Oberlandesgericht München Urteil, 17. Juli 2018 - 4b Ws 8/18

17.07.2018

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird die Kostenentscheidung in Ziffer 4 des Urteils des Landgerichts München I vom 23. Februar 2018 wie folgt um Satz 2 ergänzt:

Die von dem Angeklagten zu tragenden Kosten der ersten Hauptverhandlung und des Revisionsverfahrens werden jedoch nicht erhoben.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten in diesem Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Das Landgericht München I, 1. Strafkammer hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit dreifacher gefährlicher Körperverletzung am 31.3.2016 zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Auf die Revision des Angeklagten hat der Bundesgerichtshof am 8.2.2017 das Urteil des Landgericht München I vom 31.3.2016 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts München I zurückverwiesen, weil der vom Angeklagten noch vor seiner Vernehmung zur Sache erhobenen Besetzungsrüge der Erfolg nicht versagt bleiben konnte. Die Strafkammer habe die in § 21 g Abs. 1 und 2 GVG geregelten Anforderungen an eine ordnungsgemäße kammerinterne Geschäftsverteilung nicht beachtet. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8.2.2017 Bezug genommen.

Am Ende der daraufhin durchgeführten neuerlichen Hauptverhandlung verurteilte das Landgericht München I, 2. Strafkammer den Angeklagten am 23.2.2018 wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit dreifacher gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren. Unter Ziffer IV. des Urteils traf die Strafkammer folgende Entscheidung zu den Kosten:

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens, sowie die notwendigen Auslagen des Nebenklägers S. Ö. zu tragen.

Gegen diese Kostenentscheidung in Ziffer IV des Urteils des Landgerichts München I vom 23. Februar 2018 legte der Verurteilte mit am 2.3.2018 eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsmittel ein, das als form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde gemäß § 464 Abs. 3 in Verbindung mit § 311 Abs. 2 StPO zu behandeln ist. Mit Schriftsatz vom 17.4.2018 begründete der Verurteilte sein Rechtsmittel und beantragte, die Kosten für das Verfahren bei der 1. Strafkammer als Schwurgericht sowie die Kosten für die erhobene Revision bei dem Bundesgerichtshof der Staatskasse aufzuerlegen.

Die Generalstaatsanwaltschaft München legte die Akten am 25.4.2018 vor und beantragte mit Schriftsatz vom 24.4.2018, die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 2.3.2018 als unbegründet kostenfällig zu verwerfen.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist weitestgehend begründet.

1. Es ist allerdings zunächst von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer in ihrer Kostenentscheidung die Kosten des Verfahrens vor beiden Strafkammern dem Angeklagten als Verurteiltem gemäß § 465 StPO auferlegt hat, denn das gesamte Strafverfahren bildet auch über mehrere Rechtszüge hinweg kostenrechtlich eine Einheit (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 465 Rdn. 3). Dies gilt auch dann, wenn es wegen einer zurückverweisenden Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 354 Abs. 2 StPO zu mehreren Hauptverhandlungen in einer Instanz gekommen ist (vgl. BGH, Beschluss v. 23.9.1981, 3 StR 341/81, zitiert nach juris Rdn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt aaO; OLG München, Beschluss vom 7.10.2015, Gz.: 4b Ws 23/15). Im Falle seiner Verurteilung trägt der Angeklagte daher grundsätzlich auch das kostenrechtliche Risiko der Mehrbelastung wegen einer fehlerhaften ersten landgerichtlichen Entscheidung (BGH, Beschluss v. 7.10.1998, 3 StR 387/98, zitiert nach juris Rdn. 3; OLG München Beschluss vom 9.1.2017, 4b Ws 25/16).

2. Der Angeklagte ist nach Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof von der 2. Strafkammer des Landgerichts München I erneut und im Ergebnis unter Kostengesichtspunkten nur unwesentlich anders als in der ersten landgerichtlichen Entscheidung verurteilt worden, weshalb es darüber hinaus von Rechts wegen auch nicht zu beanstanden ist, dass die Strafkammer in ihrer Kostenentscheidung auch die Kosten des Revisionsverfahrens dem Angeklagten als Verurteiltem gemäß § 465 StPO auferlegt hat. Soweit sich die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung an sich richtet ist sie daher unbegründet.

3. Die sofortige Beschwerde ist jedoch gleichwohl weitestgehend begründet:

Denn hätte das Landgericht in der Hauptverhandlung vom 17. September 2015 die vom Verteidiger des Angeklagten zutreffend erhobene Rüge der unvorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts beachtet und in der richtigen Besetzung entschieden, so wären weder eine zweite Hauptverhandlung noch das Revisionsverfahren in dieser Sache erforderlich gewesen. Es ist daher vorliegend sachgerecht, von der Erhebung der durch die 1. Hauptverhandlung und das Revisionsverfahren entstandenen Kosten und gerichtlichen Auslagen gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abzusehen (vgl. BGH, Beschluss v. 1.12.1988, 4 StR 569/88, zitiert nach juris Rdn. 4) und insoweit dem rechtlichen Begehren des Verurteilten stattzugeben.

4. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da ihm eine abschließende Beurteilung möglich ist. Die bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die Ausführungen des Bundesgerichtshofs bieten eine hinreichende Grundlage für eine abschließende Sachentscheidung des Senats, sodass vorliegend eine Rückverweisung an das Landgericht weder notwendig noch sachgerecht ist.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten war die Kostenentscheidung in Ziffer 4 des Urteils des Landgerichts München I vom 23. Februar 2018 somit dahingehend zu ergänzen, dass die von dem Angeklagten zu tragenden Kosten der ersten Hauptverhandlung und des Revisionsverfahrens nicht erhoben werden.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt bei erfolgreicher Beschwerde des Angeklagten unter Einschluss von dessen notwendigen Auslagen im Beschwerdeverfahren mangels eines anderen Kostenschuldners die Staatskasse (Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 473 Rdn. 2). Das Teilunterliegen des Beschwerdeführers ist so gering, dass es unbillig wäre, ihn auch nur mit einem Teil der Verfahrenskosten zu belegen.

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Oberlandesgericht München Urteil, 17. Juli 2018 - 4b Ws 8/18 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 21 Nichterhebung von Kosten


(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für ab

Strafprozeßordnung - StPO | § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten


(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im

Strafprozeßordnung - StPO | § 311 Sofortige Beschwerde


(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften. (2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 35) der Entscheidung. (3) Das Gericht ist zu einer

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(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften.

(2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 35) der Entscheidung.

(3) Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt. Es hilft jedoch der Beschwerde ab, wenn es zum Nachteil des Beschwerdeführers Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen dieser noch nicht gehört worden ist, und es auf Grund des nachträglichen Vorbringens die Beschwerde für begründet erachtet.

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.