Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 30. März 2009 - 2 Ss 139/09

bei uns veröffentlicht am30.03.2009

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Wangen vom 17. September 2008 wird

v e r w o r f e n .

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

 
I.
Das Landratsamt Ravensburg setzte gegen den Betroffenen durch Bescheid vom 6. Dezember 2007 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 33 km/h eine Geldbuße von 75,00 Euro fest (Tatzeit 16. Juli 2007). Zuvor war der Betroffene am 1. Oktober 2007 angehört worden. Der Verteidiger hatte am 12. Oktober 2007 die Verteidigung des Betroffenen angezeigt und eine Vollmacht vorgelegt, auf der die Bitte vermerkt war, Zustellungen nur an ihn vorzunehmen. Der Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen selbst am 12. Dezember 2007 zugestellt.
Nach rechtzeitigem Einspruch verurteilte das Amtsgericht Wangen den Betroffenen am 17. September 2008 wegen fahrlässiger Überschreitung der außerorts durch Verkehrszeichen angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 33 km/h zu einer Geldbuße von 75,00 Euro. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Zur Begründung führt der Verteidiger aus, die Zulassung sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, da das angefochtene Urteil die Zustellung des Bußgeldbescheids an den Betroffenen persönlich zu unrecht als wirksam und damit als verjährungsunterbrechend angesehen habe. Damit weiche es von der zutreffenden Rechtsprechung anderer Amtsgerichte ab.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nach § 80 OWiG nicht vorliegt.
Eine Zulassung käme nur in Betracht, wenn es geboten wäre, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Beides wird mit der Antragsbegründung nicht geltend gemacht. Eine Zulassung wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren, wozu auch die angesprochenen Bestimmungen über die Zustellung gehören, oder eine Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nach der gesetzlichen Regelung ausgeschlossen, da eine Geldbuße von nicht mehr als 100 EUR festgesetzt ist.
Die Antragsbegründung gibt jedoch Anlass zu der Anmerkung, dass die aufgeworfene Frage in der angefochtenen Entscheidung in Übereinstimmung mit der fast einhelligen Rechtsprechung zutreffend beantwortet ist. Die Zustellung an den Betroffenen ist auch dann wirksam, wenn der Verteidiger zuvor gebeten hat, Zustellungen nur an ihn zu bewirken.
§ 51 Abs. 3 OWiG erlaubt es der Verwaltungsbehörde, an den gewählten Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, zuzustellen. Eine Rechtspflicht, von dieser Möglichkeit Gebrauch zumachen, besteht aber nicht. Vielmehr liegt die Entscheidung im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (allgemeine Auffassung, vgl. Göhler-Seitz, OWiG, 15. Auflage, § 51 Rn. 44d; KK-Lampe, OWiG, 3. Auflage, § 51 Rn. 88; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 51 Rn. 33). Insoweit ist die Rechtslage nicht anders als im Strafverfahren nach dem gleichlautenden § 145 a StPO (BGHSt 18, 352, 354; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, § 145 a Rn. 6 m. w. N.).
Zwar empfiehlt die zitierte Kommentierung, dem Wunsch des Verteidigers nach Zustellung nur an ihn regelmäßig Rechnung zu tragen. Eine andere Verfahrensweise macht die Zustellung aber nicht unwirksam, selbst wenn das Ermessen bei der Auswahl des Zustelladressaten im Einzelfall fehlerhaft ausgeübt ist. Zur Unwirksamkeit führen nur wesentliche Mängel der Zustellung, insbesondere die Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften. Dagegen lässt die Verletzung von Ordnungsvorschriften die Wirksamkeit unberührt (ebenfalls einhellige Auffassung, Göhler-Seitz a.a.O. Rn. 50 f.; KK-Lampe a.a.O. Rn. 95 ff.). Dies ist anerkannt für die Verletzung der Pflicht nach den §§ 145 a Abs. 3 Satz 2 StPO, 51 Abs. 3 Satz 3 OWiG, bei der Zustellung an den Betroffenen formlos den Verteidiger zu unterrichten (BVerfG NJW 2002, 1640). Auch bei der Pflicht, den Zustelladressaten richtig auszuwählen, handelt es sich um eine solche Ordnungsvorschrift (so bereits LG Oldenburg DAR 1982, 374). Folge der Verletzung einer Ordnungsvorschrift kann nur die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sein, sofern im Einzelfall eine Frist im Vertrauen auf die Zustellung an den Verteidiger schuldlos versäumt wird.
Diese gefestigte Rechtsprechung lässt der mit der Antragsbegründung zitierte Beschluss des Amtsgerichts Dillingen vom 18. Juni 2008 unberücksichtigt. Die vom Verteidiger außerdem zitierten Entscheidungen des Amtsgerichts Jena (ZfS 2005, 313, 314) und des Amtsgerichts Bayreuth - Zweigstelle Pegnitz (ZfS 2006, 174) betreffen andere Fragestellungen.

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Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 80 Zulassung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Beschwerdegericht läßt die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 auf Antrag zu, wenn es geboten ist, 1. die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen, soweit Abs

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 51 Verfahren bei Zustellungen der Verwaltungsbehörde


(1) Für das Zustellungsverfahren der Verwaltungsbehörde gelten die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes, wenn eine Verwaltungsbehörde des Bundes das Verfahren durchführt, sonst die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, soweit die

Referenzen

(1) Das Beschwerdegericht läßt die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 2 auf Antrag zu, wenn es geboten ist,

1.
die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen, soweit Absatz 2 nichts anderes bestimmt, oder
2.
das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.

(2) Die Rechtsbeschwerde wird wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht und wegen der Anwendung von anderen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts zugelassen, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt oder eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art angeordnet worden ist, deren Wert im Urteil auf nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt worden ist, oder
2.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder im Strafbefehl eine Geldbuße von nicht mehr als einhundertfünfzig Euro festgesetzt oder eine solche Geldbuße von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war.

(3) Für den Zulassungsantrag gelten die Vorschriften über die Einlegung der Rechtsbeschwerde entsprechend. Der Antrag gilt als vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde. Die Vorschriften über die Anbringung der Beschwerdeanträge und deren Begründung (§§ 344, 345 der Strafprozeßordnung) sind zu beachten. Bei der Begründung der Beschwerdeanträge soll der Antragsteller zugleich angeben, aus welchen Gründen die in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 35a der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

(4) Das Beschwerdegericht entscheidet über den Antrag durch Beschluß. Die §§ 346 bis 348 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend. Der Beschluß, durch den der Antrag verworfen wird, bedarf keiner Begründung. Wird der Antrag verworfen, so gilt die Rechtsbeschwerde als zurückgenommen.

(5) Stellt sich vor der Entscheidung über den Zulassungsantrag heraus, daß ein Verfahrenshindernis besteht, so stellt das Beschwerdegericht das Verfahren nur dann ein, wenn das Verfahrenshindernis nach Erlaß des Urteils eingetreten ist.

(1) Für das Zustellungsverfahren der Verwaltungsbehörde gelten die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes, wenn eine Verwaltungsbehörde des Bundes das Verfahren durchführt, sonst die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften, soweit die Absätze 2 bis 5 nichts anderes bestimmen. Wird ein Dokument mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt, so wird das so hergestellte Dokument zugestellt.

(2) Ein Bescheid (§ 50 Abs. 1 Satz 2) wird dem Betroffenen zugestellt und, wenn er einen gesetzlichen Vertreter hat, diesem mitgeteilt.

(3) Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, sowie der bestellte Verteidiger gelten als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen; für die Zustellung einer Ladung des Betroffenen gilt dies nur, wenn der Verteidiger in der Vollmacht ausdrücklich zur Empfangnahme von Ladungen ermächtigt ist. Zum Nachweis der Bevollmächtigung genügt die Übermittlung einer Kopie der Vollmacht durch den Verteidiger. Die Nachreichung der Vollmacht im Original kann verlangt werden; hierfür kann eine Frist bestimmt werden. Wird ein Bescheid dem Verteidiger nach Satz 1 Halbsatz 1 zugestellt, so wird der Betroffene hiervon zugleich unterrichtet; dabei erhält er formlos eine Abschrift des Bescheides. Wird ein Bescheid dem Betroffenen zugestellt, so wird der Verteidiger hiervon zugleich unterrichtet, auch wenn eine Vollmacht bei den Akten nicht vorliegt; dabei erhält er formlos eine Abschrift des Bescheides.

(4) Wird die für den Beteiligten bestimmte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, so richtet sich die Berechnung einer Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung.

(5) § 6 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften sind nicht anzuwenden. Hat der Betroffene einen Verteidiger, so sind auch § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 und Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften nicht anzuwenden.