Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 29. Juni 2018 - 2 Ws 324/18

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2018:0629.2WS324.18.00
bei uns veröffentlicht am29.06.2018

Tenor

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der 12. großen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 16. April 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die genannte Strafkammer des Landgerichts Koblenz zurückverwiesen.

Gründe

1

Dem Angeschuldigten wird zur Last gelegt, in der Zeit vom 13. Mai 2014 bis zum 22. Januar 2015 in zehn Fällen unerlaubt mit Betäubungsmitteln (Amphetamin) in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben, wobei er tateinheitlich jeweils einen anderen dazu angestiftet haben soll, diese Betäubungsmittel unerlaubt in das Bundesgebiet einzuführen (Verbrechen gem. §§ 29a Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 30 Abs. 1 Nr. 4, 3 Abs. 1, 1 Abs. 1 iVm. Anl. I-III, 33 BtMG, 26, 52 StGB). Wegen der Einzelheiten wird auf die Anklageschrift vom 22. März 2018 (Bl. 1513 ff. d.A.) Bezug genommen. Durch den im Tenor genannten Beschluss (Bl. 1544 ff. d.A.) hat sich die Strafkammer, bei der die Anklage am 11. April 2018 eingegangen ist, für örtlich unzuständig erklärt.

2

Die hiergegen gerichtete (einfache) Beschwerde der Staatsanwaltschaft (vgl. zur Statthaftigkeit: Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 61. Aufl. § 16 Rn. 7; LR-StPO/Erb, § 16 Rn. 16) hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Das Landgericht Koblenz ist für die Durchführung des Hauptverfahrens örtlich nicht unzuständig.

3

Gemäß § 7 Abs. 1 StPO ist der Gerichtsstand (auch) bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die Straftat begangen ist. Dieser Ort wird durch § 9 StGB näher bestimmt. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist kein Erfolgs-, sondern ein Begehungs- bzw. Tätigkeitsdelikt. Für die Frage, ob der Gerichtsstand des Tatorts gemäß § 7 Abs. 1 StPO iVm. § 9 Abs. 1 StGB begründet ist, ist deshalb allein auf den Handlungsort abzustellen, wobei sich die Bestimmung desselben nach der Tatsachengrundlage beurteilt, wie sie sich im Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens darstellt (BGH StraFo 2011, 391 mwN.).

4

Bei Begehungsdelikten ist ein Tätigkeitsort überall dort gegeben, wo der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit entfaltet oder versucht hat (BGH StraFo 2006, 461; LK-StGB/Werle/Jeßberger, 12. Aufl. § 9 Rn. 10), d.h. an dem er einen Teilakt des Tatbestands verwirklicht oder versucht (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl. vor § 29 Rn. 294; Weber, BtMG, vor § 29 ff. Rn. 85). Dies betrifft nicht nur Handlungen, die zur Vollendung des Tatbestands führen, sondern auch solche, die über die Vollendung hinausreichen, aber noch mit zur Tatbeendigung gehören (vgl. BGH StGB § 9 Abs. 1 Tatort 3; Weber aaO. Rn. 91). Bei telekommunikativer Übermittlung handelt der Täter auch an demjenigen Ort, an dem seine Kundgabe optisch oder akustisch wahrgenommen wird (KG Berlin NJW 1999, 3500 ; Eser in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl. § 9 Rn. 4).

5

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs sind die von dem Angeschuldigten unter seinem Decknamen „A.“ geführten Telefonate vom 6. August (TÜ-Quellnr. 449 u. 450, Bl. 133 TÜ-Sonderband) und vom 13. August 2014 (TÜ-Quellnr. 1003 u. 1004, Bl. 281 sowie 1008 u. 1009, Bl. 283 TÜ-Sonderband) mit seinem Abnehmer M. aus E. für das Landgericht Koblenz zuständigkeitsbegründend, denn sie betreffen Modalitäten der Übergabe von - zu Fall 5 der Anklageschrift erfassten - 10 kg Amphetamin an diesen. Da sich M. zum Zeitpunkt der aufgeführten Telefonate in U. und damit im Bezirk des Landgerichts Koblenz aufhielt, hat der Angeschuldigte auch dort im Sinne von § 9 StGB gehandelt. Unschädlich ist, dass die genannten Telefonate lediglich die Übergabemodalitäten eines bereits zu einem früheren Zeitpunkt verabredeten Betäubungsmittelgeschäfts betrafen, denn es handelt sich um Teilakte des Handeltreibens, die noch vor Beendigung dieses Tatbestands erfolgt sind. Im Gegensatz zur Auffassung der Strafkammer lässt sich dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2011 (BGH StraFo 2011, 391) nicht entnehmen, dass telefonische Erklärungen zwischen den Partnern eines Betäubungsmittelgeschäfts nur dann zuständigkeitsbegründende Handlungen darstellen, wenn sie zum originären Abschluss einer darauf gerichteten Vereinbarung führen.

6

Über die Eröffnung des Hauptverfahrens hat der Senat nicht selbst zu entscheiden, weil das Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens vor sich oder vor einem Gericht niedrigerer Ordnung in seinem Gerichtsbezirk mit der allein tragenden Begründung abgelehnt hat, dass eine örtliche Zuständigkeit nicht gegeben sei. Nach § 199 StPO muss jedoch zunächst das zuständige Gericht darüber entscheiden, ob das Hauptverfahren zu eröffnen ist.

7

Weil daher eine beschwerdefähige Entscheidung in der Sache fehlt, war die Sache an die Strafkammer zurückzuverweisen (vgl. BGHR StPO § 210 Abs. 3 Zurückverweisung 1 mwN.; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO. Rn. 7).

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Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 29. Juni 2018 - 2 Ws 324/18 zitiert 7 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 9 Ort der Tat


(1) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. (2) Die

Strafprozeßordnung - StPO | § 210 Rechtsmittel gegen den Eröffnungs- oder Ablehnungsbeschluss


(1) Der Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet worden ist, kann von dem Angeklagten nicht angefochten werden. (2) Gegen den Beschluß, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltsc

Strafprozeßordnung - StPO | § 7 Gerichtsstand des Tatortes


(1) Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die Straftat begangen ist. (2) Wird die Straftat durch den Inhalt einer im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes erschienenen Druckschrift verwirklicht, so ist als das nach Absatz

Strafprozeßordnung - StPO | § 199 Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens


(1) Das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht entscheidet darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder das Verfahren vorläufig einzustellen ist. (2) Die Anklageschrift enthält den Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. Mit ihr werden di

Referenzen

(1) Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die Straftat begangen ist.

(2) Wird die Straftat durch den Inhalt einer im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes erschienenen Druckschrift verwirklicht, so ist als das nach Absatz 1 zuständige Gericht nur das Gericht anzusehen, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen ist. Jedoch ist in den Fällen der Beleidigung, sofern die Verfolgung im Wege der Privatklage stattfindet, auch das Gericht, in dessen Bezirk die Druckschrift verbreitet worden ist, zuständig, wenn in diesem Bezirk die beleidigte Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(1) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte.

(2) Die Teilnahme ist sowohl an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, als auch an jedem Ort, an dem der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.

(1) Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die Straftat begangen ist.

(2) Wird die Straftat durch den Inhalt einer im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes erschienenen Druckschrift verwirklicht, so ist als das nach Absatz 1 zuständige Gericht nur das Gericht anzusehen, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen ist. Jedoch ist in den Fällen der Beleidigung, sofern die Verfolgung im Wege der Privatklage stattfindet, auch das Gericht, in dessen Bezirk die Druckschrift verbreitet worden ist, zuständig, wenn in diesem Bezirk die beleidigte Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(1) Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte.

(2) Die Teilnahme ist sowohl an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, als auch an jedem Ort, an dem der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.

(1) Das für die Hauptverhandlung zuständige Gericht entscheidet darüber, ob das Hauptverfahren zu eröffnen oder das Verfahren vorläufig einzustellen ist.

(2) Die Anklageschrift enthält den Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen. Mit ihr werden die Akten dem Gericht vorgelegt.

(1) Der Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet worden ist, kann von dem Angeklagten nicht angefochten werden.

(2) Gegen den Beschluß, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung ausgesprochen worden ist, steht der Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde zu.

(3) Gibt das Beschwerdegericht der Beschwerde statt, so kann es zugleich bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einer anderen Kammer des Gerichts, das den Beschluß nach Absatz 2 erlassen hat, oder vor einem zu demselben Land gehörenden benachbarten Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einem anderen Senat dieses Gerichts stattzufinden hat.