Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 03. Mai 2016 - 9 U 13/15

bei uns veröffentlicht am03.05.2016

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 21.11.2014 - AB 3 O 66/14 - wird zurückgewiesen.

2. Das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 21.11.2014 wird wie folgt berichtigt:

a) Die Bezeichnung des Urteils im Kopf lautet richtig:

Schlussurteil

(statt: Urteil).

b) Das Urteil wird dahingehend berichtigt, dass Ziffer 2 des Tenors wie folgt richtig lautet:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag von 54,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 571,44 EUR seit dem 26.11.2013.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger ist als Zugbegleiter bei der Deutschen Bahn AG tätig. Am 14.01.2013 kontrollierte er in einem ICE in der Nähe von Wolfsburg den Beklagten, der sich als Fahrgast im Zug befand. Der Beklagte, der damals an einer Psychose litt, zog plötzlich eine Schusswaffe aus der Tasche und hielt sie dem Kläger mit den Worten vor das Gesicht: „Ich will nach Hause“. Der Kläger hatte in diesem Moment Todesangst. Er erlitt eine posttraumatische Belastungsstörung, musste sich in psychotherapeutische Behandlung begeben und war längere Zeit arbeitsunfähig krank.
Vor dem Landgericht hat der Kläger von dem Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,00 EUR verlangt nebst Zinsen, Verdienstausfall und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Nach einem Teil-Anerkenntnis des Beklagten hat das Landgericht den Beklagten mit Teil-Anerkenntnis-Urteil vom 12.09.2014 wie folgt verurteilt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.817,57 EUR sowie weitere 517,44 EUR zu zahlen.
Der Betrag von 5.817,57 EUR setzte sich aus 5.000,00 EUR Schmerzensgeld und 817,57 EUR Verdienstausfall zusammen. Bei dem Betrag von 517,44 EUR handelte es sich um vorgerichtliche Anwaltskosten.
Im Schlussurteil vom 21.11.2014 hat das Landgericht dem Kläger weitere Zinsen und restliche vorgerichtliche Kosten zuerkannt. Wegen des Schmerzensgeldantrags hat das Landgericht die weitergehende Klage abgewiesen, soweit die Forderung des Klägers den anerkannten Betrag von 5.000,00 EUR überstieg.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe das Gewicht der vom Beklagten begangenen unerlaubten Handlung und die gesundheitlichen Folgen für den Kläger nicht ausreichend berücksichtigt. Der Kläger zitiert Beispielsfälle in der Rechtsprechung, in denen bei vergleichbaren Sachverhalten höhere Schmerzensgeldbeträge zuerkannt worden seien. Unter Abwägung aller maßgeblichen Umstände sei ein Schmerzensgeldbetrag von insgesamt 7.500,00 EUR angemessen, so dass der Beklagte - über den im Teil-Anerkenntnis-Urteil vom 12.09.2014 zuerkannten Betrag hinaus - weitere 2.500,00 EUR zu zahlen habe.
Der Kläger beantragt:
1. Unter Abänderung des am 07.11.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Konstanz - 3 O 66/14 - den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere 2.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2013 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag von 236,69 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2013 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Mit dem vom Landgericht zuerkannten Betrag von 5.000,00 EUR seien die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers durch das Geschehen vom 14.01.2013 ausreichend abgegolten.
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Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
14 
Der Senat hat durch den Einzelrichter im Termin vom 12.04.2016 beide Parteien informatorisch angehört.
II.
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Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht - über den in erster Instanz zuerkannten Betrag hinaus - ein weitergehendes Schmerzensgeld nicht zu.
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1. Der Schmerzensgeldanspruch des Klägers beruht auf §§ 823 Abs. 1, 2 BGB, 241 Abs. 1 StGB, 253 Abs. 2 BGB. Der Beklagte hat den Kläger mit vorgehaltener Schusswaffe am 14.01.2013 bedroht. Die Tat hatte für den Kläger erhebliche gesundheitliche Folgen. Dem Ausgleich dieser Folgen dient das Schmerzensgeld. Dabei erscheint dem Senat jedoch, auch unter Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Umstände, der vom Landgericht zuerkannte Betrag in Höhe von 5.000,00 EUR ausreichend.
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a) Bei der Höhe des Schmerzensgeldes sind die Umstände der Tat und das Verschulden des Beklagten zu berücksichtigen. Die vorsätzliche Bedrohung mit einer Schusswaffe ist eine schwerwiegende Straftat. Der Umstand, dass der Beklagte damals an einer Psychose litt, ändert daran grundsätzlich nichts. Der Kläger wurde in Todesangst versetzt.
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b) Die gesundheitlichen Folgen, die sich für den Kläger aus dem Geschehen ergaben, ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen und sind unstreitig. Der Kläger war bis zum 01.04.2013 arbeitsunfähig krank. Er musste sich zweieinhalb Monate in psychotherapeutische Behandlung begeben. Es bestand eine erhebliche posttraumatische Belastungsstörung. Das Lebensgefühl des Klägers und sein Verhalten gegenüber anderen Menschen sind auch heute noch in gewissem Umfang verändert.
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c) Das Landgericht hat nach Auffassung des Senats die für die Höhe des Schmerzensgeldes maßgeblichen Umstände im Urteil vom 21.11.2014 ausreichend gewürdigt. Auf die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung wird insoweit verwiesen.
20 
Bei der Festlegung der Schmerzensgeldhöhe handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des jeweiligen Gerichts. Der zuerkannte Schmerzensgeldbetrag lässt sich daher nie auf eine bestimmte rechnerische Art und Weise festlegen. Auch wenn sich die Gerichte üblicherweise in gewissem Umfang daran orientieren, welche Schmerzensgeldbeträge von anderen Gerichten in ähnlichen Fällen festgesetzt wurden, sind Vergleichsfälle nur begrenzt für das Schmerzensgeld maßgeblich. Entscheidend bleibt letztlich eine individuelle Bewertung der Umstände des Einzelfalls durch das jeweilige Gericht.
21 
Für das Schmerzensgeld erscheint dem Senat wesentlich, dass bei dem Kläger durch das Geschehen vom 14.01.2013 keine dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen und keine erheblichen dauerhaften Auswirkungen auf seine Lebensführung verblieben sind. In diesem Punkt unterscheidet sich der Fall von manchen anderen Fällen, in denen eine Bedrohung oder eine anderweitige psychische Ausnahmesituation zu dauerhaften psychischen Beeinträchtigungen bzw. zu dauerhaften Auswirkungen auf das Leben des Geschädigten geführt hat. Insoweit kann beispielsweise verwiesen werden auf Vergleichsfälle (mit unterschiedlichen Schmerzensgeldbeträgen) in der Fallsammlung von Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2016. Unterschiedliche Schmerzensgeldbeträge bei erheblichen psychischen Folgen nach einer Ausnahmesituation gab es in dieser Fallsammlung beispielsweise in den Fällen Nr. 3029, 3030, 3033, 3038, 3039, 3104. Ein Vergleich des vorliegenden Falles mit den zitierten Fällen lässt die vom Landgericht vorgenommene Bewertung mit einem Schmerzensgeldbetrag von 5.000,00 EUR ausreichend erscheinen.
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2. Da dem Kläger ein weitergehender Schmerzensgeldbetrag nicht zusteht, kommt auch ein zusätzlicher Anspruch auf Anwaltskosten, die sich nach der Höhe der Hauptforderung richten, nicht in Betracht.
23 
3. Der Senat hat von Amts wegen das erstinstanzliche Urteil gemäß § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt. Die Entscheidung des Landgerichts war der Sache nach ein Schlussurteil, so dass dies entsprechend im Kopf des Urteils zu vermerken ist. Bei der Zuerkennung von Anwaltskosten ist dem Landgericht insoweit ein Versehen unterlaufen, als bei dem ausgeurteilten Kostenbetrag unberücksichtigt geblieben ist, dass im Teil-Anerkenntnis-Urteil vom 12.09.2014 bereits ein Betrag von 517,44 EUR berücksichtigt wurde. Dass die Tenorierung im Schlussurteil vom 21.11.2014 auf einem Versehen beruht, ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
24 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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5. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 03. Mai 2016 - 9 U 13/15 zitiert 7 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 319 Berichtigung des Urteils


(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen. (2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil un

Referenzen

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.