Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 12. Juni 2015 - 10 UF 272/15

bei uns veröffentlicht am12.06.2015

Gründe

Oberlandesgericht Nürnberg

Az. 10 UF 272/15

Beschluss

vom 12.06.2015

202 F 1914/14 AG Regensburg

In der Familiensache

1) A., …

- Anzunehmende und Beschwerdeführerin -

2) B., …

- Annehmender und Beschwerdeführer -

Verfahrensbevollmächtigte zu 1 und 2: Rechtsanwälte …

wegen Annahme als Kind

ergeht durch das Oberlandesgericht Nürnberg - 10. Zivilsenat und Senat für Familiensachen - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hilzinger, den Richter am Oberlandesgericht Müller und die Richterin am Oberlandesgericht Trabold am 12.06.2015 folgender

Beschluss

1. Auf die Beschwerde der Anzunehmenden und des Annehmenden wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Regensburg vom 05.02.2015 abgeändert.

2. Die anzunehmende A., geb. …, geb. am ...1988, wohnhaft H., … D. wird von dem Annehmenden B., geb. ...1959, wohnhaft H., … D. als Kind angenommen.

3. Gebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung erster Instanz.

4. Der Gegenstandswert für das Verfahren erster und zweiter Instanz wird auf 250.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die im Jahr 1988 geborene Anzunehmende und der im Jahr 1959 geborene Annehmende, die beide deutsche Staatsangehörige sind, haben mit notarieller Urkunde vom 17.10.2014 (URNr. … des Notars C.) die Annahme als Kind beantragt.

Das Familiengericht hat den Adoptionsantrag nach Anhörung der Beteiligten zurückgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat das Gericht ausgeführt, dass das von den Beteiligten geschilderte gute Verhältnis sich nicht von dem eines gut gepflegten Verwandtschaftsverhältnisses unterscheide und sich eine Adoption angesichts der guten Beziehung zu den leiblichen Eltern verbiete. Darüber hinaus sah das Familiengericht steuer- und erbrechtliche Motive im Vordergrund. Wegen der Einzelheiten wird auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1) und 2) ihr Adoptionsanliegen weiter. Sie tragen vor, dass die Anzunehmende bereits seit Jahrzehnten ein tiefes und inniges Verhältnis zu dem Beteiligten zu 2), dem Bruder ihres Vaters, hat. Der Beteiligte zu 2) sei ledig und lebe in unmittelbarer Nachbarschaft im Haushalt seiner 81- beziehungsweise 80jährigen Eltern. Bereits als Kind sei die Beteiligte zu 1) in diesen Haushalt integriert gewesen und erledige jetzt die anfallenden Hausarbeiten. Die Anzunehmende habe von dem Beteiligten zu 2) intensive Unterstützung im schulischen und beruflichen Bereich erfahren; ohne diese wäre der berufliche Aufstieg bis zur Forschungsassistentin an der Ostbayerischen Technischen Hochschule nicht realisierbar gewesen. In ihrer Freizeit würde die Beteiligte zu 1) zusammen mit ihrem Onkel in dessen Forstwirtschaft arbeiten, wodurch ebenfalls eine enge Vater-Tochter-Beziehung entstanden sei. Die leiblichen Eltern der Beteiligten zu 1) seien mit der Adoption einverstanden; es sei sogar ein Umzug mit ihrem Lebensgefährten und den beiden gemeinsamen Kindern vom elterlichen Haus in ein renoviertes Bauernhaus des Beteiligten zu 2) geplant. Wegen der Einzelheiten wird auf den schriftlichen Sachvortrag verwiesen.

Der Senat hat die Beteiligten zu 1) und 2) persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Sitzungsvermerk vom 28.05.2015 Bezug genommen.

Die Eltern der Beteiligten zu 1) haben sich im vorliegenden Verfahren nicht geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Annahme als Kind gemäß §§ 1767,1770 BGB liegen vor.

Nach diesen Vorschriften kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entwickelt hat (§ 1767 Abs. 1 Halbs. 2 BGB). Anderenfalls muss bei objektiver Betrachtung bestehender Bindungen und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten das Entstehen einer solchen Beziehung für die Zukunft zu erwarten sein (vgl. OLG Köln FGPrax 2011, 297 m. w. N.). Das Erfordernis der sittlichen Rechtfertigung beruht darauf, dass die Herstellung familienrechtlicher Beziehungen nicht der freien Disposition der Beteiligten überlassen bleiben soll (vgl. Palandt/Götz, BGB, 74. Aufl., § 1767 Rn. 2).

Entscheidend kommt es auf die Herstellung eines sozialen Familienbandes an, das seinem Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenen Band ähnelt, das unter Erwachsenen wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand geprägt ist, den sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise gegenseitig leisten (vgl. BayObLG FamRZ 1980, 1158; BayObLGZ 2002, 243). Maßgebend ist eine dauernde innere seelisch-geistige Verbundenheit, wie sie zwischen Eltern und Kind auch nach dessen Volljährigkeit prägend bleibt.

Das familienbezogene Motiv muss entscheidender Anlass für die Annahme sein. Nebenzwecke schaden hierbei nicht, solange der familienbezogene Zweck überwiegt.

Der Senat ist insbesondere nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Beteiligten zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen der Anzunehmenden und dem Annehmenden eine von gegenseitigem unbedingten Beistand getragene dauernde Verbundenheit besteht. Beide haben übereinstimmend geschildert, dass die Anzunehmende sich bereits als Kind regelmäßig im Haushalt des Anzunehmenden aufgehalten und mit ihm zusammen die Schulaufgaben erledigt hatte. Die Anzunehmende hat geschildert, dass sie dem Annehmenden ihren schulischen und beruflichen Werdegang verdanke und von ihm in allen Lebenssituationen unterstützt worden sei. Sie unterstütze und helfe ihm nun ihrerseits, insbesondere bei der Hausarbeit und der Betreuung seiner hilfsbedürftigen Eltern. Für sie sei es auch selbstverständlich, ihren Onkel im Pflegefall zu versorgen, ebenso wie die Großeltern. Beide Beteiligten haben berichtet, dass sie gemeinsam die Forstwirtschaft des Annehmenden betreiben und die Begeisterung hierfür teilen. Auch seien sie derzeit dabei, ein im Eigentum des Annehmenden stehendes Bauernhaus zu renovieren und als Wohnhaus für die Anzunehmende und ihre Familie herzurichten.

Diese Erklärungen der Beteiligten weisen nach Auffassung des Senats auf eine anhaltende, von gegenseitiger Unterstützung geprägte innere Verbundenheit hin, die über die gewöhnliche Beziehung zwischen Onkel und Nichte hinausgeht und einer Familienbindung zwischen Eltern und erwachsenem Kind ähnelt.

Dass die Anzunehmende derzeit noch bei ihren leiblichen Eltern lebt und zu diesen nach wie vor gute Beziehungen pflegt, steht der sittlichen Rechtfertigung der Adoption nicht entgegen. Insbesondere ist zu sehen, dass bei einer Erwachsenenadoption die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen zu seinen Verwandten nicht berührt werden und auch die wechselseitigen Erb- und Unterhaltsansprüche zu den leiblichen Eltern bestehen bleiben. Da auch zwischen dem Annehmenden und den leiblichen Eltern der Beteiligten zu 1) ein gutes Verhältnis besteht, der Annehmende selbst keine Kinder hat, sind Loyalitätskonflikte nicht zu befürchten.

Auch liegt in dem Umstand, dass der Annehmende als tragende Erwägung für die Adoption anführt, jemanden im Alter haben zu wollen, der für ihn sorge, kein sittlich mißbilligenswerter Zweck, zumal die mit der Annahme als Kind bezweckte Etablierung einer Eltern-Kind-Beziehung gerade auch gegenseitigen Beistand und Unterstützung nicht nur in Notfällen beinhaltet.

Dass steuerliche oder finanzielle Aspekte allein oder überwiegende Beweggründe der Adoption sind, ist nicht erkennbar. Nebenzwecke, wie die Erwägung des Annehmenden, die Anzunehmende als Erbin und als Bezugsberechtigte seiner Lebensversicherungen einzusetzen, sind unschädlich, solange der familienbezogene Zweck überwiegt.

Nach Abwägung aller Umstände gelangt der Senat entgegen der Ansicht des Familiengerichts zu der Auffassung, dass die für die Adoption sprechenden Gründe deutlich überwiegen. Dass die Annahme dem Wohl der Anzunehmenden dient, ergibt sich bereits aus dem Antrag der Anzunehmenden (§ 1768 Abs.1 BGB). Die Adoption ist daher sittlich gerechtfertigt.

Der Beschluss des Familiengerichts Regensburg war daher abzuändern und die Adoption auszusprechen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG i. V. m. § 20 FamGKG und berücksichtigt die Kostenregelung in Ziffer IV. der Urkunde vom 17.10.2014.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 45 Abs.2 FamGKG, wobei der Senat den Vermögenswert des Annehmenden mit 1.000.000 EUR veranschlagt hat.

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 45 Bestimmte Kindschaftssachen


(1) In einer Kindschaftssache, die 1. die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,2. das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,3. das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 20 Nichterhebung von Kosten


(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1768 Antrag


(1) Die Annahme eines Volljährigen wird auf Antrag des Annehmenden und des Anzunehmenden vom Familiengericht ausgesprochen. §§ 1742, 1744, 1745, 1746 Abs. 1, 2, § 1747 sind nicht anzuwenden. (2) Für einen Anzunehmenden, der geschäftsunfähig ist,

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(1) Die Annahme eines Volljährigen wird auf Antrag des Annehmenden und des Anzunehmenden vom Familiengericht ausgesprochen. §§ 1742, 1744, 1745, 1746 Abs. 1, 2, § 1747 sind nicht anzuwenden.

(2) Für einen Anzunehmenden, der geschäftsunfähig ist, kann der Antrag nur von seinem gesetzlichen Vertreter gestellt werden.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.

(1) In einer Kindschaftssache, die

1.
die Übertragung oder Entziehung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge,
2.
das Umgangsrecht einschließlich der Umgangspflegschaft,
3.
das Recht auf Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes,
4.
die Kindesherausgabe oder
5.
die Genehmigung einer Einwilligung in einen operativen Eingriff bei einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung (§ 1631e Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
betrifft, beträgt der Verfahrenswert 4 000 Euro.

(2) Eine Kindschaftssache nach Absatz 1 ist auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betrifft.

(3) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.