Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 20. Jan. 2017 - 12 Wx 58/16

ECLI:ECLI:DE:OLGNAUM:2017:0120.12WX58.16.00
bei uns veröffentlicht am20.01.2017

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Burg - Grundbuchamt - vom 4. Oktober 2016 aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Vollzug des Antrages auf Eigentumsumschreibung nicht aus den Gründen der Zwischenverfügung vom 4. Oktober 2016 zu verweigern.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 14.000,00 €.

Gründe

I.

1

Im Grundbuch von K. des Amtsgerichts Burg Blatt ... sind als Eigentümer der beiden Flurstücke 10281 und 10282 je zur Hälfte die beiden Beteiligten eingetragen.

2

Die Beteiligten haben vor dem Notar W. aus M. , am 8. September eine Identitäts- und Auflassungsurkunde errichtet, in der sie mit Bezug auf die beiden vorgenannten Flurstücke u. a. erklärt haben:

3

"Wir sind über den Übergang des Eigentums an dem gemäß oben genannten Fortführungsnachweis neu gebildeten Flurstücken

4

a) Flur 2, Flurstück 10281, Gemarkung K. , T. Straße 4, mit einer Größe von 453 m2 (entspricht der Teilfläche A1) auf Frau Sch. einig

5

sowie

6

b) Flur 2, Flurstück 10282, Gemarkung K. , B. Straße 4, mit einer Größe von 530 m2 (entspricht der Teilfläche A2) auf Herrn S. einig.

7

Wir bewilligen und beantragen entsprechenden Grundbuchvollzug (beide Flurstücke sind im Grundbuch von K. Blatt ... gebucht).

8

Der Verfahrensbevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 13. September 2016 eine beglaubigte Abschrift der vorgenannten Urkunde und verschiedene andere Urkunden eingereicht und u. a. beantragt, die Eigentumsumschreibung vorzunehmen.

9

Nachdem weitere Urkunden vorgelegt wurden, hat das Grundbuchamt die Beteiligten mit Beschluss vom 4. Oktober 2016 darauf hingewiesen, dass der beantragten Eigentumsumschreibung Hindernisse entgegen stünden, und zu deren formgerechter Behebung eine Frist von einem Monat bestimmt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Vollzug der Auflassungen so nicht möglich sei, weil die Beteiligten an den vertragsgegenständlichen Flurstücken bereits Eigentümer zu je ½-Miteigentumsanteil seien. Somit könne lediglich jeweils die Auflassung bzgl. eines ½-Miteigentums an dem jeweiligen Flurstück erklärt werden.

10

Hiergegen hat sich der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2016 mit der Begründung gewandt, dass sich die beiden Eigentümer dahingehend geeinigt hätten, dass die Beteiligte zu 2) (Allein-)Eigentümerin des Flurstücks 10281 und der Beteiligte zu 1) (Allein-)Eigentümer des Flurstücks 10282 werden soll. Entsprechend seien sie darüber einig, dass das Eigentum an den betreffenden Flurstücken auf den jeweiligen Erwerber übergehen solle. Die Erklärung der beiden Eigentümer über den Rechtsübergang am Eigentum bezogen auf das jeweilige Flurstück auf nur einen der beiden Vertragsparteien beinhalte zwangsläufig die Einigung des Rechtsübergangs über den ½ Eigentumsanteil des weichenden Miteigentümers auf den Anderen. Die "zu viel" erklärte Auflassung sei unschädlich. Mit seinem Schriftsatz vom 10. Oktober 2016 hat der Verfahrensbevollmächtigte seinen Antrag konkretisiert:

11

- am Flurstück 10281 soll der ½ Miteigentumsanteil des Herrn U. S. auf Frau Sch. umgeschrieben werden (Alleineigentümer wird somit Frau Sch. ) und

12

- am Flurstück 10282 soll der ½ Miteigentumsanteil der Frau Sch. auf Herrn U. S. (Alleineigentümer wird somit Frau Sch. ) umgeschrieben werden.

13

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

14

Die nach § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten ist in der Sache begründet und führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung vom 4. Oktober 2016.

15

Die Voraussetzungen für deren Erlass haben nicht vorgelegen. Allerdings hat das Grundbuchamt im Ausgangspunkt zu Recht darauf hingewiesen, dass im Falle der Aufhebung des Miteigentums an zwei Flurstücken nicht etwa jeweils das ganze Grundstück auf den einzelnen Erwerber aufgelassen werden darf. Denn die Hälfte an dem jeweiligen Flurstück gehört ihm bisher schon (z. B. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rdn. 977 f.). Unter diesem Mangel leiden vordergründig auch die streitgegenständlichen Auflassungserklärungen vom 8. September 2016, wenn sie nach ihrem Wortlaut den Übergang des Eigentums an dem Flurstück 10281 auf die Beteiligte zu 2) bzw. den Übergang des Eigentums an dem Flurstück 10282 auf den Beteiligten zu 1) zum Gegenstand haben. Dies vermittelt an sich den Eindruck, dass sich die Auflassung jeweils nicht nur zu der Übertragung des Miteigentumsanteils verhält, den der jeweilige Erwerber des Flurstücks noch hinzu erwerben muss, um Alleineigentum zu erlangen. Im vorliegenden Fall können die Erklärungen aber zwanglos so ausgelegt werden, dass die Beteiligten darüber einig waren, dass jeweils der Miteigentumsanteil des anderen Beteiligten auf den jeweiligen Erwerber übergeht. Denn dabei ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Außerhalb dieser Urkunden liegende Umstände dürfen nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (z. B. BGH, FGPrax 2015, 5). Grenzen sind der Auslegung durch den das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz und das grundsätzliche Erfordernis urkundlich zu belegender Eintragungsunterlagen gesetzt. Jede Auslegung muss eine Grundlage in den dem Grundbuchamt vorgelegten Urkunden haben (z. B. Schöner/Stöber, a.a.O., Rdn. 172). Das Nächstliegende ist maßgebend, solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte ersichtlich sind (z. B. OLG Frankfurt, RPfleger 1978, 213).

16

Hier ist in der Gesamtschau aller dem Grundbuchamt vorgelegten Urkunden das Nächstliegende, dass die Beteiligten jeweils Alleineigentum an einem der beiden neugebildeten Flurstücke erhalten sollen, der Beteiligte zu 1) an dem Flurstück 10282 und die Beteiligte zu 2) an dem Flurstück 10281. Dies sieht bereits der vom beurkundenden Notar errichtete Auseinandersetzungsvertrag vom 13. Mai 2016 vor, der der streitgegenständlichen Auflassung zugrunde liegt. Danach soll eine Übertragung der Teilfläche A 1 (gemäß Identitätserklärung jetzt Flurstück 10281) des seinerzeitigen Flurstücks 5/9 auf die Beteiligte zu 2) und eine Übertragung der Teilfläche A 2 (gemäß Identitätserklärung jetzt Flurstück 10282) auf den Beteiligten zu 1) jeweils zum Alleineigentum vorgenommen werden. Dies deckt sich mit der Konkretisierung des Notars aus seinem Schriftsatz vom 10. Oktober 2016, wonach die Beteiligten einig seien, dass die Beteiligte zu 2) Alleineigentümerin des Flurstücks 10281 und der Beteiligte zu 1) Alleineigentümer des Flurstücks 10282 werden soll.

III.

17

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Beteiligten mit ihrer Beschwerde obsiegt haben und Gebühren und Auslagen insoweit nicht erhoben werden (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 79 Abs. 1, 61 Abs. 1, Abs. 2, 36 Abs. 1 GNotKG.

18

gez. Trojan               gez. Krogull               gez. Dr. Fichtner


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Grundbuchordnung - GBO | § 71


(1) Gegen die Entscheidungen des Grundbuchamts findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt. (2) Die Beschwerde gegen eine Eintragung ist unzulässig. Im Wege der Beschwerde kann jedoch verlangt werden, daß das Grundbuchamt angewiesen wird, nach § 53

Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG | § 79 Festsetzung des Geschäftswerts


(1) Soweit eine Entscheidung nach § 78 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Gericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Verfahrensgegenstand ergeht oder sich das Verfahren ande

Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG | § 25 Kostenschuldner im Rechtsmittelverfahren, Gehörsrüge


(1) Die nach § 22 Absatz 1 begründete Haftung für die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens erlischt, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise mit Erfolg eingelegt worden ist und das Gericht nicht über die Kosten entschieden hat oder die Kosten nicht

Referenzen

(1) Gegen die Entscheidungen des Grundbuchamts findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt.

(2) Die Beschwerde gegen eine Eintragung ist unzulässig. Im Wege der Beschwerde kann jedoch verlangt werden, daß das Grundbuchamt angewiesen wird, nach § 53 einen Widerspruch einzutragen oder eine Löschung vorzunehmen.

(1) Die nach § 22 Absatz 1 begründete Haftung für die Kosten eines Rechtsmittelverfahrens erlischt, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise mit Erfolg eingelegt worden ist und das Gericht nicht über die Kosten entschieden hat oder die Kosten nicht von einem anderen Beteiligten übernommen worden sind.

(2) Richtet sich eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Betreuungsgerichts und ist sie von dem Betreuten oder dem Pflegling oder im Interesse dieser Personen eingelegt, so schuldet die Kosten nur derjenige, dem das Gericht die Kosten auferlegt hat. Entsprechendes gilt für ein sich anschließendes Rechtsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren über die Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

(3) Die §§ 23 und 24 gelten nicht im Rechtsmittelverfahren.

(1) Soweit eine Entscheidung nach § 78 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Gericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Verfahrensgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
Gegenstand des Verfahrens eine bestimmte Geldsumme in Euro ist,
2.
zumindest für den Regelfall ein fester Wert bestimmt ist oder
3.
sich der Wert nach den Vorschriften dieses Gesetzes unmittelbar aus einer öffentlichen Urkunde oder aus einer Mitteilung des Notars (§ 39) ergibt.
In den Fällen des Satzes 2 setzt das Gericht den Wert nur fest, wenn ein Zahlungspflichtiger oder die Staatskasse dies beantragt, oder wenn es eine Festsetzung für angemessen hält.

(2) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen des Hauptgegenstands oder wegen der Entscheidung über den Geschäftswert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung wegen des Hauptgegenstands Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.