Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 23. Mai 2018 - Verg 2/18

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2018:0523.VERG2.18.00
23.05.2018

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Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 28. März 2018 wird als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig (geworden) ist.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der übrigen Beteiligten.

3. Der Streitwert wird auf bis zu 10.000 € festgesetzt.

Gründe

1

1. Mit ihrem im Wege der sofortigen Beschwerde weiterverfolgten Nachprüfungsantrag wandte sich die Antragstellerin ursprünglich gegen den von der Vergabekammer mit Beschluss vom 28. März 2018 bestätigten, auf § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV („Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen“) gestützten Ausschluss ihres Angebots. Das dahinter stehende Ziel, als Bestbieterin den ausgeschriebenen Abfallentsorgungsauftrag (Übernahme und Verwertung von Altpapier) zu erhalten, hat sie allerdings im Beschwerdeverfahren aufgegeben, indem sie

2
- der vom Auftraggeber vorgeschlagenen (nochmaligen) Verlängerung der inzwischen abgelaufenen Bindefrist nicht zustimmte;

3
- in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Hauptsache einseitig für erledigt erklärte und auf einen reinen Feststellungsantrag umstellte;

4
- im Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 15. Mai 2018,der die Ankündigung der Antragsänderung enthielt, mitteilen ließ, dass und warum sie den Auftrag nicht mehr haben wolle und stattdessen beabsichtige, vom Auftraggeber Schadensersatz – auch in Form von entgangenem Gewinn – zu verlangen.

5

Damit hat sich nicht, wie die Antragstellerin wohl meint, das Nachprüfungsverfahren „auf sonstige Weise“ (§§ 168 Abs. 2 Satz 2, 178 S. 3, 4 GWB) erledigt mit der Folge, dass das Rechtsmittel als Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde fortgeführt werden könnte (vgl. Antweiler in: Beck‘scher Vergaberechtskommentar, GWB 4. Teil, 3. Aufl. 2017, § 168 GWB Rn. 62). Vielmehr hat die Antragstellerin damit zum Ausdruck gebracht, dass sie kein Interesse mehr am Auftrag hat. Somit fehlt es nunmehr an der nach § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB notwendigen Antragsbefugnis und damit an einer Sachentscheidungsvoraussetzung, was in jeder Lage des Verfahrens bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in einem Nachprüfungsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. VK Hessen v. 06.02.2014 - 69d VK-54/2013 - juris Rn. 27; VK Südbayern v. 09.05.2017 - 1/SVK/005-17 - juris Rn. 61 m.w.N.).

6

Daran ändert auch nichts, dass die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihren ursprünglich angekündigten Beschwerdeantrag, der die Berücksichtigung ihres Angebots zum Ziel hatte, als Hilfsantrag stellte. Sie hat entweder ein Interesse am Auftrag oder sie hat es nicht; ein „hilfsweises Interesse“ für den Fall, dass sie mit ihrem Hauptantrag keinen Erfolg hat, reicht nicht aus.

7

Die sofortige Beschwerde ist folglich als unbegründet zu verwerfen mit der Maßgabe, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig (geworden) ist.

8

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 1 GWB.

9

3. Nach § 50 Abs. 2 GKG beträgt der Streitwert 5% der Bruttoauftragssumme. Gibt es wie hier noch keinen Auftrag, ist grundsätzlich die Bruttoangebotssumme des Antragstellers maßgeblich. Vorliegend besteht allerdings die Besonderheit, dass der Auftragnehmer das zu übernehmende Altpapier auf eigene Rechnung verwerten soll. Weil die Verwertungserlöse die Logistikkosten wahrscheinlich weit übersteigen werden, hat der Auftraggeber in den Vergabeinterlagen seine Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass er an den Erlösen beteiligt wird. Dementsprechend haben alle Bieter beträchtliche, mit den angesetzten Logistikkosten verrechnete Gutschriften angeboten mit der Folge, dass die Angebotssummen negativ sind. Die negative Angebotssumme der Antragstellerin kann aber nicht zur Grundlage der Streitwertberechnung gemacht werden, weil sie nicht den erwarteten Gewinn (dessen Pauschalisierung mit 5% der Regelung des § 50 Abs. 2 GKG zugrunde liegt) enthält.  Der Senat geht vielmehr davon aus, dass die Bieter den erwarteten Gewinn in den für die Logistik angesetzten positiven Preis einkalkuliert haben. Deshalb wurde der von der Antragstellerin angesetzte Logistikpreis (inkl. MwSt.) mit 2,5 (2 Jahre Laufzeit mit Option für ein weiteres Jahr) multipliziert; das Produkt ist die „Bruttoauftragssumme“, von der 5% den Streitwert ausmachen.

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Referenzen - Gesetze

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 50 Bestimmte Beschwerdeverfahren


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörden und über Rechtsbeschwerden (§§ 73 und 77 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen),2. über Beschwerden g

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 160 Einleitung, Antrag


(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein. (2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 dur

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 78 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden. (2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begrü

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 168 Entscheidung der Vergabekammer


(1) Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist an die Anträge ni

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 57 Ausschluss von Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträgen und Angeboten


(1) Von der Wertung ausgeschlossen werden Angebote von Unternehmen, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, und Angebote, die nicht den Erfordernissen des § 53 genügen, insbesondere:1.Angebote, die nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind, es

Referenzen

(1) Von der Wertung ausgeschlossen werden Angebote von Unternehmen, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, und Angebote, die nicht den Erfordernissen des § 53 genügen, insbesondere:

1.
Angebote, die nicht form- oder fristgerecht eingegangen sind, es sei denn, der Bieter hat dies nicht zu vertreten,
2.
Angebote, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten,
3.
Angebote, in denen Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen nicht zweifelsfrei sind,
4.
Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind,
5.
Angebote, die nicht die erforderlichen Preisangaben enthalten, es sei denn, es handelt sich um unwesentliche Einzelpositionen, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen, oder
6.
nicht zugelassene Nebenangebote.

(2) Hat der öffentliche Auftraggeber Nebenangebote zugelassen, so berücksichtigt er nur die Nebenangebote, die die von ihm verlangten Mindestanforderungen erfüllen.

(3) Absatz 1 findet auf die Prüfung von Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen und Teilnahmeanträgen entsprechende Anwendung.

(1) Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken.

(2) Ein wirksam erteilter Zuschlag kann nicht aufgehoben werden. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. § 167 Absatz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(3) Die Entscheidung der Vergabekammer ergeht durch Verwaltungsakt. Die Vollstreckung richtet sich, auch gegen einen Hoheitsträger, nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder. Die Höhe des Zwangsgeldes beträgt mindestens 1 000 Euro und höchstens 10 Millionen Euro. § 61 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.

(2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

(4) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts zu begründen. Die Frist kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden verlängert werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde müssen die Zulassungsgründe des § 77 Absatz 2 dargelegt werden.

(5) Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Nichtzulassungsbeschwerden der Kartellbehörden.

(6) Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, so wird das Verfahren als Rechtsbeschwerdeverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Rechtsbeschwerde. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörden und über Rechtsbeschwerden (§§ 73 und 77 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen),
2.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde und über Rechtsbeschwerden (§§ 75 und 86 des Energiewirtschaftsgesetzes oder § 35 Absatz 3 und 4 des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes),
3.
über Beschwerden gegen Verfügungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 48 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes und § 113 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes),
4.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde und über Rechtsbeschwerden (§§ 13 und 24 des EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetzes) und
5.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der Registerbehörde (§ 11 des Wettbewerbsregistergesetzes).
Im Verfahren über Beschwerden eines Beigeladenen (§ 54 Absatz 2 Nummer 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, § 79 Absatz 1 Nummer 3 des Energiewirtschaftsgesetzes und § 16 Nummer 3 des EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetzes) ist der Streitwert unter Berücksichtigung der sich für den Beigeladenen ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer (§ 171 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) einschließlich des Verfahrens über den Antrag nach § 169 Absatz 2 Satz 5 und 6, Absatz 4 Satz 2, § 173 Absatz 1 Satz 3 und nach § 176 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beträgt der Streitwert 5 Prozent der Bruttoauftragssumme.