Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 08. März 2017 - 4 WF 16/17

ECLI:ECLI:DE:OLGNAUM:2017:0308.4WF16.17.00
bei uns veröffentlicht am08.03.2017

Tenor

1. Der Antrag der Kindesmutter auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Beschwerdefrist wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Halberstadt vom 13.12.2016, Az.: 8 F 542/15, wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf einen Wert der Gebührenstufe bis zu 300,00 € festgesetzt.

5. Der Verfahrenskostenhilfeantrag der Kindesmutter für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

6. Dem Kindesvater wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt. Es wird Rechtsanwalt R. aus A. zur Vertretung beigeordnet.

Gründe

I.

1

Der angefochtene Beschluss vom 13.12.2016, der mit Blick auf die Frist für die Beschwerdeeinlegung eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung (§ 39 FamFG) über eine Rechtsmittelfrist von einem Monat enthält, wurde der Kindesmutter am 15.12.2016 zugestellt. Die zweiwöchige Frist zur Einlegung der Beschwerde beim Familiengericht (§§ 87 Abs. 4 FamFG, 569 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO) lief demnach am 29.12.2016 ab. Die Beschwerdeschrift ging jedoch erst am 16.01.2017 beim Amtsgericht ein. Mit Verfügung des Senats vom 01.02.2017, ihr zugegangen am 07.02.2017, wurde die Kindesmutter auf die sich daraus ergebenden Bedenken gegen die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels hingewiesen.

2

Mit ihrem am 10.02.2017 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag hat die Kindesmutter einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist gestellt und diesen mit der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Beschluss vom 13.12.2016 begründet.

II.

1.

3

Der Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung hat keinen Erfolg.

4

Das Gesuch der Kindesmutter ist unbegründet, denn sie war nicht ohne ihr Verschulden gehindert, die gesetzliche Frist der §§ 87 Abs. 4 FamFG, 569 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO von zwei Wochen für die Einlegung der Beschwerde einzuhalten (§ 17 Abs. 1 FamFG), wobei das Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten ihrem eigenen Verschulden gleich steht (§ 11 S. 5 FamFG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).

5

Zwar ist die von § 39 FamFG vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung im Beschluss vom 13.12.2016 fehlerhaft, denn sie erweckt den Eindruck, es könne innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe Beschwerde eingelegt werden. Dies führt aber trotz der von § 17 Abs. 2 FamFG aufgestellten grundsätzlichen Vermutung eines fehlenden Verschuldens nicht dazu, dass die anwaltlich vertretene Kindesmutter ihr Rechtsmittel in zulässiger Weise innerhalb der vom Amtsgericht fehlerhaft mit einem Monat ab Bekanntgabe angegebenen Frist einlegen und sich darauf verlassen durfte, damit sei die Beschwerdefrist gewahrt. Wenn nämlich ein Verfahrensbeteiligter - wie hier - anwaltlich vertreten ist, der anwaltliche Interessenvertreter den säumigen Verfahrensbeteiligten auch in der Vorinstanz vertreten hat und die angefochtene Entscheidung diesem Rechtsanwalt auch zugestellt wurde, ist der Rechtsirrtum über Form und Frist eines einzulegenden Rechtsmittels regelmäßig verschuldet und steht einer Wiedereinsetzung entgegen, weil es an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis fehlt. Im Fall der anwaltlichen Vertretung bedarf der betroffene Beteiligte keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung. Die verfahrensrechtlich richtige und erforderliche Vorgehensweise bei der Einlegung von Rechtsmitteln ergibt sich nämlich unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz. Von einem anwaltlichen Interessenvertreter ist zu erwarten, dass er unabhängig von einer Belehrung durch das Gericht zumindest den Gesetzestext für fristgebundene Rechtsmittel in Familiensachen kennt (vgl. BGH, FamRZ 2014, 643; OLG Stuttgart NJW 2010, 1978; OLG Naumburg MDR 2011, 387).

6

Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung kann ein Anwalt nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts geführt hat (BGH, FamRZ 2012, 1287).

7

Gemessen hieran war die Versäumung der Beschwerdefrist durch die Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter nicht unverschuldet. Von einem Rechtsanwalt ist grundsätzlich zu erwarten, dass er sich über die Voraussetzung für die Einlegung eines Rechtsmittels, und damit auch über die einzuhaltende Frist, selbst und eigenverantwortlich vergewissert. Nach dem Inhalt des verfahrenseinleitenden Antrags und der ergangenen Entscheidung unterliegt es keinem Zweifel, dass Verfahrensgegenstand hier allein die Frage der Vollstreckung eines früher ergangenen Umgangstitels ist. Insoweit enthält das FamFG in Abschnitt 8 eigenständige Vorschriften, deren Wissen zu den Grundkenntnissen des familiengerichtlichen Verfahrens gehört. Angesichts der gesetzlichen Regelung in § 87 Abs. 4 FamFG hätte sich daher die Fehlerhaftigkeit der Belehrung der Verfahrensbevollmächtigten aufdrängen müssen, so dass der Irrtum nicht mehr als entschuldbar bewertet werden kann. Dies gilt im hier vorliegenden Fall zumal deshalb, weil das FamFG bereits seit mehreren Jahren in Kraft ist und entsprechende Anmerkungen in den Fachkommentaren zur Verfügung stehen (vgl. etwa Zöller/Feskorn, ZPO, 31. Aufl., § 87 FamFG, Rn 8; Keidel/Giers, FamFG, 18. Aufl., § 87, Rn 14, 15).

2.

8

Da keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist in Betracht kommt und die Kindesmutter ihre Beschwerde nicht unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (§§ 87 Abs. 4 FamFG, 569 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO) eingelegt hat, muss der Senat ihre Beschwerde als unzulässig verwerfen (§§ 87 Abs. 4 FamFG, 572 Abs. 2 ZPO).

3.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 87 Abs. 5 FamFG i. V. m. § 84 FamFG. Der Verfahrenswert wird gem. § 42 Abs. 2 FamGKG entsprechend der Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes bestimmt.

4.

10

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

11

Da dem Rechtsmittel der Kindesmutter kein Erfolg beschieden ist, kommt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht in Betracht.

12

Dem Kindesvater war hingegen Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114, 115 ZPO.

13

gez. Sauer


ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 08. März 2017 - 4 WF 16/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 08. März 2017 - 4 WF 16/17

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 08. März 2017 - 4 WF 16/17 zitiert 10 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 76 Voraussetzungen


(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist. (2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskosten

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 42 Auffangwert


(1) Soweit in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. (2) Soweit in einer nichtvermögensrechtliche

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 17 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


(1) War jemand ohne sein Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterbliebe

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 87 Verfahren; Beschwerde


(1) Das Gericht wird in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können, von Amts wegen tätig und bestimmt die im Fall der Zuwiderhandlung vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen. Der Berechtigte kann die Vornahme von Vollstreckungshandlungen

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 39 Rechtsbehelfsbelehrung


Jeder Beschluss hat eine Belehrung über das statthafte Rechtsmittel, den Einspruch, den Widerspruch oder die Erinnerung sowie das Gericht, bei dem diese Rechtsbehelfe einzulegen sind, dessen Sitz und die einzuhaltende Form und Frist zu enthalten. Übe

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 11 Verfahrensvollmacht


Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mange

Referenzen

Jeder Beschluss hat eine Belehrung über das statthafte Rechtsmittel, den Einspruch, den Widerspruch oder die Erinnerung sowie das Gericht, bei dem diese Rechtsbehelfe einzulegen sind, dessen Sitz und die einzuhaltende Form und Frist zu enthalten. Über die Sprungrechtsbeschwerde muss nicht belehrt werden.

(1) Das Gericht wird in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können, von Amts wegen tätig und bestimmt die im Fall der Zuwiderhandlung vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen. Der Berechtigte kann die Vornahme von Vollstreckungshandlungen beantragen; entspricht das Gericht dem Antrag nicht, entscheidet es durch Beschluss.

(2) Die Vollstreckung darf nur beginnen, wenn der Beschluss bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

(3) Der Gerichtsvollzieher ist befugt, ein Auskunfts- und Unterstützungsersuchen nach § 757a der Zivilprozessordnung zu stellen. § 758 Abs. 1 und 2 sowie die §§ 759 bis 763 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Ein Beschluss, der im Vollstreckungsverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(5) Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 80 bis 82 und 84 entsprechend.

(1) War jemand ohne sein Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt oder Notar auftritt. Im Übrigen gelten die §§ 81 bis 87 und 89 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

Jeder Beschluss hat eine Belehrung über das statthafte Rechtsmittel, den Einspruch, den Widerspruch oder die Erinnerung sowie das Gericht, bei dem diese Rechtsbehelfe einzulegen sind, dessen Sitz und die einzuhaltende Form und Frist zu enthalten. Über die Sprungrechtsbeschwerde muss nicht belehrt werden.

(1) War jemand ohne sein Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Das Gericht wird in Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden können, von Amts wegen tätig und bestimmt die im Fall der Zuwiderhandlung vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen. Der Berechtigte kann die Vornahme von Vollstreckungshandlungen beantragen; entspricht das Gericht dem Antrag nicht, entscheidet es durch Beschluss.

(2) Die Vollstreckung darf nur beginnen, wenn der Beschluss bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

(3) Der Gerichtsvollzieher ist befugt, ein Auskunfts- und Unterstützungsersuchen nach § 757a der Zivilprozessordnung zu stellen. § 758 Abs. 1 und 2 sowie die §§ 759 bis 763 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(4) Ein Beschluss, der im Vollstreckungsverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(5) Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 80 bis 82 und 84 entsprechend.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) Soweit in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 500 000 Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte, ist von einem Wert von 5 000 Euro auszugehen.

(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.