Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 13. Sept. 2007 - 2 W 227/06

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2007:0913.2W227.06.0A
13.09.2007

Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Schleswig vom 18.07.2006 werden aufgehoben.

Das Amtsgericht Schleswig wird angewiesen, dem Beteiligten zu 1) zu bescheinigen, dass ein Adoptionsverfahren über den Betroffenen eingeleitet wird und dass die Anwesenheit des Betroffenen in der Bundesrepublik Deutschland für das Verfahren erforderlich ist.

Das Verfahren über die weitere Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten für dieses Verfahren werden nicht erstattet.

Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt 3.000,- €.

Gründe

1

Der im Jahre 1961 in Pakistan geborene Beteiligte zu 1) reiste im Jahre 1984 als Asylbewerber in die Bundesrepublik ein. Im Jahre 1994 erhielt er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Gleichfalls im Jahre 1994 heirateten die Beteiligten zu 1) und 2). Die Beteiligte zu 2), die im Jahre 1971 in Pakistan geboren ist, reiste im Jahre 1996 in die Bundesrepublik ein und erhielt im Jahre 2003 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

2

Sowohl der Betroffene als auch die Beteiligten zu 1) und 2) sind dem Islam zugehörig.

3

Die Ehe der Beteiligten zu 1) und 2) blieb kinderlos. In einem Beratungsgespräch empfahl das Jugendamt des Kreises den Beteiligten zu 1) und 2), in ihrem „Heimatland“ eine Adoption durchzuführen und dann für das Kind einen Einreiseantrag zu stellen.

4

Dies wollten die Beteiligten zu 1) und 2) in die Tat umsetzen.

5

Die Beteiligte zu 2) erhielt am 31.03.2006 von dem zuständigen Gericht in G/Pakistan die Eigenschaft eines „Guardian“ für den am 27.02.2006 in G geborenen Betroffenen.

6

Als die Beteiligten zu 1) und 2) für den Betroffenen einen Einreiseantrag stellen wollten, teilte ihnen die deutsche Botschaft in I mit, einem Einreiseantrag für den Betroffenen würde nur dann stattgegeben, wenn die Beteiligten zu 1) und 2) den Nachweis eines laufenden Adoptionsverfahrens in der Bundesrepublik führen könnten.

7

Der Beteiligte zu 1) kehrte in die Bundesrepublik zurück, die Beteiligte zu 2) verblieb mit dem Betroffenen in Pakistan.

8

Am 09.06.2006 beurkundete der Notar B einen Adoptionsantrag des Beteiligten zu 1). Dieser lautete dahingehend, dass der Betroffene von den Beteiligten zu 1) und 2) als gemeinschaftliches und eheliches Kind angenommen werden sollte.

9

Diesen Antrag hat der Notar mit Schriftsatz vom 12.06.2006 zusammen mit dem Antrag des Beteiligten zu 1), ihm eine Bescheinigung über die Durchführung des Adoptionsverfahrens auszustellen und dabei die Erforderlichkeit der Anwesenheit des Betroffenen in der Bundesrepublik zu bescheinigen, bei dem Amtsgericht eingereicht.

10

Mit Verfügung vom 21.06.2007 hat das Amtsgericht dem Notar mitgeteilt, dass dem Antrag nicht entsprochen werden könne, da ein Adoptionsverfahren in der Bundesrepublik nicht durchgeführt werden könne, weil das pakistanische Recht, das gem. den Artikeln 22, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB anwendbar sei, eine Adoption im Sinne des BGB nicht kenne.

11

Der Notar wies daraufhin mit Schriftsatz vom 26.06.2006 darauf hin, dass seiner Auffassung nach Artikel 6 EGBGB anwendbar sein müsste, mit der Folge, dass sich das Adoptionsverfahren für den Betroffenen nach deutschem Recht richte.

12

Die weitere Beteiligte hat in einer Stellungnahme vom 03.07.2006 darauf hingewiesen, dass sie die Auffassung des Amtsgerichts teile.

13

Nachdem dem Notar weitere Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, hat das Amtsgericht den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung, dass ein Adoptionsverfahren anhängig sei sowie die Bestätigung, dass die Anwesenheit des Betroffenen in Deutschland für das Verfahren erforderlich sei, abgelehnt.

14

Gegen diesen, ihm am 20.07.2006 zugestellten Beschluss hat der Notar für den Beteiligten zu 1) Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdebegründung hat er darauf hingewiesen, dass Obergerichte in der Bundesrepublik in verschiedenen Verfahren Adoptionsverbote fremder Rechtsordnungen als mit dem deutschen Recht für unvereinbar gehalten haben. Dabei hat er auch auf die Rechtsprechung des Senats und des Oberlandesgerichts Karlsruhe hingewiesen.

15

Am 27.07.2006 hat die Beteiligte zu 2), die zum Zwecke der Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis in die Bundesrepublik gereist ist, bei dem Notar B ebenfalls einen Adoptionsantrag gestellt.

16

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10.10.2006 die Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

17

Denn ob das Fehlen einer gesetzlichen Adoptionsregelung im pakistanischen Recht ein Verstoß gegen den deutschen ordre public rechtfertigt, setzt voraus, dass dieses Fehlen im konkreten Fall zu einem untragbaren Ergebnis führt. Diese Voraussetzungen kann die Kammer nicht erkennen. Insbesondere ist nicht ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 3, Artikel 6 Abs. 1 GG i.V.m. § 1741 BGB anzunehmen. Denn der Antragsteller und seine Ehefrau sind nicht grundsätzlich gehindert, ein Kind zu adoptieren. Im Hinblick darauf, dass sie sich schon über Jahre in Deutschland aufhalten, hier bleiben wollen und auch die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen wollen, hätten sie die Möglichkeit gehabt, nach Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit ein Kind aus Pakistan zu adoptieren. Die Adoption wäre dann nach deutschen Vorschriften vorgenommen worden.

18

Gegen diesen, ihm am 19.10.2006 zugestellten Beschluss hat der Notar für den Beteiligten zu 1) am 16.11.2006 weitere Beschwerde eingelegt.

19

Am 09.01.2007 erteilte der Kreis dem Beteiligten zu 1) eine Einbürgerungszusicherung auf seinen am 11.07.2006 gestellten Einbürgerungsantrag.

20

Am 31.05.2007 teilte der Notar mit, der Beteiligte zu 1) sei kein pakistanischer Staatsbürger mehr, ihm werde nunmehr, nachdem alle Voraussetzungen vorlägen, die deutsche Staatsangehörigkeit erteilt.

21

Die gem. den §§ 27 Abs. 1, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Amtsgericht anzuweisen ist, dem Beteiligten zu 1) die beantragte Bescheinigung zu erteilen.

22

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

23

Die Ausführungen des Landgerichts sind rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat bei der Kernfrage des vorliegenden Verfahrens - der Prüfung des Artikels 6 EGBGB - den Stellenwert der §§ 1741 ff. BGB als „grundwertehaltige“ Vorschriften der inländischen Rechtsordnung sowie den bereits vorliegenden starken Inlandsbezug außer Acht gelassen und darüber hinaus verkannt, dass der Hinweis auf die Möglichkeit der Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit bei der Frage der Anwendbarkeit des Artikel 6 EGBGB kein tragender Gesichtspunkt sein kann (vgl. BVerfGE 31, 58). Infolgedessen ist das Landgericht zu dem unzutreffenden Ergebnis gelangt, dass eine Adoption des Betroffenen durch die Beteiligten zu 1) und 2) nicht möglich sei und hat die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, mit der der Antrag des Beteiligten zu 1) auf Erteilung einer Bescheinigung über die Durchführung eines Adoptionsverfahrens abgelehnt worden ist, abgelehnt.

24

Diese Entscheidung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

25

Der Beteiligte zu 1) hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Bescheinigung über die Durchführung eines Adoptionsverfahrens.

26

Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gem. § 43b Abs. 1 FGG gegeben. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war § 43b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FGG einschlägig. Nachdem der Beteiligte zu 1) inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat, ergibt sich die Zuständigkeit auch aus § 43b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 FGG. Deshalb ist in der Bundesrepublik ein Adoptionsverfahren durchzuführen, wenn nach dem anwendbaren Recht ein Adoptionsverfahren möglich ist und die jeweiligen Voraussetzungen für eine Annahme an Kindes statt vorliegen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, hat der Antragsteller - hier der Beteiligte zu 1) - einen Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Bescheinigung zur Vorlage bei Behörden, wenn er hierfür ein rechtliches Interesse glaubhaft machen kann. Im vorliegenden Fall ist ein derartiges Interesse hinreichend dargetan, denn die Erteilung der Bescheinigung ist nach Vortrag des Beteiligten zu 1) Voraussetzung dafür, dass der Betroffene in die Bundesrepublik einreisen und ein Adoptionsverfahren durchgeführt werden kann.

27

Im Kern geht es deshalb - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - darum, ob die Durchführung eines Adoptionsverfahrens in der Bundesrepublik unter den hier gegebenen Umständen in Betracht kommt.

28

Rechtlich zutreffend haben sowohl Amtsgericht, als auch Landgericht ausgeführt dass, sofern Ehegatten die Annahme eines Kindes beabsichtigen, die Adoption dem Recht unterliegt, das nach Artikel 14 Abs. 1 EGBGB für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist, Artikel 22 Abs. 1 S. 2 EGBGB. Da Artikel 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB für die allgemeinen Wirkungen der Ehe auf das Recht des Staates verweist, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen dem Staat noch angehört, haben die Vorinstanzen zutreffend das pakistanische Recht für anwendbar gehalten. Hieran ändert sich dadurch, dass der Beteiligte zu1) inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat, nichts, denn die Beteiligte zu 2) ist immer noch pakistanische Staatsangehörige, so dass nunmehr Artikel 14 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alternative EGBGB zur Anwendung kommt.

29

Das pakistanische internationale Privatrecht führt nicht zu einer Rückverweisung und zur Anwendbarkeit deutschen Rechts, denn es knüpft nur bei Nicht-Moslems an das domicile des Ehemanns an (Bergmann/Ferid Internationales Familienrecht, Stand: 153 Lieferung S. 78).

30

In Pakistan richten sich Ehe- und Kindschaftsrecht grundsätzlich nach der Religion der Eltern (Bergmann/Ferid, a.a.O. S. 72). Allerdings ist das Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht einheitlich für alle Bevölkerungsgruppen im „Guardians and Awards Act 1890“ geregelt. In diesem ist ein Adoptionsverfahren nicht vorgesehen. Da im Übrigen das muslimische Recht keine Adoption kennt, gibt es im pakistanischen Recht auch kein staatliches Adoptionsverfahren (Bergmann/Ferid a.a.O. S. 77 f).

31

Eine Adoption des Betroffenen durch die Beteiligten zu 1) und 2) wäre deshalb wegen des Fehlens einer entsprechenden Regelung im pakistanischen Recht nicht möglich, sofern nicht trotz der Verweisung in das pakistanische Recht deutsches Adoptionsrecht anwendbar wäre.

32

In der vorliegenden Fallkonstellation ergibt sich die Anwendung deutschen Adoptionsrechts aus Art. 6 EGBGB.

33

Nach Artikel 6 EGBGB ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist.

34

Einer Anwendung des Artikels 6 EGBGB steht nicht entgegen, dass sich im vorliegenden Fall das mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbare Ergebnis nicht aus der Anwendung einer konkreten Rechtsnorm eines anderen Staates ergeben würde, sondern aus dem Fehlen einer im deutschen Recht vorhandenen Regelung. Normzweck des Artikels 6 EGBGB ist die Wahrung des ordre public gegenüber abweichendem fremden Recht. Die Erfüllung dieser Funktion kann zur bloßen Nichtanwendung der ausländischen Vorschriften, zu deren Ergänzung oder zur Anwendung des inländischen Rechts als Ersatzrecht anstelle des ausgeschlossenen fremden Rechts führen (Münchener Kommentar/Sonnenberger, BGB, 4. Auflage 2006, Artikel 6 EGBGB, Rd.-Nr. 17). Fehlt in dem anzuwendenden Recht eine aus Sicht der deutschen Rechtsordnung unerlässliche Regelung, ohne dass das maßgebende Recht eine äquivalente Lösung enthält, so muss eine vom fremden Recht nicht vorgesehene Rechtsfolge angeordnet werden. Die aus deutscher Sicht von vornherein bestehende Lücke - Wertungslücke oder primäre Nomenleere - ist bei Versagen einer Ersatzlösung im fremden Recht nunmehr mit der in dieser Rechtsordnung vermissten deutschen Vorschrift zu schließen (vgl. Münchener Kommentar/Sonnenberger a.a.O. Rd.-Nr. 95).

35

Gegenstand der Prüfung am Maßstab des Artikels 6 EGBGB ist nicht die abstrakte ausländische Norm oder ihre bloße Anwendung, auch nicht ihre Funktion, sondern das Ergebnis ihrer Anwendung im konkreten Fall, d.h. die infolge ihrer Anwendung konkret erzeugten Rechtswirkungen. Entscheidend ist dabei das Gesamtergebnis der Anwendung ausländischen Rechts. Dazu kann es erforderlich sein, den gesamten rechtlichen Kontext der betreffenden Norm, also die Gesamtregelung des Lebenssachverhalts im ausländischen Recht in Betracht zu ziehen. Dies gilt auch bei Fehlen von Normen, deren Existenz nach den wesentlichen Grundsätzen deutschen Rechts für erforderlich gehalten wird. Möglicherweise schafft das ausländische Recht an anderer Stelle einen Ausgleich, der im Ergebnis einen Verstoß gegen den ordre public entfallen lässt (Münchener Kommentar/Sonnenberger a.a.O. Rd.-Nr. 47).

36

Prüfungsmaßstäbe für das Ergebnis der Anwendung des vom deutschen Internationalen Privatrecht berufenen ausländischen Rechts sind nach Artikel 6 EGBGB die Grundrechte als besonders hervorgehobene Wertentscheidungen der Verfassung, sowie die weiteren wesentlichen Grundsätze des deutschen Rechts (Münchener Kommentar/Sonnenberger a.a.O. Rd.-Nr. 49).

37

Bei der Prüfung der Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts ist zu beachten, dass die wesentlichen deutschen Rechtsgrundsätze von Zeit und Raum abhängig und damit wandelbar sind (Münchener Kommentar/Sonnenberger a.a.O. Rd.-Nr. 57). Deshalb ist auch zu berücksichtigen, dass der ordre public nicht statisch und unveränderlich ist, sondern als Substrat der geltenden Rechtordnung ebenso wie diese eine Ausprägung der elementaren Wertvorstellungen der inländischen und zunehmend auch der europäischen Rechtsgemeinschaft darstellt, und infolge dessen dem Wandel dieser Wertvorstellungen unterworfen ist und ihm - wenn auch bisweilen mit zeitlicher Verzögerung - folgt (BGHZ 169, 240).

38

Es geht im Rahmen des Artikels 6 S. 1 EGBGB um die Prüfung, ob die Anwendung fremden Rechts im konkreten Fall angesichts eines hinreichend starken Inlandsbezugs zu einem Ergebnis führen würde, das aus Sicht grundlegender deutscher Rechtsvorstellungen nicht mehr hinnehmbar ist (BGHZ 169, 240), das in untragbarem Widerspruch zu den Grundgedanken der deutschen Rechtsordnung und der ihnen zugrunde liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen steht (OLG Hamm IPR 2000, Nr. 81, 166), so dass das Ergebnis der Rechtsanwendung als unerträglich empfunden werden muss (OLG Saarbrücken FamRZ 1992, 848). Führt die Anwendung ausländischen Rechts zu einem Ergebnis, das von dem Ergebnis der Anwendung einfachgesetzlichen deutschen Rechts abweichen würde, ist zu beachten, dass eine Vorschrift des einfachen Rechts nur dann zur öffentlichen Ordnung im Sinne eines unverzichtbaren Kernbestands der eigenen Rechtsordnung gehört, wenn der Gesetzgeber durch sie ein Prinzip verwirklichen wollte, das er als wesentlichen und unverzichtbaren Bestandteil der rechtsethischen, sittlichen, wirtschaftlichen oder politischen Ordnung ansieht. Entscheidend ist damit die „Grundwertehaltigkeit“ einer Norm, und der mit ihrer Schaffung verfolgte Zweck, der übergeordneten Prinzipien wie zum Beispiel dem Kindeswohl, dem Minderjährigenschutz oder dem allgemeinen Persönlichkeitsschutz dienen sollte. Für das Gewicht der deutschen Vorschrift ist ferner bedeutsam, inwieweit sie mit europäischem oder internationalem Standard übereinstimmt (vgl. Münchener Kommentar/Sonnenberger a.a.O. Rd.-Nr. 62).

39

Artikel 6 S. 2 EGBGB ist als ergänzende Klausel mit spezifischem Verfassungsbezug zu verstehen, zu deren Präzisierung die Ausführungen des Bundesverfassungsgericht im sog. „Spanierbeschluss“ (BVerfGE 31, 58) heranzuziehen sind. Legt man die von dem Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Kriterien zugrunde, so gilt für die Anwendung von Artikel 6 S. 2 EGBGB, dass zunächst der Inhalt des betreffenden Grundrechts bestimmt werden muss. Ist der Inhalt des Grundrechts definiert, so setzt die Anwendung des Artikels 6 S. 2 EGBGB weiter eine Klärung voraus, worin der Verstoß liegt, der sich aus der Anwendung der ausländischen Norm ergeben soll (vgl. Münchener Kommentar/Sonnenberger a.a.O. Rd.-Nrn. 51 ff.).

40

Schließlich setzt die Anwendung des Artikels 6 EGBGB eine hinreichend starke örtliche Beziehung des zu entscheidenden Sachverhalts zur deutschen Rechtsordnung im Urteilszeitpunkt voraus. Als relevante Inlandsbeziehung kommen alle persönlichen und sachlichen Umstände in Betracht. Von besonderem Gewicht sind Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im Inland und die deutsche Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen. Liegt nur eines dieser Merkmale vor, ist in der Regel die erforderliche Binnenbeziehung anzunehmen (Münchener Kommentar/Sonnenberger a.a.O. Rd.-Nr. 84).

41

Im vorliegenden Fall würde die Anwendung des pakistanischen Rechtes zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.

42

Zwar ist fraglich, ob die Beteiligten zu 1) und 2) ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Familiengründung geltend machen können, in dem Sinne, dass ihnen in der Bundesrepublik ein Adoptionsverfahren ermöglicht werden muss und die deutschen Behörden zu der erforderlichen Mitwirkung verpflichtet sind (entsprechende Ausführungen zur Eheschließung finden sich in BVerfGE 31, 58). Obwohl Artikel 6 GG als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung gebietet (vgl. BVerfGE 105, 313), der auch die durch eine Adoption entstandene Familie schützt (vgl. BVerfG 80, 81; BVerfG NJW 1990, 895; Friauf: Verfassungsgarantie und sozialer Wandel - das Beispiel von Ehe und Familie, NJW 1986, 2595/2602) ist nicht ersichtlich, dass in Rechtsprechung und Lehre aus Artikel 6 GG bislang ein „Recht auf Durchführung eines Adoptionsverfahrens“ abgeleitet worden wäre. Ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Familiengründung oder Elternrecht auf Familienplanung wird von der Rechtsprechung bislang überwiegend verneint (vgl. LSG BW, Urteil vom 14.2.2007 L 5 KR 973/06 - JURIS; OLG Frankfurt NJW 1993, 2388).

43

Ob eine derartige grundrechtlich gesicherte Position besteht, kann im vorliegenden Fall indes offen bleiben, denn die Vorschriften der §§ 1741 ff BGB, die auf einfachgesetzlicher Ebene die Zulässigkeit einer Adoption regeln, gehören wegen ihrer Grundwertehaltigkeit zur „öffentlichen Ordnung“ im Sinne eines unverzichtbaren Kernbestands der inländischen Rechtsordnung. Durch die Vorschriften über die Adoption wollte der Gesetzgeber das Prinzip des Kindeswohls verwirklichen, das einen unverzichtbaren Bestandteil der rechtsethischen und sittlichen Ordnung in der Bundesrepublik darstellt. § 1741 BGB nennt als Kernvorschrift die wichtigsten Voraussetzungen für eine Adoption und lässt dabei zugleich den Zweck der Adoption erkennen. Nach § 1741 Abs. 1 BGB muss die Adoption dem Wohl des Kindes dienen und zu einer neuen Eltern-Kind-Beziehung führen. Schon durch den Gesetzeswortlaut und die Stellung der Vorschrift wird unterstrichen, dass die Adoption im Interesse des Kindes erfolgt, nicht dagegen, wie zurzeit der Entstehung des BGB, im Interesse des Annehmenden (vgl. Staudinger/Frank, BGB (2001) § 1741, Rd.-Nr. 3). Mit der in § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB als zweiter Adoptionsvoraussetzung normierten Erwartung, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entstehe, hat der Gesetzgeber allerdings auch deutlich gemacht, dass die Adoption nicht nur eine rechtliche Statusveränderung zum Vorteil des Kindes bewirken soll, sondern in erster Linie der tatsächlichen Herstellung eines neuen Familienbandes dient (Staudinger/Frank a.a.O. Rd.-Nr. 4). Auch wenn die Adoption damit in erster Linie dem Kindeswohl dient, stellt sie doch für kinderlos gebliebene Ehepaare die einzige Möglichkeit dar, eine Familie mit vollwertigen verwandtschaftlichen Beziehungen zu begründen, wenn ihnen der Status als „Pflegefamilie“ nicht ausreichend erscheint.

44

Dass die pakistanische Rechtsordnung für die Beteiligten zu 1) und 2) keine rechtliche Möglichkeit vorsieht, den Betroffenen an Kindes statt im Sinne der §§ 1741 ff. BGB anzunehmen, entfaltet dieselbe Wirkung wie ein in einer ausländischen Rechtsnorm ausdrücklich ausgesprochenes Adoptionsverbot. Ein solches Adoptionsverbot hatte der Senat in seiner Entscheidung vom 31.05.2001 (NJW-RR 2001, 1372) für mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar gehalten und in diesem Zusammenhang ausgeführt:

45

Nach dem Zweck des deutschen Rechts liegt heute die Bedeutung der Adoption in erster Linie in der Fürsorge für Kinder, deren Eltern sich nicht um sie kümmern wollen oder können. Sie sollen aufgrund der Adoption in einer harmonischen und lebenstüchtigen Familie als Kinder aufwachsen können. Eine abweichende Auffassung würde die sich aus Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen, die auch für Ausländer gelten, nicht hinreichend berücksichtigen. Danach ist das Kind ein Wesen mit eigener Menschenwürde und eigenem Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit. Es bedarf des Schutzes und der Hilfe, um sich zu einer verantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Die Erziehung und Betreuung eines minderjährigen Kindes durch Mutter und Vater innerhalb einer harmonischen Gemeinschaft gewährleistet dabei am ehesten, dass dieses Ziel erreicht wird. Mit der Adoption soll einem Kind, das ein gesundes Zuhause entbehren musste, eine Familie gegeben werden. Durch eine Adoption erhält das Kind eine bessere rechtliche Stellung als ein Pflegekind, weil dadurch ein Höchstmaß an Geborgenheit gesichert wird. Diese verfassungsrechtlich gebotene Auffassung entspricht der Entwicklung des internationalen Rechts. So bestimmt Artikel 12 des Gesetzes zu dem europäischen Übereinkommen vom 24.04.1967 über die Adoption von Kindern vom 25.08.1980 (Bundesgesetzblatt II S. 1093), dass die Rechtsordnung einer Person nicht deshalb untersagen darf, ein Kind anzunehmen, weil sie ein eheliches Kind hat oder haben könnte.

46

Auch andere Gerichte, die mit ähnlichen Fragestellungen befasst waren, haben in einem religiös motivierten Adoptionsverbot einen Verstoß gegen den deutschen ordre public gesehen. So hat das Amtsgericht Hagen bereits in einer Entscheidung vom 14.3.1984 (IPrax 1984, 279) ausgeführt:

47

„Die Familienplanung gehört nach den deutschen Rechtsvorstellungen zu den grundlegenden Rechten von Ehegatten. Es steht daher in ihrer Entscheidungsbefugnis, ob und in welchem Umfange sie die Familie durch ein leibliches oder durch die Annahme eines fremden Kindes erweitern wollen. (…) Der völlige Ausschluss der Kindesannahme aufgrund einer auf religiösen Vorstellungen basierenden Rechtsordnung, die in der Bundesrepublik wegen der gänzlich andersartigen kulturellen und soziologischen Strukturen nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist, die überdies die Rechtsstellung des nicht dieser Religionsgemeinschaft angehörenden Ehegatten außer Betracht lässt und keine Rücksicht auf das Wohl des Kindes nimmt, (…) steht mit deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in untragbarem Widerspruch.“

48

Wegen der erheblichen Bedeutung, die dem Rechtsinstitut der Adoption und den dahinter stehenden Prinzipien, die es verwirklichen soll, im deutschen Recht zukommt, ist eine Rechtsanwendung, die Ehegatten die Möglichkeit, Kinder zu adoptieren, von vornherein verwehrt, geeignet, zu einem Ergebnis zu führen, das mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist (vgl. Senat, NJW-RR 2001, 1372; OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 56 mit zust. Anm. von Jayme IPrax 1999, 49; AG Hagen IPrax 1984, 279 mit zust. Anm. von Jayme IPrax 1984, 280; AG Siegen IPrax 1993, 184 mit zust. Anm. Schnabel IPrax 1993, 169).

49

Auch im vorliegenden Fall würde die Anwendung des pakistanischen Rechts, nach dem eine Adoption des Betroffenen durch die Beteiligten zu 1) und 2) ausgeschlossen wäre, zu einem Ergebnis führen, das in einem untragbaren Widerspruch zu den Grundgedanken der deutschen Rechtsordnung und der ihnen zugrunde liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen steht. Die Beteiligten zu 1) und 2) wären gehindert, eine Familie i.S.d. Artikel 6 GG - bestehend aus Eltern und Kindern - zu gründen, dem Betroffenen würde die gegenüber einem Pflegekind erhebliche bessere Stellung eines Adoptivkindes mit den bereits in der oben angeführten Entscheidung des Senats (NJW-RR 2001, 1372) dargelegten positiven Folgen für das Kindeswohl versagt.

50

Dieses unerträgliche Ergebnis kann im konkreten Fall auch nicht durch die Möglichkeit der Adoption nach Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit beider Ehegatten gemildert werden.

51

Soweit das Landgericht ausführt, die Beteiligten zu 1) und 2) seien nicht gehindert, nach der Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit nach deutschem Recht ein Kind zu adoptieren, und diese Erwägung als einen tragenden Grund dafür ansieht, dass im Ergebnis kein Verstoß gegen den ordre public vorliegt, ist dies rechtsfehlerhaft. Der Verweis auf die Möglichkeit einer Einbürgerung darf im Kontext einer Prüfung des Artikels 6 EGBGB kein ausschlaggebendes Kriterium sein, weil den Betroffenen durch die Anwendung dieser Vorschrift des Internationalen Privatrechts eine angemessene persönliche Lebensgestaltung ermöglicht werden soll, ohne dass sie ihre Zugehörigkeit zu ihrem Heimatstaat aufgeben müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in seiner sog. „Spanierentscheidung“ bereits im Jahre 1971 (BVerfGE 31, 58) Folgendes ausgeführt:

52

Hieraus ergibt sich zugleich, dass die angefochtene Entscheidung einen übermäßigen und unverhältnismäßigen Eingriff in die Eheschließungsfreiheit der Beschwerdeführerin enthält. Dieses Grundrecht schützt den innersten Bereich der Lebensgestaltung; der Staat darf die Verwirklichung der gemeinsamen Lebensentscheidung nicht endgültig scheitern lassen, ohne dass dies durch ein anerkennenswertes höheres Interesse gerechtfertigt ist. Gerade in diesem Bereich muss die Rechtsanwendung die Leitidee des Grundgesetzes im Auge behalten, dass der Mensch im Mittelpunkt der Wertordnung der Verfassung steht und die gesetzlichen Regeln nicht Selbstzweck sind. Deswegen geht es auch nicht an, den einzig möglichen Ausweg aus dem rechtlichen Dilemma in der Einbürgerung des ausländischen Verlobten zu sehen. Abgesehen davon, dass die relativ strengen gesetzlichen Voraussetzungen dafür häufig nicht erfüllt sein werden, kommt eine solche Empfehlung der Kapitulation des internationalen Privatrechts gleich, dessen Funktion doch eben darin besteht, dem Betroffenen eine angemessene persönliche Lebensgestaltung zu ermöglichen, ohne dass sie ihre Zugehörigkeit zu ihrem Heimatstaat aufgeben müssen.

53

Diese Ausführungen gelten im vorliegenden Fall entsprechend.

54

Auch hier ist es seitens des Beschwerdegerichts nicht angängig, die Beteiligten zu 1) und 2) darauf zu verweisen, als einzigen Ausweg aus dem rechtlichen Dilemma die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen, um die beabsichtigten Adoption durchführen zu können und dann im Hinblick auf diese Möglichkeit, in dem konkreten Fall ein untragbares Ergebnis zu verneinen.

55

Im vorliegenden Fall ist schließlich auch die zur Anwendung des Artikels 6 EGBGB erforderliche hinreichend starke Beziehung des zu entscheidenden Sachverhalts zur deutschen Rechtsordnung gegeben.

56

Soweit die Instanzgerichte die Auffassung vertreten, es fehle an einer hinreichenden Inlandsbeziehung, kann der Senat dem nicht folgen. Die Vorinstanzen haben die Anforderungen an die hinreichend starke Inlandsbeziehung rechtsfehlerhaft überspannt.

57

Sowohl das räumliche als auch das zeitliche Moment einer hinreichend starken Inlandsbeziehung ist gegeben. Der Beteiligte zu 1) hält sich bereits seit 23 Jahren in der Bundesrepublik auf und hat inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Die Beteiligte zu 2) lebt seit 11 Jahren in der Bundesrepublik, ist mit dem Beteiligten zu 1) verheiratet, beide Beteiligte beabsichtigen weiterhin, ihren Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik zu nehmen. Diese erheblichen bei den Beteiligten zu 1) und 2) vorliegenden persönlichen und sachlichen Umstände reichen aus, um eine hinreichend starke Inlandsbeziehung anzunehmen. Der Umstand, dass der Betroffene bislang keine „eigene“ Beziehung zu der Bundesrepublik knüpfen konnte, hindert dagegen die Annahme einer ausreichenden Inlandsbeziehung nicht. Zwar ist der Betroffene als das Kind, dessen Wohl die deutschen Adoptionsvorschriften dienen sollen, die Person, die bei der Verwirklichung der hinter dem Adoptionsgedanken stehenden Prinzipien im Zentrum des Interesses steht. Hieraus folgt aber nicht, dass das deutsche Adoptionsrecht über den ordre public nur dann Anwendung finden kann, wenn die anzunehmende Person einen eigenen starken Inlandsbezug hat. Denn zum einen stellt die Anknüpfung der Artikel 14, 22 EGBGB für das anwendbare Adoptionsrecht nicht auf das Personalstatut des Anzunehmenden, sondern auf das Ehestatut der Annehmenden ab, was dafür spricht, bei der Frage der Inlandsbeziehung entsprechend den Schwerpunkt bei den Beziehungen der Annehmenden zur Bundesrepublik zu setzen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass dem Betroffenen durch die bereits bestehende rechtliche und tatsächliche Verbindung zu der Beteiligten zu 2), die die Vormundschaft nach pakistanischem Recht für den Betroffenen übernommen hat und im Augenblick bei ihm in Pakistan ist, ein hinreichender Inlandsbezug bereits vermittelt worden ist.

58

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Das Amtsgericht wird dem Beteiligten zunächst die geforderte Bescheinigung auszustellen haben, damit die Einreise des Betroffenen in die Bundesrepublik möglich wird. Sodann wird ein Adoptionsverfahren durchzuführen sein, das sich - weil insoweit kein pakistanisches Recht existiert - nach deutschem Recht richtet.


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1741 Zulässigkeit der Annahme


(1) Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung ein

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 14. Feb. 2007 - L 5 KR 973/06

bei uns veröffentlicht am 14.02.2007

Tenor Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Januar 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revi

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(1) Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme mitgewirkt oder einen Dritten hiermit beauftragt oder hierfür belohnt hat, soll ein Kind nur dann annehmen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(2) Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen. Ein Ehepaar kann ein Kind nur gemeinschaftlich annehmen. Ein Ehegatte kann ein Kind seines Ehegatten allein annehmen. Er kann ein Kind auch dann allein annehmen, wenn der andere Ehegatte das Kind nicht annehmen kann, weil er geschäftsunfähig ist oder das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger Anspruch auf Kostenerstattung für drei Behandlungszyklen einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) haben.
Die 1970 geborene Klägerin und der 1964 geborene Kläger sind verheiratet und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Am 22.03.2005 legten die Kläger der Beklagten einen Behandlungs- und Kostenplan vom 17.03.2005 für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung des Dr. G. vom IVF-Zentrum U. vor. Geplant war eine IVF mit Embryotransfer wegen idiopathischer Sterilität. Die Gesamtkosten für ärztliche Behandlung, Anästhesie und Medikamente wurden pro Zyklusfall auf 3.009,18 EUR für die Frau und auf 45,71 EUR für den Mann veranschlagt.
Die Beklagte genehmigte den Behandlungs- und Kostenplan für drei Zyklen und wies die Kläger in ihren Bescheiden vom 22.03.2005 darauf hin, dass nach § 27a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) fünfzig Prozent der entstehenden Kosten als Eigenanteil des Patienten verbleiben. Gegen die ohne Rechtsbehelfsbelehrung ergangenen Bescheide vom 22.03.2005 legten die Kläger am 30.05.2005 Widerspruch bei der Beklagten ein. Sie verlangten von der Beklagten die volle Erstattung der Kosten für die Kinderwunschbehandlung. Die Beklagte könne sich nicht auf die Begrenzung der Leistungspflicht der Krankenkassen auf drei Versuche der IVF zu der Hälfte der anfallenden Kosten in § 27a Abs. 3 SGB V berufen, weil diese Vorschrift verfassungswidrig sei.
Die Regelung des § 27 a Abs. 3 SGB V stelle ein ungerechtfertigtes und unzumutbares Sonderopfer von Ehepartnern und Familien als Beitrag zur Konsolidierung der gesetzlichen Krankenversicherung dar und verstoße gegen das spezielle Diskriminierungsverbot aus Art. 6 Abs. 1 des GG, gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 des GG, sowie gegen das Recht auf Nachkommenschaft aus Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG. Die dauerhafte Gewährleistung der medizinischen Versorgung und die unbestritten notwendige Reformierung des Gesundheitswesens resultierten aus den Schutzpflichten des Sozialstaatsprinzips und seien hochrangige Interessen der Allgemeinheit. Dem gegenüber stehe das vorbehaltlos gewährte und zentrale Grundrecht auf Familiengründung. Dieses sei hier vorrangig. Im Einzelnen haben die Kläger hierzu im Wesentlichen geltend gemacht:
- Durch die Einschränkung des Anspruchs auf eine 50%ige Kostenübernahme werde die notwendige medizinische Heilbehandlung bei künstlichen Befruchtungen denjenigen Einkommensgruppen verwehrt, welche ihren Eigenanteil nicht aufbringen könnten. Damit hätten nur noch besser verdienende Versicherte die Chance auf ein Kind durch künstliche Befruchtung und die notwendigen medizinische Versorgung sei abhängig vom Einkommen. Die Möglichkeit der Familiengründung werde durch die Neuregelung des § 27 a SGB V auf jene Paare eingeschränkt, die aus medizinischen Gründen auf eine künstliche Befruchtung angewiesen seien und über die nötigen finanziellen Mittel verfügten, um diesen Wunsch in die Tat umzusetzen.
- Familien würden weiterhin insoweit diskriminiert, als die sonst geltende Obergrenze von Selbstbeteiligungen von 2 % des Jahreseinkommens überschritten werde. Auch insoweit würden Ehepartner mit Wunsch zur Familiengründung gegenüber anderen Patientengruppen entgegen dem Schutzauftrag von Art. 6 Abs. 1 des GG ungerechtfertigt schlechter gestellt.
- Da es sich bei der künstlichen Befruchtung um eine Heilbehandlung handele, liege eine Ungleichbehandlung und damit Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG gegenüber anderen sich in Heilbehandlung befindlichen gesetzlich Versicherten vor, welche die gesamte Kostenerstattung verlangen könnten. Denn eine Fertilitätsstörung sei Krankheit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung als Teil der notwendig medizinischen Versorgung. Es bedürfe daher eines sachlichen Grundes, der eine Differenzierung der Kostentragung gegenüber anderen Heilbehandlungen rechtfertige. Ein solcher sei nicht ersichtlich und auch nicht in die Beratungen zur Novellierung des Krankenversicherungsrechtes eingeflossen.
- § 27 a Abs. 3 SGB V verstoße schließlich auch gegen das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Nachkommenschaft aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG im Lichte von Art. 6 Abs. 1 GG. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht könne ein Recht auf Bestimmungsfreiheit bei der Familienplanung abgeleitet werden. In der neueren Literatur werde das Recht zu entscheiden, ob, wann und wie viele Kinder ein Paar haben wolle stattdessen eher in Art. 6 Abs. 1 GG verortet. Insoweit bestehe eine Verstärkung des allgemeinen Entfaltungsrechtes aus Art. 2 Abs. 1 des GG. Die Kostenbeteiligungspflicht des § 27 a Abs. 3 SGB V greife in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG ein. Je näher ein Sachverhalt der Privatsphäre dem Kern der Intimsphäre des Persönlichkeitsrechtes nahe komme, umso höhere Anforderungen müssten an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffes gestellt werden. Dazu müssten regelmäßig überwiegende Belange des Gemeinwohls vorliegen. Die Interessenabwägung unterfalle also der Anlegung eines strengen Maßstabes. Dieser werde hier nicht eingehalten, sodass § 27 a Abs. 3 SGB V auch insoweit einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Nachkommenschaft darstelle.
- Der Eingriff durch Kostenbelastung sei auch nicht verhältnismäßig, insbesondere ungeeignet, um das System der gesetzlichen Krankenversicherung dauerhaft zu entlasten. Fehlende Kinder aufgrund unterlassener Maßnahmen der künstlichen Befruchtung führten langfristig zu demografisch bedingten Problemen in der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Ausfall weiterer Beitragszahler,.
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- Außerdem hätte es ein milderes Mittel als eine hälftige Kostenbelastung der Eltern gegeben. Statt drei Zyklen zu 50 % zu finanzieren, hätte es sehr viel mehr Sinn gemacht, den ersten Zyklus voll zu finanzieren, den zweiten zur Hälfte oder den zweiten und dritten zu jeweils 25 %. Damit wäre den Erfolgsaussichten der künstlichen Befruchtung besser Rechnung getragen worden und ein im Ergebnis gleiches finanzielles Belastungsbild entstanden.
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- Die Folgen der Kostenbelastung bei Fertilitätsbehandlung seien u. a. eine erhebliche Steigerung von Mehrlingsgeburten, weil potentielle Eltern unter Kostendruck versucht seien, die rechtlich mögliche maximale Anzahl befruchteter Eizellen implantieren zu lassen, um so die Chancen einer Geburt zu erhöhen. Im Vergleich zur Geburt eines einzelnen Kindes koste die nachgeburtliche Versorgung für Zwillinge oder Drillinge aber ein Mehrfaches. Darüber hinaus bestünden erhebliche gesundheitliche Risiken für Mütter und Kinder bei Mehrlingsschwangerschaften
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- Weiterhin bestehe hinreichende Aussicht auf Erfolg, sodass auch die Kosten für einen vierten Zyklus zu übernehmen seien. Allein die Tatsache, dass schon drei Behandlungszyklen vorausgegangen seien, sei kein aussagekräftiges Indiz für den Erfolg einer weiteren Behandlung. Die Beklagte sei daher verpflichtet, den Klägern die vollen Kosten der Behandlung für vier Behandlungszyklen zu erstatten.
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Im Juni 2005 wurde die Beklagte durch Vorlage eines Attestes des Dr. G. darüber informiert, dass eine IVF-Behandlung durchgeführt worden sei. Am Tag der Follikelpunktion hätten zwar drei Eizellen gewonnen werden können, das Spermiogramm sei aber unbefriedigend gewesen. Daher habe man sich im Wege der Notfallindikation für eine ICSI-Behandlung (intracytoplasmatische Spermieninjektion) entschlossen. Es werde gebeten, diese ISCI-Behandlung im Nachhinein zu genehmigen, weil die Situation nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Kopie des Spermiogramms wurde beigefügt. Eine Entscheidung der Beklagten über diese Zusatzkosten befindet sich nicht in den Akten.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 16.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger als unbegründet zurück. Die Beklagte vertrat den Standpunkt, § 27 a Abs. 3 SGB V sehe vor, dass für Versicherte ein Anspruch auf Sachleistung bestehe. Die Krankenkasse übernehme danach 50 % der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werde. In diesem gesetzlich vorgegebenen Umfang sei der Antrag der Kläger genehmigt worden. Eine Genehmigung über 100 % der Kosten für vier Behandlungszyklen sei gesetzlich ausgeschlossen. Es dürfe daher keine Kostenerstattung in dieser Höhe für die IVF erfolgen.
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Dagegen haben die Kläger am 12.09.2005 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben mit dem Ziel einer Übernahme der gesamten Kosten für drei Behandlungszyklen einer IVF/ICSI-Behandlung durch die Beklagte. Diese könne sich ihrer Leistungspflicht nicht unter Hinweis auf § 27 a Abs. 1 und 3 SGB V entziehen, weil die Kostenbeschränkung verfassungswidrig sei. Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) habe die Bundesregierung bei künstlicher Befruchtung die Kostenübernahme durch die Krankenkassen auf 50 % reduziert, die Zahl der Versuche von vier auf drei gesenkt und zudem Altersbegrenzungen eingeführt. Dieses sei angesichts der demografischen Entwicklung der falsche Weg. Hinsichtlich der Auffassung, die Begrenzung von § 27 a Abs. 3 SGB V sei verfassungswidrig, haben die Kläger ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft.
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Das SG hat die Klage durch Urteil vom 23.01.2006 abgewiesen. Es hat entschieden, die Kläger würden nicht in ihren Rechten verletzt, weil sie keinen Anspruch auf Übernahme der Gesamtkosten für drei Behandlungszyklen der IVF hätten. Denn sie könnten ihr Klagebegehren nicht auf eine geeignete Rechtsgrundlage stützen. Aus einfachem Recht bestimme § 27 a Abs. 3 SGB V, dass die Krankenkasse nur die Hälfte der genehmigten Kosten nach dem Behandlungsplan übernehme, welche bei dem Versicherten durchgeführt würden. Daran hielten sich die angefochtenen Bescheide. Der von den Klägern geltend gemachte Klaganspruch leite sich auch nicht aus den von ihnen zitierten Grundrechten ab. Denn sie seien nicht unmittelbar anspruchsbegründend. Leistungsansprüche ergäben sich erst über die Konkretisierung von Grundrechten im einfachen Recht. Ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 a SGB V bestünden nach Auffassung der Kammer nicht. Eine Förderung werde durch die Kostenbeteiligung in Höhe von 50 % durchgeführt. Im übrigen bestehe eine Einschätzungsprärogative des parlamentarischen Gesetzgebers, welcher auch die Finanzierbarkeit von Maßnahmen im Blick behalten dürfe und müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird ergänzend auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen. Das Urteil wurde am 30. 01.2006 zugestellt.
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Mit ihrer am 24.02.2006 eingelegten Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Mittlerweile seien zwei IVF-Behandlungen durchgeführt worden. Infolge ungenügender finanzieller Mittel habe das Klägerpaar auf einen dritten Versuch verzichten müssen. Das SG gehe fälschlicherweise davon aus, dass § 27 a SGB V verfassungskonform sei und die Beklagte aus diesem Grunde nicht zu einer über 50 % hinausgehenden Zahlung verpflichtet sei. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des § 27 a SGB V. Das Vorbringen aus dem verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren erster Instanz wurde wiederholt und vertieft. Ergänzend wurde vorgetragen, die Zahl der reproduktionsmedizinischen Behandlungen sei von 107.675 im Jahre 2003 auf 61.724 im Jahre 2004 zurückgegangen. Unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Erfolgsquote von 28% sei von einer Verminderung der Zahl der Schwangerschaften um 13.000 im Bundesgebiet auszugehen.
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Die Kläger beantragen ,
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das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23.01.2006 und die Bescheide vom 22.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.08.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen die Kosten für eine Kinderwunschbehandlung (IVF/ISCI) für drei Zyklen vollständig zu bezahlen.
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Sie haben ergänzend angeregt, das Verfahren auszusetzen und gem. Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie habe sich an die geltende Rechtslage gehalten.
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Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
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Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung der Kläger, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG). Der Beschwerdewert ist bei der Klägerin mit ca. 4.500,00 EUR (50 % von 3.000,00 EUR x 3 Maßnahmen) bei weitem überschritten. Auch die Berufung des Klägers ist statthaft, obwohl die ihn direkt betreffenden Untersuchungen seines Spermas mit jeweils 45,71 EUR auch bei 3 IVF mit 137,13 EUR den Beschwerdewert des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht erreichen. Denn bei ungewollter Kinderlosigkeit hat grundsätzlich jeder Ehegatte gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf alle zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendigen Maßnahmen und nicht nur auf die ihn betreffenden „Nebenleistungen“ (BSGE 88 S. 51, 57). Auch hat der Kläger wirksam Berufung eingelegt. Denn die Nennung allein der Klägerin als Berufungsführerin im Berufungsschriftsatz war, wie mittlerweile klargestellt, ein (offensichtliches) Schreibversehen.
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Die Berufung ist indes nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
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1.) Gem. § 27 a SGB V umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn die weiteren unter Nr. 1-5 dieser Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen für den Versuch einer künstlichen Befruchtung erfüllt sind. Der Anspruch ist auf drei Maßnahmen beschränkt. Anders als § 27 a SGB V in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung, der eine volle Kostenübernahme vorsah, bestimmt § 27 a Abs. 3 Satz 3 mit Wirkung ab 01.01.2004, dass vor Beginn der Behandlung der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen ist. Die Krankenkasse übernimmt 50 v. H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahme, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Ergänzend hierzu hat der Gemeinsame Bundesausschuss auf der Ermächtigungsgrundlage von § 27 a Abs. 4 SGB V in der „Richtlinie über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (Richtlinien über künstliche Befruchtung)“ in der Fassung vom 23.12.2004 unter Ziffer 9.2 Abs. 3 bestimmt, dass der Behandlungsplan max. drei in Folge geplante Zyklen umfasst. Die Krankenkasse erteilt die Genehmigung für den dritten IVF- oder ICSI-Zyklus nur unter dem Vorbehalt, dass in einem von zwei Behandlungszyklen eine Befruchtung stattgefunden hat.
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Die angefochtenen Bescheide werden von diesen Vorschriften gerechtfertigt, was auch von den Klägern nicht bestritten wird. Eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage für das Begehren der Kläger auf volle Kostenübernahme der IVF gegenüber der Beklagten enthält das SGB V nicht. Die Vorschrift des § 27 a Abs. 3 Satz 3 SGB V, soweit sie eine lediglich 50 %ige Kostenübernahme der Krankenkasse vorsieht, ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht verfassungswidrig. Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Richtervorlage im Rahmen von Artikel 100 Abs. 1 GG scheidet daher aus. Die Überprüfung von Normen durch die Fachgerichte im Rahmen von Artikel 100 Abs. 1 GG dient nicht der abstrakten Normenkontrolle, sondern lediglich der Klärung, ob die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führt (BSG Urt. v. 16.12.2003 - B 1 KR 12/02 R).
30 
2.) Die Kläger machen für sich ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Familiengründung bzw. ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Nachkommenschaft geltend. Sie leiten diese Rechte aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG ab und berufen sich hierfür auf Teile der Rechtslehre und des Schrifttums. Allerdings ist diese grundrechtliche Position auch nach ihren Ausführungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht als eigenständige Ableitung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen anerkannt. Ob diese Grundrechtsposition anzuerkennen wäre und mit dem von den Klägern geltend gemachten Inhalt aus den genannten Grundrechten hergeleitet werden könnte, kann hier dahingestellt bleiben. Denn weder aus dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG noch aus dem des Art 6 GG lassen sich konkrete Ansprüche gegen eine Krankenkasse ableiten.
31 
Aus Art. 2 Abs. 1 und 2 GG folgt eine objektiv rechtliche Pflicht des Staates, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen (vgl. BVerfGE 85, 191, 212; 88, 203, 251; 90, 145, 195). Darüber hinaus ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nur geboten, eine medizinische Versorgung für alle Bürger bereit zu halten. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen so weiten Gestaltungsspielraum, dass sich originäre Leistungsansprüche aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig nicht ableiten lassen.
32 
Art. 6 Abs. 1 GG gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe- und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung (vgl. BVerfGE 105, 313, 346 st. Rspr.). Als Grundsatznorm lässt sich ihm eine allgemeine Pflicht des Staates zur Förderung der Familie durch geeignete Maßnahmen entnehmen (vgl. BVerfGE 103, 242, 259). Dem Gesetzgeber steht aber Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz verwirklichen will. Aus Art. 6 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen können aus dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG nicht hergeleitet werden (BVerfGE 82,60,81). Dies gilt auch für die Ausgestaltung der Krankenversicherung (vgl. BVerfGE 107, 205).
33 
Aus dem Gesagten folgt somit, dass sich regelmäßig keine Einzelansprüche aus den genannten Grundrechten ableiten lassen, vielmehr ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Aufgabe des Gesetzgebers, die entsprechenden Verfassungsaufträge durch einfachgesetzliche Regelungen umzusetzen. Dabei hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten (vgl. BVerfGE 89,120,130) folgt jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen (BSG Urteile vom 19.04.2004 -B 1 KR 9/04 R und vom 18.7.2006 - B 1 KR 10/05 R). Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnimmt (BSG Beschluss vom 31.10. 2006 - B 1 KR 95/06 R). Auch behinderte Menschen können über die vom Gesetz eingeräumten Ansprüche aus Verfassungsrecht keine weitergehenden Ansprüche auf medizinische Versorgung herleiten, obwohl in deren Fall das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen zusätzlich zu beachten ist (vgl. BSGE 91,60 und Urt. v. 16.9.2004, USK 2004,80). Eine einzige Ausnahme hat das BVerfG in dem Beschluss vom 6. Dezember 2006 - 1BvR 347/98 gemacht, als es zwar einerseits die Zulässigkeit eines beschränkten Leistungskatalogs der GKV bestätigt, andererseits aber eine verfassungskonforme Auslegung derjenige Rechtsnormen des SGB V gefordert hat, die bei regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. lebensbedrohlichen Krankheiten einen Leistungsausschluss bewirken. Da der vorliegende Sachverhalt nicht mit einer derart schweren Krankheit verglichen werden kann, ist an dem Grundsatz, dass sich aus Art. 2 Abs. 1 und 2 und Art. 6 Abs. 1 GG originäre Leistungsansprüche aus Verfassungsrecht nicht ableiten lassen, fest zu halten (ebenso BSG Beschluss vom 31.10.2006 - B 1 KR 95/06 B und Urteil vom 4.4.2006 - B 1 KR 7/05 R)
34 
Die Rechtsauffassung der Kläger, dass die 50-prozentige Selbstbeteiligung einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Rechte aus Art. 2 Abs. 1 und 2 GG und Art. 6 Abs. 1 GG auf Nachkommenschaft darstellt, teilt der Senat nicht. Der Eingriff wird einerseits durch überragend wichtige Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt, andererseits wird auch nach erfolgter Kürzung des Übernahmeanteils der Krankenkasse es den Klägern nur in nicht gravierender, jedenfalls aber noch hinnehmbarer Weise erschwert, sich einer künstlichen Befruchtung zu unterziehen.
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Zunächst ist den Klägern entgegen zu halten, dass der Staat mit § 27 a SGB V die IVF nicht verbietet oder irgendeinen Arzt oder Patienten rechtlich davon abhält, Leistungen der künstlichen Befruchtung zu erbringen bzw. zu erhalten. Niemand ist daran gehindert aus bestehendem oder angespartem Vermögen die hier als Eigenanteil aufzubringenden Kosten von 4.500,00 EUR zu bestreiten. Der Staat fördert im Gegenteil die Kinderwunschbehandlung durch Übernahme der Kosten von bis zu drei Maßnahmen in Höhe von jeweils 50 %. Realistischerweise ist davon auszugehen, dass dieser finanzielle Eigenanteil einer Kinderwunschbehandlung nicht ernsthaft im Wege stehen kann. Zum einen sind bei kinderlosen Ehepaaren typischerweise beide Ehepartner erwerbstätig, sodass der benötigte Betrag leichter angespart werden kann, zumal es sich bei der Kinderwunschbehandlung um eine planbare Maßnahme handelt, die auch ein halbes Jahr oder ein ganzes Jahr später durchgeführt werden kann. Zum anderen werden Beträge in der hier streitigen Größenordnung von 4500 EUR von Ehepaaren zur Finanzierung etwa einer Wohnungsausstattung oder eines Kraftfahrzeugs üblicherweise ohne weiteres aufgewendet. Schließlich ist der Betrag nur ein Bruchteil der Gelder, die Ehepaare für ein oder mehrere Kinder nach der Geburt aufzuwenden haben. Wenn Gelder in Höhe dieser Größenordnung nach der Geburt benötigt werden, dann erscheint es ohne Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze zumutbar, entsprechende Beträge auch vor der Geburt anzusparen.
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Darüber hinaus ist die Einschränkung auf eine nur 50-prozentige Kostenübernahme durch den Gesetzgeber nicht willkürlich gewesen, sie war vielmehr Teil eines Bündels von Maßnahmen, mit denen er Versicherte, Beitragszahler und Leistungserbringer durch das GMG finanziell belastet hat, um die gesetzliche Krankenversicherung zu stabilisieren und bezahlbar zu erhalten. Die finanzielle Selbstbeteiligung erfolgt im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft der Kläger bei der Beklagten. Wie alle gesetzlich Krankenversicherten sind auch die Kläger im Kern darauf angewiesen, dass ihnen die gesetzliche Krankenversicherung ausreichend den notwendigen Versicherungsschutz bietet. Die soziale Sicherheit, insbesondere auch der Krankenversicherungsschutz zu bezahlbaren Konditionen, ist stets als ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang anzusehen, der vielfältige Einschränkungen auf Seiten der Versicherten rechtfertigt. Neben der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung hat gerade im Gesundheitswesen der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht. Die Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist für das Gemeinwohl anerkannter Maßen von so hoher Bedeutung, dass auch für den einzelnen fühlbare Beeinträchtigungen gerechtfertigt sein können (vgl. BVerfGE 70, 1, 30; 82, 209, 230). Wenn der Gesetzgeber zur Verwirklichung dieses Ziels nicht den Weg einer weiteren Steigerung der Beitragssätze, sondern den Weg von Einsparungen innerhalb des Systems gegangen ist, handelt er im Rahmen seines ihm eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Sein Handeln wird dabei von der nachvollziehbaren Erkenntnis getragen, dass bei steigender Arbeitslosigkeit infolge steigender Beitragssätze die Zahl der Beitragszahler weiter abnimmt, wodurch eine Finanzierungslücke entsteht bzw. die vorhandenen Lücke vertieft wird.
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Vor diesem Hintergrund ist das von dem Gesetzgeber mit dem GMG verfolgte Ziel, die gesetzliche Krankenversicherung als solidarische Gemeinschaft mit umfassender medizinischer Versorgung zu erhalten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Andererseits können bei dieser Sachlage Versicherte nicht verlangen, von Maßnahmen, die dem Erhalt des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung, und damit einem überragenden Belang des Gemeinwohls dienen, verschont zu bleiben. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird nicht überschritten, wenn angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der GKV einzelne Leistungen aus dem Leistungskatalog herausgenommen oder der Höhe nach beschränkt werden.
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3.) Entgegen der Auffassung der Kläger verstößt die Neufassung des § 27 a Abs. 3 Satz 3 SGB V auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
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Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Dieses Grundrecht ist vielmehr nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 104, 126 <144 f>; BVerfGE 103, 242 <258> jeweils m.w.N.). Dabei setzt der Gleichheitssatz dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers um so engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Außerhalb dieses Bereichs lässt er dem Gesetzgeber weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte je nach dem Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln; die Grenze bildet insoweit allein das Willkürverbot, d.h. wenn sich für die Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt (BVerfGE 102, 68 <87>; BVerfGE 97, 271, <290 f> jeweils m.w.N.; BSG, Urteil vom 16.12.2003 - B 1 KR 12/02 zur Kostenübernahme der GKV von 50 Prozent bei Müttergenesungskuren-). Eine gesetzliche Regelung kann anhand Art. 3 Abs. 1 GG hingegen nicht dahingehend überprüft werden, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gewählt hat (BVerfGE 15, 167<201>; 26, 302 <310>), sondern nur, ob die Regelung den rechtlichen Vorgaben der Verfassung entspricht, d.h. ob die äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit gewahrt sind.
40 
Die nur 50 %ige Kostenübernahme in § 27 a Abs. 3 Satz 3 SGB V verstößt auch nicht innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung gegen den Gleichheitsgrundsatz. Der Gesetzgeber muss nicht jede Leistung vollständig oder zumindest überwiegend übernehmen. Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach über die Frage der Zulässigkeit von Leistungskürzungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entschieden (dazu BSG Beschluss vom 31.10.2006 - B 1 KR 95/06 B mwN). So hat es etwa den Leistungsausschluss für Arzneimittel bestätigt (BSG Urt. v. 18.7.2006 - B 1 KR 10/05 R und vom 10.5.2005 - B 1 KR 25/03 R), ebenso den fast vollständigen bzw. den teilweisen Ausschluss von Sehhilfen oder Zahnersatz von der regelmäßigen vertragsärztlichen bzw. vertragszahnärztlichen Versorgung. Auch die nur 50 %ige Kostenübernahme bei Kuren im Rahmen von Müttergenesungswerken hat das BSG (Urteil v. 16.12.2003 - B 1 KR 12/02 R) als nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßend und damit als verfassungskonform angesehen.
41 
Gegen die von den Klägern vorgetragene Ungleichbehandlung spricht insbesondere der Umstand, dass medizinische Behandlungen, die unterschiedlichen Zwecken dienen, auch eine unterschiedliche Behandlung im Leistungskatalog der GKV finden können. Der Gesetzgeber hat in § 27 a SGB V abweichend von den sonstigen Versicherungsfällen in den § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V bei den Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft einen eigenen Versicherungsfall geschaffen, nämlich denjenigen der Kinderlosigkeit eines Paares. Dieser Versicherungsfall unterscheidet sich auch rechtstatsächlich erheblich von dem Versicherungsfall einer Krankheit. Während im Fall einer Krankheit häufig, etwa bei der Einlieferung in ein Krankenhaus nach einem schweren Unfall, sofortiges Handeln erforderlich ist und sich die Höhe der Kosten im Vorhinein nicht abschätzen lassen, handelt es sich bei der Herbeiführung einer künstlichen Befruchtung um eine planbare Maßnahme, für deren Durchführung regelmäßig ein längerer Zeitraum zur Verfügung steht. Es ist den Paaren, die sich solchen Maßnahmen unterziehen wollen, deshalb sehr viel leichter möglich, die finanziellen Mittel anzusparen. Die aufzubringenden Kosten von ca. 4.500,00 EUR sind dabei regelmäßig sehr viel geringer als die Kosten, die später mit dem Kind verbunden sind. Auch sind die Ausgaben niedriger, als sonstige Ausgaben, die von jüngeren Ehepaaren typischerweise freiwillig getätigt werden, wie etwa die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges oder die Kosten für eine Wohnungseinrichtung. Hinzukommt, dass eine Minderung der Unkosten steuerrechtlich in Höhe des jeweiligen Steuersatzes durch die Geltendmachung als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 Einkommensteuergesetz erfolgen kann. Bei dieser Sachlage und angesichts der Planbarkeit der Maßnahme sowie des zwar hohen, aber im Voraus relativ zuverlässig abschätzbaren Kostenbetrages lässt sich die unterschiedliche Behandlung der Kostenübernahme bei Akuterkrankungen einerseits und der künstlichen Befruchtung andererseits rechtfertigen. Jedenfalls liegt ein Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG insoweit nicht vor.
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Die Kläger haben zwar nach eigenen Angaben aus finanziellen Gründen auf die Durchführung einer zweiten oder dritten Maßnahme verzichtet, nicht vorgetragen ist indes, dass ihnen auch bei zumutbaren Sparbemühungen die Durchführung dieser Maßnahmen unmöglich gewesen wäre. Sollten die Kläger - wovon nicht auszugehen ist, weil Prozesskostenhilfe nicht beantragt worden ist - Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II erhalten, stünde ihnen gem. § 72 SGB XII ein Anspruch auf ergänzende Hilfe in besonderen Lebenslagen zu. Damit wird auch das Argument der Kläger entkräftet, die nur 50 %ige Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkassen mache es einkommensschwachen Schichten der Bevölkerung unmöglich, Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in Anspruch zu nehmen. Auch insoweit kann von einer willkürlichen Ungleichbehandlung des Gesetzgebers nicht ausgegangen werden.
43 
Nach alledem erweist sich die Berufung der Kläger als unbegründet.
44 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
45 
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

Gründe

 
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Die Berufung der Kläger, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und statthaft (§ 151 Abs. 1 und §§ 143, 144 SGG). Der Beschwerdewert ist bei der Klägerin mit ca. 4.500,00 EUR (50 % von 3.000,00 EUR x 3 Maßnahmen) bei weitem überschritten. Auch die Berufung des Klägers ist statthaft, obwohl die ihn direkt betreffenden Untersuchungen seines Spermas mit jeweils 45,71 EUR auch bei 3 IVF mit 137,13 EUR den Beschwerdewert des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht erreichen. Denn bei ungewollter Kinderlosigkeit hat grundsätzlich jeder Ehegatte gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf alle zur Herbeiführung einer Schwangerschaft notwendigen Maßnahmen und nicht nur auf die ihn betreffenden „Nebenleistungen“ (BSGE 88 S. 51, 57). Auch hat der Kläger wirksam Berufung eingelegt. Denn die Nennung allein der Klägerin als Berufungsführerin im Berufungsschriftsatz war, wie mittlerweile klargestellt, ein (offensichtliches) Schreibversehen.
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Die Berufung ist indes nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
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1.) Gem. § 27 a SGB V umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn die weiteren unter Nr. 1-5 dieser Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen für den Versuch einer künstlichen Befruchtung erfüllt sind. Der Anspruch ist auf drei Maßnahmen beschränkt. Anders als § 27 a SGB V in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung, der eine volle Kostenübernahme vorsah, bestimmt § 27 a Abs. 3 Satz 3 mit Wirkung ab 01.01.2004, dass vor Beginn der Behandlung der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen ist. Die Krankenkasse übernimmt 50 v. H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahme, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Ergänzend hierzu hat der Gemeinsame Bundesausschuss auf der Ermächtigungsgrundlage von § 27 a Abs. 4 SGB V in der „Richtlinie über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (Richtlinien über künstliche Befruchtung)“ in der Fassung vom 23.12.2004 unter Ziffer 9.2 Abs. 3 bestimmt, dass der Behandlungsplan max. drei in Folge geplante Zyklen umfasst. Die Krankenkasse erteilt die Genehmigung für den dritten IVF- oder ICSI-Zyklus nur unter dem Vorbehalt, dass in einem von zwei Behandlungszyklen eine Befruchtung stattgefunden hat.
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Die angefochtenen Bescheide werden von diesen Vorschriften gerechtfertigt, was auch von den Klägern nicht bestritten wird. Eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage für das Begehren der Kläger auf volle Kostenübernahme der IVF gegenüber der Beklagten enthält das SGB V nicht. Die Vorschrift des § 27 a Abs. 3 Satz 3 SGB V, soweit sie eine lediglich 50 %ige Kostenübernahme der Krankenkasse vorsieht, ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht verfassungswidrig. Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Richtervorlage im Rahmen von Artikel 100 Abs. 1 GG scheidet daher aus. Die Überprüfung von Normen durch die Fachgerichte im Rahmen von Artikel 100 Abs. 1 GG dient nicht der abstrakten Normenkontrolle, sondern lediglich der Klärung, ob die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führt (BSG Urt. v. 16.12.2003 - B 1 KR 12/02 R).
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2.) Die Kläger machen für sich ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Familiengründung bzw. ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Nachkommenschaft geltend. Sie leiten diese Rechte aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG ab und berufen sich hierfür auf Teile der Rechtslehre und des Schrifttums. Allerdings ist diese grundrechtliche Position auch nach ihren Ausführungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht als eigenständige Ableitung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen anerkannt. Ob diese Grundrechtsposition anzuerkennen wäre und mit dem von den Klägern geltend gemachten Inhalt aus den genannten Grundrechten hergeleitet werden könnte, kann hier dahingestellt bleiben. Denn weder aus dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG noch aus dem des Art 6 GG lassen sich konkrete Ansprüche gegen eine Krankenkasse ableiten.
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Aus Art. 2 Abs. 1 und 2 GG folgt eine objektiv rechtliche Pflicht des Staates, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen (vgl. BVerfGE 85, 191, 212; 88, 203, 251; 90, 145, 195). Darüber hinaus ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nur geboten, eine medizinische Versorgung für alle Bürger bereit zu halten. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen so weiten Gestaltungsspielraum, dass sich originäre Leistungsansprüche aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig nicht ableiten lassen.
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Art. 6 Abs. 1 GG gebietet als verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe- und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung (vgl. BVerfGE 105, 313, 346 st. Rspr.). Als Grundsatznorm lässt sich ihm eine allgemeine Pflicht des Staates zur Förderung der Familie durch geeignete Maßnahmen entnehmen (vgl. BVerfGE 103, 242, 259). Dem Gesetzgeber steht aber Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz verwirklichen will. Aus Art. 6 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen können aus dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG nicht hergeleitet werden (BVerfGE 82,60,81). Dies gilt auch für die Ausgestaltung der Krankenversicherung (vgl. BVerfGE 107, 205).
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Aus dem Gesagten folgt somit, dass sich regelmäßig keine Einzelansprüche aus den genannten Grundrechten ableiten lassen, vielmehr ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Aufgabe des Gesetzgebers, die entsprechenden Verfassungsaufträge durch einfachgesetzliche Regelungen umzusetzen. Dabei hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten (vgl. BVerfGE 89,120,130) folgt jedenfalls kein grundrechtlicher Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Bereitstellung oder Finanzierung bestimmter Gesundheitsleistungen (BSG Urteile vom 19.04.2004 -B 1 KR 9/04 R und vom 18.7.2006 - B 1 KR 10/05 R). Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum auch im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen aus dem Leistungskatalog herausnimmt (BSG Beschluss vom 31.10. 2006 - B 1 KR 95/06 R). Auch behinderte Menschen können über die vom Gesetz eingeräumten Ansprüche aus Verfassungsrecht keine weitergehenden Ansprüche auf medizinische Versorgung herleiten, obwohl in deren Fall das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen zusätzlich zu beachten ist (vgl. BSGE 91,60 und Urt. v. 16.9.2004, USK 2004,80). Eine einzige Ausnahme hat das BVerfG in dem Beschluss vom 6. Dezember 2006 - 1BvR 347/98 gemacht, als es zwar einerseits die Zulässigkeit eines beschränkten Leistungskatalogs der GKV bestätigt, andererseits aber eine verfassungskonforme Auslegung derjenige Rechtsnormen des SGB V gefordert hat, die bei regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. lebensbedrohlichen Krankheiten einen Leistungsausschluss bewirken. Da der vorliegende Sachverhalt nicht mit einer derart schweren Krankheit verglichen werden kann, ist an dem Grundsatz, dass sich aus Art. 2 Abs. 1 und 2 und Art. 6 Abs. 1 GG originäre Leistungsansprüche aus Verfassungsrecht nicht ableiten lassen, fest zu halten (ebenso BSG Beschluss vom 31.10.2006 - B 1 KR 95/06 B und Urteil vom 4.4.2006 - B 1 KR 7/05 R)
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Die Rechtsauffassung der Kläger, dass die 50-prozentige Selbstbeteiligung einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Rechte aus Art. 2 Abs. 1 und 2 GG und Art. 6 Abs. 1 GG auf Nachkommenschaft darstellt, teilt der Senat nicht. Der Eingriff wird einerseits durch überragend wichtige Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt, andererseits wird auch nach erfolgter Kürzung des Übernahmeanteils der Krankenkasse es den Klägern nur in nicht gravierender, jedenfalls aber noch hinnehmbarer Weise erschwert, sich einer künstlichen Befruchtung zu unterziehen.
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Zunächst ist den Klägern entgegen zu halten, dass der Staat mit § 27 a SGB V die IVF nicht verbietet oder irgendeinen Arzt oder Patienten rechtlich davon abhält, Leistungen der künstlichen Befruchtung zu erbringen bzw. zu erhalten. Niemand ist daran gehindert aus bestehendem oder angespartem Vermögen die hier als Eigenanteil aufzubringenden Kosten von 4.500,00 EUR zu bestreiten. Der Staat fördert im Gegenteil die Kinderwunschbehandlung durch Übernahme der Kosten von bis zu drei Maßnahmen in Höhe von jeweils 50 %. Realistischerweise ist davon auszugehen, dass dieser finanzielle Eigenanteil einer Kinderwunschbehandlung nicht ernsthaft im Wege stehen kann. Zum einen sind bei kinderlosen Ehepaaren typischerweise beide Ehepartner erwerbstätig, sodass der benötigte Betrag leichter angespart werden kann, zumal es sich bei der Kinderwunschbehandlung um eine planbare Maßnahme handelt, die auch ein halbes Jahr oder ein ganzes Jahr später durchgeführt werden kann. Zum anderen werden Beträge in der hier streitigen Größenordnung von 4500 EUR von Ehepaaren zur Finanzierung etwa einer Wohnungsausstattung oder eines Kraftfahrzeugs üblicherweise ohne weiteres aufgewendet. Schließlich ist der Betrag nur ein Bruchteil der Gelder, die Ehepaare für ein oder mehrere Kinder nach der Geburt aufzuwenden haben. Wenn Gelder in Höhe dieser Größenordnung nach der Geburt benötigt werden, dann erscheint es ohne Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze zumutbar, entsprechende Beträge auch vor der Geburt anzusparen.
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Darüber hinaus ist die Einschränkung auf eine nur 50-prozentige Kostenübernahme durch den Gesetzgeber nicht willkürlich gewesen, sie war vielmehr Teil eines Bündels von Maßnahmen, mit denen er Versicherte, Beitragszahler und Leistungserbringer durch das GMG finanziell belastet hat, um die gesetzliche Krankenversicherung zu stabilisieren und bezahlbar zu erhalten. Die finanzielle Selbstbeteiligung erfolgt im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft der Kläger bei der Beklagten. Wie alle gesetzlich Krankenversicherten sind auch die Kläger im Kern darauf angewiesen, dass ihnen die gesetzliche Krankenversicherung ausreichend den notwendigen Versicherungsschutz bietet. Die soziale Sicherheit, insbesondere auch der Krankenversicherungsschutz zu bezahlbaren Konditionen, ist stets als ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang anzusehen, der vielfältige Einschränkungen auf Seiten der Versicherten rechtfertigt. Neben der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung hat gerade im Gesundheitswesen der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht. Die Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ist für das Gemeinwohl anerkannter Maßen von so hoher Bedeutung, dass auch für den einzelnen fühlbare Beeinträchtigungen gerechtfertigt sein können (vgl. BVerfGE 70, 1, 30; 82, 209, 230). Wenn der Gesetzgeber zur Verwirklichung dieses Ziels nicht den Weg einer weiteren Steigerung der Beitragssätze, sondern den Weg von Einsparungen innerhalb des Systems gegangen ist, handelt er im Rahmen seines ihm eingeräumten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Sein Handeln wird dabei von der nachvollziehbaren Erkenntnis getragen, dass bei steigender Arbeitslosigkeit infolge steigender Beitragssätze die Zahl der Beitragszahler weiter abnimmt, wodurch eine Finanzierungslücke entsteht bzw. die vorhandenen Lücke vertieft wird.
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Vor diesem Hintergrund ist das von dem Gesetzgeber mit dem GMG verfolgte Ziel, die gesetzliche Krankenversicherung als solidarische Gemeinschaft mit umfassender medizinischer Versorgung zu erhalten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Andererseits können bei dieser Sachlage Versicherte nicht verlangen, von Maßnahmen, die dem Erhalt des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung, und damit einem überragenden Belang des Gemeinwohls dienen, verschont zu bleiben. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird nicht überschritten, wenn angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der GKV einzelne Leistungen aus dem Leistungskatalog herausgenommen oder der Höhe nach beschränkt werden.
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3.) Entgegen der Auffassung der Kläger verstößt die Neufassung des § 27 a Abs. 3 Satz 3 SGB V auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
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Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Dieses Grundrecht ist vielmehr nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 104, 126 <144 f>; BVerfGE 103, 242 <258> jeweils m.w.N.). Dabei setzt der Gleichheitssatz dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers um so engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Außerhalb dieses Bereichs lässt er dem Gesetzgeber weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte je nach dem Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln; die Grenze bildet insoweit allein das Willkürverbot, d.h. wenn sich für die Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt (BVerfGE 102, 68 <87>; BVerfGE 97, 271, <290 f> jeweils m.w.N.; BSG, Urteil vom 16.12.2003 - B 1 KR 12/02 zur Kostenübernahme der GKV von 50 Prozent bei Müttergenesungskuren-). Eine gesetzliche Regelung kann anhand Art. 3 Abs. 1 GG hingegen nicht dahingehend überprüft werden, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gewählt hat (BVerfGE 15, 167<201>; 26, 302 <310>), sondern nur, ob die Regelung den rechtlichen Vorgaben der Verfassung entspricht, d.h. ob die äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit gewahrt sind.
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Die nur 50 %ige Kostenübernahme in § 27 a Abs. 3 Satz 3 SGB V verstößt auch nicht innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung gegen den Gleichheitsgrundsatz. Der Gesetzgeber muss nicht jede Leistung vollständig oder zumindest überwiegend übernehmen. Das Bundessozialgericht hat bereits mehrfach über die Frage der Zulässigkeit von Leistungskürzungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entschieden (dazu BSG Beschluss vom 31.10.2006 - B 1 KR 95/06 B mwN). So hat es etwa den Leistungsausschluss für Arzneimittel bestätigt (BSG Urt. v. 18.7.2006 - B 1 KR 10/05 R und vom 10.5.2005 - B 1 KR 25/03 R), ebenso den fast vollständigen bzw. den teilweisen Ausschluss von Sehhilfen oder Zahnersatz von der regelmäßigen vertragsärztlichen bzw. vertragszahnärztlichen Versorgung. Auch die nur 50 %ige Kostenübernahme bei Kuren im Rahmen von Müttergenesungswerken hat das BSG (Urteil v. 16.12.2003 - B 1 KR 12/02 R) als nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßend und damit als verfassungskonform angesehen.
41 
Gegen die von den Klägern vorgetragene Ungleichbehandlung spricht insbesondere der Umstand, dass medizinische Behandlungen, die unterschiedlichen Zwecken dienen, auch eine unterschiedliche Behandlung im Leistungskatalog der GKV finden können. Der Gesetzgeber hat in § 27 a SGB V abweichend von den sonstigen Versicherungsfällen in den § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V bei den Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft einen eigenen Versicherungsfall geschaffen, nämlich denjenigen der Kinderlosigkeit eines Paares. Dieser Versicherungsfall unterscheidet sich auch rechtstatsächlich erheblich von dem Versicherungsfall einer Krankheit. Während im Fall einer Krankheit häufig, etwa bei der Einlieferung in ein Krankenhaus nach einem schweren Unfall, sofortiges Handeln erforderlich ist und sich die Höhe der Kosten im Vorhinein nicht abschätzen lassen, handelt es sich bei der Herbeiführung einer künstlichen Befruchtung um eine planbare Maßnahme, für deren Durchführung regelmäßig ein längerer Zeitraum zur Verfügung steht. Es ist den Paaren, die sich solchen Maßnahmen unterziehen wollen, deshalb sehr viel leichter möglich, die finanziellen Mittel anzusparen. Die aufzubringenden Kosten von ca. 4.500,00 EUR sind dabei regelmäßig sehr viel geringer als die Kosten, die später mit dem Kind verbunden sind. Auch sind die Ausgaben niedriger, als sonstige Ausgaben, die von jüngeren Ehepaaren typischerweise freiwillig getätigt werden, wie etwa die Anschaffung eines Kraftfahrzeuges oder die Kosten für eine Wohnungseinrichtung. Hinzukommt, dass eine Minderung der Unkosten steuerrechtlich in Höhe des jeweiligen Steuersatzes durch die Geltendmachung als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 Einkommensteuergesetz erfolgen kann. Bei dieser Sachlage und angesichts der Planbarkeit der Maßnahme sowie des zwar hohen, aber im Voraus relativ zuverlässig abschätzbaren Kostenbetrages lässt sich die unterschiedliche Behandlung der Kostenübernahme bei Akuterkrankungen einerseits und der künstlichen Befruchtung andererseits rechtfertigen. Jedenfalls liegt ein Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG insoweit nicht vor.
42 
Die Kläger haben zwar nach eigenen Angaben aus finanziellen Gründen auf die Durchführung einer zweiten oder dritten Maßnahme verzichtet, nicht vorgetragen ist indes, dass ihnen auch bei zumutbaren Sparbemühungen die Durchführung dieser Maßnahmen unmöglich gewesen wäre. Sollten die Kläger - wovon nicht auszugehen ist, weil Prozesskostenhilfe nicht beantragt worden ist - Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II erhalten, stünde ihnen gem. § 72 SGB XII ein Anspruch auf ergänzende Hilfe in besonderen Lebenslagen zu. Damit wird auch das Argument der Kläger entkräftet, die nur 50 %ige Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkassen mache es einkommensschwachen Schichten der Bevölkerung unmöglich, Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in Anspruch zu nehmen. Auch insoweit kann von einer willkürlichen Ungleichbehandlung des Gesetzgebers nicht ausgegangen werden.
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Nach alledem erweist sich die Berufung der Kläger als unbegründet.
44 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
45 
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

(1) Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme mitgewirkt oder einen Dritten hiermit beauftragt oder hierfür belohnt hat, soll ein Kind nur dann annehmen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(2) Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen. Ein Ehepaar kann ein Kind nur gemeinschaftlich annehmen. Ein Ehegatte kann ein Kind seines Ehegatten allein annehmen. Er kann ein Kind auch dann allein annehmen, wenn der andere Ehegatte das Kind nicht annehmen kann, weil er geschäftsunfähig ist oder das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.