Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 26. Juni 2013 - 2 Ss 73/13

26.06.2013

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Halberstadt vom 19. Dezember 2012 wird

a) die Strafverfolgung auf den Vorwurf der Beleidigung beschränkt,

b) der Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte der Beleidigung schuldig ist,

c) das vorgenannte Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Halberstadt zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Halberstadt hat den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung zur Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

2

Hiergegen hat der Angeklagte form- und firstgerecht Revision eingelegt und die Verletzung sachlichen Rechts gerügt.

3

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Schuldspruch unter Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a StPO dahingehend zu ändern, dass der Angeklagte der Beleidigung schuldig ist, das Urteil im Ausspruch über die verhängte Strafe mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben, die weitergehende Revision als unbegründet zu verwerfen und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Halberstadt zurückzuverweisen.

4

Der Nebenkläger hat seine für eine Beschränkung der Strafverfolgung unabdingbare (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., Rdnr. 13 zu § 395) Zustimmung mit Schriftsatz vom 25. Juni 2013 erklärt.

II.

5

Die Revision ist zulässig und teilweise begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

6

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift ausgeführt:

7

"Die Feststellungen des Strafrichters ermöglichen nicht einen Schuldspruch wegen Bedrohung. Der vorliegend in Betracht kommende § 241 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter die von seinem Willen abhängige Begehung eines Verbrechens in Aussicht stellt, wobei aus dem Tatbestand diejenigen Ankündigungen ausgeklammert werden, die nicht als objektiv ernst zu nehmende Bedrohungen mit einem Verbrechen angesehen werden können, selbst wenn der Bedrohte sich von der Ankündigung hat beeindrucken lassen (vgl. Gropp/Sinn in Münchener Kommentar, StGB, § 241 Rn. 4 m. w. N.; Fischer, StGB, 60. Aufl. 2013, § 241 Rn. 3a). Vorliegend fehlen diese engen Voraussetzungen in zweierlei Hinsicht. Zum einen vermitteln die Gesamtumstände einem objektiven Betrachter oder einem objektiven Durchschnittsmenschen nicht den Eindruck der Ernstlichkeit der Äußerung: "Die nächste Kugel ist für dich!", weil der - wohl - angetrunkene Angeklagte sich dem Zeugen gegenüber in der zitierten Weise "im Vorbeigehen" entäußert hat. Zum anderen und entscheidungserheblich fällt ins Gewicht, dass die Drohung mit einer "Kugel" nicht automatisch als Todesdrohung aufgefasst werden kann. Vielmehr kann eine derart unbestimmte Äußerung beispielsweise als Inaussichtstellen einer gefährlichen Körperverletzung, die wiederum kein Verbrechen ist, interpretiert werden. Die Ernstlichkeit der Drohung unterstellt - beweisen lässt sich selbige nach Lage der Dinge nicht -, liegt eine für den Angeklagten "milde" Auslegung der Äußerung bereits deshalb nahe, weil der Angeklagte den Feststellungen des Urteils zufolge den Zeugen "in Angst und Schrecken versetzen" und ihm eine Warnung geben wollte, sich zukünftig vor ihm in Acht zu nehmen.   …

8

Die Änderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung der verhängten Freiheitsstrafe zur Folge, weil der Strafrichter unter anderem "das verbale Nachlegen mit der Todesdrohung" sowie den Umstand, der Geschädigte sei in Angst und Schrecken versetzt worden, ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat. Hinzu kommen die erwägenswerten Angriffe des Rechtsmittelführers gegen weitere, näher bezeichnete Strafzumessungserwägungen des Gerichts, weshalb es nicht auszuschließen ist, dass die Rechtsfolge bei Anwendung des § 47 StGB anders bzw. für den Angeklagten noch günstiger ausgefallen wäre."

9

Dies sieht der Senat ebenso.


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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154a Beschränkung der Verfolgung


(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

Strafgesetzbuch - StGB | § 47 Kurze Freiheitsstrafe nur in Ausnahmefällen


(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rech

Strafgesetzbuch - StGB | § 241 Bedrohung


(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutend

Referenzen

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Ebenso wird bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, daß die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe.

(4) Wird die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen, ist in den Fällen des Absatzes 1 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe und in den Fällen der Absätze 2 und 3 auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder auf Geldstrafe zu erkennen.

(5) Die für die angedrohte Tat geltenden Vorschriften über den Strafantrag sind entsprechend anzuwenden.

(1) Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt das Gericht nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerläßlich machen.

(2) Droht das Gesetz keine Geldstrafe an und kommt eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber nicht in Betracht, so verhängt das Gericht eine Geldstrafe, wenn nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe nach Absatz 1 unerläßlich ist. Droht das Gesetz ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe an, so bestimmt sich das Mindestmaß der Geldstrafe in den Fällen des Satzes 1 nach dem Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe; dabei entsprechen dreißig Tagessätze einem Monat Freiheitsstrafe.