Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 20. Juni 2007 - 6 W 29/07

bei uns veröffentlicht am20.06.2007

Tenor

[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.]

Gründe

 
Sachverhalt siehe Schlussteil der Entscheidung
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Erlass des Zwischenurteils der Kammer über die Prozesskostensicherheit einer Ermäßigung der Verfahrensgebühr von 3,0 auf 1,0 Gebühren entgegensteht.
1. Gemäß § 72 Nr. 1 GKG n. F. ist auf den am 07. August 2000 anhängig gewordenen Rechtsstreit das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 anzuwenden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Übergangsbestimmung des § 72 GKG um eine abschließende Sonderregelung handelt mit der Folge, dass der Beurteilung des Falles das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004, zugrunde zu legen ist, oder ob neben der Übergangsbestimmung des § 72 GKG auch die Übergangsvorschrift des § 71 GKG zur Anwendung kommt, mit der Folge, dass auf das am Tag der Anhängigmachung des Rechtsstreits am 07. August 2000 geltende Recht abzustellen ist, d.h. das Gerichtskostengesetz in der Änderungsfassung, die es durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 erhalten hat. Denn in jedem Fall steht der Erlass des Zwischenurteils der Kammer über die Prozesskostensicherheit einer Gebührenermäßigung entgegen.
2. Nach dem Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004, ermäßigte sich die Verfahrensgebühr im Falle der Beendigung des gesamten Verfahrens durch Klagerücknahme vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß Nr. 1211 KV nur dann, wenn nicht bereits ein „sonstiges Urteil“ vorausgegangen war. Nach dem am 07. August 2000 geltenden Recht ermäßigte sich die Verfahrensgebühr im Falle der Beendigung des gesamten Verfahrens durch Rücknahme der Klage vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß Nr. 1202 KV dann, wenn nicht bereits „ein Urteil“ vorausgegangen war. Das von der Kammer erlassene Zwischenurteil über die Prozesskostensicherheit fällt sowohl unter den Begriff des sonstigen Urteils im Sinne der Nr. 1211 als auch des Urteils im Sinne der Nr. 1202 KV.
a) Bei der Auslegung des Begriffs „sonstiges Urteil“ bzw. „Urteil“ ist vom Wortlaut der jeweiligen Bestimmung auszugehen. Dieser bietet keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass Zwischenurteile nicht von diesen Begriffen erfasst wären. Die Bestimmung in Nr. 1202 KV differenziert in keiner Weise nach Gegenstand und Art des Urteils. Die Bestimmung in Nr. 1211 KV betrachtet nur die vor dem Begriff „sonstiges Urteil“ aufgeführten Urteile - Anerkenntnis-, Verzichts- und Urteile, die nach § 313 a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthalten müssen -, als einer Gebührenermäßigung nicht entgegenstehend.
b) Bei der Auslegung der Begriffe „sonstiges Urteil“ bzw. „Urteil“ ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Ermäßigungstatbestände der Nr. 1202 bzw. 1211 KV Ausnahmen vom Grundsatz der Nr. 1201 bzw. 1210 KV vorsehen, und deshalb grundsätzlich eng auszulegen sind (vgl. OLG Nürnberg MDR 1997, 400; OLG Oldenburg, NJW RR 1999, 942; OLG Koblenz, MDR 2005, 119; Hartmann, Kostengesetze, 29. Auflage, KV 1202 Rn. 2; derselbe, Kostengesetze, 31. Auflage, KV 1211 Rn. 2; derselbe, Kostengesetze, 37. Auflage, KV 1211 Rn. 2; a.A. OLG München, MDR 2003, 115). Die Ermäßigungstatbestände der Nr. 1202 bzw. 1211 KV stellen auf einfach fassbare Voraussetzungen ab und dienen insofern der Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. OLG Koblenz a. a. O; Hartmann a. a. O). Diese Gesichtspunkte erfordern eine praktisch handhabbare Auslegung und stehen einer in den Bestimmungen nicht geregelten Differenzierung nach Gegenstand und Art des Urteils entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1999, 764; a.A. OLG München, MDR 2003, 115).
c) Auch der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 (BT Drucks. 12/6962, Seiten 69 ff.) sind keine Hinweise dafür zu entnehmen, dass unter dem Begriff des Urteils nur bestimmte Urteile zu verstehen sind und andere Urteile wie beispielsweise solche, die eine Prüfung in der Sache selbst nicht erfordern oder die nicht selbstständig anfechtbar sind, nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmung fallen sollen. So ist auf S. 70 der Gesetzesbegründung ausgeführt: „Voraussetzung für eine gebührenermäßigende Beendigung des Verfahrens soll in jedem Fall sein, dass nicht bereits ein Urteil vorausgegangen ist.“ Das anschließend angeführte Versäumnisurteil gem. § 331 Abs. 3 ZPO, das eine Schlüssigkeitsprüfung voraussetzt, ist lediglich beispielhaft angeführt. Hinweise darauf, dass der umfassende Begriff des Urteils auf das beispielhaft angeführte Versäumnisurteil oder vergleichbare, eine Schlüssigkeitsprüfung erfordernde Sachentscheidungen reduziert werden sollte, finden sich in der Gesetzesbegründung nicht. Dieser ist vielmehr zu entnehmen, dass auch die Bestimmung in Nr. 1202 KV, wie das gesamte Kostenrechtsänderungsgesetz 1994, eine spürbare Vereinfachung in der Kostenberechnung bewirken sollen (vgl. BT - Drucks. 12/6962, S. 1 und S. 70). Diesem Ziel liefe eine nach dem Wortlaut nicht vorgesehene Differenzierung nach Gegenstand und Art des Urteils jedoch - wie bereits unter b ausgeführt - zuwider.
d) Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte das Landgericht die im Zwischenurteil enthaltene Entscheidung auch nicht durch Beschluss treffen können. Die Entscheidungsform stand nicht in seinem Ermessen. Denn nach der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur und Rechtsprechung ist die Anordnung einer Prozesskostensicherheit im Wege eines Beschlusses nur dann zulässig, wenn die Sicherungspflicht und die Höhe unstreitig sind. Besteht zwischen den Parteien dagegen - wie im Streitfall - über die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung oder deren Höhe Streit, so muss das Gericht den Zwischenstreit zwischen den Parteien durch Zwischenurteil im Sinne des § 303 ZPO entscheiden (vgl. BGH, Zwischenurteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148; BGHZ 102, 232; RGZ 104, 189, 190; OLG Frankfurt, OLGR 2005, 415; Zöller-Herget, ZPO, 26. Auflage, 112 Rn. 1; Musielak-Foerste, ZPO, 5. Auflage, § 110 Rn. 9; Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Auflage, § 113 Rn. 1; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 65. Auflage, § 112 Rn. 4; Hüßtege/Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Auflage, § 113 Rn. 2; a. M. Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage, § 112 Rn. 2).
3. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (vgl. § 5 Abs. 6 GKG a. F.). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, da sowohl gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG in der vom 1. Juli 1994 bis 31. Juli 2001 geltenden Fassung als auch nach § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG in der vom 01. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt findet (vgl. Hartmann, a.a.O., 31. Auflage, § 5 Rdn. 35).
10 
Sachverhalt
11 
Die Klägerin hatte Klage wegen Patent- und Gebrauchsmusterverletzung erhoben. Das Landgericht hatte im Wege des Zwischenurteils über die Prozesskostensicherheit entschieden. Die Klägerin nahm später die Klage zurück. Das Gericht stellte ihr drei Gerichtsgebühren in Rechnung. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr komme aufgrund der Rücknahme die Ermäßigung auf eine Gerichtsgebühr zugute, das Zwischenurteil über die Leistung von Prozesskostensicherheit stehe dem nicht entgegen. Ihre Erinnerung gegen den Kostenansatz blieb beim Landgericht erfolglos. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 20. Juni 2007 - 6 W 29/07

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 20. Juni 2007 - 6 W 29/07

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 20. Juni 2007 - 6 W 29/07 zitiert 6 §§.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 71 Übergangsvorschrift


(1) In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 331 Versäumnisurteil gegen den Beklagten


(1) Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. Dies gilt nicht für Vorbringen zur Zuständ

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 5 Verjährung, Verzinsung


(1) Ansprüche auf Zahlung von Kosten verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten, durch Vergleich oder in sonstiger Weise beendet ist. Für die Ansprüche auf Zahlung vo

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 72 Übergangsvorschrift aus Anlass des Inkrafttretens dieses Gesetzes


Das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3047), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), und Verweisungen hierauf sind weiter anzuwenden 1. in Recht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 303 Zwischenurteil


Ist ein Zwischenstreit zur Entscheidung reif, so kann die Entscheidung durch Zwischenurteil ergehen.

Referenzen

Das Gerichtskostengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3047), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl. I S. 390), und Verweisungen hierauf sind weiter anzuwenden

1.
in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem 1. Juli 2004 anhängig geworden sind; dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem 1. Juli 2004 eingelegt worden ist;
2.
in Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Strafvollzugsgesetz, wenn die über die Kosten ergehende Entscheidung vor dem 1. Juli 2004 rechtskräftig geworden ist;
3.
in Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung für Kosten, die vor dem 1. Juli 2004 fällig geworden sind.

(1) In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist.

(2) In Strafsachen, in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und nach dem Strafvollzugsgesetz, auch in Verbindung mit § 92 des Jugendgerichtsgesetzes, werden die Kosten nach dem bisherigen Recht erhoben, wenn die über die Kosten ergehende Entscheidung vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung rechtskräftig geworden ist.

(3) In Insolvenzverfahren, Verteilungsverfahren nach der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung und Verfahren der Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung gilt das bisherige Recht für Kosten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung fällig geworden sind.

(1) Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. Dies gilt nicht für Vorbringen zur Zuständigkeit des Gerichts nach § 29 Abs. 2, § 38.

(2) Soweit es den Klageantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen.

(3) Hat der Beklagte entgegen § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 nicht rechtzeitig angezeigt, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle, so trifft auf Antrag des Klägers das Gericht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung; dies gilt nicht, wenn die Erklärung des Beklagten noch eingeht, bevor das von den Richtern unterschriebene Urteil der Geschäftsstelle übermittelt ist. Der Antrag kann schon in der Klageschrift gestellt werden. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist auch insoweit zulässig, als das Vorbringen des Klägers den Klageantrag in einer Nebenforderung nicht rechtfertigt, sofern der Kläger vor der Entscheidung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Ist ein Zwischenstreit zur Entscheidung reif, so kann die Entscheidung durch Zwischenurteil ergehen.

(1) Ansprüche auf Zahlung von Kosten verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten, durch Vergleich oder in sonstiger Weise beendet ist. Für die Ansprüche auf Zahlung von Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz beginnt die Frist frühestens mit dem rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens.

(2) Ansprüche auf Rückerstattung von Kosten verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Zahlung erfolgt ist. Die Verjährung beginnt jedoch nicht vor dem in Absatz 1 bezeichneten Zeitpunkt. Durch Einlegung eines Rechtsbehelfs mit dem Ziel der Rückerstattung wird die Verjährung wie durch Klageerhebung gehemmt.

(3) Auf die Verjährung sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden; die Verjährung wird nicht von Amts wegen berücksichtigt. Die Verjährung der Ansprüche auf Zahlung von Kosten beginnt auch durch die Aufforderung zur Zahlung oder durch eine dem Schuldner mitgeteilte Stundung erneut. Ist der Aufenthalt des Kostenschuldners unbekannt, genügt die Zustellung durch Aufgabe zur Post unter seiner letzten bekannten Anschrift. Bei Kostenbeträgen unter 25 Euro beginnt die Verjährung weder erneut noch wird sie gehemmt.

(4) Ansprüche auf Zahlung und Rückerstattung von Kosten werden vorbehaltlich der nach Nummer 9018 des Kostenverzeichnisses für das erstinstanzliche Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz geltenden Regelung nicht verzinst.