Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 25. Okt. 2007 - 8 W 313/07

bei uns veröffentlicht am25.10.2007

Tenor

Die Sache wird zur Entscheidung über die sofortige weitere Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 10. Juli 2007, Az. 1 T 124/07 und 1 T 125/07,

dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

Gründe

 
1. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Festsetzung der Betreuervergütung. Streitig ist, ob die Unterbringung der Betreuten in einer Familie einer Heimunterbringung gleichzusetzen ist.
Die Beteiligte Ziff. 1 ist am 17. April 2003 zur Betreuerin für die Betroffene bestellt worden, die seit 12. März 2001 in einer Pflegefamilie wohnt. Es besteht bei ihr eine psychische Erkrankung, auf Grund deren sie im Jahr 2004 längere Zeit stationär in der Psychiatrie untergebracht war. Bis Ende 2005 wurde sie in Form der psychiatrischen Familienpflege von der Einrichtung "..." betreut. Ab 1. Januar 2006 ging die Zuständigkeit auf den "... e.V." über. Die Betreuung wurde durch dieselbe Person, an die sich die Betroffene gewöhnt hatte, ausgeübt. Bis Ende 2005 besuchte sie die Tagesstätte für psychisch Kranke in Schwäbisch-Hall. Bis dahin wurde der Betreuerin eine Vergütung bewilligt nach den Kriterien "mittellos / nicht im Heim / 44 EUR pro Stunde". Für den nachfolgenden Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006 hat das Vormundschaftsgericht - Notariat Gaildorf II - mit den Beschlüssen vom 9. und 14. Februar 2007 die Ansicht vertreten, die Unterbringung der Betroffenen entspreche dem Berechnungskriterium "im Heim", und hat deswegen nur die entsprechend reduzierte Pauschale bewilligt.
Auf die Beschwerden der Betreuerin hat das Landgericht am 10. Juli 2007 die Beschlüsse des Notariats abgeändert und die Betreuervergütung unter Zugrundelegung des Berechnungskriteriums "nicht im Heim" festgesetzt. Gegen die am 23. Juli 2007 zugestellte Entscheidung hat der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse am 3. August 2007 weitere Beschwerde eingelegt, die vom Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zugelassen worden war. Die Betreuerin ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Wegen der unterschiedlichen Rechtsauffassungen zum Heimbegriff wird Bezug genommen auf die angefochtenen Beschlüsse des Notariats und des Landgerichts sowie auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten.
2. Der Senat hält die sofortige weitere Beschwerde für zulässig (§§ 27 Abs. 1, 29, 20, 22 Abs. 1, 56g Abs. 5 Satz 2, 69e Abs. 1 Satz 1 FGG), in der Sache aber für unbegründet.
Soweit die Erstbeschwerden fast zwei Monate nach Abfassung der Beschlüsse des Notariats eingelegt wurden, kann von einer Verfristung und damit Unzulässigkeit nicht ausgegangen werden, weil eine ordnungsgemäße, die Beschwerdefrist in Lauf setzende Zustellung (§ 16 Abs. 2 Satz 1 FGG) nicht erfolgt ist. Damit hat das Landgericht zu Recht in der Sache entschieden.
Der Senat sieht sich an einer die Rechtsauffassung der Beschwerdeinstanz bestätigenden Entscheidung gehindert durch den Beschluss des OLG Oldenburg vom 2. Mai 2006, Az. 5 W 48/06, veröffentlicht in FamRZ 2006, 1710. Deshalb legt der Senat die Sache dem Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG zur Entscheidung vor.
Der mit der sofortigen weiteren Beschwerde angefochtene Beschluss des Landgerichts Heilbronn vom 10. Juli 2007 hält nach der Auffassung des Senats im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
Vorliegend geht es um die Subsumtion des unstreitigen Sachverhalts unter den Begriff "Heim" im Sinne des § 5 Abs. 3 VBVG i. V. m. § 1 Abs. 2 HeimG und damit um die Abgrenzung der heimmäßigen Unterbringung zu der Form eines „Betreuten Wohnens“, hier der Familienunterbringung/Familienpflege. Denn von dieser Einordnung hängt die Höhe der Vergütung des Betreuers ab, die sich entweder richtet nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VBVG (zwei Stunden im Monat bei einem mittellosen Betreuten mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Heim) oder nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VBVG (dreieinhalb Stunden im Monat bei einem mittellosen Betreuten ohne Heimunterbringung).
10 
a) Heime i. S. des § 5 Abs. 3 VBVG sind Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Einrichtungen sind Verbindungen aus sächlichen und personellen Mitteln unter der Verantwortung eines Trägers (Deinert, FamRZ 2005, 954 m. w. N.).
11 
b) Anders als das OLG Oldenburg in der genannten Entscheidung sieht der Senat bei der Familienpflege das Vorliegen der Heimkriterien grundsätzlich nicht als erfüllt an.
12 
Ausschlaggebend ist dabei nach der Auffassung des Senats für die Beurteilung, dass die Pflege in einer Familie schon vom Grundsatz her nicht der in einem Heim gleichsteht. Letzteres wird von einer professionellen Heimleitung geführt und verfügt über entsprechend ausgebildetes Personal, insbesondere geschulte Pflegekräfte, wodurch die Pflege im Heim ausreichend gesichert ist und in dieser Institution selbst einer an sich genügenden Überwachung unterliegt. Deshalb ist der Arbeitsaufwand des Betreuers in diesem Fall pauschal als geringer zu bewerten.
13 
c) Wird die Unterbringung in der Pflegefamilie von einem Heimträger veranlasst, der weiterhin durch einen Familienpfleger begleitend präsent bleibt und sich zur Wiederaufnahme des Betreuten im Heim selbst verpflichtet, kann bei der Unterbringung in der Pflegefamilie ausnahmsweise von einem Heimaufenthalt ausgegangen werden, da dann die Betreuung und deren Überwachung wiederum im wesentlichen dem Heimträger obliegt und der Arbeitsaufwand des Betreuers ebenfalls entsprechend reduziert ist (Beschluss des Senats vom 11. Oktober 2007, Az. 8 W 312/07).
14 
d) Anders ist die Rechtslage dagegen zu beurteilen, wenn es sich - wie vorliegend - um einen Träger handelt, der nur eine Form der ambulanten Betreuung anbietet wie der "... e.V. - Ambulante psychiatrische Dienste".
15 
In einem solchen Fall muss das Berechnungskriterium "nicht im Heim" bejaht werden. Es kann hier nicht - allein abstellend auf die Gegebenheiten in der einzelnen Familie - ausschlaggebend sein, ob die Pflegefamilie ein oder zwei Pfleglinge aufgenommen hat, ob diese einen Einfluss auf die Aufnahme eines anderen Pfleglings haben, ob sie über eine eigene Kochgelegenheit verfügen oder die Mahlzeiten mit der Familie einnehmen, ob sie in deren Haushalt überwiegend integriert sind oder ihren Tagesablauf selbst gestalten, ob sie ihr Zimmer und ihre Wäsche selber reinigen oder insoweit die Hilfe der Familie in Anspruch nehmen usw..
16 
Denn die vom OLG Oldenburg in einem vergleichbaren Fall vorgenommene Differenzierung hinsichtlich der Detailumstände der Unterbringung in der Familie mit dem Ergebnis, dass von einem Heimaufenthalt ausgegangen wurde, widerspricht nach der Überzeugung des Senats der Intention des Gesetzgebers, durch die Einführung der pauschalen Betreuervergütung deren Abrechnung zu vereinfachen und nicht zu erschweren. Müsste in jedem Einzelfall - abgestellt auf die Verhältnisse in der jeweiligen Pflegefamilie - eine Detailabwägung vorgenommen werden, würde gerade dieses gesetzgeberische Ziel verfehlt.
17 
e) Wegen der unterschiedlichen Anforderungen, die das OLG Oldenburg und der Senat an die Einordnung der Familienpflege unter das Berechnungskriterium "im Heim" oder "nicht im Heim" stellen, wird die Vorlage für zulässig gehalten.

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Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG | § 5 Fallpauschalen


(1) Die Höhe der Fallpauschalen nach § 4 Absatz 1 richtet sich nach 1. der Dauer der Betreuung,2. dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betreuten und3. dem Vermögensstatus des Betreuten. (2) Hinsichtlich der Dauer der Betreuung wird bei der Berechn

Heimgesetz - HeimG | § 1 Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für Heime. Heime im Sinne dieses Gesetzes sind Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere Menschen oder pflegebedürftige oder behinderte Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur

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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 11. Okt. 2007 - 8 W 312/07

bei uns veröffentlicht am 11.10.2007

Tenor 1. Auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors vom 03.08.2007 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 09.07. 2007 a b g e ä n d e r t. Die sofortige Beschwerde der Betreuerin gegen den Beschluss des Notar

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(1) Die Höhe der Fallpauschalen nach § 4 Absatz 1 richtet sich nach

1.
der Dauer der Betreuung,
2.
dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betreuten und
3.
dem Vermögensstatus des Betreuten.

(2) Hinsichtlich der Dauer der Betreuung wird bei der Berechnung der Fallpauschalen zwischen den Zeiträumen in den ersten drei Monaten der Betreuung, im vierten bis sechsten Monat, im siebten bis zwölften Monat, im 13. bis 24. Monat und ab dem 25. Monat unterschieden. Für die Berechnung der Monate gelten § 187 Absatz 1 und § 188 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Ändern sich Umstände, die sich auf die Vergütung auswirken, vor Ablauf eines vollen Monats, so ist die Fallpauschale zeitanteilig nach Tagen zu berechnen; § 187 Absatz 1, § 188 Absatz 1 und § 191 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.

(3) Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Betreuten ist zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach Satz 3 gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits zu unterscheiden. Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
stationäre Einrichtungen:Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden;
2.
ambulant betreute Wohnformen:entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen.
Ambulant betreute Wohnformen sind stationären Einrichtungen gleichgestellt, wenn die in der ambulant betreuten Wohnform extern angebotenen Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege als Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch professionelle Betreuungs- oder Pflegekräfte zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden und der Anbieter der extern angebotenen Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht frei wählbar ist.

(4) Hinsichtlich der Bestimmung des Vermögensstatus des Betreuten ist entscheidend, ob am Ende des Abrechnungsmonats Mittellosigkeit nach § 1836d des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt.

(5) Die Fallpauschalen gelten auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen ab. Die gesonderte Geltendmachung von Aufwendungen im Sinne des § 1835 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt unberührt.

(1) Dieses Gesetz gilt für Heime. Heime im Sinne dieses Gesetzes sind Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere Menschen oder pflegebedürftige oder behinderte Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden.

(2) Die Tatsache, dass ein Vermieter von Wohnraum durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten werden, begründet allein nicht die Anwendung dieses Gesetzes. Dies gilt auch dann, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt hierfür im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist. Dieses Gesetz ist anzuwenden, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen.

(3) Auf Heime oder Teile von Heimen im Sinne des Absatzes 1, die der vorübergehenden Aufnahme Volljähriger dienen (Kurzzeitheime), sowie auf stationäre Hospize finden die §§ 6, 7, 10 und 14 Abs. 2 Nr. 3 und 4, Abs. 3, 4 und 7 keine Anwendung. Nehmen die Heime nach Satz 1 in der Regel mindestens sechs Personen auf, findet § 10 mit der Maßgabe Anwendung, dass ein Heimfürsprecher zu bestellen ist.

(4) Als vorübergehend im Sinne dieses Gesetzes ist ein Zeitraum von bis zu drei Monaten anzusehen.

(5) Dieses Gesetz gilt auch für Einrichtungen der Tages- und der Nachtpflege mit Ausnahme der §§ 10 und 14 Abs. 2 Nr. 3 und 4, Abs. 3, 4 und 7. Nimmt die Einrichtung in der Regel mindestens sechs Personen auf, findet § 10 mit der Maßgabe Anwendung, dass ein Heimfürsprecher zu bestellen ist.

(6) Dieses Gesetz gilt nicht für Krankenhäuser im Sinne des § 2 Nr. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes. In Einrichtungen zur Rehabilitation gilt dieses Gesetz für die Teile, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen. Dieses Gesetz gilt nicht für Internate der Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke.

(1) Die Höhe der Fallpauschalen nach § 4 Absatz 1 richtet sich nach

1.
der Dauer der Betreuung,
2.
dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betreuten und
3.
dem Vermögensstatus des Betreuten.

(2) Hinsichtlich der Dauer der Betreuung wird bei der Berechnung der Fallpauschalen zwischen den Zeiträumen in den ersten drei Monaten der Betreuung, im vierten bis sechsten Monat, im siebten bis zwölften Monat, im 13. bis 24. Monat und ab dem 25. Monat unterschieden. Für die Berechnung der Monate gelten § 187 Absatz 1 und § 188 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Ändern sich Umstände, die sich auf die Vergütung auswirken, vor Ablauf eines vollen Monats, so ist die Fallpauschale zeitanteilig nach Tagen zu berechnen; § 187 Absatz 1, § 188 Absatz 1 und § 191 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend.

(3) Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Betreuten ist zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach Satz 3 gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits zu unterscheiden. Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
stationäre Einrichtungen:Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden;
2.
ambulant betreute Wohnformen:entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen.
Ambulant betreute Wohnformen sind stationären Einrichtungen gleichgestellt, wenn die in der ambulant betreuten Wohnform extern angebotenen Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege als Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch professionelle Betreuungs- oder Pflegekräfte zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden und der Anbieter der extern angebotenen Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht frei wählbar ist.

(4) Hinsichtlich der Bestimmung des Vermögensstatus des Betreuten ist entscheidend, ob am Ende des Abrechnungsmonats Mittellosigkeit nach § 1836d des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt.

(5) Die Fallpauschalen gelten auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen ab. Die gesonderte Geltendmachung von Aufwendungen im Sinne des § 1835 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt unberührt.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors vom 03.08.2007 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 09.07. 2007 a b g e ä n d e r t.

Die sofortige Beschwerde der Betreuerin gegen den Beschluss des Notariats II - Vormundschaftsgericht - Gaildorf vom 6.März 2007, mit dem die aus der Staatskasse zu bezahlende Vergütung der Betreuerin für den Zeitraum vom 01.02.2006 - 31.01.2007 auf 1.056,00 EUR festgesetzt worden ist, wird z u r ü c k g e w i e s e n.

2. Die Betreuerin hat die Gerichtskosten des Erstbeschwerdeverfahrens zu tragen. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Wert des Erstbeschwerdeverfahrens: 792,00 EUR

Gründe

 
I.
Gegenstand dieses Verfahrens ist die Festsetzung der Betreuervergütung. Streitig ist, ob die Unterbringung des Betreuten in einer Familie einer Heimunterbringung gleichzusetzen ist.
Der am 08.11.1964 geborene Betreute leidet an einer geistigen Behinderung, auf Grund deren er nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten ohne fremde Hilfe zu besorgen. Deshalb wurde für ihn mit Beschluss des Notariats II - Vormundschaftsgericht - Gaildorf vom 10. November 1997 Frau ... zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögensangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge mit Zustimmung zur ärztlichen Behandlung bestellt. Der Betreute lebte von 1972 bis 1985 vollstationär in einem Heim der Diakonie ... e.V., die dann seine Unterbringung in einer Pflegefamilie (Bauernhof mit Viehzucht) veranlasste, wo er im Rahmen der Familienpflege weiterhin durch die Diakonie ... betreut wird. Die Einzelheiten sind in dem Familienpflegevertrag vom 23.01.2004 zwischen der Diakonie ... e.V. als Träger, der Pflegefamilie ... und dem Betroffenen (Klient) geregelt. Die Betreuerin hat dem Vertag zugestimmt.
Mit Beschluss vom 17. Juli 2002 wurde die Betreuung in dem bisherigen Umfang verlängert.
Der Betreute ist mittellos. Die Vergütung der Betreuerin erfolgt deshalb aus der Staatskasse.
In ihrem Bericht vom 31.01.2003 an das Vormundschaftsgericht teilte die Betreuerin unter Ziff. 2 „ Gesundheitliche Situation“ mit, dass Arztbesuche selbstständig von der Pflegefamilie organisiert würden und dass Herr ... von der Familienpflege regelmäßige Besuche mache und Probleme mit der Familie durchspreche. Unter Ziff. 4 „Perspektiven“ führte die Betreuerin weiter aus, dass die Familie, in der der Betroffene untergebracht ist, die ideale Pflegefamilie sei. Die Familie verstehe es in sehr guter Art und Weise auf den Betroffenen einzugehen und seine Interessen zu berücksichtigen. Da von Seiten der Familienpflege die Betreuung nahezu vollständig übernommen werde, mache sie nur selten Besuche bei dem Betroffenen. Im vergangenen Berichtszeitraum habe sich gar kein Besuch ergeben.
Aus dem Bericht vom 4. Februar 2004 ergibt sich (unter Ziff. 4 „Perspektiven“), dass der Betroffene immer wieder versucht, Geschäfte zu tätigen, die dann rückgängig gemacht werden müssen, wobei dies auch durch die Pflegefamilie vorgenommen wird.
Nach dem Bericht der Betreuerin vom 29. Januar 2005 wird das Sparbuch des Betroffenen, auf das dieser sein Taschengeld einbezahlt erhält, von der Pflegefamilie und dem Betroffenen selbst verwaltet.
Mit Rechnung vom 25. Januar 2007 machte die Betreuerin für den Zeitraum vom 1.2.2006 bis zum 31.1.2007 gem. § 4 VBVG in Verbindung mit § 5 VBVG eine pauschale Vergütung für 42 Stunden a 44 EUR in Höhe von insgesamt 1.589,75 EUR zzgl. Umsatzsteuer (Gesamtbetrag 1.848,00 EUR) geltend. Der Berechnung liegt ein Ansatz von 3,5 Std. für eine mittellose, nicht in einem Heim untergebrachte Personen zugrunde (§ 5 Abs. 2 Nr. 4 VBVG).
Dem Vorhalt des Vormundschaftsgerichts, dass die Familienpflege bei Vorlage eines entsprechenden Vertrags als “Heimunterbringung“ im Sinn des § 5 Abs. 3 BVVG anzusehen sei, trat die Betreuerin mit Schreiben vom 24.02.2007 entgegen. Bei der Unterbringung in einer Familien handle es sich um eine Wohnform des betreuten Wohnens, in der Behinderte in eine Familie aufgenommen würden und als Familienmitglieder ambulant in dieser Familie lebten. Diese Wohnform habe mit einem Heimalltag nichts gemein. Der Betreute lebe bei Familie ..., werde von Frau ... in Bezug auf Essen und Trinken versorgt und helfe im Haus und im Betrieb nach seinen Möglichkeiten mit. Die Familie zahle ihm dafür einen Lohn in Höhe von 67.-- EUR pro Monat. Die Familie habe Anspruch auf 28 Tage Urlaub im Jahr. Auch dies sei eine Besonderheit, die mit einem Heimaufenthalt, also einer stationären Wohnform nichts gemein habe, sondern einer ambulanten Wohnform entspreche. Die Diakonie ... als Träger berate die Familie fachlich in Bezug auf die Behinderung und die Besonderheiten, die sich daraus ergäben.
10 
Mit Beschluss vom 6. März 2007 setzte das Vormundschaftsgericht die Vergütung nach § 1836 Abs. 2 BGB für den Zeitraum vom 01.02.2006 bis 31.01.2007 auf 1.056.-- EUR fest. Gegen diesen Beschluss legte die Betreuerin mit Schreiben vom 12.03.2007 Beschwerde ein. Der Notar legte die Akten ohne Abhilfe dem Landgericht zur Entscheidung vor. Der Bezirksrevisor nahm am 26.03.2007 Stellung. Er beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Er ist der Ansicht, dass es sich bei der Unterbringungsmaßnahme durch den Familienpflegevertrag der Diakonie ... e.V. mit der Familie ... nicht um eine Maßnahme des betreuten Wohnens, sondern um eine heimgemäße Unterbringung handle, weshalb der Stundenansatz gem. § 5 Abs. 2 Ziff. 4 VBVG zu erfolgen habe und damit zwei Stunden im Monat betrage.
11 
Die Betreuerin trat den Ausführungen des Bezirksrevisors mit Schreiben vom 24.04.2007 entgegen. Sie ist der Ansicht, das Leben in der Familie sei nicht mit Heimkriterien vergleichbar. Die Versorgung erfolge als Familienmitglied und richte sich nach dem individuellen Tagesablauf und dem Leben in der Familie sowie den Bedürfnissen der betreuten Person. Bei den Familienmitgliedern handle es sich zudem nicht um gelernte oder angelernte Pflegekräfte, sondern um Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht hätten, einen behinderten Menschen in ihrer Familie aufzunehmen und mit diesem gemeinsam zu leben. Es gebe keine festgelegten Tagesabläufe und keine Richtlinien, nach denen eine Pflege oder Versorgung stattzufinden habe; dies geschehe individuell. Der Gesetzgeber habe mit dem zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz eine einfache Handhabung und Regelung gewünscht, bei der ganz klar festgelegt wurde, dass nach zwei Personengruppen unterschieden wird: ambulant Betreute und Menschen in stationären Einrichtungen. Der Aufwand im Einzelfall sei irrelevant.
12 
Mit Beschluss vom 09.07. 2007 änderte das Landgericht auf die Beschwerde der Betreuerin den Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 06.03.2007 ab und setzte die der Betreuerin auszuzahlende Vergütung - wie beantragt - auf 1848.-- EUR fest. Es folgte der Argumentation der Betreuerin, dass die Unterbringung des Betroffenen nicht einer Heimunterbringung gleichzusetzen sei. Die weitere Beschwerde wurde zugelassen.
13 
Gegen den ihm am 23.07.2007 zugestellten Beschluss legte der Bezirksrevisor am 03.08.2007 weitere Beschwerde ein. Die Betreuerin nahm nochmals hierzu Stellung.
14 
Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die Stellungnahmen der Beteiligten Bezug genommen.
II.
15 
Die weitere Beschwerde ist aufgrund der Zulassung durch das Landgericht statthaft und auch sonst zulässig (§§ 27 Abs. 1, 29, 20, 22 Abs. 1, 56g Abs. 5 S. 2, 69e FGG). Sie hat auch in der Sache Erfolg, da die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 27 Abs. 1 FGG i. V. m. § 546 ZPO) beruht.
16 
Eine Rechtsverletzung liegt vor, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet wurde. Vorliegend geht es um die Subsumtion des unstreitigen Sachverhalts unter den Begriff „Heim“ im Sinne des § 5 Abs. 3 VBVG i. V. m. § 1 Abs. 2 HeimG und damit um die Abgrenzung der heimmäßigen Unterbringung zu der Form eines „Betreuten Wohnens“. Denn hiervon hängt die Höhe der Vergütung des Betreuers ab, die sich entweder richtet nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VBVG (zwei Stunden im Monat bei einem mittellosen Betreuten mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Heim) oder nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VBVG (dreieinhalb Stunden im Monat bei einem mittellosen Betreuten ohne Heimunterbringung).
17 
Heime i. S. des § 5 Abs. 3 VBVG sind Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Einrichtungen sind Verbindungen aus sächlichen und personellen Mitteln unter der Verantwortung eines Trägers (Deinert, FamRZ 2005,954 m. w. Nachw.). Dies hat auch das Landgericht nicht verkannt. Rechtsfehlerhaft legt es jedoch die sich daraus ergebenden Maßstäbe auf die Pflegefamilie und nicht auf die Diakonie ... e.V. an. So kommt es zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, diese Form der Unterbringung sei einem Heimaufenthalt nicht gleichzusetzen (der Senat teilt insoweit nicht die Meinung des OLG Oldenburg in der Entscheidung vom 02.05.2006 -FamRZ 2006,1710).
18 
Zu einem anderen Ergebnis führt es jedoch, wenn man im vorliegenden Fall die Pflegefamilie als Teil der Gesamtorganisation Diakonie ... e.V. sieht und die Unterbringung dort als eine besondere Form der Heimunterbringung. Dafür sprechen hier mehrere Umstände. Der Betroffene war zunächst in einem „normalen“ Heim der Diakonie untergebracht. An dem Ausmaß seiner Behinderung hat sich in dieser Zeit zwar nichts gebessert, was nach ärztlicher Einschätzung auch nicht zu erwarten war und ist. Die Unterbringung in der Familie soll dem Betroffenen ein freieres, selbständigeres Leben in der Geborgenheit einer normalen Familie und mit voller Versorgung durch diese ermöglichen, darüber hinaus weiterhin auch unter dem Schutz und der Aufsicht der Diakonie sowie der ständigen Begleitung des Projekts durch einen Familienpfleger der Diakonie. § 12 des Familienpflegevertrages regelt nachvertragliche Pflichten des Trägers dahingehend, dass sich dieser verpflichtet, unter Einbeziehung des Klienten und seines gesetzlichen Betreuers ein geeignetes Wohn- und Betreuungsangebot zu suchen und die Aufnahme in die Diakonie... oder eine andere geeignete Einrichtung sicherzustellen. Dieser Absicherung der ununterbrochenen Unterbringung und Versorgung der behinderten Person dient auch § 13 Ziff. 3 des Familienpflegevertrages, wonach bei Klienten, die zuvor einen Heimvertrag mit der Diakonie ... abgeschlossen hatten, dieser Vertrag ruht, solange der Klient in der Familienpflege betreut wird. Der Pflegefamilie steht ein 28tägiger Urlaub zu, während dessen der Träger für die anderweitige Versorgung des Betroffenen sorgt, wie er sich auch neben der Betreuung des Betroffenen in der Familie und deren Betreuung durch den Familienpfleger laufend mit Freizeit- und Sportaktivitäten einbringt. All das führt dazu, dass die durch das Gericht bestellte Betreuerin, wie sich aus ihren eigenen Jahresberichten ergibt, in ihren Aufgaben wesentlich entlastet ist und dem Betreuer eines Betroffenen gleicht, der in einer klassischen Heimform lebt. Es mag anders zu beurteilen sein, wenn der Betreute, wie im Fall des OLG Oldenburg (a.a.O.) in einer vom Betreuer ausgewählten Familie untergebracht wird, die von ihm überwacht und kontrolliert wird und nicht, wie hier, ein Träger dahintersteht, der diese Aufgaben übernimmt und durch einen Familienpfleger ständig präsent ist.
19 
Damit gilt für die Vergütung der Beteiligten Ziff. 1 § 5 Abs. 2 Nr. 4 VBVG. Diese wurde im Beschluss des Notariats vom 06.03.2007 zutreffend auf 1.056,00 EUR festgesetzt. Die sofortige Beschwerde der Betreuerin gegen diesen Beschluss war deshalb unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung zurückzuweisen.
III.
20 
Die Kostenentscheidung für das Erstbeschwerdeverfahren beruht auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO. Im Verfahren der weiteren Beschwerde sind keine Gerichtsgebühren angefallen. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst.