Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 08. Feb. 2011 - 4 U 200/10 - 60

bei uns veröffentlicht am08.02.2011

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. März 2010 – 2 O 203/06 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leisten.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 49.919,74 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der im Jahr 1969 geborene Kläger die Beklagten aus einem Verkehrsunfall, welcher sich am 9.8.1997 gegen 22.24 Uhr in S. in der Straße kurz hinter der Kreuzung M. Straße ereignete, auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

Der Beklagte zu 1) befuhr am Unfalltag die P.-Straße aus der Richtung G.-Straße kommend in Richtung B. auf dem mittleren von insgesamt drei Fahrstreifen. Nach dem Passieren des Kreuzungsbereichs M. Straße/P.-Straße nutzte der Beklagte zu 1) den linken der dort befindlichen zwei Fahrstreifen. Nachdem der Beklagte zu 1) die Kreuzung bereits passiert hatte, überquerte der Kläger als Fußgänger die zweispurige Richtungsfahrbahn der P.-Straße aus Richtung des Beklagten zu 1) gesehen von rechts nach links. Er stieß hierbei mit dem vom Beklagten zu 1) geführten Fahrzeug zusammen und verletzte sich schwer:

Der Kläger erlitt eine Luxationsfraktur des rechten Ellenbogens, einen Bruch des 12. Brustwirbelkörpers sowie multiple Prellungen und Schürfwunden. Er musste operativ behandelt werden und blieb bis zum 11.8.1997 auf der Intensivstation der Klinik. Nach der Gipsabnahme am rechten Arm und der Einleitung einer krankengymnastischen Behandlung wurde eine Re-Dislokation eines der Fragmente beobachtet, weshalb der Kläger ein zweites Mal operiert werden musste. Im Zeitraum vom 15.9.1997 bis zum 7.10.1997 wurde der Kläger im Rahmen einer Anschlussheilbehandlung in den Klinken in W. behandelt. Anschließend wurde eine fast vollständige Versteifung des rechten Ellenbogengelenkes festgestellt, da es zu einer Verknöcherung beziehungsweise Spangenbildung im Bereich des Ellenbogengelenkes und der dort liegenden Muskulatur beziehungsweise der Nachbarschaft der Gelenkkapsel gekommen war. Mithilfe einer intensiven krankengymnastischen Behandlung konnte ein Teil der Beweglichkeit des Vorarmes beziehungsweise des Ellenbogens wiederhergestellt werden.

Der Kläger hat behauptet, dass der Heilungsverlauf in geringerem Umfange noch andauere, da er ständig krankengymnastische Übungen machen müsse, um seine erreichte Beweglichkeit zu erhalten. Der Kläger hat insbesondere behauptet, dass die Gefahr einer drohenden, arthrosebedingten Funktionsverschlechterung bestehe und eine Verbesserung nicht zu erwarten sei. Ständige Behandlungen und regelmäßige Übungen seien dauerhaft erforderlich, um einer weiteren Verschlechterung entgegenzuwirken. Durch die verbliebenen Körperschäden und deren Dauerfolgen sei er in seiner täglichen Lebensführung nicht unerheblich beeinträchtigt.

Hinsichtlich des Unfallhergangs hat der Kläger behauptet, die Fußgängerampel habe für ihn grünes Licht gezeigt, als er die Straße überquert habe. Der Beklagte zu 1) sei bei Gelb- oder Rotlicht über die Ampel gefahren und habe sein Fahrzeug noch beschleunigt. Trotz des gut beleuchteten und sehr übersichtlichen Kreuzungsbereichs und des Umstandes, dass der Kläger bereits eine Strecke von circa 8 m vom rechten Fahrbahnrand zurückgelegt gehabt habe, als er vom Fahrzeug des Beklagten zu 1) erfasst worden sei, habe der Beklagte zu 1) auf den Kläger nicht geachtet. Er sei deutlich schneller als mit der innerörtlich maximal zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h gefahren. Seine Anstoßgeschwindigkeit habe im Hinblick auf das Schadensbild an seinem Fahrzeug zwischen 60 und 70 km/h betragen. Der Beklagte zu 1) habe den Verkehrsunfall zumindest mitverschuldet.

Der Kläger will sich ein Mitverschulden von einem Drittel anrechnen lassen. Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage zunächst die Erstattung behaupteter materieller Schäden in Gestalt von Fahrtkosten abzüglich erfolgter Erstattungen durch die Krankenkasse. Weiterhin hat der Kläger die Beklagten auf Erstattung der Zuzahlungen für Rettungswagen, Krankenhaus, Medikamente und Therapien sowie auf Zahlung einer Unkostenpauschale in Anspruch genommen. Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens hat der Kläger die Zahlung eines Betrages von 3.253,07 EUR begehrt, auf die die Beklagte zu 2) Teilbeträge in Höhe von 153,39 EUR, 364,66 EUR und 119,04 EUR entrichtete. Hinsichtlich der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die Klageschrift (dort unter III Ziff. 1 und 2) Bezug genommen (GA I Bl. 14 f.).

Weiterhin hat der Kläger auf die Zahlung eines Schmerzensgeldes angetragen, welches er unter Anrechnung des Mitverschuldens mit mindestens 36.666,67 EUR beziffert.

Hinsichtlich der von den Beklagten erhobenen Verjährungseinrede hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass die Beklagte zu 2) durchgängig bis zur Klageeinreichung auf die Einrede der Verjährung, zuletzt bis zum 30.12.2006, verzichtet habe. Auch vor dem Hintergrund des ausdrücklich verlängerten Einredeverzichts sei es den Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Verjährung zu berufen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen an den Kläger

a. 3.253,07 EUR nebst 4% Zinsen

    i. aus 1.506,03 EUR seit dem 28.5.1998,

    ii. aus weiteren 359,12 EUR seit dem 20.11.2002,

    iii. aus weiteren 1.387,92 EUR seit dem 16.9.2005,

abzüglich am 10.3.1998 gezahlter 153,39 EUR, am 4.6.1998 gezahlter weiterer 364,66 EUR sowie am 25.11.2002 gezahlter weiterer 119,04 EUR zu zahlen.

b. an den Kläger unter Berücksichtigung eines klägerseitig zugestandenen eigenen Mitverschuldens von einem Drittel ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum vom 9.8.1997 bis 30.12.2006 sowie 4% Zinsen seit dem 30.1.1998 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 2/3 sämtlicher etwaiger weiterer materieller und immaterieller Schäden aus dem Unfallereignis vom 9.8.1997, soweit sie nach dem 30.12.2006 entstehen sollten, zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach der Behauptung der Beklagten hat der Kläger die Fahrbahn nicht an der zur Verfügung stehenden Fußgängerfurt überquert, sondern erst einige Meter dahinter. Die Fußgängerampel habe für ihn zu diesem Zeitpunkt rotes Licht gezeigt. Der Beklagte zu 1) sei in den Kreuzungsbereich eingefahren, als die Ampelanlage für ihn „Grün“ gezeigt habe. Der Beklagte zu 1) habe an seinem Fahrzeug das Abblendlicht eingeschaltet gehabt. Als der Beklagte zu 1) den Kläger gesehen habe, habe er gebremst, einen Zusammenstoß jedoch nicht vermeiden können. Der Beklagte zu 1) sei mit einer Geschwindigkeit von etwa 45 bis 50 km/h gefahren. Der Kläger sei von rechts gekommen und habe die für den Beklagten zu 1) zur Verfügung stehenden Fahrspuren überqueren wollen. Vor dem Unfall habe der Beklagte zu 1) den Kläger nicht wahrgenommen und auch nicht wahrnehmen können. Der Kläger sei über die Straße schnell gegangen, fast gelaufen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei – so die Rechtsauffassung der Beklagten – der Unfall für den Beklagten zu 1) unabwendbar gewesen, jedenfalls falle dem Beklagten zu 1) kein Verschulden zur Last. Auch eine eventuelle Haftung aus Betriebsgefahr werde von dem überwiegenden groben Verschulden des Klägers konsumiert.

Hinsichtlich der geltend gemachten Schäden bestreiten die Beklagten die medizinische Notwendigkeit der Besuche durch die Eltern. Auch seien die Fahrtkosten für die Jahre 1997/1998 allenfalls mit einer Kilometerpauschale von 0,35 DM zu regulieren. Für das Jahr 2002 sei eine Kilometerpauschale von 0,20 EUR in Ansatz zu bringen. Gleiches gelte für die Fahrtkosten, die im Schreiben vom 31.8.2005 geltend gemacht worden seien.

Hinsichtlich der Eigenbeteiligung für die Krankenhausunterbringung haben die Beklagten die Auffassung vertreten, diese sei nicht erstattungsfähig, da in dieser Zeit häusliche Ersparnisse zu verzeichnen seien, die den Eigenanteil überstiegen.

Da die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 30.1.1998 (GA I Bl. 62) jede Schmerzensgeldansprüche abgelehnt habe, habe die Hemmung der Verjährung geendet. Diese Schadensposition werde von einem späteren Verjährungsverzicht nicht mehr umfasst.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat hierzu ausgeführt: Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungshaftung stünden dem Kläger nicht zu, da das Ereignis für den Beklagten zu 1) unvermeidbar gewesen sei. Im Rahmen einer Haftungsabwägung nach § 9 StVG, § 254 BGB sei dem Beklagten zu 1) kein Verschulden vorzuwerfen. Die nicht durch ein Mitverschulden des Beklagten zu 1) erhöhte Betriebsgefahr von dessen Fahrzeug trete vollständig zurück mit der Folge, dass der Kläger alleine hafte. Mangels eines Verschuldens stünden dem Kläger auch keine Schmerzensgeldansprüche aus § 847 BGB a.F. zu. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Er vertritt zunächst die Auffassung, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft von der Einholung eines Obergutachtens abgesehen und habe auf den gestellten Beweisantrag, den gerichtlich bestellten Sachverständigen und den Privatgutachter gemeinsam anzuhören, nicht erkannt.

Abgesehen davon sei es fehlerhaft gewesen, davon auszugehen, dass der Unfall für den Beklagten zu 1) unvermeidbar gewesen sei. Die Unvermeidbarkeit sei keineswegs bei allen denkbaren Unfallabläufen zu bejahen.

In keinem Falle hätte die Verteilung und Gewichtung der Mitverursacheranteile zu einer gänzlichen Enthaftung der Beklagten führen dürfen: Wenn sich eine deutlich höhere Kollisionsgeschwindigkeit und damit erst recht eine noch höhere Bremsausgangsgeschwindigkeit zwar nicht nachweisen, zugleich aber auch nicht ausschließen lasse, sei es in hohem Maße nicht sachgerecht, selbst eine Betriebsgefahrenmithaftung der Beklagten gänzlich zu verneinen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 25.3.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken – 2 O 203/06 – nach Maßgabe der erstinstanzlich gestellten Anträge zu erkennen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung. Die Beklagten vertreten die Auffassung, das Landgericht habe verfahrensfehlerfrei von einer Anhörung des sachverständigen Zeugen H. abgesehen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass sich der Kläger nach Vorlage des Erstgutachtens des Sachverständigen Dr. P. mit dem Sachverständigen H. beraten und anhand dessen Ergänzungsfragen an den Sachverständigen Dr. P. gestellt habe. Nach der ersten Ergänzung des Gutachtens vom 9.6.2009 sei das gerichtlich eingeholte Gutachten wiederum mit dem Sachverständigen H. besprochen worden, dessen schriftliche Stellungnahme zu den Akten gereicht worden sei. Im Schriftsatz vom 10.8.2009 sei die Anhörung des Sachverständigen H. nicht mehr beantragt worden. Auch in der Vorbereitung der Verhandlung vom 11.2.2010 sei dies nicht geschehen. Ebenso wenig habe der Kläger die Möglichkeit ergriffen, den Sachverständigen H. als Berater zur Verhandlung hinzuzuziehen. Auch nach Abschluss der Anhörung des Sachverständigen Dr. P. seien keine weiteren Fragen gestellt worden. Erst in einem verspäteten Schriftsatz vom 9.3.2010 sei die Anhörung des Sachverständigen H. beantragt worden.

Das Landgericht habe sich dem Gutachten des Sachverständigen Dr. P. angeschlossen, nachdem sämtliche Einwände gegen das Gutachten vom Sachverständigen Dr. P. ausgeräumt worden seien. Wegen des Ermessenscharakters des § 412 ZPO sei es nicht verfahrensfehlerhaft, kein Obergutachten eingeholt zu haben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 26.5.2010 (GA II Bl. 410 ff.) und der Berufungserwiderung vom 5.7.2010 (GA II Bl. 417 ff.) Bezug genommen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.1.2011 verwiesen.

II.

A.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die angefochtene Entscheidung weder auf einem Rechtsfehler beruht, noch die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine für den Kläger günstigere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO).

1. Die Haftung der Beklagten beurteilt sich nach dem vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften geltenden Recht, da der Unfall bereits im Jahr 1997 geschah (Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB; im Folgenden StVG, BGB jeweils a.F.). Hierbei steht die Verwirklichung des straßenverkehrsrechtlichen Haftungstatbestandes (§ 7 Abs. 1 StVG a.F.) im Berufungsrechtszug außer Streit, da der Verkehrsunfall aus Sicht des Beklagten zu 1) kein nachgewiesenermaßen unabwendbares Ereignis i.S. des § 7 Abs. 2 StVG a.F. war. Jedoch kann dem Beklagten zu 1) hinsichtlich der Schadensverursachung kein Verschulden vorgeworfen werden, da der Kläger den ihm obliegenden Beweis für einen fahrlässigen Sorgfaltsverstoß nicht erbringen kann. Bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge tritt die den Beklagten anzulastende Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1) gesteuerten Fahrzeugs vollständig hinter das nachgewiesene grobe Verschulden des Klägers zurück. Mangels nachgewiesenen Verschuldens des Beklagten zu 1) scheiden auch Ansprüche auf Ersatz der immateriellen Schäden gem. § 847 BGB a.F. aus.

2. Gem. § 9 StVG findet die Vorschrift des § 254 BGB Anwendung, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt hat. Hierbei folgt die Haftungsabwägung den zu § 17 Abs. 1 StVG entwickelten Rechtsgrundsätzen: Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge sind nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 9 StVG Rdnr. 7; BGH, Urt. v. 21.11.2006 – VI ZR 115/05, NJW 2007, 506; Urt. v. 24.6.1975 – VI ZR 159/74, VersR 1975, 1121). Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben. Hierbei kann die Abwägung zum vollständigen Ausschluss des Ersatzanspruchs führen, wenn das Verschulden des Geschädigten derart überwiegt, dass die vom Schädiger ausgehende Ursache völlig zurücktritt (Hentschel/König/Dauer, aaO, Rdnr. 9; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 239; Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 9 StVG Rdnr. 18 f.; OLG Koblenz, Urt. v. 11.12.2006 – 12 U 1184/04).

3. Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze kann dem Beklagten zu 1) nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Feststellungen weder ein Geschwindigkeits- noch ein Rotlichtverstoß vorgeworfen werden. Auch der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Klägervertreter erhobene Vorwurf, der Beklagte zu 1) habe Sorgfaltspflichten gegenüber dem Fußgängerverkehr missachtet, findet bei der Haftungsabwägung keine Berücksichtigung, da nicht feststeht, dass der Beklagte zu 1) in der Annäherung an die Kreuzung in unfallursächlicher Weise seine ihm aus § 1 Abs. 1 und 2 StVO obliegende Rücksichtnahmepflicht verletzte.

a) Das Landgericht hat – dem Sachverständigen Dr. P. folgend – den dem Kläger obliegenden Beweis dafür, dass der Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung unter Verstoß gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO schneller als 46 km/h fuhr, nicht als geführt erachtet. Hiergegen wendet sich die Berufung im eingeschränkten Prüfungsmaßstab des § 529 ZPO ohne Erfolg.

aa) Insbesondere hat das Landgericht verfahrensfehlerfrei von der Einholung eines Obergutachtens abgesehen. Auch im Berufungsrechtszug war die Einholung eines Obergutachtens nicht geboten.

aaa) Gemäß § 412 Abs. 1 ZPO kann das Gericht eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das eingeholte Gutachten für ungenügend erachtet. Allerdings ist der Tatrichter keineswegs stets gehalten, den Meinungsstreit sich widersprechender Partei- und Gerichtsgutachter durch Einholung eines Obergutachtens zu entscheiden. Vielmehr ist dem Gericht ein Ermessensspielraum eingeräumt, den das Gericht nicht überschreitet, wenn es sich von der Sachkunde des gerichtlich beauftragten Sachverständigen überzeugt hat und mit einleuchtender und logisch nachvollziehbarer Begründung dargelegt hat, weshalb dem gerichtlichen Gutachten, das sich mit den widerstreitenden Gutachten auseinander gesetzt hat, der Vorzug einzuräumen ist. Dagegen ist die Einholung eines Obergutachtens erst dann zwingend geboten, wenn das gerichtliche Gutachten Widersprüche enthält, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder wenn der als Obergutachter in Betracht kommende neue Sachverständige über Erkenntnismöglichkeiten verfügt, die denen des zunächst beauftragten Sachverständigen überlegen erscheinen (st. Rspr. BGHZ 53, 245, 248 f.; BGH, Urt. v. 9.1.2002 – VIII ZR 304/00, NJW 2002, 1651; Urt. v. 21.1.1997 – VI ZR 86/96, BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Sachverständigenbeweis 26; Urt. v. 5.5.1987 – VI ZR 181/86, BGHR ZPO § 412 Obergutachten 1; Beschl. v. 22.9.1988 – III ZR 158/87, BGHR ZPO § 402 Parteibefragung 1; Urt. v. 23.9.1986 – VI ZR 261/85, BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Sachverständigenbeweis 1; P/G/Katzenmeier, ZPO, 2. Aufl., § 412 Rdnr. 4).

bbb) Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze war das Landgericht nicht gehalten, ein Obergutachten einzuholen.

Der Sachverständige Dr. P. hat die Beweisfrage nach der Kollisionsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) in seinem Gutachten vom 29.8.2008 beantwortet und seine Einschätzung, wonach der Beklagte zu 1) mit einer Kollisionsgeschwindigkeit zwischen 40 bis 60 km/h gefahren sei, sorgfältig und anschaulich begründet. Er stand bei der Beantwortung der Beweisfrage vor der Schwierigkeit, dass die Anknüpfungstatsachen nur unzureichend gesichert waren: Da keine Reifenspuren des Pkws oder Auslaufspuren des Fußgängers gefunden wurden, war eine exakte Eingrenzung der Kollisionsposition auf der Fahrbahn nicht möglich. Mithin standen dem Sachverständigen zur Rekonstruktion der Ausgangs- und Kollisionsgeschwindigkeit lediglich der Endstand und das Schadensbild am PKW, die Endlage des Fußgängers sowie dessen Verletzungen zur Verfügung.

Der Sachverständige Dr. P. hat seine Einschätzung über die Höhe der Kollisionsgeschwindigkeit einerseits auf einen Vergleich der Ergebnisse von Crash-Versuchen gestützt, die unter definierten Rahmenbedingungen erfolgten. Er ist unter Auswertung des ihm zur Verfügung stehenden Datenbestandes zu der Überzeugung gelangt, dass die wahrscheinlichste Geschwindigkeit, die sowohl mit dem Energieumsatz als auch mit den angegebenen Abmessungen des Fußgängers in Einklang zu bringen ist, mit einer Toleranz von +/-10 km/h bei etwa 50km/h liege.

Dem ist der Sachverständige H. entgegengetreten, der mit Schreiben vom 6.8.2009 (GA II 325 f.) ausgeführt hat, eine Anstoßgeschwindigkeit von lediglich 40 km/h sei deutlich zu gering. Bei einem Kopfaufprall im mittigen Bereich der Windschutzscheibe habe der Sachverständige unter Berücksichtigung der Körpergröße des Klägers bei vergleichbaren Fußgängerunfällen regelmäßig Anstoßgeschwindigkeiten von 60-70 km/h festgestellt.

Mit dieser divergierenden Sicht hat sich sowohl das Landgericht als auch der gerichtlich beauftragte Sachverständige Dr. P. auseinander gesetzt. Der Sachverständige Dr. P. hat ausgeführt, bei Versuchen mit Dummies habe sich etwa herausgestellt, dass ab einer Geschwindigkeit von 60-70 km/h der Kopfaufprallpunkt auf der Windschutzscheibe nicht mehr weiter nach oben, sondern wieder nach unten wandere. Dies lasse sich so erklären, dass bei höheren Geschwindigkeiten eine Verhakung der Dummies im Frontbereich des Pkws stattfinde, so dass der Versuchskörper dann nicht mehr über die Windschutzscheibe nach hinten gleiten würde, bis er auf der Frontscheibe auftreffe. Die vom Sachverständigen im Termin vorgelegten Lichtbilder bestätigen diesen Zusammenhang: Die Lichtbilder Nr. 1 und 2 (GA II Bl. 358 f.) zeigen anschaulich, dass unter den damals gegebenen Voraussetzungen der Anstoßpunkt des Fußgängers selbst bei einer Kollisionsgeschwindigkeit von 70 km/h im unteren Bereich der Frontscheibe lag. Jedenfalls lag der Kollisionsbereich eher tiefer als im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt (Fotokopie eines Lichtbildes auf GA II Bl. 242).

Wenngleich der vom Kläger beauftragte Sachverständige H. auch vor dem Hintergrund des Ergebnisses der mündlichen Erstattung des Gutachtens durch den Gerichtssachverständigen Dr. P. an seiner eigenen Auffassung festhielt, war das Landgericht nicht zwingend gehalten, die widerstreitenden Auffassungen der beiden in Verkehrsunfallsachen erfahrenen Sachverständigen durch Einholung eines Obergutachtens aufzulösen:

Der Sachverständige H. ist der Einschätzung der Sachverständigen Dr. P. nicht entgegengetreten, dass Crash-Versuche aufgrund der Konstruktion der Dummies und der baulichen Eigenarten des jeweils unfallbeteiligten Fahrzeugs im Hinblick auf die Beantwortung der Frage, inwieweit die Höhe der Kollisionsgeschwindigkeit Auswirkungen auf die Lage des Kollisionspunktes hat, nur eingeschränkt aussagekräftig sind. Dem Sachverständigen Dr. P. sind keine fundierten, objektivierbare, wissenschaftlichen Kriterien standhaltende Feldversuche bekannt, die die vom Sachverständigen H. vorgetragene Korrelation belegen. Mithin ist zum einen nicht zu erwarten, dass ein Obergutachter den unter den Sachverständigen entstandenen Meinungsstreit aufgrund eines überlegenen Wissens entscheiden kann. Zum anderen darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Sachverständige Dr. P. seine Auffassung zumindest mit dem Ergebnis einer Dekra-Studie nachvollziehbar belegen kann, wohingegen der Sachverständige H. in erster Linie auf seine – unbestrittene und gerichtsbekannte – große Erfahrung in der Bearbeitung von Fußgängerunfällen verweist, ohne offen zu legen, in welcher Weise die von ihm in der Praxis gefundenen Ergebnisse einer generalisierenden Aussage zugänglich sind.

Insbesondere ist der schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen nicht zu entnehmen, wie es dem Sachverständigen in den von ihm untersuchten Fällen gelang, im Nachhinein die Ausgangsgeschwindigkeit von 60-70 km/h exakt festzustellen: Unfälle ereignen sich – anders als die Crash-Versuche der Dekra – regelmäßig nicht unter Normbedingungen. Nach der forensischen Erfahrungen des Senats lassen sich die tatsächlichen vorkollisionären Geschwindigkeiten der unfallbeteiligten Fahrzeuge auch mithilfe eines sachverständigen Beistands im Nachhinein kaum je exakt bestimmen. Diese Unzulänglichkeit der retrospektiven Erkenntnis ist der forensischen Unfallforschung, auf deren Gebiet der Sachverständige H. große praktische Erfahrung besitzt, gewissermaßen immanent.

Der Senat verkennt nicht, dass es theoretisch denkbare, weitere Möglichkeiten gibt, um den Versuch zu unternehmen, die Kollisionsgeschwindigkeit weiter aufzuklären. So könnte ein besonders „lebensechter“ Dummy konstruiert werden, der in Crash-Versuchen mit dem vom Beklagten zu 1) gesteuerten Fahrzeugtyp kollidiert. Ob ein solches weiteres Beweisverfahren den Parteien aus wirtschaftlichen Gründen zugemutet werden kann, kann unentschieden bleiben. Ebenso wenig ist ausschlaggebend, ob gegen die Aussagekraft einer weitergehenden Beweisaufnahme schon jetzt deshalb Bedenken bestehen, weil die genaue Kollisionsstellung und die exakten Geschwindigkeiten des Klägers und des Beklagten zu 1) zum Zeitpunkt des Anstoßes nicht feststehen. Eine weitere Beweisaufnahme durch Einholung eines Obergutachtens war nämlich deshalb entbehrlich, weil die vom Privatgutachter angenommene Kollisionsgeschwindigkeit mit den weiteren, objektiv festgestellten Anknüpfungstatsachen nicht in Einklang gebracht werden kann:

Der Sachverständige Dr. P. hat sich nicht darauf beschränkt, Vergleichsbetrachtungen mit Crash-Versuchen anzustellen. Der Sachverständige hat vielmehr das von ihm gefundene Ergebnis mit der dokumentierten Endstellung des Pkws in Einklang gebracht: Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin K. (GA I S. 193 ff.) überquerte der Kläger die Straße in schräger Laufrichtung hinter der Fußgängerfurt. Dies deckt sich mit der Aussage des Klägers selber, der angegeben hat, er sei zwischen dem Fußgängerüberweg und der Bushaltestelle über die Straße gegangen. Legt man diese Angabe zu Grunde, so muss die Kollision erst in der zweiten Hälfte des vom Sachverständigen auf GA II Bl. 258 markierten Kollisionsbereiches stattgefunden haben. In diesem Fall kann die Kollisionsgeschwindigkeit keinesfalls bei 70 km/h gelegen haben: Der Sachverständige Dr. P. hat unter Annahme einer möglichen Bremsverzögerung von maximal 9 m/s² festgestellt, dass der Pkw des Beklagten zu 1) den Endstand nicht hätte erreichen können, wenn er zum Zeitpunkt der Kollision, die sich 2 m hinter der Fußgängerfurt ereignete, schneller als 56 km/h gefahren wäre (GA II Bl. 347). Dieses Argument, das durch seine mathematisch physikalische Prägnanz überzeugt, steht der Einschätzung des Sachverständigen H. entgegen, wonach die Kollisionsgeschwindigkeit 70 km/h betragen haben könne. Weder die Berufungsbegründung noch der erstinstanzlich nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz der Klägervertreter vom 9.3.2010 (GA II Bl. 376 ff.) setzen sich mit diesem beachtlichen Einwand gegen die Aussagekraft der Einschätzung des Gutachters H. auseinander. Bei genauer Betrachtung enthält die Stellungnahme des Sachverständigen H. vom 6.8.2009 (GA II Bl. 321) genau unter diesem Aspekt einen gedanklichen Widerspruch: Es ist nicht nachzuvollziehen, wie der Sachverständige H. einerseits die Auffassung vertreten kann, dass die Anstoßgeschwindigkeit zwischen 60-70 km/h gelegen habe, wenn er andererseits der Meinung ist, der PKW des Beklagten zu 1) hätte die Geschwindigkeit zwischen Kollisionspunkt und Endstand aus einer Geschwindigkeit von nur 50 km/h nicht abbauen können. Nur eine Aussage kann richtig sein: Wenn die Strecke zwischen Kollisionspunkt und Endlage aus der hypothetischen Kollisionsgeschwindigkeit selbst bei maximaler Bremsverzögerung nicht eingehalten werden konnte, spricht dies schlagend dafür, dass die Hypothese falsch gewesen ist. Hierbei ist ergänzend festzuhalten, dass keineswegs feststeht, ob der Beklagte zu 1) eine Vollbremsung einleitete. Dem steht zumindest entgegen, dass die Zeugin K. keine Bremsgeräusche wahrgenommen hat. Unterstellt man eine geringere Bremsverzögerung als 9 m/s² muss die maximale Kollisionsgeschwindigkeit noch unter 56 km/h gelegen haben.

bb) Auch war es nicht verfahrensfehlerhaft, den Sachverständigen H. nicht zu vernehmen.

Hinter diesem Beweisantritt verbirgt sich bei genauer Betrachtung i.S. des § 412 Abs. 1 ZPO ein Beweisantrag auf Einholung ein neuen Gutachtens. Denn der Sachverständige H. sollte nicht als Zeuge über von ihm in der Vergangenheit wahrgenommene Tatsachen vernommen werden. Vielmehr zielte die Anhörung darauf ab, den Sachverständigen in seiner Eigenschaft als Fachkundiger in Verkehrsunfallsachen zu befragen. Vor diesem Hintergrund besaß der Sachverständige auch nicht die Funktion eines so genannten sachverständigen Zeugen. Denn auch ein sachverständiger Zeuge soll über von ihm in der Vergangenheit wahrgenommene Tatsachen berichten. Er unterscheidet sich vom Zeugen nur insoweit, als dem sachverständigen Zeugen die Wahrnehmung nur aufgrund seiner besonderen Sachkunde möglich war (P/W/W/Katzenmeier, aaO, § 414 Rdnr. 2). Aus den vorgenannten Gründen lagen die Voraussetzungen für die Einholung eines Obergutachtens nicht vor.

Dessen ungeachtet spricht viel dafür, dass der Beweisantrag im nicht nachgelassenen Schriftsatz verspätet geschah, nachdem der Klägervertreter von seinem ursprünglichen Antrag (Schriftsatz vom 8.1.2009 GA II Bl. 285) konkludent abgerückt war. Der Klägervertreter hat den Beweisantritt nach Eingang des Ergänzungsgutachtens vom 3.6.2009 nicht mehr erneuert und in seinem Schriftsatz vom 10.8.2009 (GA II Bl. 323) lediglich auf die Einholung eines Obergutachtens angetragen. Schließlich hat der Klägervertreter weder nach Zugang der Ladungsverfügung noch in der mündlichen Verhandlung vom 3.12.2009 die fehlende Ladung des Sachverständigen moniert. Auch hat der Kläger davon Abstand genommen, den Sachverständigen H. zur Unterstützung des der Partei zustehenden Fragerechts (§ 397 Abs. 2, § 402 ZPO) im Beweistermin vom 11.2.2010 hinzuzuziehen. Letztlich kann die Frage der Verspätung unentschieden bleiben.

b) Auch soweit das Landgericht einen Rotlichtverstoß des Beklagten zu 1) (Verstoß gegen § 37 Abs. 2 StVO) nicht als bewiesen erachtet hat, begegnet die Entscheidung keinen Bedenken. Die Berufungsbegründung greift die Feststellungen zum fehlenden Nachweis eines Rotlichtverstoßes nicht auf.

c) Weiterhin ist nicht nachgewiesen, dass der Beklagte zu 1) seine Rücksichtnahmepflichten (§ 1 Abs. 1 und 2 StVO) verletzte.

Ein Kraftfahrer unterliegt einer gesteigerten Sorgfaltspflicht, wenn er mit verkehrswidrigem Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer rechnen muss (statt aller: Hentschel/König/Dauer, aaO, § 1 StVO Rdnr. 24). Dieser Rechtsgrundsatz würde im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt Anwendung finden, wenn feststünde, dass der Beklagte zu 1) in der Annäherung an die Kreuzung den Kläger bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nicht nur hätte erkennen, sondern zugleich den Eindruck hätte gewinnen müssen, dass dieser unter Missachtung von § 25 Abs. 3 StVO auf die Fahrbahn treten würde. Allerdings ist ein solcher Sachverhalt zum prozessualen Nachteil des Klägers nicht bewiesen: Die Zeugin K. hat in ihrer zeitnah zum Unfallgeschehen am 12.8.1997 niedergeschriebenen Aussage im Ermittlungsverfahren ausgesagt, der Kläger sei dunkel gekleidet gewesen. Sie selbst habe den Kläger mehr als Schatten wahrgenommen (GA I Bl. 151 f.). In Anbetracht des Umstandes, dass die Wahrnehmung des Beklagten zu 1) in der Annäherung zur Kreuzung vordringlich auf den fließenden Verkehr und die den Verkehr regelnde Lichtzeichenanlage gerichtet war, ist nicht nachgewiesen, dass der Beklagte zu 1) den Kläger vor dem Unfall in einem zur Vermeidung des Unfallgeschehens relevanten Zeitintervall überhaupt sah. Mit Blick auf die Aussage der Zeugin K., wonach der Kläger über die Straße gelaufen sei, steht umso weniger fest, dass der Beklagte zu 1) – selbst wenn er den Kläger gesehen haben sollte – den Verkehrsverstoß des Klägers rechtzeitig vorhersehen konnte.

4. Demgegenüber steht fest, dass der Kläger die Straße nicht nur unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO nicht im Bereich der ampelgeregelten Fußgängerfurt überquerte, sondern die Straße zu einem Zeitpunkt betrat, in dem die den Fußgängerverkehr regelnde Lichtzeichenanlage rotes Licht zeigte: Die Zeugin K. hat glaubhaft bekundet, sie habe gesehen, dass der Kläger bei „Rot“ in schräger Richtung neben der Fußgängerfurt unmittelbar im Bereich der Ampel auf die Fahrbahn getreten sei. Diese Aussage steht mit der Schaltung der Ampel in Einklang, die aus der Gehrichtung der Zeugin 2 s früher auf „Grün“ umspringt als die für die Gehrichtung des Klägers bestimmte Ampel. Letztlich werden auch von der Berufungsbegründung keine Einwendungen gegen die Feststellung des Rotlichtverstoßes erhoben.

5. Frei von Rechtsfehlern hat das Landgericht die einfache Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs vollständig hinter den nachgewiesenen Rotlichtverstoß des Klägers zurücktreten lassen.

a) Der Verkehrsverstoß des Klägers wiegt besonders schwer; er überschreitet die Grenze zur groben Fahrlässigkeit: Bei der Gewichtung des Verkehrsverstoßes ist zu würdigen, dass der herannahende PKW vom Kläger schlechterdings nicht übersehen werden konnte. Die Straße verläuft aus Sicht des Klägers in der Annäherungsrichtung des Beklagten zu 1) eine weite Strecke geradeaus. Nach der glaubhaften Einlassung des Beklagten zu 1) (GA I Bl. 190) hatte dieser auch das Fahrlicht eingeschaltet. Dies folgt letztlich bei lebensnaher Würdigung auch aus der Aussage des Klägers selber, der gegenüber dem Ermittlungsbeamten angegeben hat, er könne sich zwar an den PKW vor dem Unfall nicht erinnern. Er habe jedoch ein helles Licht wahrgenommen; anschließend habe er ein „Quietschen“ gehört und einen dumpfen Knall verspürt (GA I Bl. 143 RS). Letztlich bestätigt die Aussage des Klägers den Vorwurf, dass der Kläger geradezu blindlings auf die Fahrbahn trat. Hinzu kommt, dass der Kläger die Fahrbahn bei Rotlicht und mithin zu einem Zeitpunkt überschritt, in dem der bevorrechtigte fließende Verkehr auf die Einhaltung seines Vorrechts vertrauen darf.

b) Das vollständige Zurücktreten der Betriebsgefahr steht mit der Kasuistik in Einklang: So hat das Kammergericht in der Entscheidung VersR 2008, 797 die Rechtsauffassung vertreten, dass einem Fußgänger, der die ihm aus § 25 Abs. 3 StVO obliegende Verkehrspflicht verletzt, indem er bei Rotlicht auf die Fahrbahn tritt, ein grobes Verschulden zur Last falle, hinter dem die nicht durch ein Mitverschulden erhöhte Betriebsgefahr vollständig zurücktrete. In gleichem Sinne haben sich die Oberlandesgerichte Hamm (Urt. vom 21.2.2002 – 27 U 178/01) und Koblenz (Urt. v. 11.12.2006 – 12 U 1184/04) geäußert (zustimmend Budewig/Gehrlein/Leipold, Der Unfall im Straßenverkehr, Rdnr. 99). Auch der vom Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 28.6.2002 – 19 U 235/01 entschiedene Fall ist heranzuziehen: Dort hat der Fußgänger zwar keine Lichtzeichenanlage missachtet, sondern ist von einer Stelle aus auf die Straße getreten, von der aus nicht mit Fußgängern zu rechnen war. Auch war dort bewiesen, dass der Fußgänger blindlings auf die Straße trat.

Soweit der Senat im Urteil vom 27.7.2010 – 4 U 585/09 einem betagten Radfahrer, der unter grober Missachtung der Verkehrslage mit seinem Rad eine viel befahrene Straße überqueren wollte, eine Haftungsquote von immerhin 25% zubilligte, unterscheidet sich der dort entschiedene Fall vom vorliegenden Sachverhalt in einem wesentlichen Detail. Dort war auch dem Autofahrer ein Verschulden anzulasten, der nachgewiesenermaßen unaufmerksam (Verstoß gegen § 1 Abs. 1 StVO) fuhr. Mithin war seine Betriebsgefahr – anders als im vorliegenden Fall – erhöht.

c) Der Rechtsauffassung der Berufung, wonach die „Unschärfe“ hinsichtlich des zumindest für möglich zu erachtenden Verkehrsverstoßes durch den Beklagten zu 1) aus Billigkeitsgründen eine „Betriebsgefahrenhaftung“ ermöglichen soll, vermag nicht zu überzeugen, da sie mit den anerkannten Rechtsgrundsätzen zur Haftungsabwägung nicht in Einklang steht: Bei der Haftungsabwägung sind nur die nachgewiesenen Verkehrsverstöße zu gewichten.

5. Kann der Kläger die Voraussetzungen des haftungsbegründenden Tatbestandes nicht beweisen, bedarf die Frage nach der Verjährung immaterieller Ansprüche keiner Entscheidung.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

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Bundesgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2006 - VI ZR 115/05

bei uns veröffentlicht am 21.11.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 115/05 Verkündet am: 21. November 2006 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

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Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vorschriften des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe Anwendung, dass im Fall der Beschädigung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Verschulden des Verletzten gleichsteht.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.

Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so finden die Vorschriften des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe Anwendung, dass im Fall der Beschädigung einer Sache das Verschulden desjenigen, welcher die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Verschulden des Verletzten gleichsteht.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.

(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 115/05 Verkündet am:
21. November 2006
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage, wann das Fehlen der erforderlichen Fahrerlaubnis bei der Abwägung
nach § 254 BGB, §§ 9, 17 StVG zu berücksichtigen ist.
Zum Anspruch eines nichtehelichen Kindes auf Ersatz seines Unterhaltsschadens
nach Tötung des alleinverdienenden Vaters (hier: Fixkostenanteil).
BGH, Urteil vom 21. November 2006 - VI ZR 115/05 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. November 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 17. Mai 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen die vollständige Abweisung ihrer Klage auf Zahlung einer Unterhaltsrente über den 31. Mai 2011 hinaus zurückgewiesen worden ist. Insoweit wird unter Aufrechterhaltung der Zurückweisung der Berufung gegen die Abweisung der Klage auf Zahlung einer Unterhaltsrente für die Zeit nach dem 31. Mai 2011 festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin die durch die Tötung ihres Vaters bei dem Verkehrsunfall vom 17. April 1996 entstehenden Unterhaltsschäden zu 2/5 zu ersetzen, soweit der Vater der Klägerin dieser in der Zeit nach dem 31. Mai 2011 zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet gewesen wäre. Im Übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen die Klägerin 15 %, die Beklagten 85 %; von den Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug tragen die Klägerin 59 %, die Beklagten 41 %; von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 67 %, die Beklagten 33 %.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die am 4. Mai 1993 als nichteheliches Kind geborene Klägerin begehrt nach dem Tod ihres Vaters bei einem Verkehrsunfall am 17. April 1996 von den Beklagten Ersatz entgangenen Unterhalts und Beerdigungskosten.
2
Der Beklagte zu 2 ist Fahrer und Halter des an dem Unfall beteiligten PKW; die Beklagte zu 1 ist dessen Haftpflichtversicherer.
3
Der Beklagte zu 2 hat, ohne im Besitz einer Fahrererlaubnis zu sein, den außerorts betrunken auf der rechten Fahrbahnseite liegenden Vater der Klägerin bei einer Geschwindigkeit von 90 km/h unterhalb der Stoßstange am Kopf erfasst. Der Vater der Klägerin verstarb noch an der Unfallstelle. Die Klägerin ist seine Alleinerbin.
4
Die Klägerin räumt eine Mitverursachung des Unfalls durch ihren Vater ein, die sie mit lediglich 1/4 bewertet.
5
Das Landgericht hat der Klage auf Ersatz der Beerdigungskosten wegen überwiegender Mitverursachung des Unfalls durch den Vater der Klägerin lediglich zu 1/4 stattgegeben und die Klage auf Ersatz des Unterhaltsschadens abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Mitverursachung des Unfalls durch den Vater der Klägerin geringer gewertet und einen Ersatzanspruch in Höhe von 2/5 für begründet erachtet; es hat deshalb für die Beerdigungskosten und den Unterhaltsschaden der Klägerin in der Vergangenheit auf einen Zahlungsbetrag in Höhe von 10.784,44 € und auf eine bis zur Volljährigkeit der Klägerin zu zahlende Unterhaltsrente von 104,87 €/Monat erkannt. Im Übrigen ist es bei der Abweisung der Klage geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, der Unfall sei für den Beklagten zu 2 kein unabwendbares Ereignis gewesen. Die Klägerin müsse sich jedoch nach §§ 254 Abs. 1 BGB, § 9 StVG entgegenhalten lassen, dass ihr Vater den Unfall mitverschuldet habe. Bei der erforderlichen Abwägung sei zu Lasten des Beklagten zu 2 zu berücksichtigen, dass dieser statt der von ihm eingeräumten 90 km/h bei Beachtung des Sichtfahrgebots nur 70 km/h hätte fahren dürfen (§ 3 Abs. 1 Satz 4 StVO); dann hätte er den Unfall mit einer Vollbremsung vermeiden können. Zu berücksichtigen sei zu Lasten der Beklagten auch die Betriebsgefahr des PKW. Dagegen sei der Umstand, dass dem Beklagten zu 2 zum Zeitpunkt des Unfalls die Fahrerlaubnis entzogen gewesen sei, bei der Abwägung nicht zu berücksichtigen. Das begründe zwar ein Fehlverhalten des Beklagten zu 2, habe aber den Schaden nicht beeinflusst. Der charakterliche Mangel einer vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr, der zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt habe, habe sich nicht ausgewirkt, denn der Beklagte zu 2 habe im Zeitpunkt des Unfalls keinen Alkohol im Blut aufgewiesen. Die Verletzung des Sichtfahrgebots bei Dunkelheit sei auch bei Inhabern der Fahrerlaubnis häufig zu beobachten; deshalb könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Fahrer mit Fahrerlaubnis die Verkehrslage gemeistert hätte. Die Klägerin müsse sich dagegen als Verursachungsanteil zurechnen lassen, dass ihr Vater mindestens mit bewusster Fahrlässigkeit trotz einer Blutalkoholkonzentration von 2,56 g Promille am Straßenverkehr teilgenommen habe (§ 2 Abs. 2 Satz 1 StVG, § 69a Abs. 1 Nr. 1 StVZO, § 24 StVG). Ferner habe er vorsätzlich § 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVO missachtet, weil er nicht den neben der Straße verlaufenden Gehweg benutzt habe. Schließlich habe er vorsätzlich gegen § 25 Abs. 1 Satz 3 StVO verstoßen , weil er sich nicht am äußersten rechten Fahrbahnrand, sondern ca. 1 m vom Fahrbahnrand entfernt aufgehalten habe. Die Abwägung dieser beiderseitigen Beiträge führe dazu, dass die Beklagten als Gesamtschuldner 2/5 des Schadens zu tragen hätten.
7
Für die Bemessung des der Klägerin entstandenen Unterhaltsschadens seien entsprechend dem Vortrag der Klägerin die Fixkosten des Haushalts in Höhe von 40 % des Nettogehalts des Getöteten herauszurechnen; sodann seien die auf die Klägerin entfallenden anteiligen Fixkosten der Ersatzforderung zuzuschlagen. Die Fixkosten seien bei einem Elternteil mit einem Kind im Verhältnis 2:1 aufzuteilen. Die Mutter der Klägerin sei als nicht verheiratete Lebenspartnerin gegenüber dem Vater der Klägerin nicht unterhaltsberechtigt gewesen ; die Klägerin könne deshalb lediglich den auf sie selbst entfallenden Anteil an den Fixkosten, nicht auch den auf ihre Mutter entfallenden Fixkostenanteil geltend machen.
8
Soweit die Klägerin die auf diese Weise zu berechnende monatliche Unterhaltsrente über den 1. Mai (richtig: 31. Mai) 2011 hinaus begehre, sei diese Forderung nicht berechtigt. Die Schadensersatzrente eines Kindes sei regelmäßig auf die Vollendung des 18. Lebensjahres begrenzt. Ohne konkrete Anhaltspunkte könne nicht davon ausgegangen werden, dass über diesen Zeitpunkt hinaus Unterhaltsbedürftigkeit bestehe. Weitere Ansprüche könnten nur durch ein Feststellungsurteil abgesichert werden. Ein solches habe die Klägerin jedoch nicht beantragt.

II.

9
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
10
1. Allerdings ist die Abwägung der Verursachungsbeiträge des Beklagten zu 2 und des Vaters der Klägerin aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
11
Die Entscheidung über die Haftungsverteilung im Rahmen der § 254 BGB, § 9 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie ist im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und ob der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 - VersR 1988, 1238, 1239; vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00 - VersR 2002, 613, 615 f.; vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02 - VersR 2003, 783, 785 f.; vom 13. Dezember 2005 - VI ZR 68/04 - VersR 2006, 369, 371 - jeweils m. w. N.). Insoweit lässt das Berufungsurteil keinen durchgreiflichen Fehler erkennen.
12
a) Der Beklagte zu 2 hat der Klägerin den Schaden zu ersetzen, den diese dadurch erlitten hat und künftig erleidet, dass der ihr zu Unterhaltsleistungen verpflichtete Vater bei dem Verkehrsunfall getötet worden ist (§§ 823 Abs. 1, 844 BGB; § 7 Abs. 1 StVG a. F.; Art. 229 §§ 5, 8 Abs. 1 EGBGB).
13
aa) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass der Beklagte zu 2 entgegen dem von ihm einzuhaltenden Sichtfahrgebot (§ 3 Abs. 1 Satz 4 StVO) nicht nur 70 km/h, sondern - wie von ihm selbst eingeräumt - 90 km/h gefahren ist und dadurch den Unfall schuldhaft verursacht hat. Hierbei ist - von der Revision nicht angegriffen - auch die Betriebsgefahr des PKW des Beklagten zu 2 zu berücksichtigen.
14
bb) Ohne Erfolg beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht auf Seiten des Beklagten zu 2 das Fehlen der erforderlichen Fahrerlaubnis nicht bei der Abwägung berücksichtigt hat.
15
In die Abwägung nach § 254 BGB, § 9 StGB sind alle, aber auch nur diejenigen unstreitigen oder erwiesenen Faktoren einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (vgl. Senat, Urteile vom 15. November 1960 - VI ZR 30/60 - VersR 1961, 249, 250; vom 23. November 1965 - VI ZR 158/64 - VersR 1966, 164, 165; vom 24. Juni 1975 - VI ZR 159/74 - VersR 1975, 1121, 1122; vom 7. Juni 1988 - VI ZR 203/87 - VersR 1988, 842; vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94 - VersR 1995, 357 f.); einzelne Verursachungsbeiträge dürfen bei der Abwägung jedoch dann nicht summiert werden, wenn sie sich nur in demselben unfallursächlichen Umstand ausgewirkt haben (Senat, Urteil vom 1. Juni 1976 - VI ZR 162/74 - VersR 1976, 987, 989 m. w. N.; vgl. auch Senat, BGHZ 54, 283, 284 f.). Nach diesen Grundsätzen wäre die Tatsache, dass der Beklagte zu 2 ohne Fahrerlaubnis gefahren ist, nur dann zu berücksichtigen gewesen, wenn feststünde, dass sich dieser Umstand in dem Unfall tatsächlich ausgewirkt hat. Das aber hat das Berufungsgericht auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler verneint.
16
Die Revision räumt zwar ein, dass eine lediglich abstrakte Gefahrerhöhung (wie etwa im Falle des Verbots des Führens eines Kfz wegen absoluter Fahruntüchtigkeit infolge Alkoholgenusses, vgl. dazu Senat, Urteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94 - aaO) im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge nur von Bedeutung sein kann, wenn sie sich bei dem Unfall ausgewirkt hat. Sie meint aber, hier habe der Beklagte zu 2 auch das Gebot des Fahrens mit angepasster Geschwindigkeit verletzt und dies sei nur möglich gewesen, weil er entgegen § 21 StVG das Kfz ohne die erforderliche Fahrerlaubnis geführt habe. Dem ist nicht zu folgen.
17
Die Revision zieht nicht in Zweifel, dass für den Unfall die überhöhte Geschwindigkeit unfallursächlich war. Diese wurde zwar durch das Fahren ohne die erforderliche Fahrerlaubnis ermöglicht, doch vermag die Revision nicht darzutun , dass das Fahren ohne Fahrerlaubnis darüber hinaus ein zusätzliches Gefahrenmoment dargestellt hat, das sich bei dem Unfall ausgewirkt hat (vgl. Senat, Urteile vom 1. März 1966 - VI ZR 207/64 - VersR 1966, 585, 586 und vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94 - aaO, 357).
18
Dass der Beklagte nach dem Entzug der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit das Fahrzeug gar nicht erst führen durfte, ist insoweit ohne Belang. Maßgebend ist vielmehr, ob sich eine Fahruntüchtigkeit als Gefahrenmoment in dem Unfall niedergeschlagen hat (Senat, Urteile vom 19. Januar 1962 - VI ZR 78/61 - VersR 1962, 374, 375; vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/95 - aaO, m. w. N.). In die Abwägung für die Haftungsverteilung nach § 9 StVG, § 254 BGB dürfen wie bei § 17 StVG nur diejenigen Tatbeiträge eingebracht werden, die sich tatsächlich auf die Schädigung ausgewirkt haben. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben.
19
Für einen Beitrag des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu dem Unfallgeschehen spricht im hier zu entscheidenden Fall auch nicht ein Anscheinsbe- weis. Zwar kann bei einem Fahrfehler des Schädigers zugunsten des Geschädigten grundsätzlich ein Anscheinsbeweis für den Ursachenbeitrag einer fehlenden Fahrerlaubnis sprechen (vgl. Senat, Urteile vom 24. Januar 1956 - VI ZR 123/55 - aaO; vom 19. Januar 1962 - VI ZR 78/61 - VersR 1962, 374, 375; vom 7. Dezember 1962 - VI ZR 86/62 - VersR 1963, 367 f.; vom 20. Dezember 1963 - VI ZR 270/62 - VersR 1964, 486, 488; vom 20. Oktober 1964 - VI ZR 160/63 - VersR 1965, 81, 82; vom 1. März 1966 - VI ZR 207/64 - VersR 1966, 585, 586; vom 24. Februar 1976 - VI ZR 61/75 - VersR 1976, 729, 730; vgl. noch BGH, BGHZ 18, 311, 318 f.; Urteile vom 30. Oktober 1985 - IVa ZR 10/84 - VersR 1986, 141, 142 und vom 21. Januar 1987 - IVa ZR 129/85 - VersR 1987, 1006, 1007). Davon kann im Streitfall nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen jedoch nicht ausgegangen werden. Dem Beklagten war zwar wegen Trunkenheit im Straßenverkehr die Fahrerlaubnis entzogen, er ist aber im Zeitpunkt des Unfalls nüchtern gefahren und es sind darüber hinaus keine gefahrerhöhenden Umstände ersichtlich, die sich zusätzlich zu dem Verstoß gegen das Sichtfahrgebot unfallursächlich ausgewirkt haben könnten. Dafür, dass seine überhöhte Geschwindigkeit mit der fehlenden Fahrerlaubnis in Zusammenhang stünde, spricht kein Satz der Lebenserfahrung. Soweit die Revision meint, das Fahren ohne Fahrerlaubnis habe sich tatsächlich in der vom Beklagten gefahrenen, überhöhten Geschwindigkeit ausgewirkt, ist eine mehrfache Berücksichtigung dieses Umstands in der Abwägung nicht möglich (vgl. Senat, Urteil vom 1. Juni 1976 - VI ZR 162/74 - aaO).
20
b) Den hiernach zu berücksichtigenden Beiträgen des Beklagten zu 2 zu dem Unfallgeschehen (Verstoß gegen das Sichtfahrgebot; Betriebsgefahr) hat das Berufungsgericht die Beiträge des Vaters der Klägerin gegenübergestellt (§§ 254 Abs. 1 BGB, § 9 StVG, § 25 Abs. 1 StVO). Dieser hat sich unter Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 69a Abs. 1 Nr. 1 StVZO a. F., § 24 StVG a. F. (nunmehr: §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 75 Nr. 1 FeV) mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,56 g Promille bei Nacht als Fußgänger auf der Fahrbahn - ca. 1 m vom (für den Beklagten zu 2) rechten Fahrbahnrand entfernt - anstatt auf dem neben der Straße verlaufenden Gehweg (§ 25 Abs. 1 StVO) aufgehalten.
21
c) Unter diesen Umständen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden , wenn das Berufungsgericht den Beklagten als Gesamtschuldnern einen Haftungsanteil von 2/5, dem Vater der Klägerin aber einen Anteil von 3/5 zugemessen hat.
22
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe des von den Beklagten zu ersetzenden Unterhaltsschadens lassen ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
23
a) Die fixen Haushaltskosten schätzt das Berufungsgericht für den DreiPersonen -Haushalt, in dem die Klägerin vor dem Unfall ihres allein verdienenden Vaters lebte, auf 40 % vom hypothetischen Einkommen des Vaters der Klägerin. Das beanstandet die Revision nicht. Rechtsfehler sind hierzu nicht ersichtlich (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 1988 - VI ZR 116/87 - VersR 1988, 954).
24
b) Die Aufteilung dieser fixen Kosten auf die Überlebenden des Haushalts (die Klägerin und deren Mutter) im Verhältnis 1:2 hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 1988 - VI ZR 116/87 - aaO). Im Regelfall wird die für eine sachgerechte Verteilung gebotene Betrachtung, in welchem Maße die Haushaltsmitglieder an den hinter den fixen Kosten stehenden Leistungen teilhaben, zu einer höheren Quote für den hinterbliebenen Elternteil im Vergleich zum Kind führen. Bei den fixen Kosten handelt es sich um Aufwendungen, die der Unterhaltsverpflichtete dem Unterhaltsberechtigten nach Maßgabe seines Lebensbedarfs schuldet. Das Gericht kann jedoch, anstatt die Leistungen im Einzelnen auf die Leistungsemp- fänger zu verteilen, nach § 287 ZPO schätzen und dabei einen Mittelwert berücksichtigen. Der erkennende Senat hat deshalb eine Verteilung von 2:1 bei einem Elternteil mit Kind nicht beanstandet und dabei dem Erfahrungssatz Rechnung getragen, dass der Unterhaltsbedarf eines Elternteils im Allgemeinen höher ist als der eines Kindes (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 1988 - VI ZR 116/87 - aaO). Dementsprechend beanstandet die Revision nicht, dass das Berufungsgericht die Schätzung im Tatsächlichen fehlerhaft durchgeführt habe. Sie ist jedoch der Ansicht, diese Aufteilung sei bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht angebracht, weil der überlebende Elternteil in einem solchen Fall keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen den allein verdienenden Partner habe, also auch die auf ihn entfallenden Fixkosten nach Tötung des Alleinverdieners nicht erstattet verlangen könne.
25
Es ist hier nicht abschließend zu entscheiden, ob dieser Ausgangspunkt der Revision vollständig mit der Rechtslage übereinstimmt (vgl. § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB i. d. F. des Art. 1 Nr. 16 Geseetz vom 19. August 1969; BGBl I, 1243 und das nach Zulassung der Revision ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs , Urteil vom 5. Juli 2006 - XII ZR 11/04 - NJW 2006, 2687, 2691 f.; Staudinger/Engler, Neubearbeitung 2000, § 1615 l BGB, Rn. 51 ff.). Jedenfalls ist es - entgegen der Ansicht der Revision - auch unter Beachtung des Gleichstellungsgebots des Art. 6 Abs. 5 GG weder erforderlich, dem Unterhaltsanspruch eines nichtehelichen Kindes nach § 844 Abs. 2 BGB, § 10 Abs. 2 StVG Anteile der auf den betreuenden Elternteil entfallenden fixen Haushaltskosten hinzuzurechnen, noch den (fiktiven) Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den verstorbenen Elternteil um diese Anteile zu erhöhen. Auch ein eheliches Kind kann den dem überlebenden Elternteil zustehenden Anteil an diesen Kosten nicht seinem Schadensersatzanspruch hinzurechnen, der Anspruch erwächst vielmehr jedem Berechtigten getrennt (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1971 - VI ZR 241/69 - VersR 1972, 176 f.). Soweit in einer nichtehelichen Le- bensgemeinschaft dem hinterbliebenen Elternteil auch bei verfassungskonformer Auslegung des § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB ein (fiktiver) Unterhaltsanspruch gegen den getöteten Alleinverdiener nicht zusteht, folgt das in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise aus dem Fehlen einer ehelichen Bindung und einer deshalb fehlenden nachehelichen Solidarität (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2006 - XII ZR 11/04 - aaO, 2690).
26
Hiernach lässt die Berechnung des Unterhaltsanspruchs durch das Berufungsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.
27
3. Die Revision beanstandet jedoch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihres Unterhaltsschadens für die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres abgewiesen hat.
28
Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die Zuerkennung einer Rente über den 31. Mai 2011 hinaus (das Datum "1. Mai 2011" statt 31. Mai ist ein offenbares Schreibversehen, § 319 Abs. 1 ZPO) im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgelehnt, weil es sich nicht in der Lage sah, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen weiteren Unterhaltsbedarf für die Zeit ab 1. Juni 2011 schon jetzt festzustellen (vgl. Senatsurteil vom 15. März 1983 - VI ZR 187/81 - VersR 1983, 688, 689, insoweit nicht in BGHZ 87, 121 ff.).
29
Der Zahlungsantrag der Klägerin auf eine monatliche, zeitlich unbegrenzte Rente umfasst jedoch die Feststellung des Ersatzanspruchs und enthält damit zugleich einen Antrag auf Feststellung dieses Ersatzanspruchs für die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres der Klägerin als wesensgleiches Weniger (vgl. Senatsurteil vom 31. Januar 1984 - VI ZR 150/82 - VersR 1984, 389, 390; ebenso BGH, BGHZ 118, 70, 82; Urteil vom 10. Mai 1993 - II ZR 111/92 - NJW-RR 1993, 1187, 1188; vom 24. Oktober 1994 - II ZR 231/93 - NJW 1995, 188, 189). Die Klägerin hat durch ihr Schweigen auf den entsprechenden Hin- weis des Berufungsgerichts nicht auf diese Feststellung verzichtet. Das Berufungsgericht hätte vielmehr von Amts wegen über dieses vom Leistungsantrag umfasste Begehren der Klägerin entscheiden müssen.
30
4. Soweit nach allem das angefochtene Urteil aufzuheben ist (§ 562 Abs. 1 ZPO), liegen die Voraussetzungen für eine eigene Entscheidung des Revisionsgerichts vor (§ 563 Abs. 3 ZPO). Weitere tatsächliche Feststellungen sind nicht erforderlich.
31
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 12.10.2000 - 4 O 2730/99 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 17.05.2005 - 6 U 44/00 -

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Beträgt die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m, darf nicht schneller als 50 km/h gefahren werden, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist. Es darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Auf Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, muss jedoch so langsam gefahren werden, dass mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.

(2) Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern.

(2a) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

(3) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch unter günstigsten Umständen

1.
innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h,
2.
außerhalb geschlossener Ortschaften
a)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t bis 7,5 t, ausgenommen Personenkraftwagen,
bb)
Personenkraftwagen mit Anhänger,
cc)
Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t mit Anhänger sowie
dd)
Kraftomnibusse, auch mit Gepäckanhänger,
80 km/h,
b)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t,
bb)
alle Kraftfahrzeuge mit Anhänger, ausgenommen Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t, sowie
cc)
Kraftomnibusse mit Fahrgästen, für die keine Sitzplätze mehr zur Verfügung stehen,
60 km/h,
c)
für Personenkraftwagen sowie für andere Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 3,5 t100 km/h.Diese Geschwindigkeitsbeschränkung gilt nicht auf Autobahnen (Zeichen 330.1) sowie auf anderen Straßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind. Sie gilt ferner nicht auf Straßen, die mindestens zwei durch Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) oder durch Leitlinien (Zeichen 340) markierte Fahrstreifen für jede Richtung haben.

(4) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt für Kraftfahrzeuge mit Schneeketten auch unter günstigsten Umständen 50 km/h.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

Für den Beweis durch Sachverständige gelten die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten sind.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

(1) Die Parteien sind berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten.

(2) Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten und hat ihren Anwälten auf Verlangen zu gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten.

(3) Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht.

Für den Beweis durch Sachverständige gelten die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechend, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten sind.

(1) Lichtzeichen gehen Vorrangregeln und Vorrang regelnden Verkehrszeichen vor. Wer ein Fahrzeug führt, darf bis zu 10 m vor einem Lichtzeichen nicht halten, wenn es dadurch verdeckt wird.

(2) Wechsellichtzeichen haben die Farbfolge Grün – Gelb – Rot – Rot und Gelb (gleichzeitig) – Grün. Rot ist oben, Gelb in der Mitte und Grün unten.

1.
An Kreuzungen bedeuten:

Grün: „Der Verkehr ist freigegeben“.

Er kann nach den Regeln des § 9 abbiegen, nach links jedoch nur, wenn er Schienenfahrzeuge dadurch nicht behindert.

Grüner Pfeil: „Nur in Richtung des Pfeils ist der Verkehr freigegeben“.

Ein grüner Pfeil links hinter der Kreuzung zeigt an, dass der Gegenverkehr durch Rotlicht angehalten ist und dass, wer links abbiegt, die Kreuzung in Richtung des grünen Pfeils ungehindert befahren und räumen kann.

Gelb ordnet an: „Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten“.

Keines dieser Zeichen entbindet von der Sorgfaltspflicht.

Rot ordnet an: „Halt vor der Kreuzung“.

Nach dem Anhalten ist das Abbiegen nach rechts auch bei Rot erlaubt, wenn rechts neben dem Lichtzeichen Rot ein Schild mit grünem Pfeil auf schwarzem Grund (Grünpfeil) angebracht ist. Durch das Zeichen
wird der Grünpfeil auf den Radverkehr beschränkt.
Wer ein Fahrzeug führt, darf nur aus dem rechten Fahrstreifen abbiegen. Soweit der Radverkehr die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten hat, dürfen Rad Fahrende auch aus einem am rechten Fahrbahnrand befindlichen Radfahrstreifen oder aus straßenbegleitenden, nicht abgesetzten, baulich angelegten Radwegen abbiegen. Dabei muss man sich so verhalten, dass eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Verkehrsrichtung, ausgeschlossen ist.
Schwarzer Pfeil auf Rot ordnet das Halten, schwarzer Pfeil auf Gelb das Warten nur für die angegebene Richtung an.

Ein einfeldiger Signalgeber mit Grünpfeil zeigt an, dass bei Rot für die Geradeaus-Richtung nach rechts abgebogen werden darf.
2.
An anderen Straßenstellen, wie an Einmündungen und an Markierungen für den Fußgängerverkehr, haben die Lichtzeichen entsprechende Bedeutung.
3.
Lichtzeichenanlagen können auf die Farbfolge Gelb-Rot beschränkt sein.
4.
Für jeden von mehreren markierten Fahrstreifen (Zeichen 295, 296 oder 340) kann ein eigenes Lichtzeichen gegeben werden. Für Schienenbahnen können besondere Zeichen, auch in abweichenden Phasen, gegeben werden; das gilt auch für Omnibusse des Linienverkehrs und nach dem Personenbeförderungsrecht mit dem Schulbus-Zeichen zu kennzeichnende Fahrzeuge des Schüler- und Behindertenverkehrs, wenn diese einen vom übrigen Verkehr freigehaltenen Verkehrsraum benutzen; dies gilt zudem für Krankenfahrzeuge, Fahrräder, Taxen und Busse im Gelegenheitsverkehr, soweit diese durch Zusatzzeichen dort ebenfalls zugelassen sind.
5.
Gelten die Lichtzeichen nur für zu Fuß Gehende oder nur für Rad Fahrende, wird das durch das Sinnbild „Fußgänger“ oder „Radverkehr“ angezeigt. Für zu Fuß Gehende ist die Farbfolge Grün-Rot-Grün; für Rad Fahrende kann sie so sein. Wechselt Grün auf Rot, während zu Fuß Gehende die Fahrbahn überschreiten, haben sie ihren Weg zügig fortzusetzen.
6.
Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten. An Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für Rad Fahrende müssen Rad Fahrende bis zum 31. Dezember 2016 weiterhin die Lichtzeichen für zu Fuß Gehende beachten, soweit eine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt grenzt.

(3) Dauerlichtzeichen über einem Fahrstreifen sperren ihn oder geben ihn zum Befahren frei.

Rote gekreuzte Schrägbalken ordnen an:

„Der Fahrstreifen darf nicht benutzt werden“.

Ein grüner, nach unten gerichteter Pfeil bedeutet:

„Der Verkehr auf dem Fahrstreifen ist freigegeben“.

Ein gelb blinkender, schräg nach unten gerichteter Pfeil ordnet an:

„Fahrstreifen in Pfeilrichtung wechseln“.

(4) Wo Lichtzeichen den Verkehr regeln, darf nebeneinander gefahren werden, auch wenn die Verkehrsdichte das nicht rechtfertigt.

(5) Wer ein Fahrzeug führt, darf auf Fahrstreifen mit Dauerlichtzeichen nicht halten.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) Wer zu Fuß geht, muss die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Wird die Fahrbahn benutzt, muss innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fahrbahnrand gegangen werden; außerhalb geschlossener Ortschaften muss am linken Fahrbahnrand gegangen werden, wenn das zumutbar ist. Bei Dunkelheit, bei schlechter Sicht oder wenn die Verkehrslage es erfordert, muss einzeln hintereinander gegangen werden.

(2) Wer zu Fuß geht und Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände mitführt, muss die Fahrbahn benutzen, wenn auf dem Gehweg oder auf dem Seitenstreifen andere zu Fuß Gehende erheblich behindert würden. Benutzen zu Fuß Gehende, die Fahrzeuge mitführen, die Fahrbahn, müssen sie am rechten Fahrbahnrand gehen; vor dem Abbiegen nach links dürfen sie sich nicht links einordnen.

(3) Wer zu Fuß geht, hat Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten. Wenn die Verkehrsdichte, Fahrgeschwindigkeit, Sichtverhältnisse oder der Verkehrsablauf es erfordern, ist eine Fahrbahn nur an Kreuzungen oder Einmündungen, an Lichtzeichenanlagen innerhalb von Markierungen, an Fußgängerquerungshilfen oder auf Fußgängerüberwegen (Zeichen 293) zu überschreiten. Wird die Fahrbahn an Kreuzungen oder Einmündungen überschritten, sind dort vorhandene Fußgängerüberwege oder Markierungen an Lichtzeichenanlagen stets zu benutzen.

(4) Wer zu Fuß geht, darf Absperrungen, wie Stangen- oder Kettengeländer, nicht überschreiten. Absperrschranken (Zeichen 600) verbieten das Betreten der abgesperrten Straßenfläche.

(5) Gleisanlagen, die nicht zugleich dem sonstigen öffentlichen Straßenverkehr dienen, dürfen nur an den dafür vorgesehenen Stellen betreten werden.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.