Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 14. Okt. 2016 - 4 Ws 232/16

14.10.2016

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts – Strafvollstreckungskammer – Stuttgart vom 6. September 2016 wird als unbegründet

v e r w o r f e n.

2. Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
I.
Der Verurteilte wendet sich gegen einen Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Stuttgart vom 6. September 2016, mit dem seine Haftentlassung zum Zwei-Drittel-Termin abgelehnt wird.
1. Das Landgericht Stuttgart verurteilte ihn und seine Ehefrau mit Berufungsurteil vom 7. Juli 2016 wegen (gemeinschaftlicher) Entziehung Minderjähriger jeweils zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
Dem Urteil liegt im Wesentlichen das folgende Geschehen zugrunde:
Mit einstweiliger Anordnung des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 23. August 2012 - Az. 24 F 1254/12 - wurde dem Verurteilten und seiner Ehefrau die elterliche Sorge für ihren am 11. Dezember 2003 geborenen Sohn W. entzogen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Oberlandesgericht Stuttgart durch Beschluss vom 15. November 2012 - 17 UF 227/12 - letztinstanzlich zurück. Eine Kindeswohlgefährdung bestehe insbesondere deswegen, weil die Eltern ihren Sohn von seiner Umwelt völlig isolierten, ihn nicht in den Kindergarten und in die Schule schickten sowie ihm eine - medizinisch in keiner Weise belegte - lebensgefährliche Immunschwächekrankheit einredeten.
Nach den Feststellungen des Landgerichts verbrachten der Verurteilte und seine Ehefrau ihr gemeinsames Kind W. in zwei Fällen ohne Wissen und Zustimmung des Pflegers bzw. des Vormunds in das Ausland. Bei der ersten Tat passten sie W. am 15. Juli 2013 auf dem Rückweg von seiner Grundschule zu seinem Heim ab und begaben sich mit ihm nach Österreich sowie danach in die Schweiz; diese Entziehung dauerte etwa zweieinhalb Monate. Bei der zweiten Tat griffen sie W. am 26. Januar 2015 ebenfalls auf dem Rückweg von seiner Realschule zu seinem Heim auf und fuhren mit ihm über die Schweiz und Österreich nach Dänemark; diese Entziehung dauerte etwa sechs Monate.
2. Der Verurteilte befindet sich seit dem 28. Juli 2015 in Untersuchungshaft und seit Rechtskraft des Urteils am 5. August 2016 in Strafhaft. Die zunächst in Dänemark vollzogene Untersuchungshaft wird im Verhältnis eins zu eins angerechnet. Das Strafende ist auf den 26. Januar 2017 vorgemerkt.
3. Zwei Drittel seiner Haftstrafe hatte der Verurteilte am 28. Juli 2016 verbüßt. Am 10. August 2016 stellte er einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung, dem die Staatsanwaltschaft Stuttgart und die Justizvollzugsanstalt … entgegen traten. Mit Beschluss vom 6. September 2016 lehnte das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Stuttgart die beantragte Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung ab. Dieser Beschluss wurde dem Verurteilten am 9. September 2016 zugestellt.
4. Der Verurteilte verfasste zwei auf den 8. September 2016 datierte Schreiben, eines in deutscher und eines überwiegend in russischer Sprache. Die Schreiben gingen am 13. September 2016 bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein. Am 15. September 2016 leitete die Staatsanwaltschaft sie per Telefax an das Landgericht Stuttgart weiter, welches die Akten am 19. September 2016 dem Oberlandesgericht vorlegte. Mit Verfügung vom 23. September 2016 veranlasste der Senat eine Übersetzung des russischsprachigen Schreibens in die deutsche Sprache und gab dem Verurteilten Gelegenheit zur ergänzenden Äußerung zur aktuellen Lage hinsichtlich des Sorgerechts für den im Moment 12-jährigen Sohn W.. Hierauf ging keine Stellungnahme ein.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Mit zutreffender Begründung hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stuttgart die bedingte Entlassung des Verurteilten abgelehnt.
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1. Statthaftes Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 6. September 2016 ist gemäß § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO die sofortige Beschwerde. Die beiden Schreiben des Verurteilten sind in diesem Sinne auszulegen (vgl. § 300 StPO). Zwar sind sie auf den 8. September 2016 datiert, während der Beschluss der Strafvollstreckungskammer ihm erst am 9. September 2016 zugestellt wurde. Jedoch weist der Verurteilte in dem russischsprachigen Schreiben darauf hin, dass sich - so die Übersetzung - „in den Beschluss vom 06. September 2016 … Fehler geschlichen“ hätten, die „die Begründung der Abweisung meines Antrags auf vorzeitige Entlassung nichtig“ machten. Hieraus geht deutlich hervor, dass der Verurteilte Kenntnis von dem Beschluss hatte und ihn anfechten will. Die Frist von einer Woche nach § 311 Abs. 2 StPO ist eingehalten, weil die Schreiben vom 8. September 2016 am 15. September 2016 beim Landgericht Stuttgart eingegangen sind.
11 
2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stuttgart hat zu Recht angenommen, dass die bedingte Entlassung des Verurteilten derzeit - trotz Verbüßung von zwei Dritteln seiner Haftstrafe - nicht verantwortet werden kann.
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a) Die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe ist - nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe und bei Einwilligung der verurteilten Person - dann zur Bewährung auszusetzen, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind (§ 57 Abs. 1 Satz 2 StGB).
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aa) Diese sogenannte Legalprognose verlangt keine Gewissheit künftiger Straffreiheit; es genügt vielmehr das Bestehen einer naheliegenden Chance für ein positives Ergebnis (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 57 Rn. 14 mwN; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 57 Rn. 14 mwN). Je nach der Schwere der Straftaten, die vom Verurteilten nach Erlangung der Freiheit im Falle eines Bewährungsbruchs zu erwarten stünden, sind unterschiedliche Anforderungen an das Maß der Wahrscheinlichkeit für ein künftiges strafloses Leben zu stellen (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 201, zitiert nach juris, Rn. 5).
14 
bb) Bei erstmaliger Verbüßung einer Freiheitsstrafe spricht eine Vermutung dafür, dass der Vollzug seine Wirkung erreicht hat und der Begehung neuer Straftaten entgegenwirkt (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 200, zitiert nach juris, Rn. 4); sie kann jedoch durch negative Umstände widerlegt werden (vgl. Fischer aaO mwN; Hubrach in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 57 Rn. 16 mwN; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 57 Rn. 16a; BGH NStZ-RR 2003, 200, zitiert nach juris, Rn. 4). Dies ist im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses zu verstehen
15 
Ausnahmen vom Regelfall der Zwei-Drittel-Entlassung bei erstmaliger Strafverbüßung sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung in diversen Konstellationen angenommen worden. Zwar überzeugt es wegen der nach § 57 Abs. 1 StGB gebotenen Einzelfallabwägung nicht, das Erstverbüßerprivileg bei bestimmten Straftaten wie dem Handel mit Betäubungsmitteln für generell unanwendbar zu halten (so aber KG, Beschluss vom 6. Juli 2006 - 1 AR 538/06 und 5 Ws 275 Ws 273/06, zitiert nach juris, Rn. 4). Ein Ausnahmefall kann aber bei erneuter Straffälligkeit (vgl. KG, Beschluss vom 18. Mai 2006 - 1 AR 468-469/06 und 5 Ws 249-250/06, juris; KG, Beschluss vom 17. Februar 2014 -2 Ws 23/14 und 141 AR 34/14 -, juris) sowie bei einem in der Person des Verurteilten angelegten erheblichen Rückfallrisiko (OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. März 1998 - 1 Ws 36/98 -, juris; KG, Beschluss vom 20. November 2007 - 1 AR 1113, 1115/07 - 2 Ws 505-506/07, juris) vorliegen. Auch das unveränderte Fortbestehen der Konfliktlage, die für die Straffälligkeit ursächlich war, kann im Einzelfall die vollständige Vollstreckung einer erstmalig verhängten Freiheitsstrafe erforderlich machen.
16 
b) Nach diesem Maßstab ist die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stuttgart nicht zu beanstanden.
17 
aa) Die für eine bedingte Entlassung sprechenden Umstände hat die Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihrer Abwägung hinreichend berücksichtigt. Insbesondere handelt es sich um die erste strafrechtliche Sanktionierung des Verurteilten, der sich im Strafvollzug ordnungsgemäß und unauffällig geführt hat. Vor diesem Hintergrund besteht kein Grund zu der Annahme, der Verurteilte werde künftig in anders gelagerten Konstellationen straffällig werden.
18 
bb) Jedoch ist zu befürchten, dass der Verurteilte sich mit dem Sorgerechtsentzug nicht abfinden wird, sondern nach seiner Haftentlassung erneut versuchen wird, seinen Sohn W. ohne Einwilligung des Vormunds in das Ausland zu verbringen. Nichts deutet darauf hin, dass der Verurteilte zwischenzeitlich Einsicht in das Unrecht seiner Taten gewonnen hat. Seine schwierige psychische Situation hat sich während der Strafhaft nicht gebessert. Zudem hat der Verurteilte keine gesicherten Perspektiven im Hinblick auf einen festen Wohnsitz und eine Erwerbstätigkeit; auch soziale Bindungen bestehen nur zu seiner Ehefrau und seinem Sohn. Diese Umstände sind von so hinreichendem Gewicht, dass sie die bei Erstverbüßern regelmäßig bestehende Erwartung künftiger Straffreiheit im konkreten Fall entkräften.
19 
cc) Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner für den Verurteilten günstigeren Bewertung. Die Klarstellungen zu seiner Biografie tragen zu der letztlich entscheidenden Frage des künftigen Verhaltens in Bezug auf den Sohn nichts bei. Auch auf die Medikation wegen seiner Herzkrankheit kommt es nicht entscheidend an; jedenfalls erscheint der Verurteilte gesundheitlich nicht so stark eingeschränkt, dass ihm eine Auslandsreise unmöglich wäre.
20 
Soweit der Verurteilte angibt, er wolle mit seiner Ehefrau und seinem Sohn für immer in Deutschland bleiben, verkennt der Senat nicht, dass nach § 235 Abs. 2 StGB nur eine Entziehung mit geplanter oder tatsächlicher Verbringung des Kindes ins Ausland strafbar ist. Angesichts der völlig ungesicherten Entlassungssituation und der Vorgeschichte des Verurteilten kann jedoch nicht angenommen werden, dass der Verurteilte künftig in Deutschland bleiben wird. Darüber hinaus ist auch eine Tatbegehung nach § 235 Abs. 1 Nr. 1 StGB keineswegs fernliegend, bei der auch eine Entziehung von Minderjährigen im Inland strafbar ist. Schließlich liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor, dass der Verurteilte das Sorgerecht für seinen Sohn in absehbarer Zeit zurückerlangen könnte.
21 
cc) Bei Gesamtwürdigung aller Umstände überwiegen die genannten negativen Aspekte so deutlich, dass eine bedingte Entlassung des Verurteilten derzeit nicht verantwortet werden kann.
III.
22 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 57 Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der

Strafprozeßordnung - StPO | § 454 Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung


(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten un

Strafprozeßordnung - StPO | § 300 Falschbezeichnung eines zulässigen Rechtsmittels


Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

Strafprozeßordnung - StPO | § 311 Sofortige Beschwerde


(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften. (2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 35) der Entscheidung. (3) Das Gericht ist zu einer

Strafgesetzbuch - StGB | § 235 Entziehung Minderjähriger


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List oder2. ein Kind, ohne dessen Angehöriger zu sein,den Eltern,

Referenzen

(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn

1.
die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt,
2.
der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung
a)
bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate,
b)
bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre
der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder
3.
der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird.

(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes

1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder
2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten.

(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(4) Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 35) der Entscheidung.

(3) Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt. Es hilft jedoch der Beschwerde ab, wenn es zum Nachteil des Beschwerdeführers Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen dieser noch nicht gehört worden ist, und es auf Grund des nachträglichen Vorbringens die Beschwerde für begründet erachtet.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
eine Person unter achtzehn Jahren mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List oder
2.
ein Kind, ohne dessen Angehöriger zu sein,
den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger entzieht oder vorenthält.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind den Eltern, einem Elternteil, dem Vormund oder dem Pfleger

1.
entzieht, um es in das Ausland zu verbringen, oder
2.
im Ausland vorenthält, nachdem es dorthin verbracht worden ist oder es sich dorthin begeben hat.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und des Absatzes 2 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer durch die Tat in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt oder
2.
die Tat gegen Entgelt oder in der Absicht begeht, sich oder einen Dritten zu bereichern.

(5) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(6) In minder schweren Fällen des Absatzes 4 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 5 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(7) Die Entziehung Minderjähriger wird in den Fällen der Absätze 1 bis 3 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.