier in der Bestrafung eine Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a Abs. 2 AsylG annimmt, erfordert eine flüchtlingsrelevante Verfolgung gem. § 3a Abs. 3 AsylG einen Zusammenhang zwischen Verfolgungshandlung und den Verfolgungsgründen.
Regelmäßig dienen Sanktionen wegen Wehrdienstentziehung allerdings nicht der politischen oder religiösen Verfolgung, sondern werden ungeachtet solcher Merkmale im Regelfall allgemein und unterschiedslos gegenüber allen Deserteuren/Verweigerern aus Gründen der Aufrechterhaltung der Disziplin verhängt (vgl. auch VG Osnabrück, U. v. 18.5.2015 - 5 A 465/14). In eine flüchtlingsrelevante Verfolgung schlägt eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung erst dann um, wenn sie zielgerichtet gegenüber Personen eingesetzt wird, die durch diese Maßnahme gerade wegen eines in § 3 Abs. 1 Nr. 1 genannten Merkmals getroffen werden soll (vgl. auch VG Osnabrück, U.v. 18.5.2015 - 5 A 465/14), bzw. wenn die zuständigen Behörden aus der Verwirklichung der Tat auf eine Regimegegnerschaft der betroffenen Person schließen und die strafrechtliche Sanktion nicht nur der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern auch der Bekämpfung von politischen Gegnern dient (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.6.1991 - 9 C 131.90 - juris Rn19).
Es kann jedoch nach Ansicht des Gerichts derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die illegale Ausreise, um sich dem Nationalen Dienst zu entziehen, vom eritreischen Staat allgemein als Regimegegnerschaft gesehen wird und der Bestrafung damit ein politischer Sanktionscharakter zukommt.
Explizite Erkenntnisse, dass die eritreische Regierung Personen, die sich dem Nationalen Dienst entziehen und illegal ausreisen, generell als Regimegegner einstuft und politisch verfolgt, ergeben sich für das Gericht aufgrund der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen nicht (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14.12.2015, Stand: August 2015, S. 17 f.; Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Staatssekretariat für Migration (SEM), Sektion Analysen: Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise vom 22.6.2016). Diese aktuelleren Berichte zeigen eine große Bandbreite möglicher Folgen bei der Rückkehr von Personen, die illegal ausgereist sind, um sich dem Nationalen Dienst zu entziehen, nämlich von einer Belehrung und Ableistung des Nationalen Dienstes bis zu Haft (Monaten oder Jahre). Diese Bandbreite spricht nach Ansicht des Gerichts dafür, dass diese Personen nicht automatisch als Regimegegner eingestuft werden und damit nicht generell einer politischen Verfolgung unterliegen. Ebenso spricht gegen eine generelle politische Verfolgung aller Personen, die sich dem Nationalen Dienst entziehen, der derzeitige Umgang der eritreischen Regierung mit freiwilligen - zumindest vorübergehenden - Rückkehrern. Nach der gegenwärtigen Erkenntnislage des Gerichts werden die gesetzlichen Bestimmungen für Desertion, Dienstverweigerung und illegale Ausreise derzeit für diese Personen nicht angewandt. Sofern sie sich mindestens drei Jahre im Ausland aufgehalten haben, besteht für die Rückkehrer die Möglichkeit, einen sog. „Diaspora Status“ zu erhalten. Dieser setzt voraus, dass eine Diasporasteuer (2% Steuer) bezahlt wurde und, sofern die nationale Dienstpflicht noch nicht erfüllt wurde, ein sog. „Reueformular“ unterzeichnet wurde. Dieses umfasst auch ein Schuldeingeständnis mit der Erklärung, die dafür vorgesehene Bestrafung anzunehmen. Zumindest in der Mehrheit kommt es nach den Erkenntnisquellen des Gerichts zu keiner tatsächlichen Bestrafung (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Staatssekretariat für Migration (SEM), Sektion Analysen: Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise vom 22.6.2016). Mit diesem „Diaspora Status“ ist es möglich drei Jahre in Eritrea zu bleiben, ohne den Nationalen Dienst ableisten zu müssen. Auch eine Ausreise ist mit diesem Status möglich, so dass es temporäre Reisen zu Urlaubs- und Besuchszwecken gibt (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Staatssekretariat für Migration (SEM), Sektion Analysen: Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise vom 22.6.2016; S. 39). Diese Optionen, die gerade auch für Personen gelten, die sich dem Nationalen Dienst durch die illegale Ausreise entzogen haben, sprechen gegen eine generelle Einstufung als politischer Gegner.
Nach der zugrundeliegenden Auskunftslage kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass bereits die illegale Ausreise an sich - wie von Klägerseite vorgebracht - vom eritreischen Staat als Hochverrat angesehen wird. Die oben genannten Erkenntnisse betreffen gerade Personen, die illegal ausreisten, um sich dem Nationalen Dienst zu entziehen, also beide Tatbestände verwirklichen.
Damit liegt nach Auffassung des Gerichts in den möglichen Sanktionen für eine Wehrdienstverweigerung durch illegale Ausreise ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine flüchtlingsrelevante Bestrafung mit politischem Charakter (vgl. auch VG Ansbach, U.v. 26.9.2016 - AN 3 K 16.30584 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.8.2016 - Au 1 K 16.30744 - juris; bzgl. nur illegaler Ausreise VG Braunschweig, U.v. 7.7.2015 - 7 A 368/14; a.A. VG Schwerin, U.v. 8.7.2016 - 15 A 190/15 As - juris; VG Schwerin, U.v. 29.2.2016 - 15 A 3628/15 As - juris; VG Minden, U.v. 13.11.2014 - 10 K 2815/13.A - juris, VG Kassel, Gerichtsbescheid
Dass die Praxis der Bestrafung wegen illegaler Ausreise und Wehrdienstentzug aufgrund der in Eritrea herrschenden Willkürherrschaft ohne unabhängiges Justizwesen, mit willkürlichen Inhaftierungen, körperlichen Misshandlungen, Folter und Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen massiv elementare Rechtsgrundsätze und Menschenrechte verletzt, steht außer Zweifel. Dieser Umstand führt jedoch nicht zu einem Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling, sondern er führte zur Gewährung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG.
Auch die bloße Asylantragsstellung in Deutschland begründet ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in Eritrea (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14.12.2015, Stand: August 2015, S. 17 f).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.
Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 RVG.
Tenor
I.
Die Klagen werden abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind nach eigenen Angaben eritreische Staatsangehörige (Kläger zu 1) geb. am ...; Klägerin zu 2) geb. am ...). Sie reisten - wieder nach eigenen Angaben - am 25. August 2015 (Bl. 66 der Behördenakte - BA) ins Bundesgebiet ein und beantragten am 18. April 2016 Asyl (Bl. 3 BA).
Die Kläger trugen zur Begründung ihres Asylantrags bei der Anhörung des Bundesamtes im Wesentlichen vor: Der Kläger zu 1) führte im Wesentlichen aus, er habe Eritrea als Kind im Jahr 2002 verlassen, weil sein Vater zum Nationaldienst gehen sollte. Er sei hier, weil die Situation im Sudan sehr schlecht sei. Ihm drohe dort Gefängnis, weil er sich illegal aufhalte. Er fürchte sich vor dem Militärdienst, er habe keine Nachweise, dass er diesen bereits abgeleistet habe. Die Klägerin zu 2) führte aus, auch sie fürchte sich vor dem Militärdienst. Ihre Eltern hätten im Jahr 1999 Eritrea verlassen. Im Sudan habe sie für eine Frau gearbeitet. Sie sei dort auch im Gefängnis gewesen.
Mit Bescheid vom
Der Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am
Am .... Mai 2016 haben die Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erhoben mit dem Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung der Nr. 2 des Bescheides vom
Die Klage wurde durch den Prozessbevollmächtigten am .... Juni 2016 im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Kläger befänden sich im wehrdienstfähigen Alter. Sie hätten bei der Anhörung am
Die Beklagte übersandte am
Mit Beschluss vom 17. Juni 2016
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
Gründe
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Bescheid des Bundesamtes vom
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl, 1953 II S.559, 560-Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung kann dabei gem. § 3c AsylG ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 3e AsylG.
Maßgeblich ist, ob der Asylsuchende bei Rückkehr in sein Heimatland der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt wäre, wobei auf den Sachstand im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen ist, § 77 Abs. 1 AsylG. Hat der Ausländer sein Heimatland bzw. den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen, besteht Anspruch auf Verfolgungsschutz bereits dann, wenn er bei Rückkehr vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann (herabgestufter Prognosemaßstab). Ist der Ausländer hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Schutz nur, wenn ihm aufgrund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (gewöhnlicher Prognosemaßstab).
Das Gericht muss - für einen Erfolg des Antrags - die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, Urt. vom 16.04.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, Urt. vom 08.05.1984, Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; Beschluss vom 21.07.1989
In Anwendung dieser Grundsätze ist bei den Klägern keine Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG festzustellen. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Kläger vor ihrer Ausreise aus dem Sudan oder im Falle einer Rückkehr nach Eritrea landesweit von religiöser oder politischer Verfolgung betroffen waren bzw. bedroht sein würden.
Die Kläger haben keine asylrechtlich relevanten Vorfluchtgründe vorgetragen. Die Einlassung des Klägers zu 1) betreffend die Situation im Sudan ist irrelevant, weil der Kläger nicht in den Sudan zurückkehren soll. Die Einlassung der Klägerin zu 2), sie habe im Sudan ein sehr schlechtes Leben gehabt, ist ebenfalls asylrechtlich irrelevant.
Das Vorbringen der Kläger, sie befürchten in Eritrea zum Wehrdienst eingezogen zu werden, führt nicht dazu, dass die Beklagte zu verpflichten wäre, den Klägern Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG zuzuerkennen. Den Klägern droht in Eritrea, dem Land ihrer behaupteten Staatsangehörigkeit (Herkunftsland) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit eine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Kläger ihre eritreische Staatsangehörigkeit glaubhaft gemacht haben. Nur unter dieser Voraussetzung können sie den Flüchtlingsstatus in Bezug auf eine ihnen in Eritrea drohende flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgungsgefahr beanspruchen.
Dabei ist unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens der Kläger davon auszugehen, dass sie nicht vorverfolgt aus Eritrea ausgereist sind, da sie nach eigenen Angaben zwar in Eritrea geboren sind, aber im Kindesalter in den Sudan ausgewandert sind (Bl. 68 BA). Hinsichtlich der jetzt anzunehmenden Verfolgungsgefahr ist nicht etwa danach zu fragen, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass die Kläger erneut von einer Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden bedroht werden (Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie). Denn die Kläger haben nichts dazu vorgebracht und es erschließt sich auch nicht sonst, dass sie bis heute in Eritrea jemals relevante Verfolgungshandlungen erlitten oder unmittelbar zu gewärtigen gehabt hätten. Maßstab für die flüchtlingsschutzrechtliche Beurteilung der von den Klägern geltend gemachten Verfolgungsgefahr ist daher, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgungsgefahr für die Kläger in dem von ihnen behaupteten Herkunftsland (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) Eritrea in Anknüpfung an die geschützten Persönlichkeitsmerkmale (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) auszugehen ist.
Eine solche Verfolgungsgefahr in Eritrea vermag das Gericht wegen des Nationalen Dienstes (Militärdienst einschließlich nationaler Dienstverpflichtung) nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang stellt die bloße Heranziehung zum Nationaldienst als solchen deshalb keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung dar, weil die Heranziehung zum Militärdienst ausweislich der Regelung in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG flüchtlingsschutzrechtlich schon grundsätzlich nicht dem Schutzversprechen unterfällt. Denn diese Vorschrift definiert lediglich Verfolgungshandlungen im Zusammenhang mit einer Verweigerung des Militärdienstes nur in einem Konflikt als relevante Verfolgungshandlungen, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Kriegsverbrechen; schwere nichtpolitische Straftaten, Zuwiderhandlungen gegen die Grundsätze der Vereinten Nationen). Im Übrigen trifft der eritreische Nationaldienst alle Staatsangehörigen ohne Ansehen der Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gleichermaßen.
Der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus´ steht im vorliegenden Fall weiter entgegen, dass keine substantiellen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die eritreische Regierung auch Personen verfolgt, die sich - wie die Kläger - dem Nationalen Dienst lediglich dadurch (bisher) entzogen haben, dass sie sich im wehrpflichtigen Alter (ab dem 18. Lebensjahr) nicht in Eritrea befunden haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass solche Personen im Falle einer Einreise nach Eritrea mit einer Einberufung zum Nationalen Dienst zu rechnen haben, also anders als Deserteure, Fahnenflüchtlinge oder Wehrdienstverweigerer nicht mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder sonstigen Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen. Selbst eine ggf. drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine illegale Ausreise wäre gem. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG nur dann flüchtlingsschutzrechtlich relevant, wenn sie entweder zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt würde, die durch die Maßnahmen in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten flüchtlingsschutzrechtlich relevanten Persönlichkeitsmerkmale getroffen werden sollen, oder wenn sie wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt erginge, in welchem der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Treiber in GK-AufenthG, Band 3, § 60 AufenthG Rn. 167 ff., Stand April 2011 m. w. N. aus der Rspr.). § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG bezieht sich - in Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 lit. e der Qualifikationsrichtlinie - also auf einen „Konflikt“. Eine Kriegsdienstverweigerung, die - aus welchen Gründen auch immer - außerhalb eines solchen Konfliktes stattfindet, kann demnach nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen (EuGH, U.v. 26. 2. 2015 - Rs. C-472/13 zur unionsrechtlichen Vorgängernorm des Art. 9 Abs. 2 lit. e Richtlinie 2004/83/EG - juris).
Hiernach würde selbst eine in Eritrea ggf. drohende Bestrafung wegen Umgehung der Wehrpflicht durch eine illegale Ausreise, die ggf. mit inhumanen Umständen der Strafvollstreckung verbunden sein könnte, keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung darstellen. Dies gilt auf der Ebene des Flüchtlingsschutzes erst recht für den vorliegenden Fall einer Umgehung der Wehrpflicht durch bloßen „Nicht-Aufenthalt“ in Eritrea im wehrpflichtigen Alter (VG Münster, U.v. 22.7.2015 - 9 K 3488/13.A - juris).
Eine in Eritrea drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine illegale Ausreise ist vorliegend schon deshalb nicht beachtlich wahrscheinlich, weil die Kläger zwar nach eigenen Angaben in Eritrea geboren wurden, aber bereits als Kinder aus Eritrea ausgereist sind. Die Flucht der Kläger aus dem Sudan und ihre Weigerung, nach Eritrea zurückzukehren, löst ebenso wenig eine Zuerkennung des Flüchtlingsstatus aus. Denn dieses Verhalten steht nicht im Zusammenhang mit einem Konflikt im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG. Eritrea befindet sich derzeit (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AsylG) in keinem Konflikt im Sinne der Vorschrift - sei es mit anderen Staaten (internationaler Konflikt), sei es mit aufständischen innerstaatlichen Gruppen (innerstaatlicher Konflikt). Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten Äthiopien, Dschibuti und Sudan finden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht statt.
Die bloße Asylantragsstellung in Deutschland begründet ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für die Kläger in Eritrea (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea, 14. Dezember 2015, S. 17).
Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten, das Bundesamt gewähre aus politischen Gründen nur subsidiären Schutz, ist unerheblich. Das Gericht kann vorliegend nur prüfen, ob den Klägern gem. § 3 AsylG Flüchtlingseigenschaft zusteht. Dies ist nicht der Fall.
Die nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 und des § 36 Abs. 1 AsylVfG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Die Kläger besitzen keine Aufenthaltsgenehmigung und sind auch nicht als Asylberechtigte anerkannt.
Nach alledem waren die Klagen mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 12. November 2013 verpflichtet, für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Äthiopien festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der verheiratete amharischsprachige Kläger ist nach eigenen Angaben 1979 in Asmara (heute Eritrea) geboren und seinen Aussagen zufolge eritreischer Staatsangehöriger tigrinischer Volkszugehörigkeit. Nach seiner Darstellung lebte er mit seinen Eltern ab 1980 auf dem Gebiet des heutigen Äthiopien und flüchtete im Mai 2010 zunächst in den Sudan und 2012 in die Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger stellte in der Bundesrepublik Deutschland am 6. Juli 2012 einen Asylantrag.
3Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärte der Kläger im Wesentlichen Folgendes: Seine Eltern – die eritreische Staatsangehörige seien – hätten sich getrennt; sein Vater sei im Jahr 1998 von Äthiopien nach Eritrea deportiert worden, wohingegen seine Mutter in Äthiopien verblieben und dort später gestorben sei. Er – der Kläger – sei nicht deportiert worden, sondern habe sich bis 2010 in Äthiopien aufgehalten. Er habe in Äthiopien an einer Universität Bauwesen studiert und anschließend in Addis Abeba für eine Straßenbaufirma gearbeitet. Schließlich habe Äthiopien ein Gesetz verabschiedet, wonach Eritreern konfisziertes Vermögen zurückzugeben sei. Er sei daraufhin am 10. September 2009 das erste Mal zur Stadtverwaltung von Adama/Nazret gegangen, um konfisziertes Vermögen seines Vaters wiederzuerlangen. Das verabschiedete Gesetz sei nicht angewandt worden; vielmehr sei ihm mitgeteilt worden, er solle froh sein, dass er als Eritreer in Äthiopien leben dürfte. Während des zweiten Termins bei der Stadtverwaltung habe er angekündigt, dass er Klage erheben werde, um das Vermögen seines Vaters zurückzuerlangen. Während des dritten Termins bei der Stadtverwaltung, am 15. September 2009, sei er dann festgenommen worden. Anschließend habe er sich bis Ende November 2009 in Haft befunden; in der Haft sei er geschlagen worden und habe Verletzungen erlitten. Durch Zahlung von Bestechungsgeld sei es ihm gelungen, das Gefängnis zu verlassen. Nach der Flucht habe er sich nach Addis Abeba begeben und zunächst wieder seine vorherige Arbeitsstelle aufgesucht. Er habe jedoch von den Behörden kontinuierlich Drohungen erhalten und sein Arbeitgeber habe ihm schließlich mitgeteilt, dass man sein Arbeitsverhältnis beenden müsse. Aus diesen Gründen habe er im Mai 2010 Äthiopien verlassen.
4Mit Bescheid vom 12. November 2013, am 26. November 2013 als Einschreiben zur Post aufgegeben, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 2.) noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. (Ziffer 3.) vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Äthiopien an (Ziffer 4.). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter scheitere daran, dass der Kläger keine Reiseunterlagen vorgelegt habe, so dass er der ihn treffenden materiellen Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sicheren Drittstaates i. S. v. Art. 16a Abs. 2 GG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein, nicht nachgekommen sei. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehe ebenfalls nicht. Der amharisch sprechende Kläger habe keinerlei Personaldokumente vorgelegt und eine eritreische Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen. Die Inhaftierung des Klägers sei nicht wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit erfolgt. Der Kläger habe in Äthiopien aufwachsen und ungehindert einer beruflichen Tätigkeit nachgehen dürfen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. lägen ebenso wenig vor.
5Der Kläger hat gegen diesen Bescheid am 9. Dezember 2013 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend im Wesentlichen aus: Bei Ausbruch des äthiopisch-eritreischen Krieges seien sein Vater, dessen Grundvermögen in Adama/Nazret, Haus, Werkstatt sowie zwei Lkws konfisziert worden seien, sowie seine Schwester nach Eritrea abgeschoben worden. Er – der Kläger – habe anschließend weiter bei seiner Mutter in Äthiopien gelebt. Seine Mutter sei vermutlich deswegen nicht deportiert worden, weil sie nach der Trennung von seinem Vater einen Äthiopier geheiratet habe. Nach dem Tod seiner Mutter habe er – der Kläger - geheiratet. Nachdem im Laufe des Jahres 2009 in Äthiopien eine Regelung in Kraft getreten sei, nach der eritreischstämmige Personen konfisziertes Vermögen wieder hätten zurückerhalten können, habe er bei der örtlichen Verwaltung in Adama/Nazret drei Mal vorgesprochen, um Vermögen seines Vaters zurückzuerhalten. Im Rahmen der dritten Vorsprache sei er von drei Personen festgenommen und in ein Lager gebracht worden. Er sei mit einem Knüppel geschlagen worden; ein Zeh am linken Fuß sei gebrochen worden. Nach zwei Tagen in einer Einzelzelle sei er in einer Gemeinschaftszelle mit ca. 20 Gefangenen untergebracht worden. Ende November 2009 sei er „auf freien Fuß gesetzt“ worden. Im Januar 2010 habe ihm sein Arbeitgeber gekündigt, da er – der Kläger - ein Problem mit der Regierung habe; die Bedrohungen durch Sicherheitskräfte seien anschließend weiter gegangen. In der Bundesrepublik Deutschland sei er für die Ethiopian People´s Patriotic Front (EPPF) politisch aktiv. Er nehme u.a. an Parteiversammlungen teil, beteilige sich dort an Diskussionen und werbe für die EPPF. Darüber hinaus habe er verschiedentlich regimekritische Beiträge publiziert; seit April 2015 gehöre er zur Redaktion der quartalsmäßig erscheinenden äthiopischen oppositionellen Zeitschrift L. .
6Er – der Kläger – habe einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Eine etwaig über einen sicheren Drittstaat erfolgte Einreise stehe der Asylanerkennung nicht entgegen. Ferner werde er aufgrund seiner teileritreischen Herkunft sowie seines Versuches, Teile des ursprünglichen Vermögens seines eritreischen Vaters zurückzuerhalten, von den äthiopischen Behörden auf unabsehbare Zeit nicht mehr als äthiopischer Staatsbürger, sondern als eritreischer Staatsbürger behandelt und erhalte vor diesem Hintergrund weder einen Pass noch ein anderes Einreisepapier durch die äthiopischen Behörden. Seine Inhaftierung sei auch vor dem Hintergrund seiner teileritreischen Herkunft erfolgt („Eritreer-Malus“); eine Person ohne eritreischen Elternteil würde nach Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche nicht inhaftiert werden. Die äthiopischen Sicherheitskräfte hätten über ihn bereits wegen seiner Herkunft und seiner Versuche zur Rückerlangung des väterlichen Vermögens ein Dossier angelegt. Im Falle der Rückkehr nach Äthiopien drohte ihm darüber hinaus aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten für die EPPF mindestens Haft für unbestimmte Zeit. Die exilpolitische Tätigkeit für die EPPF sei den äthiopischen Behörden aufgrund ihrer Überwachung der äthiopischen Exilopposition auch bekannt geworden.
7Ginge man hingegen davon aus, dass er – der Kläger – eritreischer Staatsangehöriger sei, so drohe ihm aufgrund seines Aufenthalts in Äthiopien und seiner Nichtableistung des Nationalen Dienstes in Eritrea dort Haft und Misshandlung für unbestimmte Zeit. Die eritreische Regierung verfolge in diesem Zusammenhang auch Personen, die sich dadurch, dass sie sich während des wehrpflichtigen Alters niemals in Eritrea, sondern nur im Ausland aufgehalten hätten, dem Nationalen Dienst in Eritrea durch schlichte Abwesenheit entzogen hätten. Schließlich drohe ihm als sog. Pfingstler in Eritrea aufgrund seiner Religion Verfolgung.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 12. November 2013 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
10hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 12. November 2013 zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen,
11äußerst hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 12. November 2013 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Äthiopiens vorliegen.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angegriffenen Bescheids.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, namentlich der Sitzungsniederschrift mit dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Klägers durch das Gericht, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (1 Heft) sowie der vom Kläger mit Schriftsatz vom 20. Mai 2015 übersandten Unterlagen Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17I. Das Gericht konnte über die Klage entscheiden, obwohl kein Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, da bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
18II. Die zulässige Klage ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 12. November 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Äthiopien, den Zielstaat der Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid, abgelehnt hat. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Äthiopien. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 12. November 2013 ist im Übrigen hingegen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
19A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Der Anspruch ist nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG ausgeschlossen. Zur Begründung nimmt das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die insoweit zutreffende Begründung im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten (dort ab Seite 2 zehnter Absatz bis einschließlich Seite 3 sechster Absatz) vom 12. November 2013 Bezug. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt vorliegend auch kein Fall von § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG vor. Andernfalls liefe zum einen Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG regelmäßig leer. Zum anderen lässt sich Art. 3 Abs. 3 der im vorliegenden Fall noch anwendbar gewesenen VO (EG) Nr. 343/2003 (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 der nachfolgenden VO (EU) Nr. 604/2013) entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber nationale Drittstaatenregelungen der Mitgliedstaaten unangetastet lassen wollte.
20B. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG. In Eritrea, dessen Staatsangehöriger er ist (dazu im Einzelnen unter h)), droht ihm nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine landesweite Verfolgung im Sinne dieser Normen (dazu im Einzelnen unter i)).
21a) Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) – GFK - nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder b) in dem er als Staatenloser seiner vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3a Abs. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Gemäß § 3a Abs. 2 AsylVfG gelten als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen: (1.) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (2.) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (3.) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (4.) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (5.) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylVfG fallen, (6.) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Nach § 3b Abs. 2 AsylVfG ist es bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden. Gemäß § 3c AsylVfG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
22Bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft ist – wie auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes - der Maßstab der beachtlichen, d.h. überwiegenden Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Die zum Asylgrundrecht entwickelten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, je nachdem, ob der Ausländer seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist, finden unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU auf die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes keine Anwendung. Nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, lediglich ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis nur durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen. Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5/09 -, juris, Rn. 18 ff.; BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 - 10 C 24/08 -, juris, Rn. 14; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A -, juris, Rn. 35 ff.; jeweils m. w. N (jeweils zur Vorgängernorm des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG).
24b) Ein Asylanspruch besteht nicht, wenn der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Asylsuchende besitzt, bereit und fähig ist, diesen gegen Verfolgungsmaßnahmen auf seinem Territorium zu schützen. Dieser im Rahmen der Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG zu beachtende Grundsatz ist auch im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, § 60 Abs. 1 AufenthG sowie im Rahmen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG, § 60 Abs. 2 AufenthG – wie sich aus der Verwendung des Begriffes „Herkunftsland“ in § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG und der damit in Bezug genommenen Legaldefinition dieses Begriffes in § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG ergibt - zu beachten (wohingegen im Rahmen der Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG auf den in der Abschiebungsandrohung genannten Zielstaat abzustellen ist, vgl. § 34 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 59 Abs. 3 AufenthG). § 3 Abs. 1 AsylVfG normiert – wie bereits ausgeführt - ausdrücklich, dass ein Ausländer nur dann Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) ist, wenn er sich 1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe 2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Personen, die eine Staatsangehörigkeit besitzen, sind danach nur dann Flüchtlinge (bzw. subsidiär Schutzberechtigte), wenn sie des Schutzes desjenigen Staates entbehren, dem sie angehören.
25Vgl. zum Vorstehenden etwa BVerwG, Beschluss vom 28. November 2003 – 1 B 139/03 -, juris, Rn. 3, m. w. N.
26In der Flüchtlingsdefinition des Art. 1 A Nr. 2 Abs. 1 GFK kommt das der Konvention zugrunde liegende Prinzip der Subsidiarität des internationalen Schutzes gegenüber dem Schutz durch den Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - durch den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts ebenfalls zum Ausdruck. Das bedeutet zum einen, dass der internationale Schutz nach der Konvention grundsätzlich nur bei Verfolgung im Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts eingreift, und zum anderen, dass die Schutzgewährung durch den Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - durch den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts die Flüchtlingseigenschaft ausschließt. Die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, § 60 Abs. 1 AufenthG kann deshalb regelmäßig nur zuerkannt werden, wenn die Staatsangehörigkeit des Betroffenen geklärt ist. Offen bleiben kann diese nur, wenn hinsichtlich sämtlicher als Staat der Staatsangehörigkeit in Betracht kommender Staaten die Gefahr politischer Verfolgung entweder bejaht oder verneint werden kann.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2005 – 1 C 29/03 -, juris, Rn. 14 f.
28c) Die Frage, welche Staatsangehörigkeit eine Person innehat, bestimmt sich nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des in Frage kommenden Staates, denn Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit werden grundsätzlich durch innerstaatliche Rechtsvorschriften geregelt.
29Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 24.
30d) Im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit findet der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung Anwendung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dementsprechend existiert eine Beweisregel des Inhalts, dass der Nachweis der Staatsangehörigkeit eines Staates nur durch Vorlage entsprechender Papiere dieses Staates geführt werden kann, nicht. Es ist nämlich gerade Sinn und Zweck der freien richterlichen Beweiswürdigung, das Gericht nicht an starre Regeln zu binden, sondern ihm zu ermöglichen, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2005 – 1 C 29/03 -, juris, Rn. 18.
32e) Im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit verpflichtet § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 ZPO das erkennende Gericht, ausländisches Recht unter Ausnutzung aller ihm zugänglichen Erkenntnisquellen von Amts wegen zu ermitteln. Dabei hat es nicht nur die ausländischen Rechtsnormen, sondern auch ihre Umsetzung in der Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, zu betrachten. In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz der größtmöglichen Annäherung an das ausländische Recht, das grds. in seinem systematischen Kontext, mit Hilfe der im ausländischen Rechtssystem gebräuchlichen Methoden und unter Einbeziehung der ausländischen Rechtsprechung erfasst werden muss. Das Gericht ist grds. gehalten, das ausländische Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Lehre und Rechtsprechung des betreffenden Staates entwickelt hat. Das Gericht darf als deutsches staatliches Gericht aber auch das ausländische Recht für Sonderfallgestaltungen, welche die Gerichte des Staates, dessen Recht anzuwenden ist, (bisher) nicht entschieden haben, fortentwickeln. Hierfür sind der Geist und die Systemzusammenhänge des ausländischen Rechts maßgebend. Mit welchen Erkenntnismitteln das maßgebliche ausländische Recht festzustellen ist, hat das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Eine Beweiserhebung zur Bestimmung des ausländischen Rechts und der maßgeblichen Rechtspraxis ist statthaft, aber nur erforderlich, soweit das ausländische Recht dem Gericht unbekannt ist (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. 293 Satz 1 ZPO).
33Vgl. zum Vorstehenden etwa BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 10 C 2/12 -, juris, Rn. 14 f.; BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 – II ZR 192/13 -, juris, Rn. 15; Geimer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 293 ZPO; jeweils m. w. N.
34Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang ferner, dass ausländische Rechtsnormen für ein deutsches Gericht keine Tatsachen, sondern Rechtssätze sind bzw. Normqualität aufweisen.
35Vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 293 ZPO Rn. 14, 17, m. w. N.
36Dem steht nicht entgegen, dass ausländische Rechtsnormen – wie bereits ausgeführt - unter den Voraussetzungen des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 Satz 1 ZPO einer Beweiserhebung bedürfen und die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht dem Bereich der Rechtserkenntnis zuzuordnen, sondern ungeachtet Besonderheiten „wie“ eine Tatsachenfeststellung zu behandeln ist. Aus letzterem Umstand, der sich nur auf das Revisionsrecht bezieht, folgt nur, dass das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht in den Grenzen des § 137 Abs. 2 VwGO an Feststellungen eines Berufungsgerichts zum ausländischen Recht gebunden ist.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 10 C 2/12 -, juris, Rn. 16.
38f) Voraussetzung der bereits dargestellten Verpflichtung des Gerichts, über die ausländischen Rechtsnormen als solche hinaus auch deren Umsetzung in der Rechtspraxis des jeweiligen Staates zu berücksichtigen, muss jedoch sein, dass die ausländische Rechtspraxis eine zumindest vertretbare Konkretisierung bzw. Auslegung der jeweiligen Rechtsnormen vornimmt. Eine Rechtspraxis, die im eindeutigen Widerspruch zu den gültigen Rechtsnormen des jeweiligen Staates stünde, wäre für das Gericht als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit dahingegen gerade nicht verbindlich. Außerhalb des geltenden Rechts liegende Umstände können nämlich keinen Einfluss haben auf die sich nach objektiven normativen Regelungen richtende Staatsangehörigkeit einer Person. Voluntative Elemente, die von den Behörden des jeweiligen fremden Staates neben dessen geltendem Staatsangehörigkeitsrecht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit herangezogen werden, sind demzufolge für das erkennende Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit unverbindlich. Im Falle eines evidenten Widerspruchs der staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtspraxis zu den staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtsnormen in dem jeweiligen ausländischen Staat sind für das erkennende Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit die Rechtsnormen maßgeblich, da sich die ausländische Rechtspraxis in einem Staat – wie in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) - nach den jeweiligen Normen dieses Staates richten muss. Steht die staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtspraxis in dem jeweiligen ausländischen Staat in einem evidenten Widerspruch zur staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtslage, so könnte allerdings dieser Widerspruch u.U. selbst ggf. eine flüchtlingsschutzrechtlich erhebliche Verfolgungsgefahr in Form einer Ausbürgerung/Aussperrung begründen.
39Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 28. August 2007 – 8 K 1136/06.A -, n.v., Seite 9, das daraus folgerte, dass das Ableisten von Wehrdienst für Eritrea nicht zum Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit führen kann, sondern allenfalls dazu, dass ein äthiopischer Staatsangehöriger von den Behörden Äthiopiens nicht mehr als solcher akzeptiert und ihm infolge dessen die Wiedereinreise nach Äthiopien verweigert wird; vgl. zu den Voraussetzungen einer asylrechtlich erheblichen Ausbürgerung/Aussperrung, insb. zu der erforderlichen Eingriffsintensität, etwa BVerwG, Beschluss vom 30. April 1997 – 9 B 11/97 -, juris, Rn. 3 ff.
40g) Die maßgebliche staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtslage ergibt sich in Äthiopien aus Art. 33 der Verfassung vom 21. August 1995, dem früheren Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1930, das durch Art. 25 des nachfolgenden Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 aufgehoben wurde, und dem erwähnten Staatsangehörigkeitsgesetz vom 23. Dezember 2003, das nach seinem Art. 27 am selben Tag in Kraft trat.
41Zitierung nach Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Äthiopien.
42Darüber hinaus hat die äthiopische Regierung unterhalb der Ebene des formellen Gesetzes einen Erlass zur Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes auf in Äthiopien lebende Eritreer (Direktive der äthiopischen Regierung zur Bestimmung des Aufenthaltsstatus von Eritreern in Äthiopien vom 16. Januar 2004) sowie einen Erlass aus Mai 2009 herausgegeben.
43In Eritrea ergibt sich die maßgebliche staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtslage aus der Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992, die nach ihrem Art. 13 am Tag ihrer Veröffentlichung (6. April 1992) in Kraft treten sollte bzw. am 24. Mai 1993, dem Tag der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas, in Kraft trat.
44Zitierung nach Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Eritrea.
45h) Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Kläger eritreischer Staatsbürger:
46aa) Im Zeitpunkt seiner Geburt in Asmara 1979 war der Kläger äthiopischer Staatsangehöriger. Nach Art. 1 des damals gültigen äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1930 war äthiopischer Staatsbürger, wer als Kind eines äthiopischen Vaters oder einer äthiopischen Mutter in Äthiopien oder außerhalb geboren wird. Das Gericht hat keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Eltern des Klägers im Jahre 1979 äthiopische Staatsangehörige waren. Zu diesem Zeitpunkt existierte eine eritreische Staatsangehörigkeit nämlich noch nicht, da Eritrea als Staat im völkerrechtlichen Sinne damals noch nicht bestand.
47bb) Durch die Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992 in Verbindung mit der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas am 24. Mai 1993 hat der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit erworben. Die Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992 regelt die Frage, ob jemand qua Geburt eritreischer Staatsangehöriger ist, in ihrem Art. 2. Nach ihrem Art. 13 sollte sie am Tag ihrer Veröffentlichung im eritreischen Amtsblatt, das war der 6. April 1992, in Kraft treten. Wirksam konnte sie jedoch erst werden, nachdem Eritrea am 24. Mai 1993 seine (völkerrechtlich anerkannte) Unabhängigkeit erklärte, da es vorher – wie ausgeführt - als Staat im völkerrechtlichen Sinne noch nicht existierte.
48Nach Art. 2 Abs. 1 ist eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt, wer in Eritrea oder im Ausland als Kind eines Vatersoder einer Mutter eritreischer Abstammung geboren ist. „Eritreischer Abstammung“ ist gemäß Art. 2 Abs. 2, wer 1933 seinen Aufenthalt in Eritrea hatte.
49Grund für das Abstellen auf das Jahr 1933 war, dass die damalige Kolonialmacht Italien in jenem Jahr eine umfassende Registrierung der örtlichen Bevölkerung begann, vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Eritrea, Seite 7.
50Der Begriff der "eritreischen Abstammung" in Art. 2 Abs. 2 ist also nicht mit der eritreischen Volkszugehörigkeit identisch, sondern verlangt den Aufenthalt einer Person im Gebiet des heutigen Eritrea im Jahr 1933.
51Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31.
52Nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 müssen Vateroder Mutter zwingend selbst „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 sein bzw. 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea gehabt haben, um ihrem Kind die eritreische Staatsangehörigkeit qua Geburt zu vermitteln („als Kind eines Vaters oder einer Mutter eritreischer Abstammung“). Nach Sinn und Zweck von Art. 2 Abs. 1 und 2 (teleologische Auslegung) muss es jedoch, um einer Person die eritreische Staatsbürgerschaft qua Geburt zu vermitteln, jedenfalls dann, wenn weder deren Vater noch Mutter im Jahre 1933 bereits lebten, auch ausreichen, wenn wiederum Vorfahren von Vateroder Mutter „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 sind bzw. 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass eine Person, deren Elternteile beide erst nach 1933 geboren wurden, niemals eritreischer Staatsangehöriger qua Geburt sein könnte, selbst wenn ihre Großeltern mütter- oder väterlicherseits „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 sind, weil sie 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten. Dies kann nicht überzeugen.
53So der Sache nach wohl auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31: „Danach hat der Kläger nach Nr. 2 Abs. 1 der Verordnung durch Geburt die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt, denn seine Vorfahren lebten 1933 im Gebiet des heutigen Eritrea.“
54Nach Art. 2 Abs. 3 wird, wer in Eritrea als Kind unbekannter Eltern geboren ist, bis zum Beweis des Gegenteils als eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt betrachtet. Gemäß Art. 2 Abs. 4 erhält auf Antrag eine Staatsangehörigkeitsbescheinigung vom Ministerium des Innern, wer durch Abstammung oder Geburt Eritreer ist. Die Erteilung der Staatsangehörigkeitsbescheinigung nach Art. 2 Abs. 4 setzt die eritreische Staatsangehörigkeit voraus. Die Bescheinigung begründet nicht eine ansonsten nicht bestehende Staatsangehörigkeit, sondern dokumentiert nur ihr Vorhandensein. Sie hat also nur deklaratorische Wirkung.
55Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31.
56Nach Art. 2 Abs. 5 hat, wer durch Geburt Eritreer ist, seinen Aufenthalt im Ausland hat und eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, einen Antrag an das Ministerium des Innern zu richten, wenn er förmlich auf seine ausländische Staatsangehörigkeit zu verzichten und die eritreische Staatsangehörigkeit zu erwerben wünscht oder wenn er wünscht, dass nach Vorlage ausreichender Gründe seine eritreische Staatsangehörigkeit anerkannt wird, während er seine fremde Staatsangehörigkeit beibehält. Art. 2 Abs. 5 verleiht – im Unterschied zu Art. 2 Abs. 4 – nach seinem Wortlaut konstitutiv die eritreische Staatsangehörigkeit („wenn er … die eritreische Staatsangehörigkeit zu erwerben wünscht…“).
57Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 39 („…so dass es nicht des konstitutiven Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Abs. 5 der Verordnung bedarf“).
58Eine von Vorfahren eritreischer Abstammung i. S. v. Art. 2 Abs. 2 abstammende Person, die ihren Aufenthalt im Ausland – etwa in Äthiopien – (gehabt) hat, erwirbt die eritreische Staatsangehörigkeit unmittelbar (ipso iure) nach Art. 2 Abs. 1–4, nicht erst durch konstitutive Entscheidung des eritreischen Ministeriums des Innern auf entsprechenden Antrag nach Art. 2 Abs. 5.
59Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31 ff.
60Eine derartige Auslegung des Art. 2 stellt sich einerseits als vertretbar dar bzw. steht nicht in einem Widerspruch zum Wortlaut dieser Norm (dazu aaa)); andererseits entspricht sie nach der Auskunftslage der Handhabung durch die eritreischen Behörden (dazu bbb)).
61aaa) Die vorstehend beschriebene Auslegung des Art. 2 steht mit dessen Wortlaut in Einklang, insb. behält dessen Abs. 5 auch hiernach einen eigenen Regelungsinhalt: Nach Art. 2 Abs. 1 und 2 sind eritreische Staatsangehörige durch Geburt nicht alle Personen, die von eritreischen Volkszugehörigen abstammen, sondern nur solche, die von Personen „eritreischer Abstammung" (die also wiederum 1933 in Eritrea ihren Aufenthalt hatten) abstammen. Solche Personen können sich gemäß Art. 2 Abs. 4 eine deklaratorische Staatsangehörigkeitsbescheinigung vom eritreischen Ministerium des Innern ausstellen lassen. Der Umstand, dass die eritreischen Behörden einen Nachweis der eritreischen Abstammung verlangen, steht dem Innehaben der Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes nicht entgegen. Insoweit ist nämlich zu unterscheiden zwischen dem Bestehen der eritreischen Staatsangehörigkeit und dessen Nachweis. So sind etwa die Teilnahme am eritreischen Unabhängigkeitsreferendum und/oder der Besitz einer eritreischen ID-Karte geeignet, den Nachweis der eritreischen Abstammung und damit der eritreischen Staatsangehörigkeit zu führen; Voraussetzung der eritreischen Staatsangehörigkeit, deren Innehaben auch auf andere Weise – etwa durch die Beibringung von drei Zeugen eritreischer Staatsangehörigkeit, die in der Lage sind zu bestätigen, dass es sich bei der betroffenen Person um einen eritreischen Staatsangehörigen handelt - nachgewiesen werden kann,
62vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 2. Februar 2001 an das VG Gießen (Az.: 508-516.80/36938); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 32; vgl. auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014), Seite 19: Es gibt mehrere Möglichkeiten, die eritreische Staatsangehörigkeit festzustellen, und zwar durch eritreischen Personalausweis, ausgestellt für eine Teilnahme an der Abstimmung über die Unabhängigkeit Eritreas; Geburts- und Taufurkunde; Feststellung durch Gerichtsbeschluss unter Hinzuziehung von drei Zeugen,
63sind sie jedoch nicht.
64Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31, 40 f.
65Wer hingegen „nur" eritreischer Volkszugehöriger ist, jedoch nicht das weitere Merkmal der Abkunft von Personen "eritreischer Abstammung" i. S. v. Art. 2 Abs. 2 erfüllt, kann unter den weiteren Voraussetzungen des Abs. 5 die Option für die eritreische Staatsangehörigkeit ausüben. Mit dem Begriff „durch Geburt Eritreer“ meint Art. 2 Abs. 5 der Verordnung somit nicht Personen, die durch Geburt eritreische Staatsangehörige (i. S. v. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung) sind, denn mit dieser Auslegung würde Art. 2 Abs. 5 in sich widersprüchlich: Sein Regelungsgehalt läge dann im Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit durch Personen, die diese schon innehaben. Damit kann Abs. 5 auch nicht als (abschließende) Spezialregelung für Fälle doppelter Staatsangehörigkeit angesehen werden.
66Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31, 40.
67bbb) Die vorstehend beschriebene Auslegung entspricht nach der Auskunftslage auch der Handhabung durch die eritreischen Behörden. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. November 2001 an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat das für Staatsangehörigkeitsfragen zuständige Department for Immigration and Nationality Eritreas auf mündliche Nachfrage erklärt, dass im Ausland lebende Eritreer, die eine fremde Staatsangehörigkeit innehaben, keinen förmlichen Antrag im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der Verordnung stellen müssen, um als eritreische Staatsangehörige anerkannt zu werden. Faktisch würde jeder im Ausland lebende Eritreer, auch wenn er eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, als eritreischer Staatsangehöriger anerkannt, wenn er seine Abstammung nachweisen oder gegebenenfalls Zeugen für seine Abstammung benennen könne. Es wurde ausdrücklich bestätigt, dass dies auch für Eritreer gilt, die vorher in Äthiopien lebten und möglicherweise die äthiopische Staatsangehörigkeit besitzen bzw. besaßen.
68Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. November 2001 an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az.: 508(514)-516.80/36565); vgl. dazu, dass keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft bestehen, die überzeugenden Ausführungen des VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 34 (Rn. 35 ff. enthalten auch eine Auseinandersetzung mit weiteren Erkenntnismitteln).
69Die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Februar 2001 an das Verwaltungsgericht Gießen, die sich u.a. mit der Verbalnote der eritreischen Regierung vom 30. September 1993 – VN/AA-369/93 – befasst, steht hiermit in Einklang. Mit dieser Verbalnote wurde u.a. bestätigt, dass es hinsichtlich des Erwerbs der eritreischen Staatsangehörigkeit keine Sonderregelungen für im Ausland lebende Personen gibt. Somit findet die Proklamation Nr. 21/1992 auch auf solche eritreischstämmigen Personen Anwendung, die vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in Äthiopien gelebt haben und nicht über eine ID-Karte Eritreas verfügen.
70Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 2. Februar 2001 an das VG Gießen (Az.: 508-516.80/36938).
71Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger, dessen Vorfahren (väterlicherseits) „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Proklamation Nr. 21/1992 sind, die eritreische Staatsangehörigkeit durch diese Proklamation in Verbindung mit der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas am 24. Mai 1993 erworben. Er ist eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt i. S. v. Art. 2 Abs. 1. Jedenfalls die Vorfahren des Klägers väterlicherseits sind nämlich nach der Überzeugung des Gerichts eritreischer Abstammung i. S. v. Art. 2 Abs. 2, da sie 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten. Ob zusätzlich auch die Vorfahren des Klägers mütterlicherseits eritreischer Abstammung im Sinne dieser Norm sind (der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er die Eltern seiner Mutter nicht kenne, da sie vor seiner Geburt gestorben seien), kann auf sich beruhen. Der Kläger, der bereits im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geäußert hatte (Bl. 33/34 BA Heft 1), dass er sowie seine Eltern eritreische Staatsangehörige seien, hat in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht wiederum ausgeführt, er sei eritreischer Staatsangehöriger. Er hat weiter überzeugend dargelegt, dass die Eltern seines Vaters, der nach seinen – des Klägers – Angaben gegenwärtig, sofern er noch lebt, ca. 66 Jahre alt sein müsste, so dass er nach 1933 geboren ist, aus Tesseney (Eritrea) kämen. Folglich ist davon auszugehen, dass die Großeltern des Klägers väterlicherseits 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten.
72cc) Erwirbt nach dem vorstehend Ausgeführten der Kläger als bis dato äthiopischer Staatsangehöriger mit der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas am 24. Mai 1993 die eritreische Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Abs. 1-4 der Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992, so verliert er damit ipso iure gleichzeitig die bis dahin innegehabte äthiopische Staatsangehörigkeit gemäß Art. 11 lit. a) des zum damaligen Zeitpunkt gültigen äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1930. Nach dieser Norm verliert ein äthiopischer Staatsangehöriger die äthiopische Staatsangehörigkeit, wenn er eine andere Staatsangehörigkeit erwirbt.
73Dass die äthiopische Regierung bis zum Ausbruch des äthiopisch-eritreischen Krieges im Mai 1998 ehemalige äthiopische Staatsbürger, die die eritreische Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Proklamation Nr. 21/1992 Eritrea erlangt und dementsprechend die äthiopische Staatsangehörigkeit nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 verloren hatten, u.a. aus (außen)politischen Opportunitätsgründen faktisch weiterhin als äthiopische Staatsbürger behandelte bzw. de facto eine doppelte Staatsangehörigkeit dieses Personenkreises hinnahm,
74vgl. dazu etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gemischt eritreisch-äthiopische Herkunft, 29. Januar 2013, Seite 1 f.: „Bis Mai 1998 akzeptierten die äthiopischen Behörden die faktische Doppelstaatsbürgerschaft bei Eritreern“,
75steht dem Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 nicht entgegen. Die damalige faktische Handhabung durch die äthiopischen Behörden stand nämlich im Widerspruch zum damals geltenden StAG Äthiopien 1930 bzw. dem Wortlaut von dessen Art. 11 lit. a).
76dd) Die ab dem äthiopisch-eritreischen Krieg, der von Mai 1998 bis Juni 2000 (Waffenstillstandsabkommen) andauerte, seitens der äthiopischen Regierung vorgenommenen Deportationen von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit von Äthiopien nach Eritrea änderten den staatsangehörigkeitsrechtlichen Status dieses Personenkreises von Rechts wegen nicht.
77aaa) Insoweit als dieser Personenkreis – wie der Kläger - bereits zeitlich vorhergehend über Art. 2 Proklamation Nr. 21/1992 Eritrea die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt und dementsprechend gemäß Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren hatte, waren die betroffenen Personen bereits vor ihrer Deportation de iure lediglich eritreische Staatsangehörige. Dass die Deportationen auch insoweit gegen rechtsstaatliche und menschenrechtliche Standards verstießen, sei zur Vermeidung von Missverständnissen lediglich klargestellt.
78bbb) Insoweit als dieser Personenkreis – anders als der Kläger - jedoch die eritreische Staatsangehörigkeit noch nicht erlangt und dementsprechend gemäß Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 die äthiopische Staatsangehörigkeit noch nicht verloren hatte, vermochten die Deportationen an dieser staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtslage nichts zu ändern. Insoweit zeigen die Deportationen lediglich, dass der äthiopische Staat äthiopische Staatsangehörige eritreischer Volkszugehörigkeit in eindeutigem Widerspruch zu den eigenen äthiopischen Gesetzen – damals dem StAG Äthiopien 1930 – de facto nicht mehr als äthiopische, sondern als eritreische Staatsangehörige behandelte. Eine in evidentem Widerspruch zu der eigenen Rechtslage stehende Rechtspraxis ist jedoch für das erkennende Gericht nach dem vorstehend Ausgeführten als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit gerade nicht verbindlich.
79ccc) Unabhängig von dem vorstehend Ausgeführten ist der Kläger nach seinem glaubhaften Vortrag von den äthiopischen Behörden nicht nach Eritrea deportiert worden, sondern hat bis zu seiner Flucht in den Sudan in Äthiopien gelebt.
80ee) Dadurch, dass nach seinem Art. 27 das äthiopische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 23. Dezember 2003 am selbigen Tag in Kraft trat, womit es gemäß seinem Art. 25 das frühere äthiopische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1930 aufhob, hat sich der staatsangehörigkeitsrechtliche Status von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit ebenfalls von Rechts wegen nicht geändert.
81aaa) Sofern diese Personen bis dato – anders als der Kläger - noch äthiopische Staatsangehörige waren, so verloren sie durch das StAG Äthiopien 2003 ihre äthiopische Staatsbürgerschaft nicht. Art. 26 StAG Äthiopien 2003 normiert nämlich, dass derjenige, der bis zum Inkrafttreten dieser Proklamation gemäß dem bisherigen Staatsangehörigkeitsgesetz (=StAG Äthiopien 1930) die äthiopische Staatsangehörigkeit innehatte, auch weiterhin äthiopischer Staatsangehöriger bleibt.
82bbb) Sofern diese Personen – wie der Kläger - bereits vor Inkrafttreten des StAG Äthiopien 2003 ihre frühere äthiopische Staatsbürgerschaft nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 verloren hatten, so erhielten sie durch das StAG Äthiopien 2003 die verlorene äthiopische Staatsangehörigkeit nicht ipso iure wieder zurück. Das StAG Äthiopien 2003 enthält – über die Möglichkeiten des Erwerbs der äthiopischen Staatsbürgerschaft nach Art. 5-12 hinaus – lediglich unter den in Art. 22 normierten Voraussetzungen eine Möglichkeit der (konstitutiven) Wiederaufnahme bzw. Wiederzulassung in die äthiopische Staatsangehörigkeit.
83ff) Dadurch, dass die äthiopische Regierung am 19. Januar 2004 einen Erlass zur Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes auf in Äthiopien lebende „Eritreer“ herausgab („directive issued to determine the status of Eritrean citizens residing in Ethiopia“),
84vgl. dazu Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Äthiopien, Seite 14; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gemischt eritreisch-äthiopische Herkunft, 29. Januar 2013, Seite 6; Canada: Immigration and Refugee Board of Canada, Ethiopia: Recent information on the deportation of Eritreans to Eritrea by Ethiopia, including who is considered an Ethiopian (2002-July 2004), abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/41501c062a.html,
85hat sich der staatsangehörigkeitsrechtliche Status von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit ebenfalls von Rechts wegen nicht geändert.
86aaa) Der Erlass ist nur anwendbar auf „Eritreer“, die in Äthiopien sowohl vor der Unabhängigkeit Eritreas als auch danach permanent ihren Wohnsitz hatten; auf – angeblich - eine Gefahr für die nationale Sicherheit des Landes darstellende „Eritreer“, die aus Äthiopien deportiert worden sind, ist der Erlass nicht anwendbar („Another Ethiopian News Agency report adds that the directive only applied to those Eritreans who resided in Ethiopia prior to the independence of Eritrea and „afterwards permanently… and doesn´t include those Eritreans deported from Ethiopia posing [a] threat to the national security of the country“). Der Erlass ist ferner nicht anwendbar auf Inhaber eines eritreischen Reisepasses oder eines anderen Dokuments, das die eritreische Staatsbürgerschaft ausweist, und auch nicht auf Personen, die für die eritreische Regierung gearbeitet haben; diese Personengruppen werden als eritreische Staatsbürger betrachtet („...government officials stated that the directive did not apply to bearers of Eritrean passports or of any other document proving Eritrean citizenship, or those persons who served in the Eritrean government; these persons, according to the government statement, are considered Eritrean citizens“). Der Erlass legt ferner fest, dass Personen, die nicht die eritreische Staatsbürgerschaft gewählt haben, als äthiopische Staatsangehörige betrachtet werden („the directive further states that those who did not choose Eritrean citizenship will be considered Ethiopian citizens“).
87Vgl. Canada: Immigration and Refugee Board of Canada, Ethiopia: Recent information on the deportation of Eritreans to Eritrea by Ethiopia, including who is considered an Ethiopian (2002-July 2004), abrufbar unterhttp://www.refworld.org/docid/41501c062a.html.
88bbb) Personen, die zeitlich vorhergehend über Art. 2 Abs. 1-4 Proklamation Nr. 21/1992 Eritrea qua Gesetzes die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt und dementsprechend gemäß Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren hatten, die jedoch im Sinne des Erlasses nicht „die eritreische Staatsbürgerschaft gewählt“ hatten – sei es dadurch, dass sie einen eritreischen Reisepass oder ein anderes Dokument, das die eritreische Staatsbürgerschaft ausweist, innegehabt hatten, sei es dadurch, dass sie für die eritreische Regierung gearbeitet bzw. ein eritreischen Staatsangehörigen vorbehaltenes öffentliches Amt ausgeübt hatten -, werden danach zwar, sofern auch die soeben beschriebenen weiteren Voraussetzungen des Erlasses vorliegen, von der äthiopischen Regierung als äthiopische Staatsangehörige betrachtet. In einer derartigen Konstellation steht der Erlass der äthiopischen Behörden jedoch im Widerspruch zur (höherrangigen) äthiopischen Gesetzeslage (bis 23. Dezember 2003: StAG 1930; danach StAG 2003) und ist aus diesem Grund für das erkennende Gericht nach dem vorstehend Ausgeführten als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit nicht verbindlich.
89gg) Dadurch, dass die äthiopische Regierung im Mai 2009 einen Erlass herausgab, der „Eritreern“, die aus Äthiopien deportiert worden waren, gestattete, in Äthiopien eine Aufenthaltsbewilligung zu beantragen, ihr Eigentum zurückzuverlangen, zu arbeiten, Geld von Bankkonten abzuheben und sich im Handel zu engagieren,
90vgl. zu diesem Erlass etwa http://nazret.com/blog/index.php/2009/05/24/ethiopia_council_approves_directive_allo?blog=5&disp=single&title=ethiopia_council_approves_directive_allo&more=1&c=1&tb=1&pb=1&redir=no&c_paged=2#comments: “The Council of Ministers has approved a directive that will allow Eritreans who were expelled from Ethiopia on the eve of a border war, to reclaim their property, to work here, to withdraw their money which is in the banks, and to involve themselves in trade and commerce as local investors”; vgl. ferner Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gemischt eritreisch-äthiopische Herkunft, 29. Januar 2013, Seite 6 f. (dort als Direktive von April 2009 bezeichnet),
91hat sich der staatsangehörigkeitsrechtliche Status von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit ebenfalls von Rechts wegen nicht geändert. Diese Direktive verhält sich nicht zur Frage der Staatsangehörigkeit. Die Möglichkeit der Wiederaufnahme bzw. Wiederzulassung in die äthiopische Staatsangehörigkeit nach Art. 22 StAG Äthiopien 2003 steht auf einem anderen Blatt.
92hh) Der Kläger hat durch seine Heirat mit seiner Ehefrau, nach seinen glaubhaften Angaben einer äthiopischen Staatsangehörigen, die verlorene äthiopische Staatsangehörigkeit nicht wieder erworben. Art. 6 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 regelt den (konstitutiven) Erwerb der äthiopischen Staatsangehörigkeit durch Eheschließung. Danach kann ein Ausländer, der mit einem äthiopischen Staatsangehörigen verheiratet ist, die äthiopische Staatsangehörigkeit auf rechtlichem Wege erwerben, wenn 1. die Ehe gemäß äthiopischem Recht geschlossen wurde oder in Übereinstimmung mit dem Ortsrecht des Landes, in dem die Ehe geschlossen wurde, 2. mindestens zwei Jahre seit Eheschließung vergangen sind, 3. er mindestens ein Jahr vor Antragstellung in Äthiopien gelebt hat und 4. er den Voraussetzungen gemäß Art. 5 Nr. 1, 7 und 8 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 genügt. Art. 5 regelt – soweit hier von Belang -, dass, wer den Erwerb der äthiopischen Staatsangehörigkeit auf rechtlichem Wege beantragt, volljährig und geschäftsfähig gemäß äthiopischem Recht sein soll (Nr. 1), in der Lage sein soll darzulegen, dass er aus seiner vorherigen Staatsangehörigkeit entlassen wurde oder dass diese Möglichkeit nach Erwerb der äthiopischen Staatsangehörigkeit besteht oder dass er staatenlos ist (Nr. 7), und dazu angehalten werden soll, den in Art. 12 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 geregelten Treueid abzulegen (Nr. 8). Der Kläger hat die äthiopische Staatsangehörigkeit nicht nach dieser Norm (wieder) erworben. Er erfüllt die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht vollständig. Es fehlt u.a. an dem erforderlichen Antrag, der Voraussetzung des (konstitutiven) Erwerbs der äthiopischen Staatsangehörigkeit durch Heirat ist, sowie an dem – zeitlich auf den Antrag bezogenen - Wohnsitzerfordernis des Art. 6 Abs. 1 Nr. 3 StAG Äthiopien 2003. Ob die anderen kumulativ erforderlichen Voraussetzungen sämtlich vorliegen, kann daher dahinstehen und bedarf keiner weiteren Aufklärung.
93i) Dem Kläger droht in Eritrea, dem Land seiner Staatsangehörigkeit (Herkunftsland), nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit Verfolgung i. S. v. § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG.
94aa) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung aufgrund seiner Nichtableistung des Nationalen Dienstes in Eritrea. Die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz aus diesem Gesichtspunkt scheidet aus mehreren, unabhängig voneinander tragenden Gründen aus:
95aaa) Erstens ist nach der auf die Erkenntnislage gestützten Überzeugung der Kammer von vornherein nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die eritreische Regierung auch Personen, die – wie der Kläger - sich dem Nationalen Dienst lediglich dadurch entzogen haben, dass sie im wehrpflichtigen Alter niemals in Eritrea waren, verfolgt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Personen, die sich dem Nationalen Dienst lediglich dadurch entzogen haben, dass sie im wehrpflichtigen Alter niemals in Eritrea waren, im Falle einer Einreise nach Eritrea nur mit einer Einberufung zum Nationalen Dienst, nicht aber – insoweit anders als Deserteure/Fahnenflüchtige/Wehrdienstverweigerer innerhalb Eritreas - mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder sonstigen Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen.
96Vgl. etwa AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Januar 2008 (508-516.80/45362); anders (die Gefahr weiterer Repressalien bejahend) OVG NRW, Beschluss vom 24. März 2010 – 8 A 4620/05.A -, juris, m. w. N. [Beschluss nach § 161 Abs. 2 VwGO zu § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG a.F.].
97bbb) Zweitens wäre selbst eine ggf. drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine – hier nicht vorliegende - illegale Ausreise nur dann flüchtlingsschutzrechtlich erheblich, wenn sie entweder zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt würde, die durch die Maßnahmen in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten flüchtlingsschutzrechtlich erheblichen persönlichen Merkmale getroffen werden sollen (dazu unter aaaa)), oder wenn sie wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt erginge, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylVfG fallen (dazu unter bbbb)).
98Vgl. dazu etwa Treiber, in: GK-AufenthG, Band 3, § 60 AufenthG Rn. 167 ff., Stand April 2011, m. w. N. aus der Rspr.
99§ 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylVfG bestimmt nämlich, dass als Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylVfG unter anderem Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt gelten kann, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylVfG fallen. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylVfG bezieht sich – in Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 lit. e) RL 2011/95/EU - also auf einen „Konflikt“. Eine Kriegsdienstverweigerung, die – aus welchem Grund auch immer – außerhalb eines solchen Konflikts stattfindet, kann demnach nicht in den Anwendungsbereich der Norm fallen.
100Vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – C-472/13 -, juris, Rn. 35, zur europarechtlichen Vorgängernorm des Art. 9 Abs. 2 lit. e) RL 2004/83/EG.
101Ausgehend von diesen Grundsätzen würde selbst eine in Eritrea ggf. drohende Bestrafung wegen Umgehung der Wehrpflicht durch eine – im vorliegenden Fall nicht in Rede stehende - illegale Ausreise, die ggf. mit inhumanen Umständen der Strafvollstreckung verbunden sein könnte, keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung darstellen (dazu sogleich unter aaaa) und bbbb)). Dies muss dann aber auf der Ebene des Flüchtlingsschutzes erst recht für den vorliegenden Fall einer Umgehung der Wehrpflicht durch bloßen „Nicht-Aufenthalt“ in Eritrea im wehrpflichtigen Alter gelten.
102aaaa) Eine in Eritrea ggf. drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine – hier nicht vorliegende - illegale Ausreise würde zum einen nicht gegenüber bestimmten Personen mit der Zielsetzung, sie durch die Maßnahmen in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten flüchtlingsschutzrechtlich erheblichen persönlichen Merkmale zu treffen, eingesetzt. Bei der Heranziehung zum Militärdienst werden in Eritrea nämlich alle Gruppen der Gesellschaft im Wesentlichen gleich behandelt; eine Unterscheidung nach Rasse, Religion etc. findet nicht statt.
103Vgl. dazu etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 42; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014), Seiten 11 f., 17 f.; Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft [nunmehr ab 1. September 2015: Staatssekretariat für Migration], Factsheet Eritrea Grundlageninformationen, 10. September 2013, Seiten 12 ff., 3. Nationaldienst.
104bbbb) Eine in Eritrea ggf. drohende Bestrafung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine – hier nicht vorliegende - illegale Ausreise erginge zum anderen auch nicht in Zusammenhang mit einem Konflikt i. S. v. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylVfG. Eritrea befindet sich nämlich zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylVfG) in keinem Konflikt im Sinne der Norm – sei es mit anderen Staaten (internationaler Konflikt), sei es mit aufständischen innerstaatlichen Gruppen (innerstaatlicher Konflikt). Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten Äthiopien, Dschibuti und Sudan bestehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht.
105bb) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung in Eritrea aufgrund seiner pfingstchristlichen Religion. Er hat nämlich nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass er eine in Eritrea ggf. unterdrückte religiöse Betätigung seines pfingstchristlichen Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren.
106Vgl. zum rechtlichen Maßstab BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23/12 –, juris, unter Bezugnahme auf das Urteil der Großen Kammer des EuGH vom 5. September 2012 – Rs. C-71/11 u.a. -, juris; zur Lage der Religionsfreiheit in Eritrea in tatsächlicher Hinsicht vgl. etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014), S. 9 f.; Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Factsheet Eritrea, Grundlageninformationen, 10. September 2013, S. 18 f.
107Nähere Ausführungen dazu, welche Bedeutung seine Zugehörigkeit zur pfingstchristlichen Bewegung für seine religiöse Identität hat, hat der Kläger an keiner Stelle gemacht. In der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist der Kläger nicht näher auf seine religiöse Überzeugung eingegangen. Auf die letzte Frage während der Anhörung, ob es noch etwas gebe, was er hier vortragen möchte, entgegnete er, dass er seine wesentlichen Gründe genannt habe (vgl. Bl. 38 BA Heft 1). Im Rahmen der Klagebegründung hat der Kläger – neben allgemeinen Hinweisen auf die Situation von Mitgliedern der Pfingstler in Eritrea - lediglich pauschal ausgeführt, dass ihm als Angehörigen der Pfingstler in Eritrea Verfolgung drohe (Bl. 24 f. GA), und eine Bescheinigung der äthiopischen evangelischen Gemeinde in Frankfurt am Main – Mitglied im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden – vom 00.00.0000 vorgelegt (Bl. 26 GA), nach der er ein wiedergeborener Christ sei, der der genannten christlichen Glaubensgemeinschaft angehöre und, so lange er die Gelegenheit habe, den Gottesdienst besuche. Nähere Ausführungen dazu, was seine vorgetragene pfingstchristliche Überzeugung bzw. deren Ausübung für ihn persönlich bedeutet, finden sich auch in der Klagebegründung nicht. Im Vergleich dazu wird im Rahmen der Klagebegründung hingegen detailliert auf die vorgetragene exilpolitische Tätigkeit des Klägers für die Ethiopian People´s Patriotic Front (EPPF) eingegangen. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht entgegnete der Kläger auf die Frage, was ihn hindern würde, nach Eritrea zu gehen, lediglich allgemein, in Eritrea seien schlimme Verhältnisse, viele Leute verließen dieses Land und auch er habe keinerlei Verhältnis zu diesem Staat, als Pfingstler könne er im Übrigen in Eritrea seine Glaubensrichtung nicht ausüben und werde dort verfolgt.
108cc) Die bloße Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland begründet schließlich ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in Eritrea.
109Vgl. etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014).
110C. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung subsidiären Schutzes. Ihm droht in Eritrea, dem Land seiner Staatsangehörigkeit (Herkunftsland), nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 AsylVfG.
111aa) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung aufgrund seiner Nichtableistung des Nationalen Dienstes in Eritrea. Insoweit wurde oben bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft bereits ausgeführt, dass nach der auf die Erkenntnislage gestützten Überzeugung der Kammer davon auszugehen ist, dass Personen, die sich dem Nationalen Dienst lediglich dadurch entzogen haben, dass sie im wehrpflichtigen Alter niemals in Eritrea waren, im Falle einer Ausreise nach Eritrea nur mit einer Einberufung zum Nationalen Dienst, nicht aber mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder sonstigen Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen. Darauf sei zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
112bb) Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung in Eritrea aufgrund seiner pfingstchristlichen Religion, da er – wie bereits im Rahmen der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt - nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen hat, dass er eine in Eritrea ggf. unterdrückte religiöse Betätigung seines pfingstchristlichen Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren. Diesem Umstand kommt auch im Rahmen der Prüfung subsidiären Schutzes entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
113D. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind in Bezug auf den Zielstaat der Abschiebungsandrohung, der nicht identisch mit dem Herkunftsland i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG sein muss, zu prüfen.
114Vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. September 2007 – 11 S 561/07 -, juris, Rn. 6 ff., m. w. N. aus der höchst- und obergerichtlichen Rspr.
115Die Beklagte hat dem Kläger im streitgegenständlichen Bescheid vom 12. November 2013 die Abschiebung nach Äthiopien angedroht. Ob Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Eritrea vorliegen – dies dürfte im Übrigen aus den bereits genannten Gründen zu verneinen sein -, ist im vorliegenden Fall mithin nicht entscheidungserheblich. In Bezug auf Äthiopien, den Zielstaat der Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid vom 12. November 2013, besteht nach der Überzeugung der Kammer ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bzw. eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und/oder Freiheit des Klägers wegen seiner Vorverfolgung in Äthiopien.
116aa) Die Kammer geht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und nach ausführlicher Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass er in Äthiopien vorverfolgt gewesen ist und ihm im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien aus diesem Grund eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und/oder Freiheit droht. Der Kläger hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass er, nachdem die äthiopische Regierung im Mai 2009 den Erlass herausgegeben hatte, der „Eritreern“, die aus Äthiopien deportiert worden waren, u.a. gestattete, in Äthiopien ihr Eigentum zurückzuverlangen, einen Antrag zur Rückerlangung des väterlichen Vermögens in Adama/Nazret gestellt hatte und er nach seiner dritten Vorsprache inhaftiert worden ist. Es bedarf dabei hier keiner Entscheidung darüber, ob eine derartige Praxis, die im Widerspruch zum genannten Erlass steht, über den vorliegenden Einzelfall des Klägers hinaus generell häufiger vorgekommen sein könnte.
117Vgl. dazu etwa (eine im Widerspruch zum Erlass stehende Praxis verneinend, vielmehr eine Rückgabe konfiszierten Vermögen deportierter Personen nach Nachweis eines entsprechenden Anspruchs bejahend) D-A-CH, Bericht zur D-A-CH Fact Finding Mission Äthiopien/Somaliland 2010, Mai 2010, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/533a78ac6.html, Seiten 50 ff., insb. 52.
118Entscheidend ist, dass die Kammer davon überzeugt ist, dass im vorliegenden Einzelfall des Klägers dieser von einer Inhaftierung aufgrund seines Versuchs zur Rückerlangung des Vermögens seines eritreischstämmigen Vaters betroffen war. Der Kläger hat auch nachvollziehbar dargelegt, wie es ihm gelungen ist, durch Bestechung seine Freilassung zu erreichen, und wie er anschließend erfolglos versuchte, in Addis Abeba wieder an sein früheres (berufliches) Leben anzuknüpfen bzw. seine vorherige Firma aufgrund der Intervention äthiopischer Behörden nicht mehr bereit war, ihn zu beschäftigen. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass der Vorgang zum Antrag des Klägers zur Rückerlangung des väterlichen Vermögens von den äthiopischen Behörden dokumentiert worden ist.
119Vgl. etwa D-A-CH, Bericht zur D-A-CH Fact Finding Mission Äthiopien/Somaliland 2010, Mai 2010, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/533a78ac6.html, Seite 52, wonach die Aktivitäten von Personen, die während des Grenzkries nach Eritrea deportiert worden waren, von den Kebele-Offiziellen aufmerksam verfolgt würden.
120Aufgrund der Dokumentation sowie der Vorverfolgung des Klägers in Äthiopien (Inhaftierung, Entlassung auf der Arbeit aufgrund behördlicher Intervention) besteht im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Äthiopien für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und/oder Freiheit.
121bb) Ob die exilpolitische Tätigkeit des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland für die Ethiopian People´s Patriotic Front (EPPF) ein hinreichendes Gewicht zur Bejahung eines nationalen Abschiebungsverbots aufweist bzw. ob sich der Kläger in einer Gesamtschau des vorliegenden Einzelfalls aus dem Kreis der bloßen Mitläufer der EPPF bereits als ernsthafter Oppositioneller hervorhebt,
122vgl. zu der Frage, unter welchen Umständen die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt, etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, 4. März 2015 (Stand November 2014), Seite 13; D-A-CH, Bericht zur D-A-CH Fact Finding Mission Äthiopien/Somaliland 2010, Mai 2010, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/533a78ac6.html, Seite 49; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A -, juris; vgl. ferner zur EPPF BAMF, Entscheiderbrief 12/2014, Äthiopien: Die EPPF, Seite 3 ff.,
123kann das erkennende Gericht offen lassen, da die Bejahung eines nationalen Abschiebungsverbots unter dem Gesichtspunkt der exilpolitischen Betätigung zu keinem weitergehenden Abschiebungsschutz für den Kläger in Bezug auf Äthiopien führen würde.
124III. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen des Klägers war aus den in der Sitzungsniederschrift des Gerichts festgehaltenen Gründen nicht nachzukommen.
125IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Tenor
-
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Februar 2009 - M 22 K 07.50683 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bayerische Verwaltungsgericht München zurückverwiesen.
-
Damit wird der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2009 - 21 ZB 09.30109 - gegenstandslos.
-
...
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Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG.
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I.
- 2
-
1. Der Beschwerdeführer, ein 39jähriger syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, reiste im August 2006 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter. Bei seiner Anhörung gab er an, als Aktivist für die kurdische Sache in das Blickfeld syrischer Sicherheitskräfte geraten zu sein. Er habe sich mehr als zehn Jahre im Irak aufgehalten. Als er im April 2004 nach Syrien zurückgekehrt sei, habe man ihn festgenommen und anschließend bis Mai 2005 inhaftiert; in der Haft sei er erheblich gefoltert worden. Ihm sei die Zugehörigkeit zu einer geheimen Organisation vorgeworfen worden, die Syrien teilweise annektieren wolle. Am 3. März und 29. Mai 2005 habe es Verhandlungen beim Obersten Staatssicherheitsgericht gegeben; dabei sei er von einem Anwalt begleitet worden, den ihm seine gut bemittelte Familie besorgt habe. Ende Mai 2005 sei er wegen gesundheitlicher Gründe gegen Kaution freigelassen worden. Er habe Syrien Anfang September 2005 verlassen und sei über Jordanien nach Ägypten gereist, wo er sich bis zu seiner Ausreise nach Deutschland illegal aufgehalten habe. Dort habe er erfahren, dass er am 25. September 2005 in Abwesenheit zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden sei. Bei einem weiteren Verbleib in Syrien habe er mit seiner erneuten Verhaftung und Misshandlung rechnen müssen.
- 3
-
Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens legte der Beschwerdeführer mehrere Unterlagen vor, darunter zwei Ausweise einer irakischen Menschenrechtsorganisation, ein Anwalts- und Gerichtsschreiben vom 9. Juni 2005 und einen Bescheid zur Durchführung eines Haftbefehls.
- 4
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2. Mit Bescheid vom 29. Mai 2007 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Die bei der Anhörung gemachten Angaben und vorgelegten Unterlagen hätten zur Überzeugung des Einzelentscheiders geführt, dass der Beschwerdeführer in Syrien eine asyl- oder abschiebungsverbotsrelevante Verfolgung weder erlitten noch bei Rückkehr zu gewärtigen habe. Das Anwalts- und Gerichtsschreiben sowie der Bescheid zur Durchführung eines Haftbefehls wiesen erhebliche Fälschungsmerkmale auf. Einer Korrespondenzbestätigung des früheren Anwalts des Beschwerdeführers komme demgegenüber keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Auch einen politischen Hintergrund, der die Annahme zuließe, er könnte ernsthaft in das Blickfeld des syrischen Geheimdienstes geraten sein, vermöge der Beschwerdeführer nicht darzutun. Schließlich liege kein Abschiebungsverbot mit Blick auf die geltend gemachten Erkrankungen vor.
- 5
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3. Mit seiner Klage machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dass die Feststellung des Bundesamts, bei den vorgelegten Urkunden handele es sich um Fälschungen, nicht nachvollziehbar begründet worden sei. Zum Haftbefehl finde sich keine konkrete Aussage. Im Übrigen werde lediglich die Ungewöhnlichkeit der Formulierungen moniert, was nicht genüge, nachdem der frühere Anwalt die Echtheit und Authentizität des anwaltlichen Schreibens sowie die Vertretung des Beschwerdeführers vor dem Obersten Sicherheitsgericht bestätigt habe.
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Für den Termin zur mündlichen Verhandlung kündigte der Beschwerdeführer an, zum Beweis der von ihm behaupteten Verurteilung und Inhaftierung sowie der Echtheit der vorgelegten Urkunden die Vernehmung des in England lebenden Anwalts zu beantragen. Zudem legte er weitere Unterlagen vor, darunter eine gutachtliche Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien (EZKS) vom 6. Dezember 2008, die das Anwalts- und Gerichtsschreiben und den Bescheid zur Durchführung eines Haftbefehls als echt bewertete und die Angaben des Beschwerdeführers auf der Grundlage eigener Recherchen bestätigte, sowie zwei ärztlich-psychologische Stellungnahmen, die eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostizierten.
- 7
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Im Verhandlungstermin stellte der Beschwerdeführer jeweils hilfsweise den schriftsätzlich angekündigten Beweisantrag sowie den Antrag, zum Beweis der Tatsache, dass er vom Staatssicherheitsgericht zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt wurde, ein Gutachten des EZKS oder einer anderen fachkundigen Stelle einzuholen.
- 8
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4. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. Februar 2009 ab. Eine Asylanerkennung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer für die behauptete Einreise auf dem Luftweg beweisfällig geblieben sei. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft könne der Beschwerdeführer nicht beanspruchen, weil er weder vorverfolgt eingereist sei noch eine politische Nachfluchtaktivität dargetan habe. Ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot bestehe aus den vom Bundesamt genannten Gründen ebenfalls nicht.
- 9
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Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG begründete das Gericht damit, dass es dem Beschwerdeführer den Vortrag zu seinen Fluchtgründen nicht glaube. Seine Angaben zu den beim Bundesamt vorgelegten Ausweisen einer irakischen Menschenrechtsorganisation seien ungereimt. Der eigentliche Verfolgungsvortrag weise, insbesondere was den zehnjährigen Aufenthalt im Irak und die Umstände der Rückkehr nach Syrien angehe, schwere Widersprüche auf. Vor dem Hintergrund dieser Widersprüche seien auch die Angaben zu Folter und Misshandlung während der Untersuchungshaft unglaubhaft. Auskünfte von offizieller Seite seien nicht zu erwarten; der damalige Anwalt könne keinen Erkenntnisgewinn über die Behandlung des Beschwerdeführers in der Haft erbringen; die in den vorgelegten ärztlichen Gutachten beschriebenen Symptome seien für die behaupteten Misshandlungen nicht spezifisch, sondern könnten auch andere Ursachen haben. Selbst die behauptete Verurteilung und Inhaftierung seien nicht frei von Zweifeln. Das Auswärtige Amt weise in seiner Auskunft vom 23. Januar 2007 auf mehrere Fälschungsmerkmale in den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen hin und bezeichne die Freilassung gegen Kaution als ungewöhnlich. Diese gewichtigen Zweifel habe der Beschwerdeführer durch das Gutachten des EZKS vom 6. Dezember 2008, das seinem Wesen nach überdies parteiisch sei, nicht substantiiert erschüttern können. Deshalb und weil nicht dargelegt worden sei, dass bessere Erkenntnisse zu erwarten seien, sei der Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines Gutachtens einer anderen fachkundigen Stelle abzulehnen gewesen. Über die konkrete Verurteilung und die Dauer der Haft gäben auch die sonst vorgelegten Unterlagen keine Aufschlüsse. Der gewichtigste Einwand gegen eine Verurteilung liege schließlich in dem Umstand, dass der Beschwerdeführer das Urteil selbst nicht vorgelegt habe, obwohl die syrische Strafprozessordnung Möglichkeiten der Mitteilung an Abwesende vorsehe.
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Ergänzend führte das Gericht an, dass, selbst wenn man eine Verhaftung des Beschwerdeführers und seine Verurteilung vor dem Obersten Staatssicherheitsgericht als wahr unterstellte - was das Gericht nicht tue -, darin keine politische Verfolgung gesehen werden könnte. Die Bestrafung wegen hochverräterischen Verhaltens stelle keine solche dar, sondern sei Ausfluss des legitimen Interesses jedes Staates auf Achtung seiner territorialen Integrität. Der Anwalt des Beschwerdeführers könne allenfalls diesen Umstand belegen, nicht jedoch eine politisch motivierte unangemessene Behandlung in der Haft oder sonstige politische Mali während und beim Ergebnis des Verfahrens. Die hilfsweise beantragte Zeugenvernehmung sei deshalb unerheblich, zumal sich der Anwalt schriftlich geäußert habe und die Vernehmung entsprechend § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO habe unterbleiben können.
- 11
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5. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung machte der Beschwerdeführer neben den Zulassungsgründen der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz geltend, dass sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
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Das Verwaltungsgericht sei den hilfsweise gestellten Beweisanträgen pflichtwidrig nicht nachgekommen. Den Antrag auf Vernehmung des früheren Anwalts des Beschwerdeführers habe es mangels Vorliegens der Voraussetzungen weder als unerheblich übergehen noch aus Gründen des Prozessrechts ablehnen dürfen. Entsprechendes gelte für den weiteren Hilfsbeweisantrag. Das Auswärtige Amt habe die Echtheit der vorgelegten Unterlagen nicht abschließend verifiziert, sondern lediglich auf mögliche Fälschungsmerkmale hingewiesen. Diesen Zweifeln habe der Beschwerdeführer durch Vorlage des Gutachtens des EZKS vom 6. Dezember 2008 Rechnung getragen, weshalb die Behauptung des Verwaltungsgerichts, es fehle eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes, ins Leere gehe. Die Beweiserhebung sei auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil das vorgelegte Gutachten, wie vom Verwaltungsgericht behauptet, seinem Wesen nach parteiisch sei; das EZKS werde von vielen Gerichten und auch vom Bundesamt als Gutachter herangezogen.
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Des Weiteren sei die Unterstellung des Verwaltungsgerichts, die posttraumatische Belastungsstörung des Beschwerdeführers könne andere als die behaupteten Ursachen haben, aus der Luft gegriffen und objektiv nicht begründet. Dem Gericht fehle die erforderliche Sachkunde, um dies beurteilen zu können. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs sei weitere Sachaufklärung notwendig gewesen, wie ein aktueller psychologischer Befundbericht bestätige.
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Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 20. November 2009, der in Anwendung von § 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG nicht begründet worden ist, ab.
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6. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG. Die Ablehnung seines Schutzbegehrens durch das Verwaltungsgericht erweise sich als willkürlich. Die fachgerichtliche Beweiswürdigung stütze sich auf Indizien, die unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs und unter Missachtung von Beweisanträgen in das Urteil eingeführt worden seien mit der Folge, dass die restlichen Indizien möglicherweise anders gewertet worden wären.
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Insbesondere die Ablehnung der Hilfsbeweisanträge verstoße gegen Art. 103 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot. Das Verwaltungsgericht sei nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung gehalten, den Sachverhalt, solange sich ein so genannter Politmalus nicht von vornherein ausschließen lasse, in einer der Bedeutung des Asylgrundrechts entsprechenden Weise aufzuklären; dies gelte entsprechend, wenn Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt werde. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Folterungen seien Indizien für einen Politmalus, der sich nicht nur an der Strafhöhe festmachen lasse. Der Beschwerdeführer habe dargelegt, dass sein Anwalt nicht nur zur Frage der Inhaftierung und Verurteilung, sondern auch zur Frage der Folter sachgerechte Angaben hätte machen können. Das Verwaltungsgericht habe den Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung des Anwalts deshalb nicht wegen Unerheblichkeit oder unter Verweis auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO und das Vorliegen einer schriftlichen Äußerung ablehnen dürfen. Auch dem weiteren Hilfsbeweisantrag habe das Verwaltungsgericht stattgeben müssen, um sich hinreichende Überzeugungsgewissheit zu verschaffen; das Vorliegen oder Nichtvorliegen der unter Beweis gestellten Verurteilung wegen eines politischen Delikts beeinflusse die Glaubhaftigkeitsbewertung insgesamt und habe deshalb nicht dahinstehen können.
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Ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG liege darin begründet, dass das Verwaltungsgericht sich mit den eingeführten ärztlichen Stellungnahmen nicht hinreichend auseinandergesetzt und es unterlassen habe, zu der vorgetragenen posttraumatischen Belastungsstörung und deren Ursachen ein weiteres Gutachten einzuholen.
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7. Das Bayerische Staatsministerium des Innern und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
-
II.
- 19
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil sie zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG.
- 20
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere hat der Beschwerdeführer vor ihrer Erhebung den Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ordnungsgemäß erschöpft.
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a) Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs keine Anhörungsrüge erhoben hat, obgleich er mit der Verfassungsbeschwerde Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht. Die Anhörungsrüge wäre offensichtlich unzulässig gewesen, weil sich der Beschwerdeführer mit ihr auf keine neue und eigenständige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Verwaltungsgerichtshof hätte berufen können (vgl. BVerfGK 13, 496 <499 f.>).
- 22
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b) Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der materiellen Subsidiarität (vgl. BVerfGE 95, 96 <127>; 112, 50 <60 ff.>) liegt nicht vor. Ein solcher folgt insbesondere nicht daraus, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit, die beiden Beweisanträge unbedingt zu stellen (§ 86 Abs. 2 VwGO), nicht wahrgenommen hat. Um sich mit Blick auf den Subsidiaritätsgrundsatz rechtliches Gehör zu verschaffen, kann nicht die Stellung eines durch Beschluss zu bescheidenden unbedingten Beweisantrags verlangt werden. Die hilfsweise Stellung des Beweisantrags reicht aus, da sie das Gericht nicht von der Verpflichtung enthebt, die Erheblichkeit des Beweisangebots zu beurteilen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Februar 1992 - 2 BvR 633/91 -, NVwZ 1992, S. 659 <660>).
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Das Verwaltungsgericht hat die sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG ergebenden Anforderungen an die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG verfehlt.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 16a Abs. 1 GG ist eine Verfolgung dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (vgl. BVerfGE 80, 315 <335>). Dies gilt indes dann nicht, wenn die staatliche Maßnahme allein dem - grundsätzlich legitimen - staatlichen Rechtsgüterschutz, etwa im Bereich der Terrorismusbekämpfung, dient (vgl. BVerfGE 80, 315 <339>) oder sie nicht über das hinausgeht, was auch bei der Ahndung sonstiger krimineller Taten ohne politischen Bezug regelmäßig angewandt wird (vgl. BVerfGE 81, 142 <151>). Das Asylgrundrecht gewährt keinen Schutz vor drohenden (auch massiven) Verfolgungsmaßnahmen, die keinen politischen Charakter haben (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 2004 - 2 BvR 1318/03 -, NVwZ-RR 2004, S. 613 <614>). Auch eine danach nicht asylerhebliche Strafverfolgung kann freilich in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene wegen eines asylerheblichen Merkmals eine härtere als die sonst übliche Behandlung erleidet (so genannter Politmalus; vgl. BVerfGE 80, 315 <336 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644>). Solange sich ein solcher "Politmalus" nicht von vornherein ausschließen lässt, haben die Fachgerichte den diesbezüglichen Sachverhalt in einer der Bedeutung des Asylgrundrechts entsprechenden Weise aufzuklären (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. April 2004 - 2 BvR 1318/03 -, NVwZ-RR 2004, S. 613 <614> und Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644>).
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Das Bundesverfassungsgericht überprüft die fachgerichtlichen Ermittlungen darauf, ob sie einen hinreichenden Grad an Verlässlichkeit aufweisen und auch dem Umfang nach, bezogen auf die besonderen Gegebenheiten im Asylbereich, zureichend sind (vgl. BVerfGE 76, 143 <162>; 83, 216 <234>). Eine fachgerichtliche Wertung beanstandet es, wenn sie anhand der gegebenen Begründung nicht mehr nachvollziehbar ist und/oder nicht auf einer verlässlichen Grundlage beruht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644> m.w.N.).
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b) Diese Grundsätze gelten nicht nur für das Asylgrundrecht, sondern auch für Verfahren, die auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG gerichtet sind (aus einfachrechtlicher Sicht ebenso BVerwG, Beschluss vom 3. August 2006 - 1 B 20/06 -, juris Rn. 2 f.; vgl. auch zu § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 10. Januar 1995 - 9 C 276/94 -, NVwZ 1996, 86 <88 f.>). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ergeben sich insoweit aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG.
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Den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen muss auch im Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 2 GG wirksam Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGK 10, 108 <112 f.>). Die Verfahrensgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beschränkt sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen; sie gibt dem Bürger darüber hinaus einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potenziell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt ist; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 40, 272 <275>; 67, 43 <58>; 84, 34 <49>; stRspr). Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts (vgl. BVerfGE 60, 253 <297>), hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit und des Freiheitsgrundrechts. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung haben dem hohen Wert dieser Rechte Rechnung zu tragen (vgl. zu den Anforderungen an einen wirkungsvollen Rechtsschutz im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 GG BVerfGE 117, 71<106 f.>). Jedenfalls in Fällen, in denen es um die Beurteilung staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG geht, kommt der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verfassungsrechtliches Gewicht zu. Die fachgerichtliche Verneinung einer Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG muss daher, solange ein politischer Charakter der Strafverfolgungsmaßnahmen nicht von vornherein auszuschließen ist, auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen.
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c) Diesen Anforderungen werden die tragenden Erwägungen des angegriffenen Urteils zur Verneinung einer vom Beschwerdeführer erlittenen politischen Verfolgung nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht ist der Frage, ob die vom Beschwerdeführer dargelegte und unter Beweis gestellte Verurteilung durch das Staatssicherheitsgericht härter als diejenige zur Verfolgung ähnlicher nicht politischer Straftaten von vergleichbarer Gefährlichkeit (vgl. BVerfGE 80, 315 <338>) und damit eine Bedrohung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG gewesen sein könnte, nicht im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang nachgegangen.
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aa) Mit dem Gebot zureichender richterlicher Sachaufklärung nicht zu vereinbaren ist bereits, dass das Verwaltungsgericht es unterlassen hat, Feststellungen zum Vorliegen der strafrechtlichen Verurteilung zu treffen. In den Urteilsgründen findet sich hierzu lediglich die ungenügende Aussage, die Verurteilung sei "keineswegs frei von Zweifeln".
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(1) Wie die Verfassungsbeschwerde zu Recht ausführt, können aus dem Feststehen der Verurteilung wegen eines Staatsschutzdeliktes als solcher Schlüsse auf die Glaubhaftigkeit des Vorbringens zu deren politischem Charakter gezogen werden. Eine Bestätigung der vom Beschwerdeführer im Einzelnen dargelegten und unter Beweis gestellten Tatsache hätte insbesondere die vom Verwaltungsgericht gewonnene Auffassung, dass dessen Angaben zu Folter und Misshandlung während der Untersuchungshaft unglaubhaft seien, in Frage stellen und Anlass für eine andere Einschätzung der weiteren Aufklärungsmöglichkeiten, vor allem der mit dem ersten Beweisantrag angebotenen Zeugenvernehmung, geben können. Da das Verwaltungsgericht davon abgesehen hat, hierzu nachvollziehbare Feststellungen zu treffen, fehlt es an einer hinreichend verlässlichen Grundlage für die Beurteilung der Asylrelevanz der Strafverfolgungsmaßnahme.
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(2) Das Absehen von weiterer Sachaufklärung zum Vorliegen der strafrechtlichen Verurteilung war auch nicht aus der Erwägung heraus gerechtfertigt, dass das Klagevorbringen hierzu keinen tatsächlichen Anlass bot (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Oktober 2000 - 2 BvR 941/99 -, juris Rn. 5). Der Beschwerdeführer hatte in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt, zum Beweis seiner Verurteilung und Inhaftierung ein Gutachten des EZKS oder einer anderen fachkundigen Stelle einzuholen, und damit eine weitere Aufklärungsmöglichkeit benannt. Diese durfte das Verwaltungsgericht nicht mit der Begründung übergehen, dass der Beschwerdeführer nicht in detailliierter Auseinandersetzung mit der hohen Beweiswert genießenden Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Januar 2007 dargetan habe, warum an dessen Feststellungen Zweifel bestehen und eine andere Organisation bessere Erkenntnisse erbringen sollte. Die Auskunft des Auswärtigen Amtes enthielt nämlich zur behaupteten Verurteilung überhaupt keine Aussage, sondern befasste sich lediglich mit der Frage, ob ein vor dieser datiertes Schreiben echt sei.
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bb) Darüber hinaus entbehrt die hypothetische Annahme des Verwaltungsgerichts, bei unterstellter Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Oberste Staatssicherheitsgericht zu zweieinhalb Jahren Gefängnis wegen Separatismus könne hierin keine politische Verfolgung gesehen werden, jeder tatsächlichen Grundlage.
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Bei einer strafrechtlichen Verurteilung durch ein syrisches Staatssicherheitsgericht bedurfte es einer Auseinandersetzung mit dem Einzelfall, um festzustellen, ob in der Anwendung der Strafgesetze durch das Gericht eine Maßnahme politischer Verfolgung zu erblicken war (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, NVwZ-RR 2008, S. 643 <644>). Das Verwaltungsgericht hätte erwägen und darlegen müssen, weshalb die Strafvorschrift als solche und nach der Strafverfolgungspraxis keinen Verfolgungscharakter aufweist, sowie Feststellungen dazu treffen müssen, dass die gegen den Betroffenen verhängte Strafe keine unverhältnismäßige, (auch) an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Sanktion darstellt (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 3. August 2006 - 1 B 20/06 -, juris Rn. 3). In diesem Zusammenhang wäre auch der Behauptung des Beschwerdeführers, er sei im Zuge der Ermittlungen gefoltert worden, als Indiz für das Bestehen eines "Politmalus" nachzugehen gewesen.
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Das Verwaltungsgericht hat ausweislich der Urteilsgründe keine dieser Erwägungen angestellt. Was die behauptete strafrechtliche Verurteilung angeht, hat es sich auf die - lediglich den Ausgangspunkt der gebotenen Befassung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers bildende - Feststellung beschränkt, dass die Pönalisierung und Bestrafung hochverräterischen Verhaltens als solche keine politische Verfolgung darstelle. Auf die vom Beschwerdeführer vorgetragene Folter und Misshandlung ist es nur insoweit eingegangen, als seiner Auffassung nach die Einvernahme des früheren Anwalts des Beschwerdeführers hierzu keinen Erkenntnisgewinn bringen könne und die vorgelegten ärztlich-psychologischen Stellungnahmen insoweit keinen eindeutigen Aussagegehalt aufwiesen. Damit hat es seiner Aufklärungspflicht nicht genügt. Der Beschwerdeführer hatte klar zu erkennen gegeben, dass er einen Zusammenhang zwischen der Behandlung in der Haft und dem anschließenden Strafverfahren für gegeben erachte. Das Verwaltungsgericht hätte deshalb seinen Schilderungen über die erlittene Folter durch eigene Sachverhaltsermittlungen weiter nachgehen müssen. Da es hiervon abgesehen hat, entbehrt seine Wertung, dass die unterstellte Strafverfolgungsmaßnahme keinen politischen Charakter aufweise, jeder tatsächlichen Grundlage.
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3. Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts beruht auf der Grundrechtsverletzung. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Februar 2009 auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Auf das Vorliegen der weiter gerügten Grundrechtsverletzungen kommt es nicht an.
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Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2009 wird damit gegenstandslos.
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III.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, der nach eigenen Angaben am … 1996 geboren wurde und eritreischer Staatsangehöriger vom Stamm der Tigrinya ist, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Er reiste am
Im Rahmen des Asylverfahrens übergab der Kläger an das Bundesamt einen Taufschein, der ihm nach eigenen Angaben von einem Bekannten aus Eritrea mit dem Flugzeug gebracht worden sei.
Im Rahmen seines persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am
Im Rahmen des Asylverfahrens übersandte das Bundesamt dem Kläger einen Fragebogen, den der Kläger ausfüllte. Er gab darin zu seinen persönlichen Erlebnissen im Herkunftsland an, dass am Anfang alles in Ordnung war, er aber aus gesundheitlichen Gründen die Schule unterbrochen habe. Dann habe er einen Brief mit dem Befehl erhalten, dass er zum Militärdienst müsse. Wegen der drohenden Einberufung zum National Service sei er geflohen. Da er illegal geflohen sei, rechne er mit einer lebenslangen Gefängnisstrafe. Er beschränke seinen Antrag auf die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz. Er wolle daher eine Entscheidung im vereinfachten Verfahren.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am
Mit Bescheid vom
In der Akte des Bundesamtes befinden sich zwei Vermerke. Im Vermerk vom 30.1.2016 wird festgestellt, dass eine positive Entscheidung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG wahrscheinlich scheint. Zur Asyl- und Flüchtlingseigenschaft wird festgehalten, dass sie aufgrund des fehlenden Vortrags zu möglichen individuellen konkreten Verfolgungsgründen abzulehnen war. In einem weiteren Vermerk vom 10.6.2016 wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Entscheidung (§ 4 Abs. 1 AsylG) getroffen worden war, da der Antragssteller nachvollziehbar dargelegt habe, dass er vor dem Nationaldienst in Eritrea geflohen sei und das Land illegal verlassen habe. Aus diesem Grund drohe ihm eine Bestrafung unter unmenschlichen Haftbedingungen. Weiter wird ausgeführt, dass die Bestrafung zudem an asylerhebliche Merkmale anknüpfe, da der Ausländer wegen illegaler Ausreise und Wehrdienstentziehung als Gegner des eritreischen Staatswesens angesehen werde und die Strafe damit politischen Sanktionscharakter habe. Es wird dabei auf das Urteil des VG Frankfurt (U.v. 14.2.2011 - 8 K 4878/10.F.A bzw. den Gerichtsbescheid des VG Wiesbaden (Gerichtsbescheid
Am
Im Antrag bringt die Klägervertreterin im Wesentlichen vor, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet sei, weil ihm im Falle seiner Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen i. S. d. § 3a Abs. 1 und 2 AsylG drohen würden, die an Verfolgungsgründe i. S. d. § 3b Abs. 1 AsylG anknüpfen würden. Art. 37 der Proklamation Nr. 82/1995 sähe für Personen, die sich dem aktiven Wehrdienst bzw. der allgemeinen Dienstpflicht entzögen, eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 Birr und/oder Freiheitstrafen zwischen zwei und fünf Jahren vor. Abhängig vom konkreten Vergehen käme nach allgemeinem Strafrecht auch bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe in Betracht. Tatsächlich würden Personen, die sich dem Nationalen Dienst entzögen, üblicherweise ohne Anklage und gerichtliche Entscheidung für ein bis zwei Jahre inhaftiert (vgl. Amnesty International, Eritrea - 20 Years of Independence, but still no Freedom, Mai 2013, S. 26 f.; UNHCR, Eligibility Guidlines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Eritrea, 20.4.2011, S. 11). Weitere Repressalien bestünden im Entzug von Genehmigungen zum Betrieb eines Gewerbes und Enteignungen. Nach den Eindrücken von Flüchtlingen scheine die Dauer der Inhaftierung im Ermessen des befehlshabenden Offiziers zu liegen (vgl. Amnesty International, Eritrea - 20 Years of Independence, but still no Freedom, Mai 2013). Nach anderen Berichten könne die Dauer und die Bedingungen der Inhaftierung durch Geldzahlung günstig beeinflusst werden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea, 15.10.2014, S. 18). Die vorstehenden Ausführungen würden auch für Personen gelten, die außerhalb des eigentlichen militärischen Bereichs, z. B. bei Baufirmen, ihren Dienst ableisten. Diese Personen würden, sofern sie sich der ihnen zugewiesen Arbeit entziehen, von den eritreischen Behörden ebenfalls als Deserteure angesehen. Ferner seien die Haftbedingungen häufig hart und lebensbedrohlich, insbesondere wegen der massiven Überbelegung der Gefängnisse und unzureichender medizinischer Behandlung. Folter und Misshandlungen seien während der Inhaftierung verbreitet. Der Kläger würde im Falle einer Rückkehr zum Militärdienst einberufen werden und könne sich dem nicht straflos entziehen. Dass er bislang nicht einberufen worden wäre, läge lediglich daran, dass er sich im Ausland aufgehalten habe. Es sei dem Kläger nicht zuzumuten, sich nach Eritrea zu begeben und auf seinen Einberufungsbefehl zu warten, um dann erneut zu fliehen. Durch seine Flucht nach Deutschland und die Stellung eines Asylantrags habe der Kläger gegenüber dem eritreischen Regime zum Ausdruck gebracht, dass er seinen Wehrdienst nicht erbringen wolle. Die Ablehnung der Ableistung des Nationalen Dienstes und auch die Tatsache, dass der Kläger in einem anderen Land Schutz suche, würden vom eritreischen Regime als oppositionelle Handlung bewertet. Darüber hinaus gelte der Kläger als Hochverräter, weil er Eritrea illegal verlassen habe. Im Falle seiner Rückkehr würden dem Kläger Festnahme, willkürliche Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen und Ermordung drohen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheids des Bundesamts vom
Die Beklagte beantragt im Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung vom
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Bescheid des Bundesamtes vom
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist - unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris). Auch eine kriminelle Verfolgung muss an ein in § 3 AsylG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 11.8.2016 - Au 1 K 16.30744 - juris). Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.
Unter Würdigung dieser Voraussetzungen steht bei Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Eritrea nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallende Gefährdungen drohen.
Der Kläger macht geltend, Eritrea verlassen zu haben, um der drohenden Einberufung zum Nationalen Dienst zu entgehen. Es kann dahinstehen, ob das Vorbringen des Klägers trotz gewisser Widersprüchlichkeiten noch glaubhaft ist. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass der Kläger vor der drohenden Einberufung geflohen ist und sein Heimatland im Wege der illegalen Ausreise verlassen hat, führt dies nicht zu einem Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Die Einberufung zum Nationalen Dienst durch den eritreischen Staat stellt keinen im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG beachtlichen Verfolgungsgrund dar.
Jeder souveräne Staat hat grundsätzlich das Recht, seine Staatsangehörigen zum Wehr- und Militärdienst heranzuziehen (vgl. auch VG Osnabrück, U.v. 18.5.2015 - 5 A 465/14). Ausweislich der Regelung in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG unterfällt die Heranziehung zum Militärdienst grundsätzlich schon nicht dem Schutzversprechen. Denn diese Vorschrift definiert lediglich Verfolgungshandlungen im Zusammenhang mit einer Verweigerung des Militärdienstes nur in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen und Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Kriegsverbrechen, schwere politische Straftaten, Zuwiderhandlungen gegen die Grundsätze der vereinten Nationen) (vgl. hierzu VG München, U.v. 13.7.2016 - M12 K 16.31184 - juris, VG Ansbach, U.v. 26.9.2016 - .AN 3 K 16.30584 - juris). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte, auch wenn zwischen Eritrea und Äthiopien trotz Friedensabkommen von Algier vom 12.12.2000 nach wie vor Spannungen bestehen (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberechtliche Lage in Eritrea, Stand August 2015, vom 14. Dezember 2015 I.1. S. 7).
Die Heranziehung zum Nationen Dienst in Eritrea knüpft auch nicht an Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Denn bei der Heranziehung zum Nationalen Dienst werden in Eritrea alle Gruppen der Gesellschaft im Wesentlichen gleich behandelt; eine Unterscheidung nach Rasse, Religion usw. findet nicht statt (vgl. hierzu etwa VG Potsdam, U.v. 17.2.2016 - 6 K 1995/15.A - juris; VG München, U.v. 13.7.2016 - M 12 K 16.31184 - juris; VGH BW, U.v. 21.1.2003 - A 9 S 297/00 - juris).
Jedoch kann in den Sanktionierungsmaßnahmen einer Wehrpflichtentziehung eine flüchtlingsrelevante Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 2 AsylG liegen.
Das Gericht geht hierbei davon aus, dass auch Personen im dienstpflichtigen Alter, welche den Dienst noch nicht angetreten haben oder dem Aufgebot keine Folge geleistet haben, von den Behörden als Dienstverweigerer angesehen werden und damit bei ihrer Rückkehr - neben der Pflicht zur Ableistung des Nationalen Dienstes - auch Sanktionen, wie z. B. Haft, nicht ausgeschlossen werden können (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Staatssekretariat für Migration (SEM), Sektion Analysen: Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise vom 22.6.2016, S. 40). In der Praxis kann die Bestrafung von einer bloßen Belehrung bis zu einer Haftstrafe reichen (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14.12.2015, Stand: August 2015, S. 18).
Allerdings stellt nicht jede Sanktionierung automatisch eine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar. Denn die Einberufung zum Wehrdienst und die Bestrafung einer gesetzwidrigen Verweigerung der Erfüllung der Wehrpflicht stellen grundsätzlich nicht Maßnahmen politischer Verfolgung dar. Es ist das Recht eines jeden Staates, die Ableistung des Wehrdienstes im Rahmen seiner Gesetze grundsätzlich von allen davon erfassten Bürgern unterschiedslos zu verlangen (vgl. BayVGH, U.v. 24.3.2000 - 9 B 96.35177; vgl. auch EuGH, U.v. 26.2.2015 - Shepherd, C-472/13
Aber auch wenn man hier in der Bestrafung eine Verfolgungshandlung i. S. d. § 3a Abs. 2 AsylG annimmt, erfordert eine flüchtlingsrelevante Verfolgung gem. § 3a Abs. 3 AsylG einen Zusammenhang zwischen Verfolgungshandlung und den Verfolgungsgründen.
Regelmäßig dienen Sanktionen wegen Wehrdienstentziehung allerdings nicht der politischen oder religiösen Verfolgung, sondern werden ungeachtet solcher Merkmale im Regelfall allgemein und unterschiedslos gegenüber allen Deserteuren/Verweigerern aus Gründen der Aufrechterhaltung der Disziplin verhängt (vgl. auch VG Osnabrück, U. v. 18.5.2015 - 5 A 465/14). In eine flüchtlingsrelevante Verfolgung schlägt eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung erst dann um, wenn sie zielgerichtet gegenüber Personen eingesetzt wird, die durch diese Maßnahme gerade wegen eines in § 3 Abs. 1 Nr. 1 genannten Merkmals getroffen werden soll (vgl. auch VG Osnabrück, U.v. 18.5.2015 - 5 A 465/14), bzw. wenn die zuständigen Behörden aus der Verwirklichung der Tat auf eine Regimegegnerschaft der betroffenen Person schließen und die strafrechtliche Sanktion nicht nur der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern auch der Bekämpfung von politischen Gegnern dient (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.6.1991 - 9 C 131.90 - juris Rn19).
Es kann jedoch nach Ansicht des Gerichts derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die illegale Ausreise, um sich dem Nationalen Dienst zu entziehen, vom eritreischen Staat allgemein als Regimegegnerschaft gesehen wird und der Bestrafung damit ein politischer Sanktionscharakter zukommt.
Explizite Erkenntnisse, dass die eritreische Regierung Personen, die sich dem Nationalen Dienst entziehen und illegal ausreisen, generell als Regimegegner einstuft und politisch verfolgt, ergeben sich für das Gericht aufgrund der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen nicht (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14.12.2015, Stand: August 2015, S. 17 f.; Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Staatssekretariat für Migration (SEM), Sektion Analysen: Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise vom 22.6.2016). Diese aktuelleren Berichte zeigen eine große Bandbreite möglicher Folgen bei der Rückkehr von Personen, die illegal ausgereist sind, um sich dem Nationalen Dienst zu entziehen, nämlich von einer Belehrung und Ableistung des Nationalen Dienstes bis zu Haft (Monaten oder Jahre). Diese Bandbreite spricht nach Ansicht des Gerichts dafür, dass diese Personen nicht automatisch als Regimegegner eingestuft werden und damit nicht generell einer politischen Verfolgung unterliegen. Ebenso spricht gegen eine generelle politische Verfolgung aller Personen, die sich dem Nationalen Dienst entziehen, der derzeitige Umgang der eritreischen Regierung mit freiwilligen - zumindest vorübergehenden - Rückkehrern. Nach der gegenwärtigen Erkenntnislage des Gerichts werden die gesetzlichen Bestimmungen für Desertion, Dienstverweigerung und illegale Ausreise derzeit für diese Personen nicht angewandt. Sofern sie sich mindestens drei Jahre im Ausland aufgehalten haben, besteht für die Rückkehrer die Möglichkeit, einen sog. „Diaspora Status“ zu erhalten. Dieser setzt voraus, dass eine Diasporasteuer (2% Steuer) bezahlt wurde und, sofern die nationale Dienstpflicht noch nicht erfüllt wurde, ein sog. „Reueformular“ unterzeichnet wurde. Dieses umfasst auch ein Schuldeingeständnis mit der Erklärung, die dafür vorgesehene Bestrafung anzunehmen. Zumindest in der Mehrheit kommt es nach den Erkenntnisquellen des Gerichts zu keiner tatsächlichen Bestrafung (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Staatssekretariat für Migration (SEM), Sektion Analysen: Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise vom 22.6.2016). Mit diesem „Diaspora Status“ ist es möglich drei Jahre in Eritrea zu bleiben, ohne den Nationalen Dienst ableisten zu müssen. Auch eine Ausreise ist mit diesem Status möglich, so dass es temporäre Reisen zu Urlaubs- und Besuchszwecken gibt (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Staatssekretariat für Migration (SEM), Sektion Analysen: Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise vom 22.6.2016; S. 39). Diese Optionen, die gerade auch für Personen gelten, die sich dem Nationalen Dienst durch die illegale Ausreise entzogen haben, sprechen gegen eine generelle Einstufung als politischer Gegner.
Nach der zugrundeliegenden Auskunftslage kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass bereits die illegale Ausreise an sich - wie von Klägerseite vorgebracht - vom eritreischen Staat als Hochverrat angesehen wird. Die oben genannten Erkenntnisse betreffen gerade Personen, die illegal ausreisten, um sich dem Nationalen Dienst zu entziehen, also beide Tatbestände verwirklichen.
Damit liegt nach Auffassung des Gerichts in den möglichen Sanktionen für eine Wehrdienstverweigerung durch illegale Ausreise ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine flüchtlingsrelevante Bestrafung mit politischem Charakter (vgl. auch VG Ansbach, U.v. 26.9.2016 - AN 3 K 16.30584 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.8.2016 - Au 1 K 16.30744 - juris; bzgl. nur illegaler Ausreise VG Braunschweig, U.v. 7.7.2015 - 7 A 368/14; a.A. VG Schwerin, U.v. 8.7.2016 - 15 A 190/15 As - juris; VG Schwerin, U.v. 29.2.2016 - 15 A 3628/15 As - juris; VG Minden, U.v. 13.11.2014 - 10 K 2815/13.A - juris, VG Kassel, Gerichtsbescheid
Dass die Praxis der Bestrafung wegen illegaler Ausreise und Wehrdienstentzug aufgrund der in Eritrea herrschenden Willkürherrschaft ohne unabhängiges Justizwesen, mit willkürlichen Inhaftierungen, körperlichen Misshandlungen, Folter und Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen massiv elementare Rechtsgrundsätze und Menschenrechte verletzt, steht außer Zweifel. Dieser Umstand führt jedoch nicht zu einem Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling, sondern er führte zur Gewährung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG.
Auch die bloße Asylantragsstellung in Deutschland begründet ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in Eritrea (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14.12.2015, Stand: August 2015, S. 17 f).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.
Die Höhe des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 30 RVG.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.