Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 13. Aug. 2012 - 1 Ws 343/12

13.08.2012

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Entscheidung der Vorsitzenden der 5. (großen) Strafkammer des Landgerichts Stendal vom 11. Juli 2012 wird verworfen.

Gründe

1

Gegen den am 07. März 2012 festgenommenen und am 22. Juni 2012 aus der Untersuchungshaft entlassenen Angeklagten findet seit dem 13. April 2012 vor der 5. großen Strafkammer des Landgerichts Stendal die Hauptverhandlung statt.

2

Mit Schriftsatz vom 05. Juli 2012 hat der Verteidiger, Rechtsanwalt K., beantragt, ihn als weiteren Pflichtverteidiger für den Angeklagten zu bestellen.

3

Diesen Antrag hat die Vorsitzende der 5. Strafkammer mit Bescheid vom 11. Juli 2012 zurückgewiesen.

4

Der hiergegen gerichteten Beschwerde des Verteidigers hat die Vorsitzende nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

5

Das Rechtsmittel bleibt erfolglos.

6

Das Rechtsmittel ist zwar zulässig; in der Sache ist es jedoch unbegründet.

7

Unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung (vgl. NStZ-RR 1996, 41) geht der Senat mit der herrschenden Meinung ( zum Stand vgl. Meyer-Goßner 55. Auflage, § 141 Rn 10 a) inzwischen davon aus, dass die Ablehnung der Bestellung eines Verteidigers während laufender Hauptverhandlung keine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung i. S. d. § 305 Satz 1 StPO darstellt, mithin stets nach § 304 Abs. 1 StPO anfechtbar ist.

8

Der Senat hat allerdings die von dem Verteidiger im eigenen Namen eingelegte Beschwerde („lege ich“) gemäß § 300 StPO als Beschwerde des Angeklagten ausgelegt, da der abgelehnte Verteidiger kein eigenes Beschwerderecht hat (OLG Köln, NStZ 2010, 653; Meyer-Goßner aaO).

9

Die Beschwerde ist indessen unbegründet.

10

Bei der Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nur darauf überprüft werden kann, ob der Vorsitzende die Grenzen seines Beurteilungsspielraumes eingehalten hat (Meyer-Goßner, 55. Aufl., § 141 Rn 9 mwN.).

11

Eine Überschreitung ist nicht erkennbar.

12

Die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Hierfür muss ein unabweisbares Bedürfnis bestehen (OLG Köln, NStZ-RR 2007, 244). Allein der Umfang des Verfahrens oder rechtliche Schwierigkeiten, wie sie hier aufgeführt sind, reichen dazu nicht aus. Erforderlich ist, dass ohne Bestellung eines weiteren Verteidigers eine ordnungsgemäße Verteidigung des Angeklagten nicht gewährleistet ist, die nur bei arbeitsteiligem Zusammenwirken zweier Verteidiger möglich erscheint. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dabei ist auch zu berücksichtigen dass Rechtsanwalt K. mit Schriftsatz vom 13. Juni 2012 unter Beifügung einer Vollmacht vom 07. Juni 2012 angezeigt hat, dass er den Angeklagten weiterhin vertritt, dem Angeklagten mithin zwei Verteidiger zur Verfügung stehen.


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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 13. Aug. 2012 - 1 Ws 343/12 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 304 Zulässigkeit


(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

Strafprozeßordnung - StPO | § 300 Falschbezeichnung eines zulässigen Rechtsmittels


Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

Strafprozeßordnung - StPO | § 305 Nicht der Beschwerde unterliegende Entscheidungen


Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaub

Referenzen

Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, das vorläufige Berufsverbot oder die Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangsmitteln sowie alle Entscheidungen, durch die dritte Personen betroffen werden.

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.