Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 14. Nov. 2013 - 2 Ss 155/13, 2 Ws 71/13

14.11.2013

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 26. September 2013 aufgehoben.

2. Dem Angeklagten wird Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Berufungshauptverhandlung gewährt.

3. Damit ist das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 03. September 2013 gegenstandslos.

4. Die Revision des Angeklagten ist erledigt.

5. Die Landeskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Wernigerode hatte den Angeklagten am 28. Januar 2013 wegen Diebstahls und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und eine Sperre für die Fahrerlaubnis verhängt. Dagegen legte der Angeklagte Berufung ein, eine erste Berufungsverhandlung fand am 16. Juli 2013 statt. Da weitere Beweiserhebungen erforderlich waren, wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt, der Vorsitzende bestimmte neuen Termin zur Hauptverhandlung auf den 03. September 2013, 11.00 Uhr.

2

Im Protokoll ist hierzu vermerkt:

3

„Alle Prozessbeteiligten, mit Ausnahme der Schöffen, gelten zum neuen Termin als geladen.“

4

Eine schriftliche Ladung zum Hauptverhandlungstermin vom 03. September 2013 erhielt der Angeklagte nicht.

5

Zur Hauptverhandlung am 03. September 2013 erschien der Angeklagte nicht, Gründe hierfür waren dem Gericht nicht bekannt. Daraufhin verwarf die Kammer die Berufung des Angeklagten mit Urteil vom selben Tage gemäß § 329 Abs. 1 StPO.

6

Gegen dieses am 09. September 2013 zugestellte Urteil beantragte der Angeklagte rechtzeitig Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Berufungshauptverhandlung. Er meint zum einen, er habe die Hauptverhandlung unverschuldet versäumt, weil er sich durch Konsum illegaler Drogen in einen Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt habe, ohne, dass er diese Folge hätte voraussehen können.

7

Im Übrigen beanstandet er, dass er zum Termin vom 03. September 2013 nicht ordnungsgemäß geladen worden sei, was einer Verwerfung der Berufung ebenfalls entgegen gestanden habe.

8

Außerdem hat der Angeklagte gegen das Urteil rechtzeitig Revision eingelegt und diese nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe durch seinen Verteidiger begründen lassen.

9

Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten durch Beschluss vom 26. September 2013 als unbegründet verworfen.

10

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 15. Oktober 2013.

11

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

12

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

13

Dem Angeklagten ist Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren.

14

Zuzustimmen ist dem Landgericht allerdings, dass der Angeklagte die Folgen des Drogenmissbrauchs verschuldet hat. Er hat die Einnahme der unberechenbaren Droge Crystal zwei Tage vor der Hauptverhandlung gesteigert. Auch wenn der Drogenmissbrauch in der Vergangenheit beim Angeklagten nicht zu übergroßer Müdigkeit geführt hatte, konnte er sich nicht darauf verlassen, dass dem immer so sein werde. Im Übrigen hat er seine Bekannte damit beauftragt, ihn rechtzeitig vor dem Hauptverhandlungstermin zu wecken, obwohl er vorhersehen konnte, dass diese bei Feststellung seines Drogenkonsums verärgert und deswegen nicht mehr bereit sein werde, den Weckauftrag zu erfüllen.

15

Der Wiedereinsetzungsantrag hat allerdings Erfolg, weil der Angeklagte zur (zweiten) Berufungshauptverhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden war. Eine Verwerfung der Berufung bei Ausbleiben des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO ist nur zulässig, wenn er ordnungsgemäß geladen worden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, Rdn. 9 zu § 329). Den Ladungsmangel kann der Angeklagte sowohl mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung als auch mit der Revision geltend machen (OLG Düsseldorf, MDR 1987, 868 f.). Hier lässt sich schon nicht feststellen, dass der Angeklagte zur Hauptverhandlung vom 03. September 2013 überhaupt geladen worden ist. Im Protokoll steht nämlich nicht, dass er geladen wurde, sondern lediglich, dass die Prozessbeteiligten „als geladen gelten“. Was das bedeutet, erschließt sich dem Senat nicht.

16

Allerdings könnte damit gemeint sein, dass die Beteiligten mündlich geladen wurden. Eine mündliche Ladung zum neuen Hauptverhandlungstermin nach Aussetzung der Hauptverhandlung verfehlt indes die in § 216 Abs. 1 S. 1 StPO für Ladungen vorgesehene Schriftform, eine mündliche Ladung des erschienenen Angeklagten ist daher nur ausreichend, wenn die Hauptverhandlung nicht ausgesetzt, sondern nur unterbrochen wird. Ebenso war der Angeklagte schriftlich auf die Folgen des unentschuldigten Ausbleibens hinzuweisen, hier auf die Rechtsfolgen des § 329 Abs. 1 StPO (vergl. Meyer-Goßner, Rdn. 3 zu § 323). Die insoweit in der Ladung zum ersten Hauptverhandlungstermin enthaltenen schriftlichen Hinweise reichen nicht aus, nicht einmal ein schriftlicher Hinweis auf die früheren Belehrungen hätte den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Ladung genügt (OLG Koblenz, NJW 1981, S. 2074).

17

Wird der Angeklagte nach Aussetzung des Verfahrens zur zweiten Berufungshauptverhandlung nicht schriftlich geladen oder wird in der Ladung nicht ausdrücklich auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen, führt jeder dieser beiden Fehler für sich bereits zur Unanwendbarkeit des § 329 Abs. 1 StPO (OLG Düsseldorf a.a.O., Meyer-Goßner, Rdn. 9, 10 zu § 329).

18

Damit durfte die Berufung des Angeklagten nicht gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen werden, wegen der Ladungsmängel ist ihm Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren. Infolge der Wiedereinsetzung ist das Verwerfungsurteil des Landgerichts gegenstandslos (Meyer-Goßner, Rdn. 44 zu § 329).

19

Ebenso hat sich die Revision des Angeklagten erledigt.


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Strafprozeßordnung - StPO | § 329 Ausbleiben des Angeklagten; Vertretung in der Berufungshauptverhandlung


(1) Ist bei Beginn eines Hauptverhandlungstermins weder der Angeklagte noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so hat das Gericht eine Berufung des Angeklagten ohne Verha

Strafprozeßordnung - StPO | § 216 Ladung des Angeklagten


(1) Die Ladung eines auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten geschieht schriftlich unter der Warnung, daß im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfolgen werde. Die Warnung kann in den Fällen des § 232 unterblei

Referenzen

(1) Ist bei Beginn eines Hauptverhandlungstermins weder der Angeklagte noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so hat das Gericht eine Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen. Ebenso ist zu verfahren, wenn die Fortführung der Hauptverhandlung in dem Termin dadurch verhindert wird, dass

1.
sich der Verteidiger ohne genügende Entschuldigung entfernt hat und eine Abwesenheit des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist oder der Verteidiger den ohne genügende Entschuldigung nicht anwesenden Angeklagten nicht weiter vertritt,
2.
sich der Angeklagte ohne genügende Entschuldigung entfernt hat und kein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend ist oder
3.
sich der Angeklagte vorsätzlich und schuldhaft in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt hat und kein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend ist.
Über eine Verwerfung wegen Verhandlungsunfähigkeit nach diesem Absatz entscheidet das Gericht nach Anhörung eines Arztes als Sachverständigen. Die Sätze 1 bis 3 finden keine Anwendung, wenn das Berufungsgericht erneut verhandelt, nachdem die Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen worden ist.

(2) Soweit die Anwesenheit des Angeklagten nicht erforderlich ist, findet die Hauptverhandlung auch ohne ihn statt, wenn er durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten wird oder seine Abwesenheit im Fall der Verhandlung auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft nicht genügend entschuldigt ist. § 231b bleibt unberührt.

(3) Kann die Hauptverhandlung auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft hin nicht ohne den Angeklagten abgeschlossen werden oder ist eine Verwerfung der Berufung nach Absatz 1 Satz 4 nicht zulässig, ist die Vorführung oder Verhaftung des Angeklagten anzuordnen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(4) Ist die Anwesenheit des Angeklagten in der auf seine Berufung hin durchgeführten Hauptverhandlung trotz der Vertretung durch einen Verteidiger erforderlich, hat das Gericht den Angeklagten zur Fortsetzung der Hauptverhandlung zu laden und sein persönliches Erscheinen anzuordnen. Erscheint der Angeklagte zu diesem Fortsetzungstermin ohne genügende Entschuldigung nicht und bleibt seine Anwesenheit weiterhin erforderlich, hat das Gericht die Berufung zu verwerfen. Über die Möglichkeit der Verwerfung ist der Angeklagte mit der Ladung zu belehren.

(5) Wurde auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft hin nach Absatz 2 verfahren, ohne dass ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, hat der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist, einen erscheinenden Angeklagten oder Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist. Eine Berufung der Staatsanwaltschaft kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und 2 auch ohne Zustimmung des Angeklagten zurückgenommen werden, es sei denn, dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 4 vorliegen.

(6) Ist die Verurteilung wegen einzelner von mehreren Taten weggefallen, so ist bei der Verwerfung der Berufung der Inhalt des aufrechterhaltenen Urteils klarzustellen; die erkannten Strafen können vom Berufungsgericht auf eine neue Gesamtstrafe zurückgeführt werden.

(7) Der Angeklagte kann binnen einer Woche nach der Zustellung des Urteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den §§ 44 und 45 bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen. Hierüber ist er bei der Zustellung des Urteils zu belehren.

(1) Die Ladung eines auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten geschieht schriftlich unter der Warnung, daß im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfolgen werde. Die Warnung kann in den Fällen des § 232 unterbleiben.

(2) Der nicht auf freiem Fuß befindliche Angeklagte wird durch Bekanntmachung des Termins zur Hauptverhandlung gemäß § 35 geladen. Dabei ist der Angeklagte zu befragen, ob und welche Anträge er zu seiner Verteidigung für die Hauptverhandlung zu stellen habe.

(1) Ist bei Beginn eines Hauptverhandlungstermins weder der Angeklagte noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so hat das Gericht eine Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen. Ebenso ist zu verfahren, wenn die Fortführung der Hauptverhandlung in dem Termin dadurch verhindert wird, dass

1.
sich der Verteidiger ohne genügende Entschuldigung entfernt hat und eine Abwesenheit des Angeklagten nicht genügend entschuldigt ist oder der Verteidiger den ohne genügende Entschuldigung nicht anwesenden Angeklagten nicht weiter vertritt,
2.
sich der Angeklagte ohne genügende Entschuldigung entfernt hat und kein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend ist oder
3.
sich der Angeklagte vorsätzlich und schuldhaft in einen seine Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt hat und kein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend ist.
Über eine Verwerfung wegen Verhandlungsunfähigkeit nach diesem Absatz entscheidet das Gericht nach Anhörung eines Arztes als Sachverständigen. Die Sätze 1 bis 3 finden keine Anwendung, wenn das Berufungsgericht erneut verhandelt, nachdem die Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen worden ist.

(2) Soweit die Anwesenheit des Angeklagten nicht erforderlich ist, findet die Hauptverhandlung auch ohne ihn statt, wenn er durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht vertreten wird oder seine Abwesenheit im Fall der Verhandlung auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft nicht genügend entschuldigt ist. § 231b bleibt unberührt.

(3) Kann die Hauptverhandlung auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft hin nicht ohne den Angeklagten abgeschlossen werden oder ist eine Verwerfung der Berufung nach Absatz 1 Satz 4 nicht zulässig, ist die Vorführung oder Verhaftung des Angeklagten anzuordnen, soweit dies zur Durchführung der Hauptverhandlung geboten ist.

(4) Ist die Anwesenheit des Angeklagten in der auf seine Berufung hin durchgeführten Hauptverhandlung trotz der Vertretung durch einen Verteidiger erforderlich, hat das Gericht den Angeklagten zur Fortsetzung der Hauptverhandlung zu laden und sein persönliches Erscheinen anzuordnen. Erscheint der Angeklagte zu diesem Fortsetzungstermin ohne genügende Entschuldigung nicht und bleibt seine Anwesenheit weiterhin erforderlich, hat das Gericht die Berufung zu verwerfen. Über die Möglichkeit der Verwerfung ist der Angeklagte mit der Ladung zu belehren.

(5) Wurde auf eine Berufung der Staatsanwaltschaft hin nach Absatz 2 verfahren, ohne dass ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, hat der Vorsitzende, solange mit der Verkündung des Urteils noch nicht begonnen worden ist, einen erscheinenden Angeklagten oder Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist. Eine Berufung der Staatsanwaltschaft kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und 2 auch ohne Zustimmung des Angeklagten zurückgenommen werden, es sei denn, dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 4 vorliegen.

(6) Ist die Verurteilung wegen einzelner von mehreren Taten weggefallen, so ist bei der Verwerfung der Berufung der Inhalt des aufrechterhaltenen Urteils klarzustellen; die erkannten Strafen können vom Berufungsgericht auf eine neue Gesamtstrafe zurückgeführt werden.

(7) Der Angeklagte kann binnen einer Woche nach der Zustellung des Urteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den §§ 44 und 45 bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen. Hierüber ist er bei der Zustellung des Urteils zu belehren.