Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil, 30. Mai 2007 - 15 UF 102/06

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2007:0530.15UF102.06.0A
bei uns veröffentlicht am30.05.2007

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung der Berufung im übrigen - das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Neumünster vom 31. Mai 2006 und das zugrunde liegende Verfahren für die Zeit ab 18. Mai 2006 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - Neumünster zurückverwiesen, auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten in dem nur teilweise angefochtenen Urteil (Tenor I. 3. und 4.) auf Zahlung von Trennungsunterhalt für die Zeit ab Januar 2004 in Anspruch.

2

Der Scheidungsausspruch aus dem Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 31.5.2006 in dem Parallelverfahren 49 F 307/04 ist seit dem 30.09.2006 rechtskräftig.

3

Am 20.4.2006 hat das Amtsgericht das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und den Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, festgesetzt auf den 19. Mai 2006.

4

Mit Beschluss vom 18. Mai 2006 hat das Amtsgericht Itzehoe als Insolvenzgericht in dem Verfahren 29 IK 24/06 W das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet (Bl. 234).

5

Der Beklagte macht mit der Berufung geltend, durch die Insolvenzeröffnung sei das Verfahren unterbrochen worden und bleibe es hinsichtlich der bis zur Insolvenzeröffnung entstandenen Ansprüche.

6

Der Beklagte beantragt,

7

das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass das Verfahren seit dem 18.5.2006 unterbrochen ist

8

und ferner,

9

für die Zeit danach den Trennungsunterhaltsanspruch um 50,00 € monatlich abzuweisen.

10

und hilfsweise,

11

Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung, soweit es um den Trennungsunterhalt geht.

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen

14

und schließt sich im Übrigen dem Hilfsantrag an.

15

Die Berufung ist zulässig und erfordert auf den Hilfsantrag hin die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung, soweit Trennungsunterhaltsansprüche betroffen sind.

16

Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegen vor, denn das Verfahren vor dem Amtsgericht leidet hier wegen der Urteilsverkündung nach der am 18.5.2006 erfolgten Insolvenzeröffnung an einem wesentlichen Mangel, der eine neue Gesamtbetrachtung durch das Amtsgericht gebietet.

17

1. Das Amtsgericht hätte über die Trennungsunterhaltsansprüche bis einschließlich Mai 2006 - die die Insolvenzmasse betreffen - nicht mehr entscheiden dürfen, denn das Verfahren war durch die Insolvenzeröffnung seit dem 18. Mai 2006 gemäß § 240 ZPO Kraft Gesetzes unterbrochen. Eine Verkündung ist trotz Unterbrechung gemäß § 249 Abs. 3 ZPO zulässig, wenn die Unterbrechungnach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eintritt. Diese Voraussetzung war hier nicht gegeben, denn es war vielmehr so, dass die Schriftsatzfrist im Sinne von § 128 Abs. 2 ZPO auf den 19. Mai 2006 bestimmt worden war und damit auf einen Zeitpunkt nach der Insolvenzeröffnung am 18. Mai 2006 fiel.

18

2. § 538 ZPO n.F. ist hier entsprechend anzuwenden, denn es ist davon auszugehen, dass es sich um eine planwidrige Regelungslücke handelt, da nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber diesen speziellen Fall bewusst nicht geregelt hat (vgl. dazu OLG Oldenburg, OLGR 2005, 289 f.; OLG Hamburg OLGR 2005, 765 f.; Stein/Jonas-Roth, 22. Aufl., 2005, § 249 ZPO Rn. 18). Wie schon in der genannten Entscheidung des OLG Oldenburg geäußert, unterlag es vor der Neufassung des § 538 ZPO keinem Zweifel, dass ein trotz Unterbrechung des Verfahrens erlassenes Urteil aufzuheben und zurückzuverweisen war. Der BGH hat dies in seiner Entscheidung NJW-RR 1990, 342 damit begründet, dass die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen insgesamt keine tragfähige Grundlage einer revisionsgerichtlichen Überprüfung bildeten. So verhält es sich vergleichbar auch hier. Die Aufhebung und Zurückverweisung hat hier insgesamt, d.h. auch hinsichtlich des Teils der Trennungsunterhaltsansprüche ab Juni 2006 (die von der Unterbrechungswirkung nicht unmittelbar betroffen sind) zu erfolgen, denn mangels Kenntnis des Amtsgerichts vom Insolvenzeröffnungsbeschluss hat es die gebotene Prüfung, wie weiter zu verfahren sei, ob hier z.B. wegen des nicht unterbrochenen Teils eine Abtrennung und ein Teilurteil gemäß § 301 ZPO in Frage kommt, nicht vornehmen können.

19

3. Die Schriftsätze der Parteien vom 11. und 21. Mai 2007 geben keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Der Sache nach geht es um einen Berichtigungsantrag, der das in der Berufungsinstanz nicht anhängige Verfahren auf Kindesunterhalt betrifft.

20

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Zivilprozessordnung - ZPO | § 128 Grundsatz der Mündlichkeit; schriftliches Verfahren


(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich. (2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche V

Zivilprozessordnung - ZPO | § 240 Unterbrechung durch Insolvenzverfahren


Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 301 Teilurteil


(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teil

Zivilprozessordnung - ZPO | § 249 Wirkung von Unterbrechung und Aussetzung


(1) Die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens hat die Wirkung, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt. (2) Die während der Unterbrechung oder

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(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.

(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.

(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

(1) Die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens hat die Wirkung, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt.

(2) Die während der Unterbrechung oder Aussetzung von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen sind der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung.

(3) Durch die nach dem Schluss einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung wird die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert.

(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.

(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.

(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.